Ein Flohmarkt mit besonderen Angeboten

Mel war erst vor wenigen Wochen fünfzehn Jahre alt geworden. Ihre beste Freundin Tina hatte dies schon zwei Jahre früher geschafft und wartete nun sehnsüchtig auf ihren achtzehnten Geburtstag, der mit großen Schritten nahte. 
Auch überragte sie Mels 1,64m ein Stückchen, doch ihre blonden Haare waren nicht halb so lang wie die von Mel. 

Die beiden kannten sich schon ewig und hatten eine große Gemeinsamkeit: Sie liebten die Musik der Kelly Family. Ihre Haarfarben ähnelten sich stark, aber Mel hatte schon so manches Mal neidisch auf Tinas eigentlich vorhandene Naturlocken geblickt. 



An einem kalten Sonntag im November `94 saßen sie wie viele Male zuvor auf dem Flohmarkt. Beide liebten die wilde Ansammlung von Ständen, an denen sich überflüssige an außergewöhnlich schöne Exponate reihten. Wenn sie sich bei Gelegenheiten nicht gerade selbst das Taschengeld etwas aufbesserten, gingen sie auf die Suche nach kostbaren Fundstücken. 

Mels aktuellste Errungenschaft war eine Schallplatte der Kelly Family aus den 70ern. Für sie war es unbegreiflich, wie jemand so etwas einfach verschleudern konnte, aber beschweren würde sie sich mit Sicherheit nicht darüber. Es war auch nicht die einzige LP gewesen, die sie an dem Stand hattet ergattern können.

„Wat den Eenen sin Uhl, is den Annern sin Nachtigall.“ So sagte ihr Opa immer. Tina hatte sie nur verständnislos angesehen, als es Mel ebenfalls einmal herausgerutscht war. 

„Na, was dem Einen seine Eule, ist dem Anderen seine Nachtigall!“, hatte Mel ihr seufzend erklärt. „Menschen sehen Dinge eben unterschiedlich. Was der Eine nicht mehr brauchen kann, ist für mich oder dich vielleicht so viel wert wie ein Goldschatz!“ 

„Ja, da hat das Sprichwort recht!“, stimmte ihre Freundin zu, doch Mel sinnierte schon weiter. „Eigentlich sollte das das Motto jedes Flohmarkts sein!“ 

Wieder nickte Tina und beider Augen wanderten über ihren eigenen Tisch, wo sich diverse Dinge drängten.

Leider fiel es vor allem Mel schwer, sich von ihrem geliebten Ramsch zu trennen, doch dieses Mal hatten Martina und Herbert, Verwandtschaft der beiden, ein paar Sachen von ihrem Segelschiff aussortiert und den beiden zur Verfügung gestellt. Den Erlös durften sie behalten.

Es sollte der letzte Markt des Jahres sein, der unter freiem Himmel stattfand. Bis zum Frühjahr mussten sie dann wohl oder übel mit Hallenmärkten vorliebnehmen und sowohl der Kalender als auch das Wetter ließen keinen Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung. Der Morgen war bisher ziemlich kalt gewesen und sie hatten es mit Mühe und viel heißem Kakao geschafft, sich vor einem elendigen Erfrierungstod zu bewahren.

Natürlich waren sie vermummt mit Schal, Handschuhen und dicken Jacken und vertrieben sie sich jetzt die Zeit damit, in den unzähligen Käufern verkleidete Kellys zu erkennen. Aber obwohl diese sich in ihrer Freizeit auch gerne auf Flohmärkten aufhielten, ging keiner der beiden ernsthaft davon aus, jemals einen Kelly in ihrer Kleinstadt anzutreffen.
Sie hatten zwar letztes Jahr mit ihrer Bühne auf dem kleinen Marktplatz des Ortes gestanden und Konzerte gegeben, aber bei dem Medienrummel, der mittlerweile um sie ausgebrochen war, war es mehr als unwahrscheinlich, dass dies noch einmal vorkommen würde. Doch als sie in diesen eisigen Stunden in Wolldecken verpackt hinter ihrem Stand saßen, hatten Mel und Tina trotzdem ihren Spaß und bekanntlich starb die Hoffnung zuletzt.
„Guck schnell! Das Mädchen da vorne hat genauso einen Rock wie Maite!“, rief Mel aufgedreht, doch als Tina genauer hinsah, fing sie an zu lachen. „Das ist Nadine, eine Freundin meiner Schwester! Sie ist auch den Kellys verfallen.“ Dann hob sie einen Arm und winkte fröhlich. „Hallo Dini, schon einen irischen Sänger gesichtet?“

„Nein, leider nicht.“ Nadine schüttelte lachend den Kopf und ging weiter.
Tina hielt weiter Ausschau und hatte ebenfalls gleich ein verdächtiges Subjekt erspäht! „Sieh mal, der lächelt genau wie Jimmy!“ 

„Ach Quatsch, der ist doch viel zu fett“, beurteilte Mel stirnrunzelnd. „Aber der da, der hat ebenso tolle Haare wie Angelo!“ Ein verträumter Glanz erschien in ihren Augen, bis derjenige sich umdrehte und beide zeitgleich losgackerten. Besagter Typ war ein Mädchen...
Doch dann deutete Tina aufgeregt auf einen Kunden am Stand gegenüber, der gerade dabei war, einen Hut anzuprobieren. „Der Mantel sieht aus wie der, den Angelo sich auf dem Flohmarkt in London gekauft hat!“

Begeistert musste Mel ihr Recht geben. „Stimmt! Ich hätte auch gerne so einen! Vielleicht sollte ich einfach mal fragen, wo er den her hat?“ Doch gerade als Mel sich in Bewegung setzte, fiel Tina etwas auf. 

„Er?“, fragte sie skeptisch und deutete auf den Pferdeschwanz, der nach vorne über die Schulter fiel und den beiden nicht sofort aufgefallen war. „Das ist bestimmt wieder ein Mädchen.“ 

Mel war stehen geblieben und zuckte mit den Schultern, bevor sie ihren Weg fortsetzte. „Na und, dann frage ich sie halt, aber ich gäbe so einiges drum, den gleichen Mantel wie Angelo zu haben, abgesehen davon, dass der mir nicht nur deshalb so gut gefällt!“ 

Doch kurz bevor sie ankam, wurde der Zopf auf den Rücken verfrachtet, wodurch deutlich wurde, dass er offenbar so lang war, dass er eben vermutlich störend in den Auslagen gehangen hatte. Abrupt blieb Mel stehen, ihre Augen weiteten sich entgeistert, während sie stoßweise in weißen Schwaden den Atem ausstieß. Einen Sekundenbruchteil später drehte sie sich auf dem Absatz um und raste zu Tina zurück. 

„Was ist denn mit dir passiert? Sticht dich der Hafer? Wieso hast du nicht gefragt?“ Kichernd musterte sie Mel, die nach wie vor kein Wort herausbrachte und deren Kopf hektisch zwischen ihr und dem Mantel hin- und herjagte. 

Das Grinsen wich irritiert aus Tinas Gesicht. „Hey, was ist denn los?! Hast du ein Gespenst gesehen?“

Endlich kooperierten Mels Lunge und Stimmbänder wieder und ihr Blick verharrte nun auf ihrer Freundin. Mechanisch hob sie einen Arm und zeigte auf die Person des Anstoßes. 

„Das ist Paddy!“, stieß sie gepresst hervor und ungläubig schnellte Tinas Kopf herum. 

„Du willst mich wohl verkohlen!“

„Nein!“, japste Mel und stützte sich mit den Händen auf ihren Oberschenkeln ab, während sie GTina mit gerunzelter Stirn ansah.

„Dann ist das Angelos Mantel!“, stellte diese halblaut fest, nun ebenfalls ein wenig aus der Fassung gebracht. 

„Selbst wenn! Guck dir doch mal die Schuhe an! Das ist definitiv größer als Schuhgröße 43! Glaub mir, das ist nicht Angelo gewesen!“
Während sie noch darüber nachdachte, sah Tina, wie die Begleitung des vermeintlichen Kellys sich immer wieder auffallend unauffällig umschaute. Dann erst wurde sie von einer Erkenntnis getroffen. 

„Das ist Tom, der süße Ordner vom Hamburg Konzert im März! Debbie hat gesagt, er ist jetzt Bodyguard von Paddy! Das würde ja bedeuten, dass du recht hast!“ Die letzten Worte wurden immer leiser, bis sie kaum noch zu verstehen waren.

Jetzt drehte sich der junge Mann mit dem Mantel zur Seite und sprach gedämpft mit seinem Nebenmann. In der Hand hielt er den Hut, für den er sich offensichtlich entschieden hatte und den er nun zufrieden auf seine braune Mähne setzte. 

Es gab absolut keinen Zweifel mehr!

„Dieses Lächeln und Tom hier…“, flüsterte Tina und sah fassungslos zu Mel, die es ebenfalls noch nicht glauben konnte. „Das ist tatsächlich...“

„Paddy!“, stieß Mel aufgeregt hervor und vollendete so den Satz ihrer Freundin, wie sie es so oft taten. Doch dann schlug sie sich erschrocken die Hand vor den Mund.

So laut hatte sie das gar nicht sagen wollen, stellte aber erleichtert fest, dass er es offenbar nicht gehört hatte! 

„Was machen wir denn jetzt?!“ Trotz der schier unerträglichen Aufregung schaffte Mel es, ihre Stimme kurzfristig wieder in den Griff zu bekommen.  

„Na, geh hin und sprich ihn an!“, erklärte Tina, als wäre dieser Schritt das Selbstverständlichste der ganzen Welt, erntete aber nur den ungläubigen Blick ihrer besten Freundin. 

„Bist du irre?! Ich kann doch nicht einfach zu dem hingehen!“, zeterte Mel aufgebracht, aber Tina blieb ruhig. 

„Wieso nicht? Was ist denn schon dabei? Er ist doch auch nur ein Mensch!“

„Wenn nichts dabei ist, dann geh du doch!“ 

„Warum ich? Du bist doch diejenige, die ihn so süß findet und immerhin standest du gerade schon fast neben ihm!“

„Tina, begreifst du denn nicht, das ist Paddy! Was soll ich denn sagen?!“ Ohne die Augen von ihrer Freundin zu lösen, zeigte sie erneut in dessen Richtung, stieß jedoch dieses Mal mit dem ausgestreckten Finger gegen etwas Stoff, welcher anscheinend einen Oberkörper bedeckte. Erschrocken biss sie auf ihre Unterlippe und obwohl sie das Schlimmste bereits ahnte, wandte sie wie in Zeitlupe ihren Kopf zur Seite und blickte direkt in Paddys umwerfendes Grinsen. 

„Wie wäre es mit ‚hallo‘?“ 

Der neue Hut stand ihm unsagbar gut, doch das war nicht der einzige Grund, weshalb Mel der Atem weiterhin stockte. Instinktiv zog sie den Kopf ein und versuchte, so viel wie möglich von ihrem Gesicht hinter dem Schal zu verstecken, doch die Rötung schien ihre Augen regelrecht zu umrahmen und brachte deren strahlendes Blau noch mehr zum Leuchten, als die Wintersonne sich in ihnen fing. 

„Interessant hier bei euch!“, stellte er fest, doch sein Blick ruhte nicht auf den angebotenen Waren, sondern suchte nach wie vor Mels, der unsicher seinem auswich. Fast wie gelähmt, verharrte sie in ihrer Position und brachte kein Wort heraus. Wo war das sprichwörtliche Loch, wenn man es herbeisehnte?!

So hatte sie sich das nicht vorgestellt! Sie wollte lässig und cool sein, wollte ihn mit ihren lockeren Sprüchen beeindrucken und mit ihrem Charme um den Finger wickeln! Und jetzt? Jetzt bekam sie nicht mal eine simple Begrüßung zustande. Ihr Schweigen verbesserte ihr Unbehagen nicht im Geringsten, aber sie konnte nichts dagegen tun. 

Warum sagte Tina denn nicht wenigstens etwas?! 

Dann endlich unterbrach diese das verlegene Schweigen. 

„Braucht ihr vielleicht noch einen Ersatzkompass für die „Sean o' Kelley“? Oder vielleicht eine Schiffslaterne?“ 

Im Vergleich zu Mel war sie die Ruhe selbst. Ein wenig wurde sie von ihrer Freundin in diesem Moment darum beneidet, als diese sie aus den Augenwinkeln beobachtete, dann wanderte ihre Aufmerksamkeit wieder zu Paddy, der Tina zwar zuhörte, jedoch sehr darauf bedacht war, sich wieder Mel zuwenden zu können. 

„Ja, ich habe gerade schon mitbekommen, dass wir aufgeflogen sind“, gab er zu und sein Lächeln traf Mel mitten ins Herz. Tina war nicht annähernd so eingeschüchtert durch die Anwesenheit des Kellys. „Was machst du denn eigentlich alleine hier in unserem gottverlassenen Kaff?“ 

Er zögerte kurz, bevor er sich langsam ein Stück zu ihnen hinüberbeugte und mit gedämpfter Stimme antwortete. „Ich bin nicht alleine hier.“ Dann drehte er sich kurz um, bevor er weitersprach. „Huch! Joey war eben noch hinter mir!“ 

Wie vom Blitz getroffen war es mit Tinas Gelassenheit vorbei. „Was?! Joey ist auch hier?“ Suchend rasten ihre Augen von einem Marktbesucher zum nächsten, konnten ihn aber nirgends ausfindig machen. 

Paddy schien ihren Sinneswandel nicht zu bemerken. „Ja, wir sind alle hier. Wir haben uns getrennt, damit wir nicht so auffallen.“

„Du fällst auch ganz alleine auf...“, hauchte Mel tonlos mehr zu sich selbst als zu ihrem Gegenüber, doch Letzterer hatte zu ihrem Missfallen jedes Wort verstanden, was sich durch eine kaum wahrnehmbare Änderung seiner Mimik zeigte. Es war nur eine winzige Nuance, doch Mel entging sie nicht, aber genau konnte sie den Ausdruck darin nicht lesen. Das gerade aufgelöste Rot kehrte jäh auf ihre Wangen zurück und gab ihrem Gesicht ein noch lebendigeres Aussehen. 
„Paddy...äh...ich meinte, Michael, oh, du unterhältst dich gerade.“ Ein blonder Mann am Nebenstand hatte sich gerade zu ihnen umgedreht und als er merkte, dass sie Zuhörer hatten, versuchte er nun erfolglos, noch die Kurve zu bekommen. 

„Na, wenn das mal nicht Jimmy ist…!“, stellte Tina kichernd fest, während sie möglichst beiläufig über seine Schulter spähte.

Jimmy schaute hilfesuchend zu Paddy, doch der zuckte resigniert die Achseln. „Bemüh dich nicht. Das sind...“ Er unterbrach sich selbst und wandte sich fragen zu den beiden Mädchen um. „He, ihr habt euch noch gar nicht vorgestellt!“ 

„Ihr doch auch nicht!“, entwischte es Mel trotzig, ehe sie es verhindern konnte. Eigentlich hatte sie lediglich über die Unannehmlichkeit ihrer Schockstarre hinwegtäuschen wollen, merkte aber schnell, wie dämlich diese Bemerkung gewesen war. 

Doch Paddy griff die Gelegenheit beim Schopf. Amüsiert deutete er einen Diener an, bevor er Mel die Hand entgegenstreckte. Zögernd zog sie ihre aus der warmen Jackentasche, wobei sie versuchte, sie unauffällig am Stoff abzuwischen und reichte sie ihm. 

„Mich nennt man Paddy.“ Er zwinkerte schelmisch grinsend und schien es nicht besonders eilig zu haben, sie wieder loszulassen.
„Ach...“ Sie verdrehte die Augen und auch ein unsicheres Lächeln erschien auf ihren Lippen, die sie nervös mit ihre Zunge benetzte. „Ich bin Mel.“ 

„Melanie?“ 

Der armselige Versuch, ein genervtes Stöhnen zu unterdrücken, scheiterte kläglich. 

„Nein, einfach nur Mel.“ 

„Freut mich sehr, einfach nur Mel.“ Endlich löste er seinen Handgriff, doch inzwischen tat es ihr leid. So nervös sie auch war, hatte sie dennoch genossen, wie wunderbar sich seine Haut an ihrer angefühlt hatte. 

„Und ich bin Tina!“, drängte sich Selbige dazwischen und gab ihm ebenfalls die Hand. 

Mühsam riss er seinen Blick von Mel los und sah Tina freundlich an. „Freut mich, auch dich kennenzulernen!“ 

„Da komme ich ja gerade richtig!“ Plötzlich erschien noch eine Hand zur Begrüßung vor Tina. Sie gehörte zu Joey und zappelte nun ungeduldig. „Mein Name ist Joey.“ 

„Gut, dass du das sagst, da wäre ich sonst nie drauf gekommen...“, seufzte Tina ironisch und warf ihm einen kecken Augenaufschlag zu. Die anfängliche Nervosität war wie weggeblasen. Jetzt, wo er vor ihr stand, war es, als bestünde auf Anhieb eine Verbindung zwischen ihnen. 

Jimmy räusperte sich schließlich ein wenig zu deutlich. „Ja, wir müssen denn auch weiter“, warf er den anderen geschickt den Ball zum, dem Paddy jedoch mühelos auswich. „Geht ruhig schon, ich bleib noch ein wenig“, erklärte er, ohne ihn auch nur anzusehen.  

Jimmy gab sich geschlagen und hielt ihm stattdessen den nächsten Hut unter die Nase, den er ihm eigentlich eben hatte zeigen wollen, als sie jäh unterbrochen worden waren. Paddy setzte ihn auf und drehte sich den Mädchen zu. 

„Cooles Teil, oder? Steht der mir?“

„Und wie!“, riefen Mel und Tina gleichzeitig.

„Gut, den nehme ich dann wohl auch noch“, beschloss er und bezahlte.
Jimmy druckste einen Moment herum, bevor er sich flüsternd an Tina wandte. 

„Sag mal, weißt du, wo man hier mal aufs Klo kann?“ 

„Klar, komm mit.“ 

Auch Paddy schien ein dringendes Bedürfnis zu quälen und schloss sich an. 

„Ich muss auch mit…“, mischte Mel sich ein und folgte den dreien. 

Das fehlte ja noch, dass Tina sich mit diesen beiden hübschen Kellybrüdern alleine aus dem Staub machte!

Weil sie die Platznachbarn kannten, konnten sie unbesorgt ihren Stand einen Moment alleine lassen.

Doch als sie zurückkamen, staunten sie nicht schlecht! Da standen dort doch tatsächlich Maite, Joey und Barby an ihrem Tisch und interessierten sich lebhaft für das Segelzubehör.

„Gehört euch der Stand?“, fragte Joey.

„Du meinst den Kelly Magneten? Ja, der gehört uns…“, grinste Mel, die sich langsam etwas sicherer fühlte, doch Joey blickte verwirrt sie an. 

„Kelly – was?“ Er stellte sich ahnungslos, doch dann sah er, wie Paddy und Jimmy den beiden folgten. 

Er räusperte sich und schmunzelte. 

„Äh, ja okay, verstehe. Also, klasse Dinge habt ihr hier. Was wollt ihr denn dafür haben? Ich hätte gerne den Kompass und ich glaube, Barby hat ein Auge auf die alte Staffelei dort geworfen, oder?“

Barby nickte zustimmend. „Ja, sie ist wirklich schön und außerdem hätte ich dann endlich eine fürs Schiff und müsste  meine nicht immer hin- und herschleppen.“
Auch ein paar der anderen fanden noch etwas, das sie gerne haben wollten.

„Also? Was bekommt ihr dafür?“, wollte Joey nun erneut wissen.

Mel zögerte nicht lange. „Ich tausche den Kram gerne gegen Autogramme und vielleicht auch noch ein Foto?“ 

„Könnt ihr haben, aber Geld sollt ihr auch noch kriegen“, beharrte Joey.

Mel blickte Tina mit großen Augen an. „Dass man so etwas noch erleben darf: Da wollen die Kellys Geld für ein Foto mit uns bezahlen!“

Joey und die anderen prusteten los. „Nicht für ein Foto, für die Sachen natürlich.“

„Ach so...“, murmelte Mel mit einer zunehmend roten Gesichtsfarbe.

„Also von mir aus steht der Deal mit den Fotos und den Autogrammen“, stimmte Tina ihrer Freundin zu, aber Joey schüttelte vehement den Kopf. Sie fand ihn süßer denn je. Er wollte gerade anfangen, auf sie einzureden, da kam sie ihm zuvor. „Doch, doch, ihr steckt das Geld jetzt ein! Keine Widerrede!“ 

„Oh...noch so eine Verrückte!“, stöhnte er in gespielter Verzweiflung. „Kann ich euch wenigstens zu einem Eis einladen?“ 

Die Mädels strahlten. „Aber immer doch!“ 

„Eis? Da bin ich dabei!“, rief Angelo fröhlich, der offenbar magisch durch das Wort angezogen worden war und wie aus dem Nichts neben ihnen stand.

„Na, dann ist die Sache abgemacht!“ Joey gab Tina die Hand zur Bestätigung des Geschäfts.

Irgendwie war ihm das Mädchen auf Anhieb sehr sympathisch. Er stellte Angelo die Mädchen kurz vor, dann machten sie sich auf den Weg in die Stadt.

Mel ging neben Angelo und unterhielt sich mit ihm über Musik. Sie war so vertieft, dass sie nicht auf die Straße achtete und natürlich prompt stolperte.

„Hoppla, Augen auf beim Eierlauf!“, rief Paddy amüsiert, der plötzlich neben ihr aufgetaucht war und sie am Arm auffing. 

„Eierkauf!“, korrigierte sie ihn schneller, als sie es hätte verhindern können. 

„Ach, Hauptsache, es ist dir nichts passiert.“ Sein verschmitztes Lächeln traf sie bis ins Mark. 

„Danke“, gab sie schüchtern zur Antwort und wandte sofort verlegen den Blick wieder von ihm ab.

Gern hätte sie noch irgendeinen witzigen Spruch zurückgegeben, aber sie wusste partout nicht, was sie hätte sagen sollen. Warum nur konnte sie sich mit Angelo normal unterhalten und bei Paddy kam sie nicht über wenige Worte hinaus?!


In der Eisdiele angekommen, schoben sie kurzerhand zwei Tische zusammen und machten sich über die Karte her.

„Habt ihr gar keine Angst um euren Stand?“, wollte Jimmy wissen.

„Nö, wir sind oft auf dem Flohmarkt und daher bekannt unter den Nachbarn, wie ihr vorhin schon bemerkt haben solltet. Die passen auf“, beruhigte Tina ihn, während Paddy die Bestellung aufgab.
Dann beugte sie sich zu Mel und begann zu flüstern. „Wolltest du Paddy nicht nicht was fragen, solltest du ihn einmal treffen?“

Mel überlegte, aber spontan fiel ihr nicht ein, was Tina meinen könnte. Sie zuckte mit den Schultern.
„Doch, du wolltest wissen, ob er sich rasiert, weil du noch nie richtige Stoppeln bei ihm gesehen hast.“ Tina sprach nach wie vor relativ leise, jedoch war ihre Stimme immer noch so laut, dass sich jetzt fast alle Augen auf sie richteten.

„Tina!“ Mel wäre am liebsten im Erdboden versunken!

Klar wollte sie das wissen, aber doch nicht unbedingt selber fragen! Es lag ihr auch fern, ihn bloßzustellen, falls er tatsächlich mit fast siebzehn noch keinen Bartwuchs hatte.

Aber Paddy ließ sich nicht verunsichern und seine Lippen verzogen sich zu einem vergnügten Grinsen. Er fand es niedlich, wie Mel schon wieder rasend schnell die Schamesröte ins Gesicht stieg. „Ja, nicht richtig. Aber das wird mich auch noch einholen, daher bin ich da jetzt gar nicht traurig drüber. Es spart morgens durchaus Zeit, wenn ich mir meine Brüder so im Vergleich angucke.“ Sein Blick fiel auf Angelo. „Naja, meine größeren Brüder“, fügte er noch breiter schmunzelnd hinzu. 

Der jüngste Kelly verengte die Augen und murmelte etwas Unverständliches in Paddys Richtung.
Mel lächelte zufrieden, ohne ihren Schwarm anzusehen.

Wieder hätte sie gerne etwas Lockeres erwidert, aber sobald seine Augen auf sie gerichtet waren, bekam sie weiterhin kaum einen Ton heraus. 

Sie wollte sich so gerne mit den Kellys unterhalten und vor allem mit ihm, aber sie hatte Angst, erneut irgendwelche blöden Dinge zu sagen, daher schob sie das Gespräch gleich wieder zu Tina. „Du wolltest Joey doch auch was fragen.“

„Ja, richtig, und zwar habe ich gehört, du willst vielleicht eine eigene Heavy Metal Band gründen? Stimmt das?“

„Ich habe mal mit dem Gedanken gespielt, aber das ist nichts Spruchreifes“, antwortete dieser sichtlich erfreut, dass das selbstbewusste Mädchen Interesse an ihm zeigte.
„So, das nächste Eis geht auf uns. Wir haben heute schon gut verdient, von daher ist das kein Problem. Oder könnt ihr etwa schon nicht mehr?!“, rief Mel in die Runde.

Angelo schaute sich demonstrativ in der nicht allzu kleinen Runde um. „Mann, da müsst ihr echt nicht schlecht eingenommen haben!“
„Ach, wir feiern einfach schon mal deinen Geburtstag vor“, meinte Mel zu Tina.

Joey horchte auf. „Wann ist der denn?“

„Och, erst in gut vier Wochen, am 8. Dezember.“

„Oh, drei Tage nach mir!“, rief Paddy.

„Genau!“, antworteten Mel und Tina wie aus einem Mund.

Alle amüsierten sich, doch Tinas Lachen stach deutlich aus den anderen hervor. Krampfhaft beruhigte sie sich wieder und wandte sich Paddy zu. 

„An deinem letzten Geburtstag war mit mir überhaupt nichts anzufangen! Ich war mit meinen Gedanken die ganze Zeit nur in Iserlohn, wo ihr an dem Tag aufgetreten seid. Ich bin sogar völlig abwesend gegen den Seitenspiegel eines parkenden Lasters gerannt und der war nun wirklich nicht zu übersehen! Maike hat sich kaputt gelacht und ich hatte eine Beule...“
Paddy fing an, laut zu gackern, während Joey sie skeptisch von der Seite beobachtete.
Tina bemerkte sofort, wie seltsam er sie ansah. „Brauchst gar nicht so zu gucken! Von der Beule sieht man nichts mehr!“

Doch dies war nicht der Grund für Joeys Blick gewesen, aber das behielt er schmunzelnd für sich.
Angelo warf ein neues Thema in die Runde. „Habt ihr zufällig noch mehr so tolle Sachen, die ihr verkaufen wollt?“

„Ja, wir haben noch eine Kiste Klamotten, die sehen fast aus wie aus dem letzten Jahrhundert. Die Sachen sind von meiner Oma. Sie war früher mal beim Theater. Da könnte was für euch bei sein“, erklärte Mel.
Barby und Maite waren begeistert. „Wartet hier, wir suchen Kathy und Patricia, die interessiert das sicher auch!“

Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, waren die zwei auch schon aufgesprungen und unterwegs. 

Sie hatten es nicht weit, da die Eisdiele ganz in der Nähe des Flohmarktplatzes lag.
Aber da kamen die Vermissten schon auf sie zu, denn die Stimmen der Geschwister waren nicht zu überhören gewesen.
„Hello!“, rief Kathy in die Runde.

„Na, ihr beiden, das sind Mel und Tina. Wir haben sie eben auf dem Flohmarkt kennengelernt. Sie haben einen Stand mit sehr interessanten Dingen und auch noch tolle Klamotten in peto. Aber setzt euch doch erst einmal“, begrüßte Maite ihre großen Schwestern. 

„Noch drei Eisbecher bitte!“, rief Paddy dem Kellner zu. „Du willst doch auch ein Eis, oder Sean?“ 

„Yes!“
Als sie aufgegessen hatten, kehrten sie zum Stand zurück.
„Hier ist die Kiste...“ Stöhnend zerrte Mel die antike Truhe unter einem Haufen Tücher und ein paar schweren Teppichen hervor. 

„Warte, soll ich dir helfen?“, bot Paddy sich hilfsbereit an und ohne eine Antwort abzuwarten, fasste er nach dem Griff der Truhe.

Ihre Hände berührten sich nur einen Sekundenbruchteil und ein glühendes Kribbeln zog Mels Arm entlang. Es wirbelte durch ihren Verstand und brachte ihre Sinne völlig durcheinander!

Vor Schreck ließ sie los und fiel rückwärts in Paddys Arme, der lieber ebenfalls von der Kiste abgelassen hatte, um Mel aufzufangen.
„Na, ich sagte vorhin schon, du sollst auf dich aufpassen! Ich bin ja nun nicht immer da, um dich vor Schaden zu bewahren. Was willst du nur ohne mich machen?!“, lachte er und zwinkerte ihr zu.

„Ja, weiß ich auch nicht. Allerdings bin ich ohne dich auch nicht so nervös...“

Oje, und schon wieder hatte sie etwas gesagt, was sie doch eigentlich nur hatte denken wollen. 

„Äh, aber danke.“

„Nervös? Wieso das denn?“ Verwundert betrachtete er sie. Okay, es war nicht ungewöhnlich, dass jemand nervös in ihrer Gegenwart war, aber mit Angelo hatte sie sich doch schließlich vorhin auch ganz normal unterhalten.

„Ach, schon gut.“ Sie winkte ab und wollte nur ganz schnell das Thema wechseln. So raffte sie sich aus seinen Armen auf, was ihr schon sehr leid tat, und öffnete die Truhe. 

„So, dann schaut doch mal, ob euch was gefällt.“
Die Kelly Mädchen wühlten sichtlich begeistert in den Sachen.

Die meisten Dinge waren Kleider und sie fanden eine Menge, die sie gerne haben wollten.

Aber auch dieses Mal wollte Mel kein Geld von ihnen annehmen.

„Es ist mir eine Ehre, euch die Dinge zu schenken. Ich würde mich freuen, wenn ich euch mal mit einem der Teile auf der Bühne sehen würde. Das reicht mir als Bezahlung.“
Die Kellys hatten bereits begriffen, dass es hoffnungslos war, mit ihr zu diskutieren, daher ließen sie es einfach gut sein und freuten sich.

Nur Paddy startete einen letzten Versuch. „Aber kann man sich denn gar nicht irgendwie erkenntlich zeigen?“ 

„Hm, vielleicht könnten wir ja mal Backstagekarten bekommen, wenn ihr wieder in der Nähe seid, damit man sich mal wieder trifft?“ 

„Ja, na klar! Das wäre doch nett“, stimmte er erfreut zu. 

„'Nett' ist der kleine Bruder von 'scheiße'...“, murmelte Mel leise, aber Paddy korrigierte sich sofort. „Nein, so war das nicht gemeint! Eigentlich sollte es heißen: ‚Das würde mich sehr freuen‘.“ 

„Na gut, das klingt ja schon besser.“
Mel sagte ihm die Adresse, damit sie ihnen die Karten zukommen lassen konnten.

Er hatte Zettel und Stift in der Hand und war dabei, diese zu notieren, als sie tief Luft holte und all ihren Mut zusammennahm. Was hatte sie schon zu verlieren?

„Willst du vielleicht auch meine Telefonnummer?“, fragte sie gerade heraus, merkte aber, dass ihre Stimme leicht zitterte. 

„Ja, warum nicht“, gab Paddy jedoch nur kurz zur Antwort. 

„Schon wieder so viel Begeisterung...“ Sie verdrehte die Augen, um ihre Unsicherheit zu überspielen. 

Lachend knuffte er sie in die Seite. „Jetzt sag schon die Nummer.“ 

Sie ließ sich nicht zwei Mal bitten. 

Joey dagegen hatte sich Tinas Nummer schon längst organisiert.
„Sag mal, was macht ihr eigentlich hier im Norden? Ihr habt doch kein Konzert, so weit ich weiß, oder?“, fragte Mel Paddy, nachdem sich ihr Puls wieder etwas beruhigt hatte. 

„Nein, haben wir nicht. Wir suchten einen beschaulichen Ort, da man auf dem Hausboot keine Ruhe mehr hat, um Songs zu schreiben. Die belagern ja das Boot, die Busse und sogar das Studio. Man kann nirgendwo mehr normal herumlaufen.“ Er sah betrübt aus. 

„Das stelle ich mir wirklich nervig vor! Wie lange bleibt ihr denn noch? Vielleicht kann man sich ja noch mal wiedersehen?“, fragte Mel vorsichtig, dann merkte sie, was sie da eigentlich gesagt hatte. „Also ich will mich nicht aufdrängen wie die, die das Hausboot belagern! Ich meine“, sie hob die Schultern und ließ sie wieder fallen, während sie seufzte, „es war einfach nett mit euch.“ „‚Nett‘ ist der kleine Bruder von ‚scheiße‘, hab ich vor kurzem gelernt.“, warf Paddy schmunzelnd ein. 

Mel verengte die Augen. „Vielleicht nehme ich das lieber doch wieder zurück…“

Aber Paddy lachte. „Bitte nicht! Das lässt sich bestimmt einrichten und in dieser kleinen Stadt lässt sich das ja auch kaum vermeiden...äh, nicht das ich das jetzt wollte, ne.“
Mel hatte gesehen, dass er ein Handy hatte. Sie hätte ihn gerne auch nach seiner Nummer gefragt, aber sie traute sich nicht und wollte auch nicht noch aufdringlicher sein. Von der Sorte gab es ja schließlich schon genug. Es interessierte sie ebenfalls brennend, wo sie denn wohnten, aber auch danach mochte sie nicht fragen. Er hatte schon Recht, wahrscheinlich würde man sich hier sowieso früher oder später wieder über den Weg laufen.
Inzwischen waren sie fast die letzten auf dem Markt und beschlossen, den Stand abzubauen. Mel rollte den Bollerwagen ein Stück näher ran, als Joey sie belustigt ansah.
„Na, schafft ihr das auch mit dem Gefährt bis nach Hause?“, fragte er amüsiert aber freundlich. 

„Ja, Tinas Mutter holt gleich einen Teil der Sachen mit dem Auto ab, der Rest ist dann nicht mehr so schwer. Aber falls das ein Angebot sein sollte, vielen Dank.“

Tina sah ihre Felle schon davonschwimmen und mischte sich hastig ein. „Naja, du dürftest uns den Karren ruhig bis zum Parkplatz bringen, wenn du möchtest. Du hast ja schließlich doch etwas mehr Kraft als wir.“
Tina wollte die Kellys noch nicht ziehen lassen. Vor allem Joey nicht. Und sie wurde das Gefühl nicht los, dass der ganz und gar nichts dagegen hatte, die anderen vorgehen zu lassen. 

So verabschiedeten sie sich von den anderen Kellys und wünschten ihnen noch eine schöne Zeit und viel Kreativität für ihre neuen Werke. Sie bekamen sogar von allen noch Umarmungen zum Abschied und gerade bei Paddy wünschte sich Mel, er würde sie gar nicht mehr loslassen. Mit geschlossenen Augen sog sie den Geruch seiner Haare ein, die lieblich nach Shampoo dufteten.
Sie war traurig, als sie die Familie dann in der Ferne verschwinden sah. Aber sie wollte nicht Trübsal blasen, dass es vorbei war, sondern sich freuen, dass sie so ein Glück gehabt hatte, die Geschwister ein paar Stunden lang ganz aus der Nähe gesehen und einen wirklich schönen Nachmittag mit ihnen verbracht zu haben. 

Naja und immerhin war Joey auch noch da, auch wenn der offenbar nur Augen für Tina hatte. Es schien mächtig zwischen den beiden zu knistern, wenn es nicht sogar schon gefunkt hatte. 

Mühelos zog er ihnen den vollgepackten Handkarren zum vereinbarten Treffpunkt, wo sie auf Tinas Mutter warteten und die nicht verkauften Sachen auf Kofferraum und Bollerwagen aufteilten.

Dann machte sich jeder auf den Weg nach Hause.
Mel beförderte den Handwagen mit ihrem übriggebliebene Anteil der Sachen problemlos nach Hause, wo sie ihn unberührt in der Garage abstellte. Sie hatte mittlerweile ein Stadium erreicht, in dem sie nur noch durch die Gegend schwebte und ihren Eltern den letzten Nerv raubte, als sie, ohne Luft zu holen, von dem vergangenen Nachmittag berichtete.

Am Anfang schenkte man ihr weder Gehör noch Glauben, doch schließlich gaben sie ihr recht, nur um endlich ihre Ruhe zu haben.
Immer noch beschwingt ging sie nach oben und machte Musik an.

Es war unglaublich! Einfach unfassbar! Sie war den Kellys begegnet und hatte mit ihnen geredet, sie berührt, ihnen Klamotten geschenkt! Sie hatte Paddy sogar ihre Telefonnummer aufgeschwatzt!

Sie könnte platzen  vor Energie! Sie musste tanzen! Sofort!

Ohne lange zu überlegen, entschied sie sich für die „Wow“ CD der Kelly Family und fetzte zu „One more freaking dollar“ wie eine Irre durch ihr Zimmer.

 

„Ich hab dir gesagt, wir hätten ruhig mit denen mitgehen können! Das wäre unsere Richtung gewesen!“, maulte Paddy, während sie um die nächste Straßenecke bogen und er stehen blieb. Er riss die Arme hoch. „Angelo, wir sind hier total falsch!“ „Sind wir gar nicht!“, erwiderte dieser beharrlich und zeigte auf den Kirchturm in der Ferne. „Wir müssen in die Stadtmitte.“

„Ja, aber wir waren dem Kirchturm vorhin schon deutlich näher! Ach hätten wir nur Tom nicht weggeschickt! Der hätte mir jetzt recht gegeben.“

„Quatsch. Und jetzt trödel nicht, ich hab Hunger.“ „Das hast du immer.“ „Ich bin im Wachstum!“ „Ich auch“, konterte Paddy und setzte seinen Weg fort. 

Die Stadt war wirklich nicht besonders groß und so hatten sie bald ihr Hotel erreicht. Im Zimmer angekommen, das er sich mit Angelo teilte, warf er sich aufs Bett und nahm sich sofort seine Gitarre.

Angelo hat irgendwo eine Tüte Erdnüsse auftreiben können, welche er sich genüsslich einverleibte. Als Paddy zu spielen begann, verdrehte er die Augen. „Was ist los mit dir?“ Er warf sich noch eine Erdnuss in den Mund. „Wobei ich es mir vermutlich denken kann, oder?“ 

Sein Bruder zuckte die Achseln. „Wieso soll was los sein?“ „Du spielst diesen Song immer, wenn dich irgendwas sehr beschäftigt.“ 

Paddy schnaufte leise und wechselte die Melodie. 

„Scarborough Fair?!“, bemerkte Angelo überrascht. „Seit wann stehst du auf Simon & Garfunkel?“ 

Erneut zuckte Paddy mit den Schultern. „Die waren schon immer gut. Außerdem lief das Lied vorhin auf dem Flohmarkt. Ist es dir nicht aufgefallen?“

Angelo schüttelte den Kopf.
„Vielleicht warst du gerade woanders unterwegs. Aber als wir bei Mel am Stand ankamen, lief eine Platte von Simon & Garfunkel auf einem Grammophon, das zwischen ihrem und dem Nachbarstand stand. Nachher stellte sich heraus, dass das Grammophon dem Standnachbarn gehörte, aber Mel sich die Platte gerade heute Morgen auf dem Flohmarkt gekauft hatte. Ihre Mutter hat wohl die CD, aber Mel findet Schallplatten cooler.“ Seine Augen blitzten kaum merklich auf, doch Angelo hatte es gesehen. Er stöhnte leise. „Paddy, nein!“ „Was?“ „Nein!“ „Was ist denn?“ Er hielt kurz inne und blickte auf. „Bitte sag mir, dass du dich nicht ernsthaft für das Mädchen interessierst!?“ 

Paddy antwortete nicht, sondern zupfte weiter schweigend auf der Gitarre. 

„Sie ist ein Fan!“ 

Jetzt stöhnte Paddy. „Ich weiß! Aber ich glaube, sie mag mich.“ „Natürlich mag sie dich! Sie ist ein Fan!“

Schnaubend legte Paddy endlich die Gitarre beiseite. „Und?“, fragte er trocken und sah Angelo fast angriffslustig an. Natürlich hatte er gemerkt, dass sie ein Fan war! Sie hatten ja auch kein Geheimnis daraus gemacht. Aber musste das unweigerlich ein Problem darstellen?

„Und?! Du kannst doch mit einem Fan nichts anfangen!“ „Warum eigentlich nicht?“ Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. 

„Darf ich dich mal an deine letzten Erfahrungen erinnern? Das war eine Katastrophe! Die hat uns alle irre gemacht!“ „Die war kein Fan, die ist einfach nur ziemlich durchgeknallt!“

Sein Blick ging plötzlich ins Leere. Ja, es war nicht zu übersehen gewesen, dass er Mel nervös gemacht hatte und sie zeitweise sogar so gewirkt hatte, als würde sie ihn anhimmeln. Er hatte darüber hinweggesehen, sie war so putzig dabei gewesen, hatte ihr Herz auf der Zunge getragen. 

„Wo bist du mit deinen Gedanken?“, fragte Angelo und konnte sich die Antwort schon denken. „Du siehst aus, als hätte es dich erwischt.“

Paddy seufzte und zuckte erneut die Achseln. „Ich mag sie. Sie ist mir sympathisch.“ „Ja, sie ist schon ziemlich niedlich, stimmt schon. Aber -“ „Na, dann ist sie halt ein Fan!“, wandte Paddy gereizt ein, bevor sein Bruder es erneut tun konnte. 

„Und wenn sie dich nur gut findet, weil du bist, wer du bist? Wenn sie nur den mag, für den sie dich hält?“ „Das muss ich dann wohl herausfinden“, schnaufte er. „Und sie auch. Sie weiß doch auch nur, ob sie mich wirklich mag, wenn sie mich kennenlernt!“

Lässig warf sich Angelo noch eine Erdnuss in den Mund und verengte die Augen. „Du magst sie wirklich“, stellte er abschließend sachlich fest und ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, während er kaute. Paddy drehte den Kopf weg, als er aufsprang, die Hände in die Hosentasche steckte und zum Fenster ging. Sein Blick fiel auf den leergefegten Marktplatz. „Sieht so aus.“ Er zuckte die Achseln. „Sie ist irgendwie süß. Frech und doch schüchtern. Sie hat sprechende Augen.“ „Alter Schwede, dich hat`s aber schon ganz schön erwischt.“ „Ey, geh mir nicht auf den Sack!“, pampte Paddy los und war im Begriff, sich zu ihm umzudrehen, als eine Bewegung im Augenwinkel ihn innehalten ließ. Sein Blick huschte zu dem beleuchteten Fenster eines Hauses, das auf der anderen Seite der kleinen Straße lag, die in den Marktplatz mündete. Es war nur unwesentlich höher gelegen und nicht besonders weit entfernt. Vielleicht zehn, höchstens 20 Meter. Dort tanzte jemand. Oder zumindest etwas in der Art. Paddy spitzte die Ohren und öffnete das Fenster, um besser hören zu können. Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen. „One more freaking dollar“, stellte er amüsiert fest. Er wühlte in seiner Hosentasche und zog schließlich den gesamten Inhalt heraus. Zwischen Plektrons und Kaugummis lag der Zettel, den er nun auseinanderfaltete und die Adresse mit dem durch die Straßenlaternen beleuchteten metallenen Schild an der Hauswand abglich. Seine Mundwinkel verzogen sich noch weiter nach oben. „Bingo“, murmelte er so leise, dass es eindeutig nicht an seinen Bruder gerichtet war. Dieser kam dennoch neugierig zu ihm. „Was ist denn eigentlich los?“ Dann folgte er Paddys Blick und auch er musste unweigerlich schmunzeln. „Das ist sie, oder?“ „Ja!“ „Und sie tanzt zu deinem Lied.“ „Ich weiß“, seufzte er und verschränkte die Arme vor der Brust, während er sie unverhohlen betrachtete.

 

Plötzlich hielt sie inne. Irgendwie fühlte sie sich beobachtet.

Sie wohnte zwar im dritten Stock, allerdings direkt am Marktplatz und so war es nicht einmal abwegig, dass jemand sie sah. Doch sie erstarrte förmlich, als sie feststellte, dass sich tatsächlich zwei Gestalten an einem Fenster auf fast gleicher Höhe keine zwanzig Meter entfernt offenbar über sie lustig machten.

Erschrocken öffnete sie ihr Fenster, setzte sich auf das Fensterbrett und wollte gerade motzen, ob sie ein Problem mit guter Laune hätten, da erkannte sie die zwei Spaßvögel... 

Der Groll wich aus ihrer Mimik, dafür wurde die rote Färbung noch intensiver.
„Ihr schon wieder? Verfolgt ihr mich?!“, rief sie peinlich berührt.

„Na, du Verrückte! Ja genau, wir dich...na, wenn das nicht eher umgekehrt ist!?“, erwiderte Angelo provokant.

„Entschuldigung, aber ich wohne hier nun einmal! Und darf ich mal fragen, was ihr eben so komisch gefunden habt?“

„Angelo hat nur gerade einen Witz erzählt“, antwortete Paddy ausweichend, aber leicht spöttisch grinsend.

„Ja, schon klar. Oh, Moment.“

„Meeeeel, Telefon! Tina!“, rief ihre Mutter ein Stockwerk tiefer.

„Ich bin sofort wieder da!“ Innerlich verfluchte sie ihre beste Freundin, als sie sich vom Fenster entfernen musste. 

 

„Weg ist sie“, kommentierte Angelo belustigt.

„Telefon. Mal sehen, wann sie wiederkommt.“ „Sie ist aber schon ein Wirbelwind.“ 

Paddy nickte. „Den Eindruck habe ich auch. Hatte sie vorhin gesagt, wie alt sie ist?“   

Angelo schüttelte den Kopf. „Nicht dass ich wüsste. Was denkst du, wie alt sie ist?“ 

„Vielleicht ein Jahr jünger, höchstens zwei, würde ich meinen.“

 

Mel rannte nach unten und wollte ganz aufgeregt erzählen, wer im Hotel gegenüber wohnt, doch sie kam gar nicht zu Wort, denn Tina plapperte sofort los. „Mel, weißt du wer angerufen hat...Joey! Er möchte sich morgen mit mir treffen! Ich kann es gar nicht fassen!“

Mel freute sich mit ihr. „Doch ich kann das fassen. Ist dir gar nicht aufgefallen, wie er dich die ganze Zeit angestarrt hat?! Melde dich sofort danach, okay?“

„Ja, na klar! Und was hast du noch so gemacht?“

„Och, ich habe mich nur gerade mit Paddy und Angelo unterhalten…“, antwortete sie betont nebensächlich.

„Was? Da denke ich, ich rufe bei dir an und habe eine wahnsinnige Neuigkeit und dann kommst du mit so etwas?! Wieso redest du mit Paddy und Angelo? Sind die etwa bei dir?“

„Nein, aber die wohnen gegenüber im Hotel. Du weißt doch, dass ich von meinem Zimmer da mehr oder weniger auf die Betten gucken kann“, berichtete Mel eifrig.

„Und dann hast du sie beobachtet?!“

„Äh, ne...eher umgekehrt. Du, aber ich will wieder hoch, die sitzen bestimmt noch am Fenster. Bis morgen dann!“
Tina war nicht begeistert. Dass Mel so nah bei den Kellys war und sie nicht, förderte ein eifersüchtiges Rumoren in ihm Bauch zutage. Aber irgendwie gönnte sie es ihrer Freundin ja doch. Schließlich hatte sie selbst morgen ein Date mit Joey! Bei dem Gedanken gönnte sie dem Rest der Welt alles!

Paddy löste seine Arme wieder und zeigte mit dem Zeigefinger auf seinen Bruder. „Wir gehen da jetzt rüber!“ „Was? Wieso?“ „Kennenlernen. Du weißt schon!“, erklärte er mit einer grenzenlosen Selbstverständlichkeit in der Stimme, als er auch bereits im Begriff war, das Fenster zu schließen.
„Da kommt sie schon zurück!“, stellte Angelo fest, als sie im Laufschritt wieder das Fenster erreichte. 

 

Als Mel oben ankam, wollten die beiden von gegenüber gerade das Fenster schließen.

„Na, habt ihr was vor?“, fragte sie eilig, doch äußerst bemüht, dabei gelassen zu wirken. 

„Ja.“

„Darf ich fragen, was?“

„Wir kommen mal rüber“, rief Paddy beiläufig und schloss das Fenster nun ganz. 

„Wie rüber? Wohin? Zu mir?!“ Sie sah die zwei nur noch nicken und verschwinden. 

Oh nein...! Ihr rutschte das Herz in die Hose, als sie sich hektisch in ihrem Zimmer umsah...es war unordentlich und voller Kelly Poster!

Sie wollte die beiden weder mit dem einen noch mit dem anderen gleich wieder verschrecken. Sie wusste, sie hatte nur wenige Minuten. 

Also aufräumen oder Poster abnehmen? 

 

Paddy drehte sich um und machte vor dem Verlassen des Zimmers einen Abstecher ins Bad. Kritisch warf er einen Blick auf seine Haare, die wie meistens privat zu einem schlichten Zopf zusammengebunden waren. 

„Hey Paddy, sie weiß, wie du aussiehst!“ „Was? Ich bin nur kurz auf Klo!“ „Ich hab weder den Klodeckel mit noch deinen Gürtel gehört…“ 

Paddy stöhnte und öffnete die Tür. „Okay, Sherlock, gehen wir.“

Sie sagten schnell den anderen Bescheid, dann machten sie sich auf den kurzen Weg zur Türklingel des Nachbarhauses, die Paddy nach einmal tief Durchatmen drückte. 

„Bist du etwa nervös?“, fragte Angelo erstaunt und musterte ihn. Unwirsch schüttelte sein Bruder den Kopf. „Ach was! Wieso sollte ich?“ Bevor Angelo noch einen blöden Spruch reißen konnte, öffnete Mels Vater die Tür. 

„Hallo, ich bin Paddy, das ist mein Bruder Angelo. Mel erwartet uns“, erklärte er freundlich und streckte die Hand aus. 

„Alles klar, dann kommt mal rein“, wurden sie von Mels Vater begrüßt, als er Paddys Handschlag erwiderte und sie eintreten ließ. Sie schien offenbar häufiger Besuch zu bekommen. 

Sie folgten den Treppen hinauf in den zweiten Stock und kamen auf eine Tür zu, die eindeutig nach Teenager aussah. Unscheinbar grau gestrichen stammte die Tür vermutlich noch aus der Entstehungszeit des Hauses. 

Weniger unscheinbar war die wilde Dekoration, die aus einem Sammelsurium von Erinnerungen zu bestehen schien. Fotos, Postkarten, kleine handgeschriebene Briefchen, Zeichnungen, Bierdeckel reihten sich an Kronenkorken und lustige Werbeflyer. Auch das ein oder andere Foto von den Kellys und Konzerttickets selbiger  waren darunter. Leicht zu übersehen dagegen war auf Kopfhöhe ein winziges ovales Fenster, das nicht größer als eine Din A5 Seite war, doch es war von innen zugehängt, wie Angelo feststellte, als er sich auf die Zehenspitzen stellte. 

Paddy klopfte und wartete.

Mel hatte sich für die Poster entschieden und war von Wand zu Wand gerannt, um eilig den Großteil der Bilder von der Holzverkleidung abzuzupfen. Die meisten hatten es sogar einigermaßen überstanden. Sie konnte sie gerade noch in den Kleiderschrank stopfen, als es bereits an der Tür klopfte. 

„Äh, ja, herein?“, sagte sie so leise, dass die Wartenden es fast nicht gehört hätten.

Mel hieß sie inmitten in ihrer Unordnung willkommen und trat unruhig von einem Bein auf das anderen.

Sie fühlte sich sehr unwohl. Um nichts im Leben hätte sie jetzt jemanden und schon gar keinen Kelly in dieses Zimmer eingeladen! Und doch standen sie nun da in ihrer Tür und grinsten.

„Guck mal Paddy, das sieht aus, wie in unsere Ecke im Bus früher. Nur dass da mehr Bilder von mir hingen“, grinste Angelo, während er seinen Blick über das Chaos schweifen ließ und an einem Punkt hinter ihr hängen blieb.
Sie schaute sich um. Abgesehen vom „Over the hump“ Poster, das sie bewusst hängen gelassen hatte, hatte sie leider das Bild von Paddy über dem Bett vergessen und wurde rot.

Rasch versuchte sie, das Thema von den Bildern wegzulenken. „Ja, ich kam heute nicht zum Aufräumen…“ 

„Kein Problem. Wir nehmen einfach das Bett, wenn das okay ist“, sagte Paddy und setzte sich in Bewegung. „Da hängt ja auch schon ein Bild von mir, dann scheint das ja sowieso mein Platz zu sein...“ Bei den letzten Worten schaute er sie schmunzelnd an, was ihren Kopf nur weiter davon abhielt, wieder eine normale Gesichtsfarbe anzunehmen. Musste er sie jetzt so bloßstellen? 

Wäre Tina doch nur hier, dann würde sie sich nicht ganz so hilflos fühlen! Die wusste meist, was zu sagen war. Aber auf der anderen Seite...was sollte schon geschehen, wenn sie was Dämliches sagte? Sie würde die beiden vermutlich sowieso nie wieder sehen, wenn sie abreisten.
Nickend deutete sie in die Richtung. „Klar, bitte setzt euch.“

Sie selbst nahm im Schneidersitz auf dem Kopfende Platz.

„Das Bild ist von einem Konzert im Sommer, als ihr Anfang August in Kiel gewesen seid“, erklärte sie, als würde sie sich rechtfertigen. „Damals hab ich nicht im Traum damit gerechnet, dass ausgerechnet ihr beiden auf meinem Bett sitzen würdet!“ Sie räusperte sich leise. „Aber wolltet ihr nicht texten?“, lenkte sie endlich das Thema in andere Gefilde. 

 

Gott, was ließ sie sich gerade leicht aus der Bahn werfen. Paddy fiel es schwer, sie nicht die ganze Zeit anzugrinsen. „Ja, wir sind vom Plan abgekommen. Schließlich haben wir vom Fenster aus die leere Stadt beobachtet und dich wegen der lauten Musik entdeckt und tanzen gesehen“, erklärte er schmunzelnd.
Irgendwie bekam sie schon wieder das Gefühl, dass er sie auslachte...

Sie redeten noch eine ganze Weile, bis Angelo auf einmal mit den Fingern auf der Bettkante trommelte und dann aufsprang. „Ich glaube, ich habe da gerade was im Kopf -“

„Na, das wäre ja mal was ganz Neues…“, unterbrach ihn sein großer Bruder, wofür er sofort ein paar kleine Schläge kassierte.

„Ja, ich werde los, ich will das gleich zu Papier bringen. Mel, wir sehen uns?“ Er umarmte sie kurz. 

„Ja, das hoffe ich doch. Schön, dass du da warst.“

„Kommst du mit?“, fragte er seinen Bruder, doch der schüttelte ungläubig den Kopf. Was für eine absurde Frage! Potenziell begann genau jetzt der beste Teil des ganzen Tages! „Nö, ich glaube, ich bleibe noch etwas. Wenn das in Ordnung ist?“ Er sah Mel fragend an, doch diese strahlte ihn unmissverständlich an. „Ja, das geht schon klar!“, erklärte sie nebensächlich ohne jegliche Kongruenz zu ihrem Auftreten. Sie freute sich, dass er nicht gleich die erstbeste Möglichkeit zur Flucht vor ihr wieder nutzte, sondern es im Gegenteil vorzog, noch ein wenig zu bleiben. Es war ihr schlicht unmöglich, diese Freude glaubhaft zu unterdrücken.

Ja, es war ihr zwar schon noch ein bisschen komisch zumute bei dem Gedanken, gleich mit ihm allein in einem Zimmer zu sitzen, aber das würde sich hoffentlich bald legen.
„Du musst doch sicher morgen zur Schule, oder?“, überlegte Paddy laut. 

„Ja, aber erst zur dritten.“
Und als hätte sie es gehört, tauchte ihre Mutter auf. „Du machst – oh, du hast Besuch. Dich kenne ich noch gar nicht.“ Sie stockte, als sie die Schwelle übertreten hatte, doch dann dachte sie angestrengt nach. „Moment, irgendwo hab ich dein Gesicht schon mal gesehen.“ 

Ihr Blick fiel auf das Bild über ihm und sah dann Mel an.

„Du hast also doch kein Blödsinn erzählt!“ Sie zog erstaunt die Augenbrauen hoch, bevor sie Paddy die Hand entgegen streckte. „Hi, ich bin Lena, Mels Mutter. Freut mich sehr!“

Paddy stand auf und gab ihr höflich die Hand. „Ja, freut mich auch.“
Ein unangenehmes Schweigen erfüllte den Raum.

Alle drei standen unbeholfen herum, bis Lena ihre Neugier zügelte und rücksichtsvoll den Rückzug antrat. „Ja, ich wollte auch nur sagen, mach nicht mehr so lange, denk dran, du hast morgen Schule.“ 

„Ja, ja...“

Dann zog sie mit einem mahnenden Blick auf Mel die Tür hinter sich zu.
„Denk dran, du hast morgen Schule!“, wiederholte Paddy amüsiert Lenas Worte, als sich ihre Schritte entfernt hatten. Mel knuffte ihn in die Seite. „Es kann ja nun mal nicht jeder berühmt sein und Privatunterricht bekommen. Manche wollen auch was Anständiges werden... „

„Naja, wenn du es genau nimmst, bin ich ein Straßenkind, das derzeit den Luxus genießt, auf einem Hausboot leben zu können.“ „Ja, es geht dir wirklich schlecht. Nicht mal Geld für den Friseur habt ihr.“ „Eben!“ 

 

Neugierig beobachtete er sie. Auch wenn er es Angelo gegenüber nicht hatte zugeben wollen, sie war tatsächlich nicht die einzige, die nervös war. Es kam nicht häufig vor, dass er sich für ein Mädchen interessierte. Erst recht nicht für einen Fan! Er hatte auch noch immer nicht herausgefunden, woran es lag, dass sie sich von den anderen unterschied. Doch er konnte nicht leugnen, dass er sie näher kennenlernen wollte und dass sich seine Gedanken, seit sie sich am Morgen begegnet waren, nur noch um sie gedreht hatten. 

Jetzt hatte sie sich ihrer Winterkleidung entledigt und ihre Beine, die in einer weinroten Cordhose steckten, zu einem Schneidersitz verschränkt. Der Schlag am Ende war so weit und lang, dass von ihren Füßen nur noch die Zehen herausschauten, doch davon sah man gerade auch nicht mehr viel. Trotz des lockeren Shirts war eindeutig, dass sie sehr schlank war. Eine Seite war über ihre Schulter heruntergerutscht und entblößte ein wenig verlockende Haut. Ihr Brustkorb hob und senkte sich in schneller Folge und unter ihrem Shirt ließen sich hübsche Rundungen erahnen. Schnell richtete er seinen Blick wieder auf ihr Gesicht. Ihre blauen Augen strahlten ihn an und das freches Grinsen schien gar nicht mehr von ihren Lippen weichen zu wollen. Er konnte nicht anders als es zu erwidern. Wie es wohl wäre sie zu berühren? Ihre auf seinen zu spüren? Er hoffte, es irgendwann zu wissen. Oder sie schlicht mal im Arm zu halten, auch ohne dass sie versehentlich hineinfiel. 

„Paddy? Hallo?“ Fragend sah Mel ihn an und schien auf etwas zu warten. 

Ein minimales Kopfschütteln vertrieb seine Gedanken. „Was?“ Sie kicherte leise. „Wo bist du mit deinen Gedanken? Ich hab dich gefragt, ob du vielleicht etwas trinken möchtest?“ 

Er räusperte sich leise. „Ja, sehr gern“, antwortete er schmunzelnd. 

„Ist Mineralwasser okay? Oder lieber ein Bier?“ „Willst du mich abfüllen?“, fragte er provokant und brachte sie damit ins Schleudern. „Ähm, nein, natürlich nicht.“ „Ich mach nur Spaß. Wasser ist prima.“ 

Sie wirkte fast erleichtert, als sie an ihm vorbei das Zimmer verließ und tatsächlich hörte er vor der Tür ein Schnaufen, als hätte jemand gerade sehr tief Durchatmen müssen. Dann führten ihre Schritte die Treppe hinunter. 

Er konnte nicht anders und stand auf, um sich in ihrem Zimmer in wenig umzusehen. Solange er nichts öffnete, um hineinzusehen, sollte das wohl in Ordnung sein. Die Hände sicherheitshalber in den Hosentaschen, um sich nicht doch in Versuchung zu führen, schlenderte er herum. Sein erster Weg führte ihn zum hölzernen CD Ständer. Auf einer ganzen Reihe der CD Rücken fand er den Namen seiner Familie. Sogar die ganz alten Sachen waren mit dabei. Aber auch andere Dinge wie Doors, Nirvana, Joni Mitchell und Aretha Franklin standen neben Janis Joplin und Jimi Hendrix. Und anscheinend hatte sie ihrer Mutter die CD von Simon & Garfunkel entwendet. Auf der Kommode daneben entdeckte er die dazugehörige neue Platte vom Flohmarkt zusammen mit einigen anderen. 

Dann fiel sein Blick auf den Kleiderschrank. Ein Einbauschrank, Kiefer, der perfekt in die Dachschräge eingefügt worden war. Die einzelne Lamellentür stand ein kleines bisschen offen und ein Stapel buntes Papier schien fast herauszurutschen, als hätte jemand ihn hastig hineingestopft. Neugier übermannte ihn. Immerhin war die Tür schon fast offen und wenn er sie zwei oder drei Zentimeter weiter aufschob, war das kein Kapitalverbrechen. Aber ja, es war ihm vollkommen bewusst, dass man das eigentlich nicht machte. Diese zwei Zentimeter brachten jedoch den Stapel ins Rutschen und ein Haufen Kellyposter landete vor seinen Füßen. 

Ja, sie war ein Fan. Und offenbar ein Fan, der ihn nicht damit verschrecken wollte. Schnell schob er die Bilder wieder zusammen und legte sie zurück. Er hatte gerade die Tür wieder halb angelehnt, als er Mels Schritte näherkommen hörte. Er stand neben ihrem Schreibtisch und betrachtete das Chaos darauf, bis die Zimmertür geöffnet wurde. 

„Na, bist du neugierig?“, fragte sie keck gerade heraus und er zuckte die Achseln. „Nein, überhaupt nicht.“ Doch seine Stimme verriet die Ironie. „Ist doch ganz spannend zu sehen, wie ein Fan so lebt.“ 

 

Ein Fan. War sie nicht mehr für ihn? Nein. Sie schnaubte leise. Warum sollte sie? Würde sie es je sein? Welch lächerlicher Gedanke. Er konnte jede haben. Okay, vielleicht nicht jede, aber tausende auf jeden Fall. Warum sollte er ausgerechnet sie wollen? 

 

Sie stand noch mitten im Zimmer mit einer Flasche Selter und zwei Gläsern, als er an ihr vorbei wieder zum Bett ging. Er hätte sich auch auf den Schreibtischstuhl setzen können, jetzt wo Angelo nicht mehr da war, aber das war überhaupt keine Option für ihn. 

Sie schnupperte vorsichtig, als er auf ihrer Höhe war. 

„Stinke ich?“ „Nein. Aber irgendwas riecht hier nach Blumen.“ „Nach Blumen? Sicher, dass ich das bin?“ „Glaubst du, mein Einhorn hat gepupst?“ „Wer weiß“, lachte er und versuchte, an sich selbst zu riechen. „Hm, keine Ahnung.“ 

Mel hatte inzwischen die Sachen auf ihren Nachtschrank gestellt und kam vorsichtig wieder näher. „Darf ich?“, fragte sie unsicher, ohne überhaupt zu erklären was, trotzdem nickte er. Was immer sie wollte, sollte ihm recht sein, solange sie dabei näher kam. Unbeweglich wartete er darauf, was sie vorhatte. Und sie kam näher, reckte sich ein wenig und schnupperte erneut. „Ja, Blumen. Du riechst nach Blumen. Ein äußerst männlicher Duft, wenn ich das so sagen darf.“ 

„Ja, genau…“ Irritiert nahm er seinen Zopf und roch daran, als es ihm wie Schuppen von den Augen fiel. „Ach ja, Maites Shampoo!“, seufzte er. „Ich habs mir heute Morgen geliehen.“ „Wieso?“ „Frag nicht“, wich er aus und trat einen Schritt auf sie zu. Sie zuckte, als wollte sie zurückweichen. „Hey, nicht weglaufen, ich tu dir nichts“, lachte er und sog ihren Duft ein. 

 

Wieso kam er so nah? War sie vielleicht doch nicht nur irgendein Fan für ihn? Oh mein Gott! Er roch auch an ihr! Ein wohliger Schauer lief über ihren Rücken. Nur wenige Zentimeter trennten sie voneinander und zögernd hob sie den Kopf. 

 

Auch Paddy hatte kurz aufgeschnappt, wonach sie gerochen hatte und wollte dem näher auf den Grund gehen, doch plötzlich hob sie ihr Gesicht an. Ihre Lippen waren seinen nun ganz nah und sein Blick fiel unweigerlich darauf. 

„Und wie rieche ich? Ich hoffe, nicht allzu schlimm?“, fragte sie leise.

Ihr Atem roch auf auf jeden Fall nach Kaugummi. Spearmint. Aber da war noch was. 

„Nein, ganz und gar nicht.“ Dann kicherte er. „Aber irgendwie männlich.“ 

Sie fiel in das Kichern ein. „Nivea Deo for man“, erklärte sie verlegen. „Ich mag das.“ Sie benetzte nervös ihre Lippen und machte keine Anstalten, sich von ihm zu entfernen. 

Sein Herz schlug schneller. Konnte er es wagen, ihr noch näher zu kommen? Nicht, dass sie nachher dachte, er würde sie für einen Groupie halten. Langsam hob er einen Arm und streckt die Hand aus, doch dann verließ ihn der Mut. 

 

Was hatte er jetzt vor? Unbeweglich verfolgte sie jede Nuance seiner Bewegungen. Seine Finger näherten sich ihrem Gesicht, doch dann griffen sie nach dem Stab, der ihre langen blonden Haare zusammenhielt, und zog ihn heraus, so dass sie sich nun über ihre Schultern und den Rücken ausbreiteten. 

„He, das ist ganz schön dreist!“, kommentierte sie, nachdem sie einem Reflex gefolgt und ihm doch ausgewichen war. Den Stab hatte er da aber schon in der Hand gehabt. Sie hasste ihre Reflexe. Verdammt! 

 

„Sorry, ich konnte nicht anders. Vielleicht bin ich doch ein wenig neugierig.“ Erst dachte er, er hätte die Kurve gerade noch bekommen, doch im gleichen Moment ärgerte er sich darüber, dass er einen Rückzieher gemacht hatte. Er hätte jetzt statt des Stabes ihre Haut berühren können, sehen, wie sie auf ihn reagiert hätte. Wahrscheinlich unsicher und schüchtern und doch sehr niedlich. Er konnte in ihren Augen lesen. Ein Verlangen sprach aus ihnen, das sie anscheinend nicht bereit war zuzulassen. Noch nicht? 

Aber statt ihr näher zu kommen, stand sie nun wieder ein Stück entfernt und noch dazu bedeckten ihre Haare ihre hübsche nackte Schulter. Damn. 

„So“, ergriff er das Wort und in seinem Ton lag etwas von Aufbruch. Nach dieser merkwürdigen Aktion, die eine bis dato sehr schöne Atmosphäre kaputt gemacht hatte und ihn nun ziemlich unbeholfen mit dem Haarstab in der Hand herumstehen ließ, fiel ihm nichts mehr ein, wie er den Moment retten könnte. Wahrscheinlich wäre es einfach das beste, wenn sie den Abend für heute beendeten. Sie würde ihn vermutlich jetzt ohnehin nicht mehr für den coolen Musiker halten, sondern für einen aufdringlichen Freak. 

Aber es er es wagte, wieder in ihr Gesicht zu sehen, sah er empört zusammengezogene Brauen und eine ungläubig gerunzelte Stirn. „Du willst doch nicht schon los, oder?“ Mel konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen. Mittlerweile fand sie es ziemlich lustig mit ihm und abgesehen von kleinen Rückfällen, fühlte sie sich sehr wohl in seiner Gegenwart. So lange er ihr nicht zu nahe kam und ihr den Verstand raubte oder äußerst dämliche Reflexe auslöste. 

 

Wollte sie etwa, dass er noch bleibt?!

„Ich soll nicht gehen?“ „Auf keinen Fall!“, erwiderte sie überzeugt und ärgerte sich gleich über ihren übertriebenen Eifer, der ihn allerdings zum Lächeln brachte. „Wieso? Schlägst du was anderes vor?“ „Du könntest bleiben.“ „Und dann?“ „Wir könnten einen Film gucken. Ich hab’ mir von Tina den Paten ausgeliehen“, begann sie, kam dann jedoch wieder ins Stocken. „Aber, wenn du los musst, ich meine, wenn du vielleicht noch zu tun hast oder vielleicht einfach was Besseres…“ „Nein! Nein, ich habe nichts Besseres vor“, antwortete er hastig und merkte, wie ihre Augen sofort wieder leuchteten. 

„Klasse, dann mach es dir doch schon mal im Bett gemütlich“, wies sie ihn an und drehte sich um, um das Video einzulegen, erstarrte aber in ihrer Bewegung. Langsam drehte sie sich wieder um und wandte wie in Zeitlupe Paddy ihr feuerrotes Gesicht zu. Er hatte sich nicht von der Stelle bewegt und blickte sie mit einem umwerfenden Lächeln auf den Lippen an. „Aha, soso. Soll ich das?“ Seine Augen blitzten auf. 

„Das war nicht so gemeint, wie es sich anhörte!“ „Wie hörte es sich denn an?“, hakte er süffisant grinsend nach. 

„Also naja, ach, du weißt schon! So war es auf jeden Fall nicht gemeint!“ Obwohl er sie nur ärgern wollte und sie das wusste, fühlte sie sich zunehmend unwohl und unsicher. Hatte sie es jetzt vermasselt? „Okay, du musst auch nicht.“

Endlich rührte er sich wieder. „Ich hab doch gar nicht abgelehnt!“ Ihr Bett stand an der Wand und er nahm den Platz auf der Innenseite, schnappte sich ihr Kissen und kuschelte seinen Kopf hinein. Möglichst unauffällig roch er daran. Es roch recht frisch gewaschen und doch mischte sich noch eine andere Nuance mit hinein, die eine Zufriedenheit auf sein Gesicht zurückbrachte. 

„Ach, wolltest du jetzt noch was trinken?“ Mel schenkte sich etwas  ein und füllte auch sein Glas voll, bevor sie eine Antwort erhalten hatte, nahm einen Schluck und stellte ihr Glas auf den Nachtschrank zurück. Seins reichte sie seiner ausgestreckten Hand. Während er es in einem Zug leerte, sah sie ihn belustigt an. „Ex oder Kellyfan?“ „Was?“ „Ach nix.“ Dann stemmte sie die Arme in die Taille. „Und wo soll ich hin?“, beschwerte sie sich, nachdem er ihr Kissen wieder unter sein Kopf geknüllt hatte. 

 

 

 

 

Er hatte nichts Besseres vor! Also entweder wollte er nicht nach drüben oder er wollte tatsächlich bei ihr bleiben. Wie gerne wollte sie, dass letzteres der Grund wäre. 

Obwohl er den Film lange nicht gesehen hatte, zählte er eindeutig zu seinen Lieblingsstreifen.
So machten sie es sich auf dem Bett gemütlich.

Doch es dauerte keine halbe Stunde, da waren Mel bereits die Augen zugefallen. Ihr Kopf sank auf Paddys Schulter, so dass dieser sich auch nicht so leicht aus dem Staub machen konnte, selbst wenn er gewollt hätte. Mit einem leisen Seufzer legte er den Arm um sie und genoss den Rest des Films, während sie neben ihm im Land der Träume wandelte.
Nach einer Weile öffnete sich die Tür und ihre Mutter schaute herein. „Du solltest schon längst schlafen.“ 

Paddy legte den Finger an die Lippen. „Pssst, das macht sie schon seit einer ganzen Weile.“
Beim süßen Anblick der beiden verkniff sich Lena weitere Kommentare, winkte kurz und ging ins Bett. 

Als der Film vorbei war, beschloss Paddy doch zurück ins Hotel zu gehen, um selber noch eine Mütze Schlaf abzubekommen. Er wollte Mel nicht wecken, so legte er sie ganz langsam auf die Seite, deckte sie zu und verließ leise das Zimmer.
Als sie am nächsten Morgen aufwachte, war sie ziemlich enttäuscht, dass sie den Rest des Abends einfach verschlafen hatte, war sich aber auf der anderen Seite nicht einmal sicher, ob sie das Ganze nicht nur geträumt hatte.
Sie ging gerade hinunter zu Frühstück, als ihre Mutter ihr grinsend entgegen kam. „Na, wann ist Paddy denn gegangen, oder liegt der noch oben?“

„Ne, ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich habe geschlafen...“ 

„Du bist mir auch `ne Schnarchnase. Ich glaube, weitere Kommentare spare ich mir lieber.“

Okay, sie hatte das nicht nur geträumt. Umso ärgerlicher war es, dass sie den ganzen Film über gepennt hatte! Sie hätte sich in den Hintern treten können! Trotzdem schien ihr Herz im Gleichklang mit der Sonne zu schlagen und überdreht ging sie zur Schule, wo sie sofort auf Tina zurannte, sobald sie sie vorm schwarzen Brett entdeckt hatte. Aufgeregt zog sie ihre beste Freundin beiseite und erzählte ihr atemlos, was vorgefallen war.

Diese glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. „Was?! Du hast den Mann deiner Träume bei dir liegen und pennst ein?! Also das kann auch nur dir passieren!“

Ja, ja, wer den Schaden hat...

Schulterzuckend lächelte sie und machte sich auf den Weg in ihren Klassenraum.
Den Rest des Tages schwebte Mel weiter auf Wolke sieben, ebenso wie Tina, die sich auf ihr Treffen mit Joey freute. Sie hatten sich direkt nach der Schule wieder in der Eisdiele verabredet und Mel konnte es sich nicht nehmen lassen, Tina dort hinzubringen. 

Insgeheim hatte sie natürlich gehofft, dort auf Paddy zu treffen, aber enttäuscht musste sie feststellen, dass Joey allein an der Eisdiele stand. 

Paddy hatte Joey am Treffpunkt abgeliefert und nutzte dann die Gelegenheit im nahe gelegenen Plattenladen zu stöbern. Doch davon wusste sie nichts, da sie sich nicht getraut hatte, Joey nach seinem Bruder zu fragen. 

„Na gut, dann wünsche ich euch einen schönen Nachmittag. Ich werde mich mal nach dem neuen Album von Herman van Veen umsehen. Tschüss Joey. Bis morgen, Tina“, verabschiedete sie sich wohl wissend, dass Tina sie unter allen Umständen später noch anrufen würde.

Zielstrebig lief sie auf das richtige CD Regal zu, sobald sie den Laden betreten hatte. Sie wollte gerade anfangen zu suchen, als sie wenige Meter von sich entfernt, einen attraktiven jungen Mann entdeckte.

„Kennen wir uns nicht?!“, fragte sie gespielt und schubste ihn mit der Hüfte ein wenig von der Seite an.

Leicht genervt drehte Paddy sich um, fing dann aber gleich zu lachen an. „Na, du Schlafmütze…“

„Hm, so etwas Ähnliches habe ich heute irgendwo schon mal zu hören bekommen...“ Sie kratzte sich verlegen am Kopf. „Wann bist du eigentlich gegangen?“

„So gegen zwei, glaube ich“, antwortete er, nachdem er kurz nachgedacht hatte. 

„Und, wie ist dein Plan heute? Noch neue Superhits schreiben?“ Sie kicherte zwinkernd. 

„Nö, erst mal nicht. Die können auch bis morgen warten. Hab’ heute schon viel geschafft. Wollte mir den Rest des Tages so um die Ohren schlagen. Neue Inspiration sammeln sozusagen. Was kann man denn hier Schönes machen?“ 

Mel zuckte mit den Schultern. „Hier? Nicht viel. Ihr habt es wirklich geschafft, euch einen ruhigen Ort auszusuchen. Langweilig trifft es eigentlich auch ziemlich gut.“ 

Skeptisch zog Paddy die Augenbrauen zusammen. „Na, was machst du denn, wenn du Freizeit hast?“
Mel überlegte. Was machte sie eigentlich jeden Tag...vermutlich nichts, was ihn interessieren würde.

„Nun sag schon“, drängte er, nachdem sie weiterhin schwieg.

„Hm, ich treffe mich mit Tina oder anderen Freunden. Wir gucken Filme, spielen oder gehen was trinken. Ja, am Wochenende gehe ich gerne feiern, aber noch haben wir kein Wochenende und erst Mittag. Ansonsten gehe ich gerne ins Erlebnisbad in der Nähe, aber da wird wohl für dich um diese Uhrzeit schon zu viel los sein. Ich gehe auch gern mit dem Hund spazieren oder verbringe Zeit bei meinen Großeltern. Die haben sehr viele Tiere und Oma ist sowieso die Beste. Außerdem betreue ich Konfirmanden, organisiere Wochenenden, Gottesdienste und Jugendfahrten und solch Kram. Aber wir hatten erst vor kurzem ein Konfiwochenende und nun ist erstmal Ruhe. Ach und im Ruderverein bin ich auch, bin aber in letzter Zeit nur selten dort und außerdem ist Winter, da wird normalerweise nicht gerudert. Doch ich vermute, das sind alles Dinge, die dir eher nicht so viel Spaß machen.“
Aber Paddy zuckte mit den Schultern. „Naja, es klingt alles herrlich normal und das kann ich gut mal brauchen. Zeig mir doch euren Hund, dann können wir ja ein Stück mit dem gehen.“
Mel war einverstanden und so machten sie sich auf den Weg. Paddy verliebte sich sofort in Nele, einen Deutsch-Langhaar, der absolut verspielt war.
Sie schnappten sich die Leine und liefen mit ihr los. Zuerst durch den Wald und dann einen Weg durch die Felder entlang.
Ein Wort gab das andere und so redeten sie munter über alles, was ihnen einfiel. Mel war sehr erleichtert, dass ihre anfänglichen Sprachblockaden überwunden zu sein schienen und es wurde ein sehr entspannter Spaziergang, abgesehen davon, dass Nele zerrte wie blöd, so dass Mel irgendwann schon fast genervt von ihr war.

Paddy fiel ihr gereiztes Gesicht auf und streckte ihr seine Hand entgegen. „Soll ich sie mal nehmen?“

„Wenn du Lust hast, gerne.“ Erfreut übergab Mel ihm die Leine und rieb sich die schmerzende Hand.
„Hier wohnt meine Oma übrigens“, sagte sie auf einmal, als sie an einem von Bäumen umsäumten Hof vorbeigingen.

„Hier schon? Ich dachte, das wäre ein paar Kilometer von Kappeln weg?“ 

Sie nickte. „Ja, wir sind auch bestimmt schon acht Kilometer gelaufen.“

„Wow, so weit kam mir das gar nicht vor. Sind wir echt schon so lange unterwegs? Na komm.“

„Wohin?“, stutzte sie.

„Na, zu deiner Oma?! Du sagtest, sie sei sehr nett und die Tiere will ich auch sehen. Ich liebe Tiere. Ich möchte gern irgendwann mal Ziegen haben. Habt ihr Ziegen?“
Mel schüttelte den Kopf. „Ne, Ziegen nicht. Wir hatten mal einen Bock, Jonas, aber das ist schon Jahre her. Außerdem war der ganz schön garstig und hat immer alle gestoßen. Aber Schafe haben sie, Pferde und Dammwild. Ein paar Hühner müssten hier auch rumlaufen, wenn die sich nicht gerade vor der Katze verstecken.“
Paddy war begeistert und bestand darauf, sich alles anzusehen und wenigstens mal hallo zu sagen.
„Hi Oma! Das ist Paddy“, begrüßte Mel ihre Großmutter, als sie die Tür öffnete.

Überraschung stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Was macht ihr denn hier? Hallo Paddy.“ Sie gab ihm die Hand und ließ die beiden herein. „Hat dich deine Mutter gefahren?“

„Nein, wir waren gerade in der Nähe mit dem Hund spazieren. Ich wollte ihm hier mal alles zeigen“, erklärte Mel.
„Hier in der Nähe?! Dann seid ihr ja schon eine ganze Weile unterwegs und müsst bestimmt Hunger haben. Wollt ihr was essen?“, fragte Mels Oma in der Küche angekommen.
Das war meistens ihre erste Frage, wenn irgendjemand sie besuchte. Da Mel wusste, dass es sinnlos war nein zu sagen, nickte sie und sie bekamen kurze Zeit später eine heiße Brombeersuppe mit Grießklößen vorgesetzt.
„Kennst du das?“, fragte Mel. Paddy schüttelte den Kopf und probierte. „Mhh, sehr lecker und bei den Temperaturen genau das Richtige!“

„Ganz meine Rede“, nickte Mel und schob sich den nächsten Löffel hinter die Kiemen.
Alle drei saßen um den Tisch herum und ließen es sich schmecken, bis Paddy bemerkte, dass er gemustert wurde. „Sag mal, bist du nicht der von der Kelly Family?“, fragte ihre Oma schließlich frei heraus.

Er nickte mit vollem Mund, während sie weitersprach.

„Mel hat mal von dir erzählt. Sie mag eure Musik.“ Dann verstummte sie, da sie der strafende Seitenblick ihrer Enkelin getroffen hatte. Sie wechselte erfolgreich das Thema und sie unterhielten sich über die Tiere.

Mel hielt sich größtenteils zurück und überließ ihnen das Reden. Sie beobachtete stattdessen immer wieder Paddy, der hier völlig fehl am Platze wirkte. Die Situation mit ihm hier bei ihrer Oma gemeinsam am Tisch zu sitzen, war nicht nur verständlicherweise ungewohnt, sondern geradezu unrealistisch.
Als schließlich alle Teller leer waren, schlug Mel vor, sich noch den Hof anzusehen und wieder nach Hause zu spazieren, da sie noch ein gutes Stück Weg vor sich hatten und es auch bald dunkel werden würde. 

„Soll Opa euch nicht fahren?“ 

Doch Mel schüttelte den Kopf. „Lass mal, ein bisschen Bewegung wird uns nach dem Essen nicht schaden. Aber vielen Dank.“ 

Das wäre ja noch schöner, wenn aus anderthalb Stunden, die sie in Ruhe mit Paddy allein verbringen konnte, nun eine viertel Stunde werden würde, nur weil sie gebracht wurden! Nein, nein, dann lieber den langen Weg auf sich nehmen...


Es war schon stockduster, als sie den Hund wieder ablieferten. Paddy zog es ins Hotel, wo er auf Tina, Joey und die anderen Kellys traf. Sie aßen gemeinsam eine Kleinigkeit, bevor Joey Tina zum Busbahnhof brachte. 

Es war auch bei ihnen ein wunderbarer Nachmittag gewesen und es knisterte spürbar auf beiden Seiten. Schon auf dem Weg zum Busbahnhof verstummten ihre ehemals so munteren Gespräche mehr und mehr und beide blickten immer wieder geradezu hilfesuchend zu den funkelnden Sternen hinauf. 

Als sie ankamen und der Bus vorfuhr, stand Tina ziemlich unbeholfen vor der geöffneten Tür. Doch auch Joey strahlte nicht mehr Sicherheit aus. 

Sie hoffte inständig, dass er sie zum Abschied küssen würde, doch so vorlaut sie sonst oft war, nun traute sie sich nicht, den ersten Schritt zu machen. Alles, was sie schaffte, war, sich einladend noch ein paar Zentimeter auf ihn zuzubewegen und den Abstand zwischen ihnen zu verringern. 

Wieso küsste er sie nicht endlich?! Sie wünschte sich doch gerade nichts sehnlicher, als seine Lippen auf ihren zu spüren! 

„Wollen sie nun mitfahren oder sich weiter in die Augen starren?“ Ungeduldig klopfte der Busfahrer mit den Fingerkuppen auf dem Münzhalter herum. 

Tina stöhnte unhörbar und nickte. „Ja, ich komm.“ 

Sie warf Joey noch einen letzten flehenden Blick zu, der darauf mit einer freundschaftlichen Umarmung reagierte. 

Enttäuscht drehte sie sich um und stieg auf die erste Stufe des Busses, als er sie am Arm zurückhielt.

Würde er sie nun doch noch küssen? Hatte er endlich den Mut aufgebracht, wenn sie es schon nicht schaffte?

Aufgeregt drehte sie sich ihm zu und wartete gespannt auf den so ersehnten ersten Schritt, aber Joey ließ überraschenderweise ihren Arm los. „Sehen wir uns morgen?“ 

„Ja, gerne!“, antwortete sie hastig und strahlte ihn an. Das war zwar immer noch kein Kuss, aber durchaus die berechtigte Hoffnung auf eine neue Möglichkeit. Und der Ausblick auf einen weiteren Tag mit Joey oder wenigstens ein paar Stunden, die sie gemeinsam verbringen konnten, ja, das waren herrliche Aussichten!

Dann schloss sich die Tür vor ihrer Nase und der Bus fuhr los. Verträumt verrenkte sie sich den Hals nach Joey, bis er nicht mehr zu sehen war. 


Mel hatte in der Zwischenzeit mit ihrer Familie zu Abend gegessen. Sie sprach in einer Tour von Paddy und dem schönen Nachmittag. Nie hätte sie erwartet, dass er an so banalen Dingen auch Freude haben könnte. 

Sie saß mit ihren Eltern noch am Abendbrottisch, als das Telefon klingelte.

„Mel, für dich.“ Ihr Vater reichte ihr den Hörer.

Ob es Paddy war? Warum kam der denn nicht einfach her, statt anzurufen?

Nein, es war kein Kelly und auch keine Tina, sondern Tobi, ein guter Freund. „Hi Mel! Wie sieht`s aus? Sollen wir heute was trinken gehen?“
Sie überlegte kurz. Wenn Paddy sich nun doch noch melden würde? Aber wenn nicht, säße sie den ganzen Abend dämlich zu Hause herum, also... „Jo, gerne. Kommst du vorbei oder treffen wir uns in der Palette?“

„Ich hol dich ab. Bis gleich.“
Eine viertel Stunde später stand er auf der Türschwelle und sie gingen zusammen die wenigen Meter zur Kneipe. Jeder bestellte sich ein großes Kilkenny, als sie am Tresen vorbeigingen, um sich einen Platz im hinteren Bereich zu suchen.
Sie tauschten lachend einige Neuigkeiten über gemeinsame Freunde aus, da sie sich schon ein paar Tage nicht gesehen hatten, als die Tür aufging und ein bekanntes Gesicht herein kam.

„Hi Flo, na was geht?“, empfingen beide ihren Kumpel.
„Joa, alles bestens“, antwortete er und setzte sich zu ihnen.

Sie kannten sich schon einige Zeit und gingen gerne mal am Wochenende zusammen los. Flo war in Tobis Parallelklasse und ein Jahr älter als Mel. Sie fand, dass er wahnsinnig gut aussah, aber dennoch waren sie nur Freunde.
Ein kalter Windstoß fegte zu ihnen herein, als erneut jemand im Eingang stand. Es war Dave, der herzlich begrüßt wurde und sich ebenfalls zu ihnen gesellte.
Das erste Glas war leer und der Kellner brachte bereits die zweite Runde, als wieder die Tür aufging.
Mel verschluckte sich fast an ihrem Bier, als sie sah, dass es Paddy und Patricia waren, die den Raum betraten.
„Hi! Na, auch unterwegs?“, fragte Patricia überrascht, als sie Mel entdeckte, während sie nach einem freien Tisch Ausschau hielt.
Paddy guckte hinter seiner Schwester hervor, um zu sehen, mit wem sie gerade sprach.
„Na, wir haben uns ja lange nicht gesehen“, entgegnete er lachend. 

„Ja, bin mit Freunden hier. Nur auf ein bis zwei Bierchen. Soll ja auch morgen wieder früh hoch“, antwortete sie noch auf Patricias Frage. „Und wie kommt ihr hier her?“

„Zu Fuß?! Ne, Blödsinn, wir haben gestern gesehen, dass es hier irisches Bier gibt, da hat es uns quasi magisch angezogen.“ Er deutete auf Mels Glas.

„Ach so, na denn viel Spaß.“
Dann nahmen die Geschwister an einem Tisch in der hintersten Ecke der Kneipe Platz.
Mel sah den beiden nach, während jemand sie anstieß.
„Hey, wer war denn das?“, wollte Tobi neugierig wissen.

Er kannte sonst alle Freunde von Mel.

„Bekannte“, schmunzelte sie und wandte sich wieder ihren Jungs zu, konnte aber nicht umhin, immer mal wieder einen Blick zur Seite zu werfen.
Patricia redete wild gestikulierend auf ihren Bruder ein, während der ihr offenbar gar nicht richtig zuhörte, sondern regelmäßig zu Mel hinüber sah. Aber immer wenn sich ihre Blicke trafen, guckte sie schnell weg. Schließlich riss sie sich zusammen und blieb mit den Augen bei ihren Freunden. Es brachte zwar eine gewisse Unruhe mit sich, ihn nicht ansehen zu können, aber es wäre noch schlimmer, wenn er mitbekommen würde, dass sie ihn am liebsten ununterbrochen anstarren würde!
Es gelang ihr tatsächlich, sich wieder auf ihre Jungs zu konzentrieren.

Alle vier waren ausgelassen und lachten viel. Aber es wurde spät und die anderen verabschiedeten sich nach und nach.
„Geht ruhig schon, ich hab’ es ja nicht weit. Ich trink noch mein Glas leer und mach mich dann auch auf den Weg.“ Sie drückte alle einmal und weg waren sie.
Wieder drehte sich ihr Kopf wie von alleine zum Tisch der Kellys.

Sie hätte sich gerne zu den beiden Geschwistern gesetzt, aber Patricia sah immer noch so aus, als hätte sie wichtige Dinge zu besprechen.
Mel drehte erschrocken ihren Kopf weg...Mist! Paddy hatte schon wieder gesehen, dass sie ihn beobachtete.

Sie musste sich auf ihr Glas konzentrieren! Das konnte doch nicht so schwer sein! Einige Sekunden blickte sie auf die klare rotbraune Flüssigkeit und ließ sie hin- und herschwappen. Nicht wieder umdrehen! Wenn er sie für aufdringlich hielt, würde er sicher nichts mehr mit dir zu tun haben wollen. 

Mit Hilfe ihrer stummen Selbstgespräche behielt sie ihren Kopf nach vorne gerichtet und die Augen auf dem Tisch. Sie nahm noch einen kräftigen, letzten Schluck und setzte das leere Glas ab, als Paddy auf einmal vor ihr stand. 

Erschrocken zuckte sie zusammen. Durch ihr konsequentes Ignorieren hatte sie ihn nun nicht einmal näher kommen gesehen. 

Sie beschloss, sollte sie erneut in eine solche Situation kommen, eine neue Taktik zu wählen...
„Hey, du bist ja ganz verlassen hier! Willst du nicht noch einen Moment zu uns kommen? Oder musst du auch schon los?“

„Eigentlich wollte ich gerade gehen, aber...ach, ein kleines Bier kann ich ruhig noch nehmen.“ 

Sie stand auf, bestellte sich schnell am Tresen noch eins und folgte Paddy an den Tisch.
Dort stellte sie fest, dass Patricia offenbar von einer Songidee zur nächsten sprang, dazwischen auf namenlose Exfreunde zu sprechen kam, plötzlich eine neue CD erwähnte und...Mel konnte ihr irgendwie nicht folgen. Paddy musste wenigstens so tun, als würde er ihr zuhören und nickte immer brav.
So konnte er sich aber leider nicht mit Mel unterhalten, doch sie genoss es einfach, bei den beiden zu sitzen und ihnen bei ihrer mehr oder weniger einseitigen Kommunikation zuzusehen.
Mit der Zeit wurde ihr Kopf immer schwerer und die Augen stetig kleiner. Sie schaffte es aber beim besten Willen nicht, sich aufzuraffen und die beiden dort sitzen zu lassen. Stattdessen zog sie es eindeutig vor, vollkommen übermüdet in Paddys Nähe zu verharren.
„Patricia, ich glaube, ich bringe die Kleine mal nach Hause“, erklärte Paddy amüsiert und griff die Gelegenheit beim Schopf, den Redeschwall seiner Schwester zu unterbrechen. Dann drehte er sich zu Mel. „Du siehst ein ganz klitzekleines bisschen müde aus.“

Mel schreckte hoch.

„Möglich“, murmelte sie verpennt. „Die viele frische Luft und so, weißt du...“ 

Paddy lachte. „Ja...vor allem 'und so', ne?“
Patricia stimmte ihrem Bruder lächelnd zu. „Ja, lass uns los. Ich denke, es ist auch für uns spät genug.“
Die beiden setzten Mel vor ihrer Haustür ab und gingen weiter ins Hotel. 


Am nächsten Tag wachte Mel mit leichten Kopfschmerzen auf und schleppte sich widerwillig zur Schule. Dort traf sie auf Tina.

„Hey, wo warst du gestern Abend?! Ich habe drei Mal versucht dich anzurufen!“, redete diese gleich auf sie ein.

„Hm, ich war ein paar Bier trinken mit den Jungs.“ grunzte Mel. „Paddy und Patricia waren auch da, saßen aber am anderen Tisch. Und Joey hat dich gestern noch zum ZOB gebracht?“

Tina nickte eifrig. „Ja und er hat gefragt, ob wir uns heute sehen! Wir haben auch schon telefoniert und uns wieder an der Eisdiele verabredet!“

„Wie kannst du nur immer bei der Kälte Eis essen?! Und wenn du weiter so viel Eis isst, wirst du doch noch fett. Das will bei deiner jetzigen Figur schon was heißen!“ Sie musterte Tinas fast schon knochigen Körper.

„Darum geht es doch jetzt gar nicht!“, entgegnete Tina ungeduldig. „Er will mich wiedersehen! Das ist doch das Wichtigste!“
Mel stimmte ihr zu und freute sich für ihre Freundin, auch wenn sie das schlecht zeigen konnte, da sie gedanklich noch im Bett lag und schlief.
Der Schultag ging komplett an ihr vorbei und irgendwann war auch endlich die letzte Stunde geschafft.

Tina wartete am Hinterausgang der Schule auf sie. „Nun beeile dich doch! Nicht dass er noch abhaut!“ 

„Ja, ja.“ Mel fühlte sich zwar nicht mehr ganz so matschig wie am Morgen, war aber immer noch nicht in der Verfassung einen so zügigen Gang abzuliefern, wie der, den Tina daraufhin einschlug. Sie trottete ihrer Freundin hinterher, die immer wieder warten musste, damit sie nicht ganz den Anschluss verlor. 

„Meine Güte, ich wollte heute noch ankommen!“

„Dann geh doch schon vor.“

„Nein, das werde ich nicht. Du siehst lieber zu, dass du mal in die Puschen kommst!“

Aber Tina hätte schon eine Peitsche in der Hand halten müssen, um Mels Schritte zu beschleunigen.
Endlich hatten sie ihr Ziel erreicht und Mel begrüßte Joey, der natürlich wieder nur Augen für Tina hatte. „Ok, dann viel Spaß ihr zwei! Ciao.“ Sie winkte matt und setzte ihren Weg fort. Zum Glück hatte sie es nicht mehr weit nach Hause und drosselte das Tempo noch ein wenig.
Tina hatte einen schönen Nachmittag vor sich und sie? Sie würde nach Hause gehen und Hausaufgaben machen müssen. Super Aussichten.... Sie würde auch lieber ihre Zeit mit Paddy oder den restlichen Kellys verbringen, aber sie würde sicher nicht zu ihm hinüber gehen.

Er hatte ja ihre Nummer und ihre Adresse. Wenn er noch mal was mit ihr machen wollte, könnte er sich ja melden. Oder war ihm der gestrige Tag doch zu langweilig gewesen? Warum war er abends gleich ins Hotel verschwunden? Wieso ging er lieber mit Patricia einen trinken, die er ständig sah und bei der er außerdem doch offenbar kaum zu Wort gekommen war? Ob er sich noch einmal melden würde?

Sie schüttelte den Kopf.

Was erwartete sie denn eigentlich? Dass er sie nun ständig anriefe? Sie kannten sich doch kaum und er hatte ja schließlich auch zu tun.
Doch sie redete so gern mit ihm. Sie genoss überhaupt seine Nähe, seine bloße Anwesenheit reichte schon, um ihr den Tag zu versüßen. Und jedes Mal spürte sie so ein warmes Kribbeln im Bauch, wenn sie an ihn dachte. Und sie dachte fast nur noch an ihn...
Mit gesenktem Blick bog sie um die nächste Ecke und stieß mit jemandem zusammen.

„Vorsicht, junge Dame!“ Paddy grinste sie an. „Wo bist du denn mit deinen Gedanken?“

„Äh, in der Schule“, log sie hastig. „Und wo willst du gerade hin?“
Paddy machte einen gehetzten Eindruck. „Ich wollte gerade zu Joey. Er hatte sich mit Tina verabredet und so durch den Wind, wie der war, hat er sein Handy liegen gelassen.“ Er hielt es Mel als Beweis vor die Nase. „Kommst du kurz mit?“

Sie sah ihn immer noch ganz durcheinander an, bevor sie endlich reagierte.

„Klar!“, strahlte sie und flitzte hinter ihm her. Plötzlich war sie kein Stück mehr müde und auch das Tempo bereitete ihr keinerlei Schwierigkeiten mehr.
Paddy drückte seinem Bruder das Telefon in die Hand und ließ die beiden allein.
Gemeinsam mit Mel schlenderte er zurück Richtung Marktplatz.
„Und du willst nach Hause?“, fragte er Mel.

Sie nickte. „Und was hast du nun vor?“

„Eigentlich wollte ich noch etwas schreiben, aber ich komme nicht voran. Meinen Geschwistern geht es zum Teil sehr ähnlich. Was kann man denn hier sonst noch unternehmen?“

Sie zog die Augenbrauen hoch. „Ich dachte eigentlich, du hättest gestern schon begriffen, dass man hier nicht viel machen kann?!“

Paddy überlegte. „Ich habe gesehen, dass die Ostsee nicht weit weg ist. An so einem pustigen Tag könnte man einen herrlichen Spaziergang machen.“ 

„Ja, an den Strand wäre auch eines der wenigen Dinge gewesen, die ich noch hätte vorschlagen können. Soll ich euch den Weg aufschreiben, damit ihr dahin findet oder reicht es, wenn ich ihn dir erkläre?“
Er guckte verdutzt. „Ne, musst du doch nicht, wenn du mitkommst. Oder hast du keine Zeit?“

„Natürlich hab ich Zeit! Ich wollte mich nur nicht aufdrängen...“
Er lächelte amüsiert. „Nein, du drängst dich nicht auf. Ich würde mich freuen, wenn du mitkämst.“
Mels Augen begannen zu glänzen. „Okay, sollen wir die anderen abholen? Sind die im Hotel?“ 

„Eigentlich dachte ich, wir könnten auch alleine los. Ich muss nicht immer meine Geschwister um mich haben. Komm, wir sagen nur noch Joey Bescheid.“
Strahlend folgte Mel ihm zurück Richtung Eisdiele, wo Joey und Tina immer noch saßen. Die beiden unterhielten sich gerade über die Pläne der Kellys...
„Bis zum 7. Dezember bleiben wir noch, dann müssen wir zurück nach Hause und treten am 8./9. und 10. Dezember in Köln auf“, erklärte Joey gerade Tina, als ihm auffiel, wie traurig sie aussah.

„Was hast du denn?“, fragte er leise und legte ihr den Arm um die Schulter, doch sie zögerte einen Moment. „Ach, ich hatte irgendwie gehofft, ihr wärt zu meinem Geburtstag noch da...“ Sie lehnte den Kopf an ihn. 

„Wolltest du denn groß feiern?“, fragte Paddy sie.
Mel musste antworten, denn Tina wurde durch einen stetig größer werdenden Kloß in ihrem Hals daran gehindert. „Am 8. feiert sie mit ein paar Mädels aus ihrer Klasse und am 9. mit drei Brieffreundinnen und mir. Wir wollten alle bei ihr übernachten.“ 

„Aber wenn ihr nicht da seid, kann ich mich gar nicht mehr richtig freuen. Wahrscheinlich laufe ich wieder gegen einen Laster oder so...“ Tina musste selber lachen.
Joey zwinkerte Paddy über ihren Kopf hinweg zu. Dieser nahm Mel bei der Hand und zog sie ein Stück beiseite.
„Könntest du nicht organisieren, dass Tina und du nach Köln kommen? Ich glaube, das würde nicht nur Tina, sondern auch Joey sehr freuen. Ich denke, da bahnt sich was an. Vielleicht könntest du es ja auch schaffen, dass Tina nicht gleich merkt, dass ihr nach Köln fahrt?“

„Ja, das kriege ich hin!“, flüsterte Mel überzeugt, auch wenn sie eigentlich nicht den blassesten Schimmer hatte, wie sie das hinbekommen sollte. 

„Super!“ 

Paddy nickte Joey kaum merklich zu, als sie wieder zu den beiden gingen und erklärte ihnen, dass sie planten, zum Strand zu fahren. Joey wollte gleich mit, doch Tina zog es vor, in der Stadt bleiben. Zudem war sie sich darüber im Klaren, dass Mel viel lieber etwas Zeit alleine mit Paddy verbringen wollte. Außerdem hätte er sie sicher gefragt, wenn er gewollt hätte, dass sie mitkommen.
So brachten Paddy und Mel die Schulsachen nach Hause, setzten sich alleine auf die Räder und machten sich auf den Weg zum Meer.
Es war ein wunderbares klares Winterwetter.

Als sie über die Dünen kamen, pustete ihnen wie zur Begrüßung der frische Wind ins Gesicht.
„Puh, ist doch recht eisig“, stellte Mel zitternd fest und zog den Schal etwas enger.
Aber Paddy gab ihr einen kleinen Schubs und rannte mit ihr zum Wasser hinunter. „Na komm, Bewegung wärmt auf!“

Doch bereits nach wenigen Meter verfielen sie aus dem Laufschritt in ein gemütliches Bummeltempo.

„Schön, dass du mitgekommen bist.“ Er lächelte sie an und vergrub die Hände noch tiefer in den Taschen seiner Jacke. 

„Schön, dass du gefragt hast! Ich gehe gern spazieren. Und du? Kommst du sonst eigentlich dazu? Geht das überhaupt oder wirst du ständig belagert?“

„Eigentlich eher selten. Wie ich vorgestern schon erzählte, kann man im Prinzip kaum einen Schritt gehen, ohne dass jemand einem auf den Fersen ist. Ist ziemlich anstrengend. Aber im Ausland nutze ich die Gelegenheit und bin oft stundenlang unterwegs, wenn es der Zeitplan denn zulässt.“

„Das glaube ich. Muss echt ätzend sein, wenn man sich in dem Land, in dem man wohnt, nicht frei bewegen kann.“ 

„Das kannst du laut sagen! Wundert mich fast, dass hier noch niemand aufgetaucht ist.“

„Die hängen wahrscheinlich alle mit ihren Teleobjektiven hinter den Dünen“, witzelte Mel und blickte sich demonstrativ um. 

„Ich hoffe nicht“, lachte Paddy. „Sonst gibt es wieder die wildesten Gerüchte.“

„Das kann ich mir vorstellen! Schreiben die eigentlich viel über dich, was nicht stimmt?“ 

Paddy zuckte mit den Schultern. „Hin und wieder. Aber ich lese auch nicht alles. Zum einen macht es einen verrückt und zum anderen hab ich normalerweise gar nicht die Zeit dazu.“ 

Mel bückte sich und hob eine kleine Muschel auf. Vorsichtig strich sie mit dem Finger den Sand weg und legte die glänzende Schale frei. „Was machst du, wenn du Lügen über dich liest? Wie fühlt sich das an? Hat man nicht jedes Mal das Bedürfnis, alles richtig zu stellen?“

„Anfangs war es ziemlich scheiße, um es mal deutlich auszudrücken, aber inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. Ich weiß ja, was wirklich stimmt, das ist die Hauptsache. Es ist wie mit dieser Muschel: Die Leute spekulieren, wie es unter dem Sand aussieht, aber niemand macht sich die Mühe, ihn beiseite zu wischen. Darunter könnte es ja vielleicht nicht mehr so spannend sein, wie die es sich ausmalen und somit gehen ihre Verkaufszahlen in den Keller.“

„Ich glaube nicht, dass es mir so leicht fallen würde, das einfach so abzutun.“

„Man härtet ein bisschen ab. Du weißt doch: No biz like showbiz. Die Presse will ja auch nur ihre Zeitschriften an den Mann bringen.“

„Eben! Die wollen nur Geld verdienen, aber muss das auf deine Kosten sein?!“

„Wenn´s nach mir ginge nicht, ist aber nicht zu ändern. Es ist einfach zu aufwendig, wegen jedes kleinen Gerüchtes eine Klarstellung einzufordern. Lass sie doch ihre Gerüchte streuen, wenn es sie glücklich macht.“

„Bewundernswert“, murmelte Mel und steckte die Muschel in die Tasche. 

Möglichst unauffällig beobachtete sie ihn von der Seite. Je länger Paddy ihn kannte, umso beeindruckter war sie von ihm. Er wirkte viel älter, als er war. Auch wenn er gerne mal Spaß machte, schien er im Inneren sehr erwachsen zu sein. Eigentlich perfekt: Ein attraktiver, junger Mann, der Humor hatte und wusste, was er wollte. Sie wünschte sich, 20 cm größer zu sein, etwas mehr Brust zu haben und ein Gesicht, um das sich die Modezeitschriften reißen würden. Warum war sie denn nicht wenigstens ein bisschen attraktiver? Gut, sie war nicht hässlich, aber sicher auch nicht der Traum aller Männer. Leider. 

Sie sog die salzige Meeresluft ein und schloss einen Moment lang die Augen. 

Es gab eine Frage, die ihr auf der Zunge brannte, aber konnte sie es wagen, sie zu stellen? Würde er wahrheitsgemäß antworten und ging sie die ehrliche Antwort überhaupt etwas an? Naja, was hatte sie schon zu verlieren? Wenn er nichts sagen wollte, müsste er ja nicht...

Seufzend öffnete sie die Lider und ging langsam weiter. 

Sie holte gerade Luft, um anzusetzen, als Paddy ihr zuvor kam. „Was macht dein Freund eigentlich heute?“

„Welcher Freund?“

„War das nicht dein Freund gestern Abend? Der Blonde mit dem Pferdeschwanz“, hakte er möglichst beiläufig nach. „Achso, der hat Schule und ich glaube, danach wollten sie nach Flensburg. Shoppen oder so.“ Sie machte eine kurze, aber prägnante Pause, bevor sie fortfuhr. „Aber er ist nur ein Freund, nicht mein Freund.“

„Ah, okay, dann hab ich das wohl falsch interpretiert. Sah irgendwie so aus.“ Es fiel ihm schwer, sein erleichtertes Lächeln zu unterdrücken. 

„Das sah so aus?“ Mel blieb stehen und verschränkte die Arme, während sie ihn neugierig musterte. 

„Ich hab dich nicht beobachtet, falls du das jetzt denkst! Aber man guckt sich ja zwischendurch doch mal um.“

„Ja, schon klar…“

„Mann!“ Er stieß sie leicht in die Seite, so dass sie sich mit einem Ausfallschritt abfangen musste. „Hey, nicht ins Wasser schubsen! Wir haben Winter!“

„Dein Glück! Im Sommer hätte ich dich schon längst den Meeresboden aus der Nähe betrachten lassen!“

„Was?“ Mel schürzte die Lippen, während sie übertrieben entrüstet die Stirn in Falten zog. „Das ist aber nicht die feine englische Art!“

„Ich bin ja auch kein Engländer! Und als Iren sind wir kaltes Wasser gewöhnt, da müsste ich also nicht mal auf den Winter Rücksicht nehmen!“, lachte Paddy.

„Ja, aber auf mich! Wage es bloß nicht! Komm mir nicht zu nahe!“, gackerte sie und spurtete mit großen Schritten davon. 

„Du glaubst doch nicht, dass du schneller bist als ich!“

„Ich werde nicht kampflos aufgeben! Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft... ahhh. Au!“ 

Aber auch wer kämpft, konnte über einen großen Stein stolpern, wenn er mehr über die Schulter zurückblickte als nach vorne. Zum Glück war dies der einzige Stein in Reichweite, so dass Mel wenigstens in den einigermaßen weichen Sand fiel. 

„Hast du dir weh getan?“ Besorgt reichte Paddy ihr die Hand und half ihr wieder auf die Beine. 

„Nein, nein, geht schon. Danke. Das war eben mehr der Schreck.“ 

Schnell entzog sie ihm seine Hand wieder. Jedes Mal, wenn seine Haut ihre berührte, liefen ihre Gedanken Amok. Wie sollte sie denn so noch einen geordneten Satz herausbringen?!

Sie wandte sich ab und wusch sich im eisigen Ostseewasser den Sand von den Fingern. Das kalte Nass reinigte nicht nur ihre Hände sondern vor allem ihren Kopf. Als sie sich wieder gesammelt hatte, trocknete sie die Finger in einem Taschentuch und lächelte ihn verlegen an. „Wie du jetzt gesehen hast, bin ich manchmal etwas tollpatschig.“

„Das habe ich schon am ersten Tag festgestellt.“

„Sehr witzig. Pass lieber auf, dass du nicht gleich derjenige bist, der in der Ostsee planscht!“

„Willst du es drauf ankommen lassen?“ 

„Nein, eher nicht“, lenkte sie ein und setzte ihren Weg fort.

Paddy schloss sich ihr an. „Was willst du nach der Schule machen?“

„Nach der Schule? Du stellst ja Fragen! Keine Ahnung, das ist doch noch ewig hin!“

„Ich bin zwar nicht zur Schule gegangen, aber ich kann mir denken, dass das schneller geht, als man meint. Und dann? Hast du keine Idee?“ 

„Puh, ehrlich gesagt nicht so richtig. Früher wollte ich mal Rechtsanwältin werden, aber das finde ich nun doof. Dann hatte ich an Lehrerin gedacht, aber das finde ich nun auch doof. Und Tierärztin hatte ich auch mal überlegt, aber…“

„Lass mich raten, das findest du nun auch doof?“

„Ne, das nicht, aber dafür muss man einen sehr guten Abschluss haben“, lachte Mel. „Und ob ich das hinkriege, weiß ich nicht.“

„So schlechte Noten?“

„Nö, nicht direkt, aber leider bin ich nicht die fleißigste. Immerhin hat das Leben ja noch mehr zu bieten als nur Mathematikformeln.“ 

Paddy schüttelte übertrieben deutlich den Kopf. „Ich hoffe, das ist nicht dein Ernst! Mathe ist natürlich nicht alles, aber mit einem anständigen Schulabschluss kann man schon was anfangen. Mach was draus, solange du noch die Möglichkeit hast!“ 

Mel stöhnte unüberhörbar genervt. „Könntest du bitte aufhören, wie meine Mutter zu reden? Es sind wirklich noch ein paar Jahre hin bis zu meinem Abschluss und bis dahin kann noch viel passieren. Und was ist eigentlich mit dir? Hast du einen richtigen Abschluss?“ 

Er räusperte sich. „Ähm, lass uns das Thema wechseln.“

„Sehr guter Vorschlag!“, stimmte Mel grinsend zu und hakte sich bei ihm ein, wie sie es bei Freunden häufig tat, aber nur um ihn gleich danach wieder loszulassen. Sie war einem Reflex gefolgt, den sie sofort mit frischer roter Farbe im Gesicht bezahlte. 

„Ähm, ich wollte nur...äh…“

„Kein Problem, du kannst gerne meinen Arm leihen.“ 

Aber Mel steckte ihre Hand wieder in die Jackentasche und schloss die Muschel in ihre Finger ein. „Ne, schon gut. Nicht dass uns doch noch jemand sieht, da könntest du dich ja nicht mehr herausreden. Mit 'nur eine flüchtige Bekannte' kämst du dann kaum noch durch.“

„Ja, aber es entspricht doch der Wahrheit!“

„Ja...“ 'Leider' fügte Mel in Gedanken hinzu. 

„Sag mal, wo wir gerade wieder bei Gerüchten sind...was ist eigentlich an den Gerüchten um diese angebliche Freundin von dir dran? Oder waren da wieder 'Muschelsucher' am Werk?“ 

Er zögerte einen Augenblick, in welchem er kaum merklich an seiner Unterlippe knabberte. „Paddy?“

„Was? Achso, nein, keine feste Freundin. Da war mal was, aber das ist vorbei.“

„Oh, ich würde ja gern sagen, dass es mir leid tut, aber…“ Sie zuckte die Achseln. „...naja. War die Trennung schlimm?“

„Tja, sagen wir mal ereignisreich.“ 

Er lächelte, aber Mel spürte deutlich, dass ihm das Thema unangenehm war. 

„Bist du schon mal gesegelt?“

„Wie bitte?“

„Na, ob du schon mal mit einem Schiff unterwegs warst?“ 

Er kicherte unverhohlen. „Ich wohne auf einem…“

„Oh. Ja, natürlich.“ Sie biss sich auf die Zunge und ihr Gesicht zeigte wieder eindeutig, wie gern es sich rot färbte. Wenn sie schon so plump das Thema wechseln musste, wieso konnte sie sich nicht was Vernünftiges überlegen, statt so einen Schwachsinn zu labern?! Natürlich hatte er Erfahrung mit Schiffen! Vielleicht wäre es besser, wenn sie erst einmal den Mund hielt, bevor sie noch mehr Peinlichkeiten raushauen würde.

Schweigend gingen sie nebeneinander am Wasser entlang. Unsicher wartete Mel darauf, dass Paddy sich nun zu Wort melden würde, doch auch er sagte nichts. 

Schließlich blieb er wieder stehen und schaute auf´s Meer raus.
„Ist was?“, fragte Mel.

Er schüttelte den Kopf, ohne sie anzusehen und blickte nachdenklich weiter in die Ferne.

Auch Mels Augen versanken in den Schaumkronen auf den Köpfen der Wellen, die sich unaufhörlich auftürmten und sich kurz vor ihren Füßen scheinbar ins Nichts auflösten. Mit sich trugen sie das dröhnende Rauschen, das zu einem beruhigenden Nebengeräusch geworden war. 

Der Wind wehte ihnen um die Nase und die Möwen schrien über ihren Köpfen. Sie blickte hinunter in den Sand und malte mit ihren Schuhen abstrakte Zeichen hinein, die von jeder Welle wieder weggespült wurden.
Nach einem kurzen Moment sah sie Paddy von der Seite an, der aber weiter zum Horizont starrte und offenbar nachdachte. Sie wagte nicht, noch einmal nachzufragen, was denn sei. Sie hatte Angst, ihn in seinen Gedanken zu stören. Ihm gefiel es sicher, einfach mal etwas Ruhe zu haben und nur die hypnotisierende Melodie der Wellen zu hören, die Böen im Gesicht zu spüren und das Salz des Meeres auf der Zunge zu schmecken.
Plötzlich griff er wortlos nach ihrer Hand und zog sie weiter, ohne sie wieder loszulassen. 

Im ersten Moment hätte Mel sie ihm am liebsten wieder entzogen, zu groß war nach wie vor ihr Unbehagen. Ihre Nervosität war weiter gewachsen, als er nichts mehr sagte, nachdem sie so einen Blödsinn von sich gegeben hatte. 

Hatte er keine Lust mehr, sich mit ihr zu unterhalten? Hatte er festgestellt, dass es zwecklos war? Vielleicht weil von ihr ohnehin nichts Kluges kommen würde?

Doch nun hielt er ihre Hand und er hielt sie so fest, dass sie unmöglich aus seiner fallen könnte, selbst wenn sie die Anspannung in ihr lösen würde. 

So schob sie ihre Angst beiseite und hielt seine ebenfalls fest, während sich ein mädchenhaftes Grinsen auf ihrem Gesicht ausbreitete.
Nach wie vor schwieg er und sie wusste nicht, ob es angebracht war, die Stille mit ihren Banalitäten zu stören. Stumm spazierten sie nebeneinander her, weiterhin eine Hand in der des anderen vergraben.
Doch nach einer Weile blieb er erneut stehen und wieder schaute er hinaus aufs Wasser.
Sie wagte endlich einen neuen Versuch. „Also ich werde den Eindruck nicht los, dass du etwas auf dem Herzen hast.“ 

„Ja, irgendwie schon.“

„Na, erzähl! Manchmal fühlt man sich hinterher besser, wenn man darüber gesprochen hat. Und mach dir keinen Kopf, von mir erfährt niemand was, falls du dir Sorgen um die Presse machst.“

„Ja, das weiß ich.“

Sein Blick, der sie einen kurzen Moment lang traf, löste erneut ein mulmiges Gefühl in ihr aus. Panisch überlegte sie, ob ihre Handflächen feucht wurden und er dies merken würde. Sie musterte sein Gesicht von der Seite, das wieder in die Ferne gerichtet war.

„Was ist denn los?“
Er grinste verschmitzt und wandte den Kopf zu ihr. „Manchmal bist du ein bisschen...nicht falsch verstehen, aber ... naiv, ne? Oder sollte ich lieber blind sagen?“
Sie schluckte.

Es fiel ihr durchaus schwer, das nun nicht falsch zu verstehen...

Sie wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte, so beschloss sie, ihn einfach weiterreden zu lassen.
„Na, es geht um dich.“

„Wie um mich?! Hab ich was Falsches gesagt? Ich meine, ich hab schon mitgekriegt, dass ich ein paar echt blöde Dinge von mir gegeben habe, aber... War es so schlimm? Willst du lieber wieder zurück? Wir können auch fahren, wenn du möchtest! Gott, ich weiß, ich rede zu viel...“ Mittlerweile war sie richtig verunsichert. 

„Oh Mann...“ Er verdrehte die Augen.
Das mulmige Gefühl wandelte sich zu einer regelrechten Beklemmung in ihrer Brust. Jetzt verstand sie gar nichts mehr. Hatte sie wirklich alles falsch gemacht? 

Irritiert ließ sie seine Hand los, doch als sie zurückweichen wollte, trat er einen Schritt auf sie zu. Zaghaft hob er den Arm und legte seine Finger auf ihre Wange. „Ich weiß, du hast vorhin gesagt, ich soll dir bloß nicht zu nahe kommen. Ich hoffe trotzdem, dass du es mir nicht übel nimmst, wenn ich jetzt versuche, dich zu küssen.“

„Was bitte?“, stammelte sie tonlos und spürte ihr Herz gegen ihren Kehlkopf schlagen. 

Aber Paddy gab ihr keine Antwort, stattdessen zog er sie noch näher an sich heran, nahm ihren Kopf in beide Hände und legte seine Lippen ganz sanft auf ihre. 

Mel wagte nicht zu atmen. Atmen bedeutete leben und leben hieß, dass die Zeit weiterlaufen würde. Doch sie wünschte sich, dass dieser Augenblick nie enden sollte! 

Obwohl sie ziemlich überrumpelt war, genoss sie nun die Berührung der weichen Haut auf ihrer, seine Finger die ihr Gesicht hielten, seinen Atem auf ihrer Haut. 

Sie hatte mit vielem gerechnet, aber damit nicht! Und vielleicht hatte er Recht und sie war wirklich noch etwas blauäugig, doch das war ihr egal. Im Moment war ihr der Rest der Welt egal!

Sie spürte gerade deutlich, wie seine Zunge ihre sanft umspielte, wie seine Haare sie an der Stirn kitzelten und sein Geruch, der ihr jedes Mal den Verstand raubte, in ihre Nase stieg. Das war ihre Welt, aus der sie am liebsten nie wieder zurückkehren würde!

Es war so wunderbar und sie merkte nichts mehr von dem eisigen Wind, hörte keine Möwen mehr und auch das Lied des Meeres war in ganz weite Ferne gerückt. 

Es existierten nur noch sie beide. 

Seine Arme waren weiter gewandert und umschlossen sie nun ganz fest. Sie zogen Mel an ihn heran und schienen sie gar nicht mehr loslassen zu wollen. 

Mel wünschte sich, dass es nie wenden würde, doch schließlich wurde ihr schon ganz schwindelig, weil die Schmetterlinge in ihrem Bauch solche Purzelbäume schlugen.
Sie schnappte nach Luft. „Tut mir leid, aber ich muss mich kurz setzen“, stieß sie atemlos hervor und ließ sich in den Sand fallen.

Für ihren ersten Kuss war sie äußerst zufrieden. Mehr als das. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie auch gut ohne Luft und nur von Liebe leben können. Denn dass sie mehr für ihn empfand als nur bloße Schwärmerei, das musste sie sich mehr und mehr eingestehen. 

Er setzte sich daneben und beobachtete sie von der Seite.

Sie hatte die Beine angewinkelt und die Stirn auf die Knie gestützt.

„Alles in Ordnung? Hätte ich das doch nicht machen sollen? Ich meine, ich wollte nicht…“, fragte er vorsichtig, aber sie hob abrupt den Kopf und starrte ihn an.
Ihre Augen glühten und hätte sie rundherum lachen können, hätte sie es wohl getan. „Oh doch! Was für eine blöde Frage...Das war wunderbar! Es kam nur etwas... naja... mir ist lediglich ein bisschen schwindelig.“ 

Unverkennbar verlegen wandte sie ihr Gesicht wieder ab.
„Glaub es oder nicht, aber ich bin ein wenig schüchtern“, erklärte er mitfühlend.
Sie lachte ein bisschen gelöster. „Ja, ich glaube es eher nicht...“

Immer noch fühlte sie sich völlig weggetreten von den Glückshormonen in ihrem Körper.

Paddy spielte unsicher mit den Fingern im Sand. Ihm brannte etwas nicht nur auf der Zunge sondern auch auf dem Herzen. Gingen ihm auf der Bühne die Worte sonst so leicht von den Lippen, fiel es ihm nun schwer, den Mund überhaupt aufzubekommen. Als er ihr begegnet war, hatte er noch kesse Sprüche herausgehauen und nun machte er sich von Minute zu Minute mehr Gedanken darüber, dass er vielleicht was Falsches sagen oder machen könnte. 

„Doch ist so. Sieh mal, ich wollte...“ Er holte noch einmal Luft. „...ich wollte dir was sagen, konnte aber nicht, sondern tat etwas.“ 

„Na,“ Sie grinste herausfordernd, immer noch berauscht von dem eben Erlebtem. „was wolltest du mir denn sagen?“
Diesmal wich er ihrem Blick aus und verfolgte stattdessen das Spiel der Schaumkronen.
„Jetzt raus damit, bevor ich gleich wieder verwirrt bin, weil du nichts sagst.“ Mit diesen Worten griff sie nach seiner Hand.
Er löste seine Augen von den Wellen und wandte sich ihr wieder zu. „Ich mag dich eben echt gern!“

„Und das wolltest du mir mit diesem Kuss sagen? Sagst du das allen Leuten, die du magst, so?!“
Er schmunzelte. „Nein, nur wenn ich jemand besonders mag und das kommt nicht oft vor, da man ja meist auch nicht die Gelegenheit hat, die Menschen wirklich kennenzulernen. Aber bei dir bin ich mir sicher, dass ich dich noch sehr viel mehr kennenlernen will!“
Er beugte sich vor und gab ihr noch einen Kuss.

Und wieder drehte sich alles in ihr.
Jetzt schwieg sie, während er sie von der Seite mit den Augen fixierte.
Sie sah nachdenklich, geradezu besorgt aus, fand er, aber gleichzeitig auch wahnsinnig süß.

„Was ist los, war der jetzt nicht gut?“, fragte er diesmal nur zum Teil ernst gemeint. 

„Doch natürlich! Davon möchte ich auch gerne noch ganz viele mehr haben, aber- “

„Na, du bist aber nicht gerade schüchtern…“, unterbrach er sie grinsend.
„Ach,“, winkte sie ab ohne zu lächeln. „aber, naja, du bist nun mal sehr bekannt. Und du weißt ganz genau, viele Mädchen wollen dich...“

Sie zögerte und fügte dann hinzu. „Aber…“

„Was aber?“

„Paddy, ich möchte nicht nur so ein Urlaubsflirt sein und wenn du weg bist, höre ich nie wieder was von dir! Ich mag eure Musik, ich mochte dich auch schon immer gerne leiden, aber ich bin kein Groupie! Ich will nicht um jeden Preis, was mit dir anfangen, nur weil du Paddy Kelly heißt!“ Sie schaute ihn bitter ernst in seine wunderschönen Augen, doch er lächelte besänftigend. „Ich weiß, deshalb mag ich dich auch so. Du siehst nicht nur die Muschel, du wischt den Sand beiseite, schaust hinter die Fassade und versuchst sogar hineinzublicken. Du willst den Menschen sehen, nicht nur das, was die Medien aus mir machen.“
Sie sah wieder auf den Boden und ließ den Sand durch ihre Finger rieseln. „Natürlich! Ich will doch wissen, wer du wirklich bist! Aber ich rede auch nicht gerne über meine Gefühle, weil es einen so verletzlich und angreifbar macht, aber....seit wir uns kennen... Natürlich, und das weißt du, mochte ich dich auch...wie sag ich`s am besten ...als unbekannte Person in der Ferne gern, du warst einfach sympathisch, aber das, was ich fühle, hat nichts mehr mit der Figur zu tun, die ich nur von der Bühne kenne. Ich hätte dir nie gesagt, was ich jetzt empfinde, weil ich davon ausgegangen wäre, dass du mich eh nur für einen Groupie halten würdest! Aber das, was ich bisher hier privat von dir kennen lernen durfte, ist so was von liebenswert. Nicht nur deine Ausstrahlung, sondern auch deine ganze Art, dein Handeln, deine Worte, eben alles. Ich finde dich einfach unbeschreiblich.
Ich weiß, ich kenne bisher nur den Bruchteil eines Bruchteils, aber meinem Herzen reicht das offenbar um durchzudrehen! Und gerade deshalb will ich nicht nur jemand für deinen Ausflug hier in den Norden sein.“ Sie presste beherzt die Lippen zusammen. „...Paddy Kelly hin oder her...für ein winziges Zwischenspiel bin ich mir zu schade. Ohne dir jetzt zu nahe treten zu wollen.“
Nun wurde auch Paddy ernst. „Denkst du das etwa von mir? Dass ich jemand bin, der in jeder Stadt eine andere hat? So bin ich nicht! Wenn ich etwas mit dir anfange, meine ich es auch ernst! Glaub mir das bitte!“
Sie lächelte erleichtert. „Hm, okay. Nein, eigentlich habe ich keine schlechte Meinung von dir, aber das heißt ja nichts, da ich dich ja kaum kenne. Das, was man liest und hört, kann man ja nicht für bare Münze nehmen. Ich wollte ja nur einmal die Fakten klären, damit ich weiß, woran ich bin. Oder dies zumindest glaube.“ Jetzt beugte sie sich vor und küsste ihn und er machte nicht den Hauch einer Anstalt, ihr auszuweichen. 

Noch immer fühlte sie sich gehemmt, empfand die Vorstellung, ihm näherzukommen, als unrealistisch, auch wenn sie noch das Gefühl der zarten Lippen auf ihren gespürt hatte. Aber dann hatte das Verlangen Überhand genommen.
Als sie sich wieder voneinander lösten, rieb er sich gut gelaunt die eisigen Hände und pustete warme Luft hinein. „Also so erwärmend es auch ist, dich zu küssen, mir wird langsam echt kalt.“

Mel grinste und nickte. „Ja, lass uns mal wieder los. Wir müssen ja auch noch ein gutes Stück mit dem Rad fahren.“
Er stand auf, zog sie hoch und sie gingen Hand in Hand zurück, wobei man durchaus sagen konnte, dass beide eher vor sich hin schwebten und niemand mehr wahrnahm, wie ihre Füße den Boden berührten.
Durchgefroren, aber mit den strahlendsten Lächeln auf den Lippen kamen sie Händchen haltend im Hotelzimmer an. „Na, was ist denn mit euch los?“, fragte John, doch dann sah er auf ihre Hände mit den innig ineinander verschränkten Fingern. „Okay, vergesst es. Schon klar.“
Es folgte ein kurz anschwellender Gruppenapplaus der übrigen Kellys.
Auch Tina saß zwischen den anderen neben Joey und freute sich mit ihnen. 

Paddy hielt die Hand, in der er Mels Finger eingeschlossen hatte, kurz hoch in die Luft. „Ja, so, nun ist aber auch gut, ne!“, kicherte er und ließ sie wieder fallen. „Macht mal nicht so einen Zirkus hier.“
Erleichtert, dass die anderen nun auch Bescheid wussten, setzten sich und er ließ seinen Blick durch die Runde schweifen. „Und? Wie ist der Plan bei euch? Seid ihr auch schön produktiv gewesen?“

Es folgte geteiltes Gemurmel.
„Zeigt uns doch mal den Rest der Stadt!“, schlug Maite vor.

Alle waren einverstanden und so führten Mel und Tina sie zu den wenigen Sehenswürdigkeiten, die die Stadt zu bieten hatte.
Als letztes folgte die Schule, die zwar nicht besonders sehenswert war, aber Joey und Paddy wollten sie dennoch gerne kennenlernen.

In der Schule war auf Grund der Uhrzeit zum Glück nichts mehr los.
Mel und Tina erzählten ihnen, dass es noch ein paar andere Kelly Fans gab, was die anderen ganz und gar nicht verwunderte.
Kathy und Paddy schlenderten etwas hinter den anderen und unterhielten sich. Kathy hatte einen Song fertig gestellt und summte ihn Paddy leise vor, wobei sie auch immer mal einige Textpassagen einschob. Sie überlegten auch, wie der Aufbau der neuen CD werden könnte, kamen aber zu keinem rechten Ergebnis.

So sehr Mel die Musik der Kellys liebte, dies Gespräch langweilte sie entsetzlich. Da kam es ihr gerade recht, dass Jimmy die Aufmerksamkeit auf sich zog.
„Hey, wer zuerst unten ist, hat gewonnen!“, rief er ihr zu, als sie am Kopf der großen Treppe angekommen waren. Irgendwie hatte er schon den ganzen Tag Hummeln im Hintern gehabt, was just seinen Höhepunkt erreichte.
Mel war begeistert. „Ja, lass uns ein Wettrennen machen! Aber glaub mir, du hast keine Chance! Ich renne die Stufen fast jeden Tag hoch und runter.“

„Ich laufe auch mit!“, rief Maite. „Achtung, fertig, los!“ 

Jimmy führte sofort. Maite lag dicht dahinter mit Mel auf einer Höhe.
Das konnte doch nicht wahr sein! Sie hatte das meiste Training hier, quasi Heimvorteil und sollte dennoch verlieren?! Sie legte noch einen Zahn zu.
„Ahhh!“ Der schrille Aufschrei war aus Mels Kehle gekommen und verstummte jäh wieder, als sie die untersten Stufen herunterkugelte. 

Paddy rannte sofort zu ihr hinunter und kniete sich neben sie, während sie mit den Tränen kämpfte.
„Was habe ich dir am ersten Tag schon gesagt?! Was soll nur passieren, wenn ich nicht da bin... Ich habe dir prophezeit, dir geschieht noch was“, versuchte er sie spaßig schimpfend etwas aufzumuntern, aber dann schwang doch etwas Besorgnis in seiner Stimme mit. „Hast du dir was getan?“ 

„Ich glaub schon, mein Fuß tut schweinemäßig weh!“

„Halt dich fest, ich trage dich.“

„Heb dir keinen Bruch…“, schluchzte sie.

„Na was wiegst du?!“

„Knapp 50kg.“

Er musste lachen. „Na komm, du Fliege.“

Schniefend klammerte sie sich an seinen Hals, als er unter ihre Knie fasste und sie hochhob. „Wir lassen dich erst mal untersuchen.“
Tina erklärte sofort, dass das Krankenhaus gleich in der Nähe sei und ging vorne, als sie losmarschierten. 

Paddy hatte sich den Weg allerdings nicht ganz so lang vorgestellt. 

Joey bot ihm immer wieder an, ihn abzulösen, aber sein Stolz ließ es nicht zu. Wäre doch gelacht, wenn er das nicht alleine schaffen würde. Außerdem würde es keinen guten Eindruck machen, wenn er vor Mel schwächelte. 

Schweißgebadet erreichte er endlich das Ziel. 

„Das soll ein Krankenhaus sein? Die Frage, auf welche Station wir müssen, erübrigt sich wohl. Oder gibt es mehr als eine?“

„Ich glaube nicht.“ Tina zuckte die Achseln.
In der Klinik wurde Mel von einem netten Arzt untersucht.

„Tja, der Fuß ist nicht gebrochen, sondern nur leicht verstaucht, aber ein paar Prellungen hast du auch“, erklärte er schließlich. 

Erleichtert atmeten alle auf. 

„Siehst du, bist bestimmt bald wieder auf den Beinen“, tröstete Angelo Mel mitfühlend und streichelte ihr beruhigend über den Arm.
Eine freundliche Schwester kam zu ihr, schiente das Bein fachmännisch und gab ihr ein Paar Krücken.

„Und damit soll ich laufen können?!“ Skeptisch begutachtete sie die Gehhilfen. 

Wie oft hatte sie jemanden damit humpeln gesehen, aber selber in der Hand gehabt, hatte sie so etwas noch nicht. 

Doch die Schwester zeigte ihr, wie es funktionierte und nachdem erst Paddy und dann Angelo sie einmal aufgefangen hatten, als die ersten Versuche scheiterten, klappte es auch einigermaßen. 

Als sie mit einem Großraumtaxi wieder zu Mel fuhren, erklärte Joey, dass er sie alle auf den Schrecken erst mal zum Essen einladen würde.
„Da müssen wir euch aber etwas anders zurecht machen, sonst kommt ihr vermutlich gar nicht zum essen, weil ihr so auffallt.“ warf Tina ein. 

Zähneknirschend mussten sie ihr Recht geben. Auch wenn sie mehr oder minder am Hintern der Welt waren, hatten sie bereits feststellen müssen, dass es doch mehr Kellyfans hier gab als nur Tina und Mel. 

Sie gingen zum Hotel und holten Johnny ab, der sie nicht auf den Spaziergang begleitet hatte, weil er noch etwas schreiben wollte.
Dann machten sie sich auf den Weg zurück zu Mels Elternhaus, wo Paddy sofort ihren Kleiderschrank aufriss und die Sachen durchwühlte.

Er fühlte sich offenbar bereits wie zu Hause.
Die Poster hatte sie zum Glück schon wieder woanders untergebracht, so verhängte sie lediglich über einige Schubladen ein striktes Wühlverbot. 

„Finger weg! Ich seh das ganz genau!“, mahnte sie Paddy, der in einem scheinbar unbeobachteten Moment eine von ihnen vorsichtig aufziehen wollte. Grinsend ließ er seine Finger wieder davon. 

„Was hast du denn mit dem Bein gemacht? Die hattest du vorhin noch nicht!“ John deutete auf die Schiene.

„Nein...ich hab ein Wettrennen gemacht“, antwortete sie und guckte zu Jimmy.

Als ihre Blicke sich trafen, brachen beide in lautes Gelächter aus.

„Ach ja, du hast übrigens gewonnen. Du warst zuerst unten!“, japste er. 

„Haha...“ Mel verdrehte kichernd die Augen.
Die Mädels ließen sie so, aber die Jungs mussten sich ein paar Veränderungen gefallen lassen.
Bei Paddy, John und Joey verbargen sie die Haare, so gut es ging, während sie Jimmy kurzer Hand zur Frau machten. Alle hatten sehr viel Spaß dabei, vor allem Jimmy.
Tina schmiss sich weg vor lachen. „Du musst aber schön die Klappe halten, Jimmy! Den ganzen Abend! Du bist eine ganz schüchterne Frau!“

Er sah sie fragend an. „Wieso das denn?!“

„Na, was meinst du, was die denken, wenn man deine Stimme hört oder willst du die ganze Zeit piepsen, wobei man da auch hört, dass es nicht Original ist?!“

Alle grölten los und machten sich auf den Weg durch die kleine Innenstadt.
„Wohin sollen wir denn jetzt?“

„Ich bin fürs Pane Vino, das ist ein Italiener“, schlug Tina vor.

Joey grinste. „Ja, klingt fast so. Von mir aus gerne.“ Auch alle anderen waren einverstanden. Joey freute sich schon unterwegs. Er hatte genau wie der Rest seiner Familie eine Vorliebe für die italienische Küche.

„Oh ja, Lasagne. Ich liebe Lasagne! Ist die dort gut?“, fragte er Mel.

Sie zuckte mit den Schultern. „Frag mich nicht, ich bin Vegetarier.“

„Ja, die ist sehr gut!“, mischte sich Tina ein. „Lasagne ist mein Lieblingsessen und die habe ich dort schon zig-fach gegessen.“
Während des Essens kamen sie kaum voran. Maite und Mel überboten sich gegenseitig beim Witze erzählen, während die anderen sich schief lachten.
„Wo wohnst du eigentlich genau, Tina? Ist es sehr weit?“, fragte Joey nach dem Essen. 

„Nein, ich wohne nicht hier in Kappeln. In einer kleinen Gemeinde gut 10 Kilometer nördlich von hier.“

„Noch weiter nördlich? In Dänemark?“ Er kicherte. „Gib mir mal deine Adresse. Dann besuchen wir dich diese Woche vielleicht mal.“
Mit „wir“ meinte Joey natürlich nur sich selbst...

Er brachte Tina noch zum ZOB, wo sie dann den letzten Bus nahm.
Joey hätte sie gerne noch gefahren, aber er hatte beim Essen leider zu viel Rotwein getrunken. Doch dafür bekam sie einen kleinen Abschiedskuss, der sie sogar mitsamt des Busses bis nach Hause schweben ließ. Sie hätte fast ihre Haltestelle verpasst, weil sie so sehr am Träumen war.
Mel war bereits mit den anderen wieder zum Hotel gehumpelt. Ihr wäre der Weg zur Bushaltestelle auf Krücken einfach zu anstrengend gewesen und außerdem wollte sie Tina und Joey auch die Zeit für sich alleine gönnen.
Sie verabschiedete sich vor dem Hotel von den anderen und bedankte sich für den schönen Tag, auch wenn es diesen kleinen Zwischenfall während des Wettrennens gegeben hatte.
Dann hinkte sie weiter nach Hause, wo sie vor der Tür stehend bemerkte, dass Paddy neben ihr wartete.

„Äh, hab ich mich nicht gerade von dir verabschiedet?!“ Verwirrt blickte sie zischen der Hoteltür und ihm hin und her. „Du willst doch nicht - “

Frech grinste er sie an. „Doch ich will bei dir übernachten. Das heißt, nur wenn du mich lässt natürlich.“ Er sah ihr skeptisches Gesicht und fuhr schnell fort. „Hey, da drüben muss ich mir mit Angelo ein Zimmer teilen. Das willst du mir doch nicht zumuten, oder?!“ Er deutete mit dem Daumen über seine Schulter. 

„Nein“, kicherte sie. „Aber sei ganz leise. Ich denke nicht, dass meine Eltern das gut finden würden.“

Langsam ging sie voran und drehte sich grinsend noch mal zu ihm um. „Und du willst mir erzählen, dass du schüchtern bist...!?“

Er antwortete nicht, sondern zuckte nur mit den Schultern und sah wie ein „Unschuldsengel“ zur Decke.
Auf Zehenspitzen schlichen sie nach oben.
Paddy ging leise weiter, während Mel noch einen Blick ins Wohnzimmer warf und ihren Eltern gute Nacht sagte, damit diese nicht noch einmal oben rein kämen.
So normal wie möglich schloss sie die Tür wieder hinter sich und sah die Treppe hinauf, die zur dritten Etage führte und damit zu ihrem Zimmer.
Sie war aufgeregt und fühlte sich sogar etwas unwohl bei dem Gedanken, dass Paddy oben auf sie wartete. Doch sie hatte es auch nicht übers Herz gebracht, ihn vor der Haustür unten stehen zu lassen. Nicht nachdem sie seinen umwerfenden Augen erlegen war. 

Was er wohl erwarten würde? Sie hatte gelesen, wenn auch in unseriösen Blättern, dass er schon mehr mit Frauen gehabt hatte. Sie dagegen hatte bisher nur sehr spärlich Erfahrungen sammeln können. Sehr sehr spärlich, um es deutlich zu sagen.
Auf dem Weg in ihr Zimmer merkte sie, dass sie immer langsamer wurde, doch letzten Endes erreichte sie schließlich die Tür.

Dann atmete sie noch einmal tief durch und ging hinein.
Paddy lag auf dem Bett und hatte den Fernseher eingeschaltet.

Sie stellte die Krücken in die Ecke, hüpfte auf einem Bein zum Bett und setzte sich neben ihn. Nervös sah sie sich um und blickte auf das Bild von ihm, das immer noch über dem Bett hing. Sie beugte sich vor, um es abzunehmen.

„Hey, lass es doch hängen...ist wie ein Spiegel neben dem Bett“, witzelte er herum. 

„Spinner“, murmelte sie verlegen und nahm es dennoch ab.

Diese Art der Kommentare halfen ihr gerade leider gar nicht dabei, sich wohler in ihrer Haut zu fühlen. Sie wagte nicht mal, ihn richtig anzusehen. Er würde dann bestimmt merken, was in ihr vorging.
Doch trotz der inneren Unruhe war sie ziemlich müde, denn es war mal wieder ein sehr aufregender Tag gewesen.
„Soll ich dir beim Ausziehen helfen oder geht das mit der Schiene?“, bot er ihr hilfsbereit an.
So langsam wurde ihr richtig mulmig zumute.

Sie setzte sich seitlich aufs Bett und schaute ihn an, wie er dort vollkommen entspannt lag. Stetig darauf bedacht, seinem Blick auszuweichen.
„Mmm, also...wie fange ich an“, begann sie zu stottern. 

„Na, am besten mit der Hose, ne.“

„Ja, nee, eben. Hör mal bitte auf zu scherzen! Also, kurz gesagt...ich habe kaum Erfahrungen mit Männern.“

Er grinste. „Ja? Und?“

„Und du schon, oder nicht? Also ich meine natürlich mit Frauen. Nicht mit Männern…“

„Ja, und?“

„Kannst du auch mal was anderes sagen?!“

„Ja, was?“

Sie zog die Stirn in Falten und guckte leicht genervt.

Er riss sich zusammen. „Worauf willst du denn nun eigentlich hinaus?“
Unruhig knetete sie ihre Finger, bis sie knackten, und fuhr stockend fort. „Hm, gib mir Zeit. Wir sind doch gerade erst zusammengekommen....Ich hab noch nie...ich meine...ich bin noch nicht soweit.“

„Ja natürlich. Du hast alle Zeit, die du brauchst...“

Dann lachte er leise und sah sie liebevoll an. „Ach, du dachtest....nein, ich wollte nicht deshalb mit hoch. Ich finde es einfach schön, in deiner Nähe zu sein. Und das mit Angelo stimmt wirklich. Du glaubst gar nicht, wie der Schnarchen kann! Unglaublich, was aus so einer kleinen Person für Töne herauskommen können.“ 

Mel kicherte. „Das denke ich jedes Mal, wenn ich Kathy singen höre. Dann allerdings im positiven Sinne.“
Er hörte ein lautes Rumpeln. „Was war das?“

Sie grinste. „Der Stein, der mir gerade vom Herzen gefallen ist...nein, Quatsch, das sind meine Eltern, die gerade zu Bett gehen. Also leise.“ Sie legte die Finger an die Lippen.
„Also kommst du nun alleine klar, oder soll ich helfen?“, flüsterte er. 

„Wäre nett, wenn du hilfst.“

So zog er erst sie und dann sich aus, sie kuschelten sich aneinander und waren ganz schnell eingeschlafen.
Mels Mutter war am nächsten Morgen gar nicht begeistert, als sie kam, um Mel zu wecken und die zwei zusammen im Bett liegen sah.
Daher scheuchte sie die beiden aus deren Nest; Mel zur Schule und Paddy ins Hotel rüber.

Letzterer verschwand breit grinsend mit den Worten „Hey, is nix passiert“ aus der Haustür.
Mel konnte sich in der Schule kein Stück konzentrieren und als sie Tina in der Pause erzählte, dass Paddy bei ihr geschlafen hatte, war auch für Tina der Schultag restlos gelaufen.
Allerdings hatte sie acht Stunden und ärgerte sich ein wenig, dass Mel mehr Zeit mit den Kellys verbringen konnte als sie. Noch dazu konnte sie mit niemandem darüber reden, da Mel und sie ausgemacht hatten, keinem zu erzählen, dass die Kellys in der Stadt waren. Das würden schließlich ohnehin schon genug mitbekommen.
Aber als sie nach der Schule aus der Sporthalle kam, erlebte sie eine Überraschung. Dort stand Joey mit einem Motorrad und hielt ihr einen Helm entgegen!
„Los, steig auf! Ich fahr dich nach Hause. Ich wollte dich doch sowieso mal besuchen und sehen, wie du wohnst!“

Tina freute sich wahnsinnig! Sie umarmte Joey und gab ihm einen Kuss. Dann fuhren sie los.
Sie dirigierte ihn, bis sie es fast geschafft hatten. „Rechts abbiegen und nach der Kirche links. So, da sind wir schon.“
Bei Tina angekommen, öffnete auch nach mehrmaligem Klingeln niemand die Tür.

„Meine Schwester ist sicher beim Jonglieren. Gehen wir hinten herum.“

Dort musste Joey erst mal die Hunde Asko und Amsel begrüßen. Tina fand es sehr süß, wie begeistert er mit ihnen spielte.
Drinnen merkte er sofort, welches Zimmer zu Tina gehörte, da an der Tür ein großes Kelly Poster hing.
Er öffnete die Tür, verbeugte sich und schenkte ihr den Vortritt.
„Überraschung!!“, riefen etwa ein Dutzend Stimmen, als sie über die Schwelle trat.

Die Kellys, Tom, Anike (Tinas Schwester), und natürlich Mel waren da.
„Das soll deine Feier sein, da wir zu deinem Geburtstag nicht mehr da sind. Vorfeiern, soll zwar Unglück bringen, aber man soll auf der anderen Seite die Feste auch feiern, wie sie fallen und du bist doch nicht abergläubisch, oder?!“, rief Maite.
„Nein, ich bin nicht abergläubisch. Auf wessen Mist ist das denn gewachsen?“, erwiderte sie lachend.

Sämtliche Augen im Raum fielen auf Joey und dieser guckte getroffen. „Nicht gut?“

„Doch! Ich war noch nie glücklicher!“

Sie fiel erst Joey und dann allen anderen im Raum um den Hals. „Das ist das tollste Geschenk, dass ich je bekommen habe! Ihr seid echt der Wahnsinn!“
Joey räusperte sich. „Da wäre doch noch etwas...“
Er streckte Tina ein kleines Päckchen entgegen. Neugierig riss sie es auf. Es befand sich ein hell lila gebatiktes Bettlaken darin, auf dem sich sämtliche Anwesende mit einer Art Eigenportraits, Unterschriften und guten Wünschen verewigt hatten.
Tina war absolut begeistert. Dann kam ihre Mutter herein und verteilte an alle Sekt, womit sie dann auf Tina anstießen.
Es wurde den ganzen Nachmittag und Abend fröhlich gefeiert, Spiele gespielt, gelacht, gesungen und getanzt. Es war eine wirklich gelungene Party.
Gegen 22.00h verabschiedeten sich die meisten. Nur Paddy, Mel, Joey und natürlich Tina blieben. Sie schlugen mit Matratzen, Schlafsäcken und Decken ihr Nachtlager in Tinas Zimmer auf, welches fast einem Open Air Lager glich. Anike hätte auch gerne dort geschlafen, aber sie durfte nicht, was den dort Schlafenden auch ganz recht war.
Am nächsten Morgen verpennten sie natürlich.
Paddy wachte um 7.00h auf und weckte die anderen. Nach gehetzten zehn Minuten waren alle startklar.

Joey brachte Tina mit dem Motorrad zur Schule.
Paddy Mel mit dem Fahrrad...sie kam natürlich viel zu spät, doch das ihr völlig egal. Sie genoss es auf dem Gepäckträger zu sitzen und sich an ihm festzuhalten, auch wenn das Ganze mit der Schiene und den Krücken etwas umständlich war.
Um kurz nach 8 betrat sie das Klassenzimmer mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht. Die folgende Predigt ging zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus, ohne auch nur einmal wirklich von ihr registriert worden zu sein.
Auf der einen Seite, wollte der Schultag überhaupt nicht vergehen, auf der anderen Seite bekam sie rein gar nichts vom Unterricht mit, da sie vollkommen in ihren Erinnerungen schwebte.
Nach der Schule setzte sie sich aber an ihre Hausaufgaben, um nicht komplett den Anschluss zu verlieren.
Doch bereits nach kurzer Zeit hörte sie etwas an die Scheibe knallen. Und noch einmal...
Sie stand auf, lugte durch die Jalousien und sah Paddy, der im geöffneten Fenster gegenüber saß und mit Haselnüssen auf ihr Zimmer zielte. „Nettes Hotel ist das...stellt einem gleich was zu knabbern hin.“

Mel lachte. „Na, wenn du nichts Besseres zu tun hast, als mit Nüssen zu werfen, kannst du gerne herüber kommen und mir bei meinen Englischhausaufgaben helfen. Wenn du doch was besseres zu tun hast, kannst du trotzdem gerne kommen.“

„Na klar komme ich“, nickte er eifrig und sprang von der Fensterbank.
Als Mel ihm die Tür öffnete, hatte er seine Haare in der Jacke versteckt und seinen neuen Hut tief ins Gesicht gezogen. „Genau, es könnte dich ja auf den zwanzig Metern hier rüber jemand erkennen, was?“, witzelte Mel herum.

„Na, man muss mit allem rechnen, ne?“ Er zwinkerte schelmisch und folgte ihr.
„So, wo fangen wir an?“, fragte er, als sie oben angekommen waren.
„Naja, noch komme ich alleine klar, aber später brauche ich deine Hilfe. Hast du Lust so lange mal meine Gitarre zu stimmen? Die ist dort irgendwo im Schrank.“

Nach einigem Suchen fand er sie.

„Na, so geht man aber nicht mit so einem Schmuckstück um!“, rügte er sie.

„Ja, ich weiß…“, schmunzelte sie schuldbewusst. „aber spielen kann ich eh nicht wirklich. Ich hab mal zwei drei Akkorde gelernt, aber damit hatte sich das Ganze auch wieder.“

„Wozu soll ich sie dann stimmen?“

„Du stellst vielleicht Fragen...damit du mir was vorspielen kannst natürlich!“

Er machte sich geübt daran, sie wieder in Form zu bringen und war schnell fertig. Dann zupfte er ein wenig auf ihr herum und summte „An Angel“.
Plötzlich hielt er inne. „Also jetzt kommt ein Lied...ein Lied über Hühner....ein Huhn und ein Hahn... und du bist das Huhn und ich bin der Hahn...“ Er grinste sie an.

Sie schüttelte lachend den Kopf. „Klar bin ich dein Huhn.“

Kichernd ließ sie den Schreibtisch Schreibtisch sein und nahm ihm die Gitarre aus der Hand. „Danke, Liebling. Aber die brauchst du jetzt nicht mehr.“ Aufreizend setzte sie sich auf ihn und begann ihn zu küssen.

„Na, dafür, dass du gesagt hast, du hättest kaum Erfahrungen mit Männern, gehst du jetzt aber ganz schön forsch ran!“, stellte er amüsiert fest.
Sie ignorierte den Kommentar und küsste ihn weiter.

„He, sollte ich dir nicht bei den Hausaufgaben helfen?!“, warf er ein.

„Ja ja…“, brummte sie und sah ihn übertrieben gelangweilt an.

Er überlegte kurz. „Okay, ich sag die einen Satz und du sagst mir die Bedeutung. Kiss me.“

Doch statt zu antworten, küsste sie ihn natürlich.

„Gut, ganz so war das nun nicht gemeint, aber die Bedeutung hast du schon richtig erkannt. Vergessen wir die Hausaufgaben...“ Er zog sie auf sich und sie küssten sich und schmusten, was das Zeug hielt...eben zwei frisch verliebte Teenager.
Da klopfte es und bevor sie sich erheben konnten, ging die Tür schon auf.

„Hi Mel – oh, sorry, wir wollten nicht stören.“

Tina und Joey, die in der Tür standen, brachen in schallendes Gelächter aus. Man bekam den Eindruck, dass ihnen ihr Auftauchen nicht ernsthaft leid tat.
Mel und Paddy rafften sich grummelnd auf und sahen die anderen gespielt grimmig an.
„Wir wollten euch nur fragen, ob ihr mit bummeln wollt?“, fragten die Beiden, als sie sich endlich wieder beruhigt hatten.
Sie stimmten zu und sie machten sich auf den Weg in die Stadt. Sie waren erst bei Mambo, wo es allerhand Kelly typische Klamotten gab. Den zwei Jungs gefiel der Laden auf Anhieb.
Dann kamen sie an dem Antiquitätenhändler vorbei, wo Paddy unbedingt rein wollte. Allerdings hat sich dort dann nur Joey für eine alte Öllampe begeistern können, die er Tina schenkte.
Paddy gefiel die Lampe nicht und schielte Mel an. „This is crap...“ 

Doch diese schaute leicht überfordert, worauf hin Paddy feststellte... „Okay, ich glaube, du brauchst noch mehr Nachhilfe.“

Beim Gedanken an die letzte „Nachhilfestunde“ am Mittag nickte sie eifrig zustimmend. „Ja, das muss wohl sein...“
Joey und Tina verstanden gar nichts und nahmen nur zur Kenntnis, dass die beiden sich wieder auf den Rückweg machten.

„Ach, frisch Verliebte sind ja so kindisch und anstrengend“, meinte Joey und grinste Tina an. „Ja, absolut“, stimmte sie ihm zu und küsste ihn.
„Okay, let´s see...“ Paddy schnappte sich Mels Englischbuch und fing an zu blättern, während sie ihn ganz entgeistert ansah.

„Was machst du denn da?!“, fragte sie ungläubig. 

„Ich suche einen passenden Text, den du mir übersetzen kannst!?“ 

„Ja, aber…“

„Du hast doch nicht gedacht, wir machen weiter wie heute Mittag? Ja, okay, ich gebe zu, ich habe dich ein bisschen reingelegt, aber du musst eben auch mal wieder was für die Schule tun!“

„Oh Mann“, stöhnte sie genervt und guckte ihn enttäuscht an.
Er klappte das Buch zu und wühlte in seinen Taschen bis er einen zerknitterten Zettel fand. „Na gut, ich schlag was anderes vor. Hier ist der Text zu einem Lied, das ich gerade schreibe.“

Sie hielt ihm die Gitarre hin. „Los, singen!“ 

Doch er wehrte ab. „Nein, nichts hier jetzt mit singen! Den sollst du übersetzten! Wenn du dich gut anstellst, dann singe ich, so weit wie ich es bisher fertig habe. Ist das ein Deal?“

„Ja“, lenkte sie widerwillig ein.
Sie hatte gerade angefangen, da rief ihre Mutter sie zu sich nach unten. „Sag mal, hängst du schon wieder mit ihm `rum? Du solltest mal wieder was für die Schule tun!“

„Ja, mach ich doch gerade! Wir übersetzen Englischtexte.“ Lena seufzte, gab sich aber dann mit dieser Antwort zufrieden.
„Come on, darling, sit down and -“, ermunterte Paddy sie, als sie zurück ins Zimmer kam.

„Paddy...können wir nicht deutsch reden?“

„Oder spanisch?“

„Ha ha, sehr witzig.“

„No, Sweety, let´s speak english.“

Also so hatte sie sich den Nachmittag aber ganz und gar nicht vorgestellt! Sie verdrehte genervt die Augen, fügte sich aber schließlich ihrem Schicksal und schaute sich doch neugierig den Text seines neuen Liedes an.
Er gefiel ihr. Zwischendurch musste sie zwar mal nachfragen, wie das eine oder andere gemeint war, aber dann hatte sie es irgendwann geschafft. „Ready!“
„Hm, tscheig ma“, murmelte er mit vollem Mund.

Er hatte auf dem Schreibtisch eine Tüte Gummibärchen gefunden und seine Wangen waren aufgeplustert wie die eines Hamsters.

Er war ganz zufrieden. „`kay, dann bin isch nu´ dran.“

Er schluckte die restlichen Bärchen hinunter, nahm die Gitarre und fing an zu singen. Das Lied hieß „Fell in love with an alien“ und gefiel Mel auf Anhieb. Es wollte ihr auch den Rest des Tages nicht mehr aus dem Kopf gehen.

So gingen die Tage und schließlich Wochen dahin.

Mel bekam ihre Schiene bereits nach knapp einer Woche wieder ab und sie fühlte sich unendlich frei ohne die Krücken.
Paddy schlief meist bei ihr und sie genossen jede Zeit, die sie miteinander verbringen konnten.
Auch aus Joey und Tina war inzwischen ein richtiges Paar geworden.

Doch wie sie alle wussten, rückte der Tag der Abfahrt immer näher.
Und eines Tages stand Paddy vor der Schule, um Mel abzuholen. Es regnete in Strömen. Er hatte sich zwar leicht verkleidet, setzte sich aber dennoch der Gefahr aus, dort erkannt zu werden und so keine Ruhe mehr in dem kleinen Ort zu haben.

Gerade dadurch wurde Mel stutzig.
„Was machst du hier? Ja, schon klar...mich abholen, aber warum?“

„Lass uns ein Stück spazieren gehen. Ich muss mit dir reden.“

Das klang ja schon mal gar nicht gut.
Sie hakte sich beim ihm ein und sie liefen quer durch den Wald.
„Gut, ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden. Wir fahren früher als geplant. Patricia hat irgendeinen PR Auftritt eingeschoben und der ist in Madrid. Am nächsten Tag gibt es dann dort auch noch ein Konzert. Leider haben die anderen beschlossen, dass es sich nicht lohnt, noch wieder hierher zurückzukommen.“ Er sprach leise und wirkte bedrückt.
Genau wie Mel. „Nun sag schon, wann fahrt ihr?“

„Heute Abend.“
Sie bekam einen gigantischen Kloß im Hals. „Heute Abend schon...?“, flüsterte sie tonlos. 

Traurig starrte sie ihn an. Am liebsten hätte sie ihn gebeten zu bleiben, aber sie wusste, es würde nicht gehen und sie hatte Angst, dies auch noch aus seine Mund zu hören.
Er blieb stehen und nahm sie in den Arm. „Kleine, du wirst mir so fehlen!“

„Ach, du hast ja die ganze Zeit zu tun und wirst gar nicht die Zeit haben, mich zu vermissen, während ich hier in diesem Kaff sitze und Däumchen drehe!“ Und ihre Tränen liefen.

Er wischte ihr über die feuchten Wangen und küsste sie sanft. „Ja, ich werde viel zu tun haben, aber ich werde dich vermissen! Ich werde dein Lachen vermissen, deine Augen und deine Lippen. Du wirst mir fehlen, wenn ich abends einschlafe und wenn ich morgens aufwache. Ich werde ungeduldig auf den Tag warten, an dem wir uns wiedersehen! Ich liebe dich!“

Hatte er das gerade tatsächlich gesagt? Oder hatte sie es nur hören wollen? Meinte er es wirklich so, wie er es gesagt hatte? Es war ihr egal, sie wollte es einfach glauben.

„Ich dich auch!“, schluchzte sie.
Er hatte sie in seine Arme geschlossen und seine Nase in ihren Haaren versenkt. Aneinander gepresst standen im Wald und waren mittlerweile klatschnass.

„Komm, lass uns ins Warme.“ Er löste seine Umarmung, nahm ihre Hand und zog sie weiter.
Sie konnte gar nicht mehr denken und spürte nur noch ein schier endloses Gefühl der Traurigkeit.
Ja, er hatte gesagt, er liebe sie, aber sie konnte sich nicht darüber freuen. Wie lange würde es dauern, bis er sie vergessen hätte? Bis er eine Neue hätte?! Er hatte gesagt, er wäre nicht so einer, aber realistisch gesehen, konnte er tausende haben. Wie lange würde es dauern, bis er eine traf, die ihr das Wasser reichen konnte und ihm den Kopf verdrehte?!
„Hey, Mel?“ Er schüttelte an ihrer Hand. „Ich rede mit dir.“

Sie sah auf. „Sorry, ich war in Gedanken...“ 

„Ja, das habe ich gemerkt. Woran dachtest du?“

Sie versuchte sich an einem kläglichen Lächeln, das aber vollends misslang. „Na, woran wohl...wann werden wir uns wiedersehen?“

Er seufzte tief. „Ich weiß es nicht. Ich hoffe spätestens Weihnachten.“

„Weihnachten?“ Sie musste schlucken. „Das sind vier Wochen!“ Bedrückt senkte sie den Kopf wieder und trottete weiter neben ihm her. 

„Ja, ich weiß…“, murmelte er nickend.
Als sie bei ihr angekommen waren, wollte sie erst mal heiß duschen. Auch wenn sie eigentlich keinen Moment mehr ohne ihn verbringen wollte, musste sie einen Augenblick alleine sein, um das zu verdauen und ihre Gedanken zu sortieren.
„Darf ich mitkommen?“, fragte er schelmisch grinsend, doch sie schüttelte verlegen den Kopf. „Lieber nicht.“
Seine Annäherungsversuche waren in den letzten Tagen immer deutlicher geworden, aber bisher hatte sie ihn immer galant zurückgewiesen oder war in welcher Form auch immer ausgewichen.
Als sie aus der Dusche kam, saß er auf dem Bett, natürlich mit der Gitarre in der Hand, und zupfte eine schöne Melodie. Sie machte die Tür hinter sich zu, lehnte den Kopf an den Rahmen und lauschte mit geschlossenen Augen seinem Spiel.

„Na komm her.“ Er stellte das Instrument zur Seite, kam auf sie zu und legte von hinten beide Arme um sie. Er stützte den Kopf auf ihre nassen Schultern uns sog den Duft ihrer Haut ein.

Sie schloss die Augen wieder und genoss einfach seine Nähe, als er begann, ihre nackte Haut zu küssen.

Sie liebte es, seine weichen Lippen auf sich zu fühlen und sie spürte, wie ihr Puls schneller wurde und sie eine Gänsehaut am ganzen Körper bekam. Langsam drehte sie sich um und schlang beide Arme um ihn. Als er anfing, ihren Nacken zu liebkosen, drückte sie sich fest an ihn und vergaß den Rest der Welt. Seine Hände begannen, sich über ihren Körper zu bewegen und öffneten vorsichtig das Handtuch.
Im ersten Moment zuckte sie zusammen, wehrte sich dann aber nicht dagegen, auch wenn sie sich so nackt vor ihm mehr als nur etwas unwohl fühlte.
Er küsste sie, während er sie langsam nach hinten drückte, bis er an die Tür kam und diese abschloss.
Ihr Puls wurde immer schneller und sie schob die Hände unter sein Hemd. Sie wechselten die Richtung und er dirigierte sie weiter nach hinten, bis er sie aufs Bett schob und sich auf sie legte. Seine Hände glitten an ihr herunter und fuhren zärtlich über ihren Körper.
Behutsam streichelte er sie und als er eine Hand zwischen ihre Schenkel schob, konnte sie kaum noch klar denken.

Sie hörte, dass auch sein Atmen schneller wurde, als ihr plötzlich bewusst wurde, worauf das hinaus laufen würde...

„Schatz“, unterbrach sie ihn jäh. 

„Ja?“, flüsterte er. 

„Ich weiß nicht, ob ich das will.“
Er grinste sie vielsagend an. „Also es fühlt sich durchaus so an, als ob du wolltest.“
Nun war sie nicht gerade entspannter.

Sie hielt seine Hand fest. „Nein, ich glaube, ich will das wirklich noch nicht.“
Er sah ein kleines bisschen enttäuscht aus, lächelte aber. „Ist okay. Das ist völlig in Ordnung! Aber ich glaube, ich gehe  mal eben kalt duschen...“

Sie nickte erleichtert.
Als er aufstand, war nicht zu übersehen, dass er durchaus gewollt hätte...
Sie zog die Decke über sich und schaute ihm nach, wie er ins Bad verschwand. Es tat ihr irgendwie leid, dass sie ihn zurückgewiesen hatte, aber sie wollte nichts machen, wofür sie sich nicht völlig bereit fühlte. Oder war sie tatsächlich soweit gewesen, so wie er behauptet hatte? Solange sie zweifelte, war es aber sicher die richtige Entscheidung gewesen...
Sie zog sich Unterwäsche an und grübelte weiter. Nach einer Weile kam er nur mit Boxershorts bekleidet aus dem Bad.

„Darf ich mich mit zu dir unter die Decke legen? Dann können wir noch etwas kuscheln, bevor ich nachher los muss.“
Als Antwort hob sie die Decke ein Stück hoch, so dass er drunter krabbeln konnte.

„Och, schon angezogen“, stellte er enttäuscht fest, als er ihre Unterwäsche sah. 

„Ja, besser is…“, murmelte sie und kuschelte sich an ihn.

Als sie seine warme Haut auf ihrem Körper spürte, zweifelte sie doch ein wenig, ob sie eben die richtige Entscheidung gefällt hatte, sagte aber nichts.
Etwa zwei Stunden später klingelte sein Handy und als er widerwillig ran ging, hörte er Kathys Stimme. „Hi Paddy, bist du bei Mel? Wir müssen gleich los. Angelo hat schon mal deine Sachen zusammengepackt. Wir sind alle soweit reisefertig. Kommst du?“

„Ja, bin in einer Stunde da.“

„Nein, Paddy. Wir müssen unseren Flieger bekommen. Du hast höchstens noch eine halbe.“

„Okay.“

Er legte auf und drehte sich zu Mel. „Es ist so weit. Ich muss los.“
Ihre Augen standen schon wieder unter Wasser und sie hatte Schwierigkeiten, die Fassung zu bewahren.

Schweigend zogen sie sich an und machten sich auf den Weg.
„Was machst du zu deinem Geburtstag?“, wollte sie wissen, während sie zum Hotel gingen. 

„Kann sein, dass wir in München sind. Tricia hatte so etwas angedeutet. Sie hat irgendwie wieder das volle Programm aufgefahren. Schau mich nicht so an, ich könnte mir an meinem Geburtstag auch Schöneres vorstellen!“
Als sie die Treppen des Hotels hochgingen, kamen ihnen schon die anderen mit den Instrumenten, Taschen und Koffern entgegen.
Auch Tina saß oben im Zimmer in einer Ecke und sah ebenso traurig aus, wie Mel sich fühlte. Kaum einer mochte so wirklich reden.
Maite dagegen hüpfte im Vergleich zu den anderen noch recht fröhlich durch die Gegend.
Und auch Angelo wirkte relativ erfreut, dass er bald wieder in Köln sein würde, wo er Kira wiedersehen könnte. Ein Mädchen, das er schon länger erfolglos anhimmelte. Er hatte zwar während der ganzen Zeit nie von ihr gesprochen, aber Paddy hatte ihr erzählt, was Sache war.
Die Kellys hatten sich einen Kleinbus gemietet, der sie nach Hamburg fahren sollte, wo sie dann den Flieger nehmen würden. Diesen packten sie mit ihren Sachen voll und kletterten einer nach dem anderen hinein.
Nur Paddy und Joey standen noch draußen. Joey hielt die weinende Tina im Arm und verabschiedete sich, während Paddy Mel küsste und gar nicht mehr aufhören wollte.

„Leute, es tut mir wirklich leid, aber wir müssen los!“, rief John aus der geöffneten Schiebetür heraus.

Paddy drückte seine Kleine noch einmal fest an sich. 

„Du wirst mir fehlen!“, seufzte er und kletterte hinter Joey in den Bus. 

„Und du mir erst!“, jammerte sie, als er sich noch einmal vorbeugte und zu flüstern begann. „Du kannst ja die Poster aus deinem Schrank wieder aufhängen, dann bin ich präsenter.“ Er grinste, gab ihr einen Kuss auf ihre erröteten Wangen und zog die Schiebetür des Busses zu, während sie ihm sprachlos nachsah.
Mel und Tina winkten, bis der Bus um die Ecke bog und nicht mehr zu sehen war.
Schluchzend gingen die Beiden nach oben in Mels Zimmer.
Erst mochte keiner reden, aber so langsam beruhigten sie sich und ließen nach und nach die letzten Wochen Revue passieren.
Als Mel zum heutigen Tag und den Erlebnissen nach dem Duschen kam, kicherten beide sogar wieder.

„Hach, das klingt echt gut“, schwärmte Tina.
Mel war neugierig, was denn bei Joey und ihr passiert war, da dieser auch mehrfach bei Tina übernachtet hatte.

Sie grinste. „Mmmm, ich habe keinen Rückzieher gemacht...“
Mel war ja so neugierig und wollte alles genau wissen. Tina hatte vorher schon mehr Erfahrungen mit Männern gehabt als Mel und berichtete nun von ihren Erlebnissen mit Joey.
So quatschten sie die halbe Nacht, bis sie irgendwann völlig übermüdet einschliefen.

 

Mel war erst vor wenigen Wochen fünfzehn Jahre alt geworden. Ihre beste Freundin Tina hatte dies schon zwei Jahre früher geschafft und wartete nun sehnsüchtig auf ihren achtzehnten Geburtstag, der mit großen Schritten nahte. 
Auch überragte sie Mels 1,64m ein Stückchen, doch ihre blonden Haare waren nicht halb so lang wie die von Mel. 

Die beiden kannten sich schon ewig und hatten eine große Gemeinsamkeit: Sie liebten die Musik der Kelly Family. Ihre Haarfarben ähnelten sich stark, aber Mel hatte schon so manches Mal neidisch auf Tinas eigentlich vorhandene Naturlocken geblickt. 



An einem kalten Sonntag im November `94 saßen sie wie viele Male zuvor auf dem Flohmarkt. Beide liebten die wilde Ansammlung von Ständen, an denen sich überflüssige an außergewöhnlich schöne Exponate reihten. Wenn sie sich bei Gelegenheiten nicht gerade selbst das Taschengeld etwas aufbesserten, gingen sie auf die Suche nach kostbaren Fundstücken. 

Mels aktuellste Errungenschaft war eine Schallplatte der Kelly Family aus den 70ern. Für sie war es unbegreiflich, wie jemand so etwas einfach verschleudern konnte, aber beschweren würde sie sich mit Sicherheit nicht darüber. Es war auch nicht die einzige LP gewesen, die sie an dem Stand hattet ergattern können.

„Wat den Eenen sin Uhl, is den Annern sin Nachtigall.“ So sagte ihr Opa immer. Tina hatte sie nur verständnislos angesehen, als es Mel ebenfalls einmal herausgerutscht war. 

„Na, was dem Einen seine Eule, ist dem Anderen seine Nachtigall!“, hatte Mel ihr seufzend erklärt. „Menschen sehen Dinge eben unterschiedlich. Was der Eine nicht mehr brauchen kann, ist für mich oder dich vielleicht so viel wert wie ein Goldschatz!“ 

„Ja, da hat das Sprichwort recht!“, stimmte ihre Freundin zu, doch Mel sinnierte schon weiter. „Eigentlich sollte das das Motto jedes Flohmarkts sein!“ 

Wieder nickte Tina und beider Augen wanderten über ihren eigenen Tisch, wo sich diverse Dinge drängten.

Leider fiel es vor allem Mel schwer, sich von ihrem geliebten Ramsch zu trennen, doch dieses Mal hatten Martina und Herbert, Verwandtschaft der beiden, ein paar Sachen von ihrem Segelschiff aussortiert und den beiden zur Verfügung gestellt. Den Erlös durften sie behalten.

Es sollte der letzte Markt des Jahres sein, der unter freiem Himmel stattfand. Bis zum Frühjahr mussten sie dann wohl oder übel mit Hallenmärkten vorliebnehmen und sowohl der Kalender als auch das Wetter ließen keinen Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung. Der Morgen war bisher ziemlich kalt gewesen und sie hatten es mit Mühe und viel heißem Kakao geschafft, sich vor einem elendigen Erfrierungstod zu bewahren.

Natürlich waren sie vermummt mit Schal, Handschuhen und dicken Jacken und vertrieben sie sich jetzt die Zeit damit, in den unzähligen Käufern verkleidete Kellys zu erkennen. Aber obwohl diese sich in ihrer Freizeit auch gerne auf Flohmärkten aufhielten, ging keiner der beiden ernsthaft davon aus, jemals einen Kelly in ihrer Kleinstadt anzutreffen.
Sie hatten zwar letztes Jahr mit ihrer Bühne auf dem kleinen Marktplatz des Ortes gestanden und Konzerte gegeben, aber bei dem Medienrummel, der mittlerweile um sie ausgebrochen war, war es mehr als unwahrscheinlich, dass dies noch einmal vorkommen würde. Doch als sie in diesen eisigen Stunden in Wolldecken verpackt hinter ihrem Stand saßen, hatten Mel und Tina trotzdem ihren Spaß und bekanntlich starb die Hoffnung zuletzt.
„Guck schnell! Das Mädchen da vorne hat genauso einen Rock wie Maite!“, rief Mel aufgedreht, doch als Tina genauer hinsah, fing sie an zu lachen. „Das ist Nadine, eine Freundin meiner Schwester! Sie ist auch den Kellys verfallen.“ Dann hob sie einen Arm und winkte fröhlich. „Hallo Dini, schon einen irischen Sänger gesichtet?“

„Nein, leider nicht.“ Nadine schüttelte lachend den Kopf und ging weiter.
Tina hielt weiter Ausschau und hatte ebenfalls gleich ein verdächtiges Subjekt erspäht! „Sieh mal, der lächelt genau wie Jimmy!“ 

„Ach Quatsch, der ist doch viel zu fett“, beurteilte Mel stirnrunzelnd. „Aber der da, der hat ebenso tolle Haare wie Angelo!“ Ein verträumter Glanz erschien in ihren Augen, bis derjenige sich umdrehte und beide zeitgleich losgackerten. Besagter Typ war ein Mädchen...
Doch dann deutete Tina aufgeregt auf einen Kunden am Stand gegenüber, der gerade dabei war, einen Hut anzuprobieren. „Der Mantel sieht aus wie der, den Angelo sich auf dem Flohmarkt in London gekauft hat!“

Begeistert musste Mel ihr Recht geben. „Stimmt! Ich hätte auch gerne so einen! Vielleicht sollte ich einfach mal fragen, wo er den her hat?“ Doch gerade als Mel sich in Bewegung setzte, fiel Tina etwas auf. 

„Er?“, fragte sie skeptisch und deutete auf den Pferdeschwanz, der nach vorne über die Schulter fiel und den beiden nicht sofort aufgefallen war. „Das ist bestimmt wieder ein Mädchen.“ 

Mel war stehen geblieben und zuckte mit den Schultern, bevor sie ihren Weg fortsetzte. „Na und, dann frage ich sie halt, aber ich gäbe so einiges drum, den gleichen Mantel wie Angelo zu haben, abgesehen davon, dass der mir nicht nur deshalb so gut gefällt!“ 

Doch kurz bevor sie ankam, wurde der Zopf auf den Rücken verfrachtet, wodurch deutlich wurde, dass er offenbar so lang war, dass er eben vermutlich störend in den Auslagen gehangen hatte. Abrupt blieb Mel stehen, ihre Augen weiteten sich entgeistert, während sie stoßweise in weißen Schwaden den Atem ausstieß. Einen Sekundenbruchteil später drehte sie sich auf dem Absatz um und raste zu Tina zurück. 

„Was ist denn mit dir passiert? Sticht dich der Hafer? Wieso hast du nicht gefragt?“ Kichernd musterte sie Mel, die nach wie vor kein Wort herausbrachte und deren Kopf hektisch zwischen ihr und dem Mantel hin- und herjagte. 

Das Grinsen wich irritiert aus Tinas Gesicht. „Hey, was ist denn los?! Hast du ein Gespenst gesehen?“

Endlich kooperierten Mels Lunge und Stimmbänder wieder und ihr Blick verharrte nun auf ihrer Freundin. Mechanisch hob sie einen Arm und zeigte auf die Person des Anstoßes. 

„Das ist Paddy!“, stieß sie gepresst hervor und ungläubig schnellte Tinas Kopf herum. 

„Du willst mich wohl verkohlen!“

„Nein!“, japste Mel und stützte sich mit den Händen auf ihren Oberschenkeln ab, während sie GTina mit gerunzelter Stirn ansah.

„Dann ist das Angelos Mantel!“, stellte diese halblaut fest, nun ebenfalls ein wenig aus der Fassung gebracht. 

„Selbst wenn! Guck dir doch mal die Schuhe an! Das ist definitiv größer als Schuhgröße 43! Glaub mir, das ist nicht Angelo gewesen!“
Während sie noch darüber nachdachte, sah Tina, wie die Begleitung des vermeintlichen Kellys sich immer wieder auffallend unauffällig umschaute. Dann erst wurde sie von einer Erkenntnis getroffen. 

„Das ist Tom, der süße Ordner vom Hamburg Konzert im März! Debbie hat gesagt, er ist jetzt Bodyguard von Paddy! Das würde ja bedeuten, dass du recht hast!“ Die letzten Worte wurden immer leiser, bis sie kaum noch zu verstehen waren.

Jetzt drehte sich der junge Mann mit dem Mantel zur Seite und sprach gedämpft mit seinem Nebenmann. In der Hand hielt er den Hut, für den er sich offensichtlich entschieden hatte und den er nun zufrieden auf seine braune Mähne setzte. 

Es gab absolut keinen Zweifel mehr!

„Dieses Lächeln und Tom hier…“, flüsterte Tina und sah fassungslos zu Mel, die es ebenfalls noch nicht glauben konnte. „Das ist tatsächlich...“

„Paddy!“, stieß Mel aufgeregt hervor und vollendete so den Satz ihrer Freundin, wie sie es so oft taten. Doch dann schlug sie sich erschrocken die Hand vor den Mund.

So laut hatte sie das gar nicht sagen wollen, stellte aber erleichtert fest, dass er es offenbar nicht gehört hatte! 

„Was machen wir denn jetzt?!“ Trotz der schier unerträglichen Aufregung schaffte Mel es, ihre Stimme kurzfristig wieder in den Griff zu bekommen.  

„Na, geh hin und sprich ihn an!“, erklärte Tina, als wäre dieser Schritt das Selbstverständlichste der ganzen Welt, erntete aber nur den ungläubigen Blick ihrer besten Freundin. 

„Bist du irre?! Ich kann doch nicht einfach zu dem hingehen!“, zeterte Mel aufgebracht, aber Tina blieb ruhig. 

„Wieso nicht? Was ist denn schon dabei? Er ist doch auch nur ein Mensch!“

„Wenn nichts dabei ist, dann geh du doch!“ 

„Warum ich? Du bist doch diejenige, die ihn so süß findet und immerhin standest du gerade schon fast neben ihm!“

„Tina, begreifst du denn nicht, das ist Paddy! Was soll ich denn sagen?!“ Ohne die Augen von ihrer Freundin zu lösen, zeigte sie erneut in dessen Richtung, stieß jedoch dieses Mal mit dem ausgestreckten Finger gegen etwas Stoff, welcher anscheinend einen Oberkörper bedeckte. Erschrocken biss sie auf ihre Unterlippe und obwohl sie das Schlimmste bereits ahnte, wandte sie wie in Zeitlupe ihren Kopf zur Seite und blickte direkt in Paddys umwerfendes Grinsen. 

„Wie wäre es mit ‚hallo‘?“ 

Der neue Hut stand ihm unsagbar gut, doch das war nicht der einzige Grund, weshalb Mel der Atem weiterhin stockte. Instinktiv zog sie den Kopf ein und versuchte, so viel wie möglich von ihrem Gesicht hinter dem Schal zu verstecken, doch die Rötung schien ihre Augen regelrecht zu umrahmen und brachte deren strahlendes Blau noch mehr zum Leuchten, als die Wintersonne sich in ihnen fing. 

„Interessant hier bei euch!“, stellte er fest, doch sein Blick ruhte nicht auf den angebotenen Waren, sondern suchte nach wie vor Mels, der unsicher seinem auswich. Fast wie gelähmt, verharrte sie in ihrer Position und brachte kein Wort heraus. Wo war das sprichwörtliche Loch, wenn man es herbeisehnte?!

So hatte sie sich das nicht vorgestellt! Sie wollte lässig und cool sein, wollte ihn mit ihren lockeren Sprüchen beeindrucken und mit ihrem Charme um den Finger wickeln! Und jetzt? Jetzt bekam sie nicht mal eine simple Begrüßung zustande. Ihr Schweigen verbesserte ihr Unbehagen nicht im Geringsten, aber sie konnte nichts dagegen tun. 

Warum sagte Tina denn nicht wenigstens etwas?! 

Dann endlich unterbrach diese das verlegene Schweigen. 

„Braucht ihr vielleicht noch einen Ersatzkompass für die „Sean o' Kelley“? Oder vielleicht eine Schiffslaterne?“ 

Im Vergleich zu Mel war sie die Ruhe selbst. Ein wenig wurde sie von ihrer Freundin in diesem Moment darum beneidet, als diese sie aus den Augenwinkeln beobachtete, dann wanderte ihre Aufmerksamkeit wieder zu Paddy, der Tina zwar zuhörte, jedoch sehr darauf bedacht war, sich wieder Mel zuwenden zu können. 

„Ja, ich habe gerade schon mitbekommen, dass wir aufgeflogen sind“, gab er zu und sein Lächeln traf Mel mitten ins Herz. Tina war nicht annähernd so eingeschüchtert durch die Anwesenheit des Kellys. „Was machst du denn eigentlich alleine hier in unserem gottverlassenen Kaff?“ 

Er zögerte kurz, bevor er sich langsam ein Stück zu ihnen hinüberbeugte und mit gedämpfter Stimme antwortete. „Ich bin nicht alleine hier.“ Dann drehte er sich kurz um, bevor er weitersprach. „Huch! Joey war eben noch hinter mir!“ 

Wie vom Blitz getroffen war es mit Tinas Gelassenheit vorbei. „Was?! Joey ist auch hier?“ Suchend rasten ihre Augen von einem Marktbesucher zum nächsten, konnten ihn aber nirgends ausfindig machen. 

Paddy schien ihren Sinneswandel nicht zu bemerken. „Ja, wir sind alle hier. Wir haben uns getrennt, damit wir nicht so auffallen.“

„Du fällst auch ganz alleine auf...“, hauchte Mel tonlos mehr zu sich selbst als zu ihrem Gegenüber, doch Letzterer hatte zu ihrem Missfallen jedes Wort verstanden, was sich durch eine kaum wahrnehmbare Änderung seiner Mimik zeigte. Es war nur eine winzige Nuance, doch Mel entging sie nicht, aber genau konnte sie den Ausdruck darin nicht lesen. Das gerade aufgelöste Rot kehrte jäh auf ihre Wangen zurück und gab ihrem Gesicht ein noch lebendigeres Aussehen. 
„Paddy...äh...ich meinte, Michael, oh, du unterhältst dich gerade.“ Ein blonder Mann am Nebenstand hatte sich gerade zu ihnen umgedreht und als er merkte, dass sie Zuhörer hatten, versuchte er nun erfolglos, noch die Kurve zu bekommen. 

„Na, wenn das mal nicht Jimmy ist…!“, stellte Tina kichernd fest, während sie möglichst beiläufig über seine Schulter spähte.

Jimmy schaute hilfesuchend zu Paddy, doch der zuckte resigniert die Achseln. „Bemüh dich nicht. Das sind...“ Er unterbrach sich selbst und wandte sich fragen zu den beiden Mädchen um. „He, ihr habt euch noch gar nicht vorgestellt!“ 

„Ihr doch auch nicht!“, entwischte es Mel trotzig, ehe sie es verhindern konnte. Eigentlich hatte sie lediglich über die Unannehmlichkeit ihrer Schockstarre hinwegtäuschen wollen, merkte aber schnell, wie dämlich diese Bemerkung gewesen war. 

Doch Paddy griff die Gelegenheit beim Schopf. Amüsiert deutete er einen Diener an, bevor er Mel die Hand entgegenstreckte. Zögernd zog sie ihre aus der warmen Jackentasche, wobei sie versuchte, sie unauffällig am Stoff abzuwischen und reichte sie ihm. 

„Mich nennt man Paddy.“ Er zwinkerte schelmisch grinsend und schien es nicht besonders eilig zu haben, sie wieder loszulassen.
„Ach...“ Sie verdrehte die Augen und auch ein unsicheres Lächeln erschien auf ihren Lippen, die sie nervös mit ihre Zunge benetzte. „Ich bin Mel.“ 

„Melanie?“ 

Der armselige Versuch, ein genervtes Stöhnen zu unterdrücken, scheiterte kläglich. 

„Nein, einfach nur Mel.“ 

„Freut mich sehr, einfach nur Mel.“ Endlich löste er seinen Handgriff, doch inzwischen tat es ihr leid. So nervös sie auch war, hatte sie dennoch genossen, wie wunderbar sich seine Haut an ihrer angefühlt hatte. 

„Und ich bin Tina!“, drängte sich Selbige dazwischen und gab ihm ebenfalls die Hand. 

Mühsam riss er seinen Blick von Mel los und sah Tina freundlich an. „Freut mich, auch dich kennenzulernen!“ 

„Da komme ich ja gerade richtig!“ Plötzlich erschien noch eine Hand zur Begrüßung vor Tina. Sie gehörte zu Joey und zappelte nun ungeduldig. „Mein Name ist Joey.“ 

„Gut, dass du das sagst, da wäre ich sonst nie drauf gekommen...“, seufzte Tina ironisch und warf ihm einen kecken Augenaufschlag zu. Die anfängliche Nervosität war wie weggeblasen. Jetzt, wo er vor ihr stand, war es, als bestünde auf Anhieb eine Verbindung zwischen ihnen. 

Jimmy räusperte sich schließlich ein wenig zu deutlich. „Ja, wir müssen denn auch weiter“, warf er den anderen geschickt den Ball zum, dem Paddy jedoch mühelos auswich. „Geht ruhig schon, ich bleib noch ein wenig“, erklärte er, ohne ihn auch nur anzusehen.  

Jimmy gab sich geschlagen und hielt ihm stattdessen den nächsten Hut unter die Nase, den er ihm eigentlich eben hatte zeigen wollen, als sie jäh unterbrochen worden waren. Paddy setzte ihn auf und drehte sich den Mädchen zu. 

„Cooles Teil, oder? Steht der mir?“

„Und wie!“, riefen Mel und Tina gleichzeitig.

„Gut, den nehme ich dann wohl auch noch“, beschloss er und bezahlte.
Jimmy druckste einen Moment herum, bevor er sich flüsternd an Tina wandte. 

„Sag mal, weißt du, wo man hier mal aufs Klo kann?“ 

„Klar, komm mit.“ 

Auch Paddy schien ein dringendes Bedürfnis zu quälen und schloss sich an. 

„Ich muss auch mit…“, mischte Mel sich ein und folgte den dreien. 

Das fehlte ja noch, dass Tina sich mit diesen beiden hübschen Kellybrüdern alleine aus dem Staub machte!

Weil sie die Platznachbarn kannten, konnten sie unbesorgt ihren Stand einen Moment alleine lassen.

Doch als sie zurückkamen, staunten sie nicht schlecht! Da standen dort doch tatsächlich Maite, Joey und Barby an ihrem Tisch und interessierten sich lebhaft für das Segelzubehör.

„Gehört euch der Stand?“, fragte Joey.

„Du meinst den Kelly Magneten? Ja, der gehört uns…“, grinste Mel, die sich langsam etwas sicherer fühlte, doch Joey blickte verwirrt sie an. 

„Kelly – was?“ Er stellte sich ahnungslos, doch dann sah er, wie Paddy und Jimmy den beiden folgten. 

Er räusperte sich und schmunzelte. 

„Äh, ja okay, verstehe. Also, klasse Dinge habt ihr hier. Was wollt ihr denn dafür haben? Ich hätte gerne den Kompass und ich glaube, Barby hat ein Auge auf die alte Staffelei dort geworfen, oder?“

Barby nickte zustimmend. „Ja, sie ist wirklich schön und außerdem hätte ich dann endlich eine fürs Schiff und müsste  meine nicht immer hin- und herschleppen.“
Auch ein paar der anderen fanden noch etwas, das sie gerne haben wollten.

„Also? Was bekommt ihr dafür?“, wollte Joey nun erneut wissen.

Mel zögerte nicht lange. „Ich tausche den Kram gerne gegen Autogramme und vielleicht auch noch ein Foto?“ 

„Könnt ihr haben, aber Geld sollt ihr auch noch kriegen“, beharrte Joey.

Mel blickte Tina mit großen Augen an. „Dass man so etwas noch erleben darf: Da wollen die Kellys Geld für ein Foto mit uns bezahlen!“

Joey und die anderen prusteten los. „Nicht für ein Foto, für die Sachen natürlich.“

„Ach so...“, murmelte Mel mit einer zunehmend roten Gesichtsfarbe.

„Also von mir aus steht der Deal mit den Fotos und den Autogrammen“, stimmte Tina ihrer Freundin zu, aber Joey schüttelte vehement den Kopf. Sie fand ihn süßer denn je. Er wollte gerade anfangen, auf sie einzureden, da kam sie ihm zuvor. „Doch, doch, ihr steckt das Geld jetzt ein! Keine Widerrede!“ 

„Oh...noch so eine Verrückte!“, stöhnte er in gespielter Verzweiflung. „Kann ich euch wenigstens zu einem Eis einladen?“ 

Die Mädels strahlten. „Aber immer doch!“ 

„Eis? Da bin ich dabei!“, rief Angelo fröhlich, der offenbar magisch durch das Wort angezogen worden war und wie aus dem Nichts neben ihnen stand.

„Na, dann ist die Sache abgemacht!“ Joey gab Tina die Hand zur Bestätigung des Geschäfts.

Irgendwie war ihm das Mädchen auf Anhieb sehr sympathisch. Er stellte Angelo die Mädchen kurz vor, dann machten sie sich auf den Weg in die Stadt.

Mel ging neben Angelo und unterhielt sich mit ihm über Musik. Sie war so vertieft, dass sie nicht auf die Straße achtete und natürlich prompt stolperte.

„Hoppla, Augen auf beim Eierlauf!“, rief Paddy amüsiert, der plötzlich neben ihr aufgetaucht war und sie am Arm auffing. 

„Eierkauf!“, korrigierte sie ihn schneller, als sie es hätte verhindern können. 

„Ach, Hauptsache, es ist dir nichts passiert.“ Sein verschmitztes Lächeln traf sie bis ins Mark. 

„Danke“, gab sie schüchtern zur Antwort und wandte sofort verlegen den Blick wieder von ihm ab.

Gern hätte sie noch irgendeinen witzigen Spruch zurückgegeben, aber sie wusste partout nicht, was sie hätte sagen sollen. Warum nur konnte sie sich mit Angelo normal unterhalten und bei Paddy kam sie nicht über wenige Worte hinaus?!


In der Eisdiele angekommen, schoben sie kurzerhand zwei Tische zusammen und machten sich über die Karte her.

„Habt ihr gar keine Angst um euren Stand?“, wollte Jimmy wissen.

„Nö, wir sind oft auf dem Flohmarkt und daher bekannt unter den Nachbarn, wie ihr vorhin schon bemerkt haben solltet. Die passen auf“, beruhigte Tina ihn, während Paddy die Bestellung aufgab.
Dann beugte sie sich zu Mel und begann zu flüstern. „Wolltest du Paddy nicht nicht was fragen, solltest du ihn einmal treffen?“

Mel überlegte, aber spontan fiel ihr nicht ein, was Tina meinen könnte. Sie zuckte mit den Schultern.
„Doch, du wolltest wissen, ob er sich rasiert, weil du noch nie richtige Stoppeln bei ihm gesehen hast.“ Tina sprach nach wie vor relativ leise, jedoch war ihre Stimme immer noch so laut, dass sich jetzt fast alle Augen auf sie richteten.

„Tina!“ Mel wäre am liebsten im Erdboden versunken!

Klar wollte sie das wissen, aber doch nicht unbedingt selber fragen! Es lag ihr auch fern, ihn bloßzustellen, falls er tatsächlich mit fast siebzehn noch keinen Bartwuchs hatte.

Aber Paddy ließ sich nicht verunsichern und seine Lippen verzogen sich zu einem vergnügten Grinsen. Er fand es niedlich, wie Mel schon wieder rasend schnell die Schamesröte ins Gesicht stieg. „Ja, nicht richtig. Aber das wird mich auch noch einholen, daher bin ich da jetzt gar nicht traurig drüber. Es spart morgens durchaus Zeit, wenn ich mir meine Brüder so im Vergleich angucke.“ Sein Blick fiel auf Angelo. „Naja, meine größeren Brüder“, fügte er noch breiter schmunzelnd hinzu. 

Der jüngste Kelly verengte die Augen und murmelte etwas Unverständliches in Paddys Richtung.
Mel lächelte zufrieden, ohne ihren Schwarm anzusehen.

Wieder hätte sie gerne etwas Lockeres erwidert, aber sobald seine Augen auf sie gerichtet waren, bekam sie weiterhin kaum einen Ton heraus. 

Sie wollte sich so gerne mit den Kellys unterhalten und vor allem mit ihm, aber sie hatte Angst, erneut irgendwelche blöden Dinge zu sagen, daher schob sie das Gespräch gleich wieder zu Tina. „Du wolltest Joey doch auch was fragen.“

„Ja, richtig, und zwar habe ich gehört, du willst vielleicht eine eigene Heavy Metal Band gründen? Stimmt das?“

„Ich habe mal mit dem Gedanken gespielt, aber das ist nichts Spruchreifes“, antwortete dieser sichtlich erfreut, dass das selbstbewusste Mädchen Interesse an ihm zeigte.
„So, das nächste Eis geht auf uns. Wir haben heute schon gut verdient, von daher ist das kein Problem. Oder könnt ihr etwa schon nicht mehr?!“, rief Mel in die Runde.

Angelo schaute sich demonstrativ in der nicht allzu kleinen Runde um. „Mann, da müsst ihr echt nicht schlecht eingenommen haben!“
„Ach, wir feiern einfach schon mal deinen Geburtstag vor“, meinte Mel zu Tina.

Joey horchte auf. „Wann ist der denn?“

„Och, erst in gut vier Wochen, am 8. Dezember.“

„Oh, drei Tage nach mir!“, rief Paddy.

„Genau!“, antworteten Mel und Tina wie aus einem Mund.

Alle amüsierten sich, doch Tinas Lachen stach deutlich aus den anderen hervor. Krampfhaft beruhigte sie sich wieder und wandte sich Paddy zu. 

„An deinem letzten Geburtstag war mit mir überhaupt nichts anzufangen! Ich war mit meinen Gedanken die ganze Zeit nur in Iserlohn, wo ihr an dem Tag aufgetreten seid. Ich bin sogar völlig abwesend gegen den Seitenspiegel eines parkenden Lasters gerannt und der war nun wirklich nicht zu übersehen! Maike hat sich kaputt gelacht und ich hatte eine Beule...“
Paddy fing an, laut zu gackern, während Joey sie skeptisch von der Seite beobachtete.
Tina bemerkte sofort, wie seltsam er sie ansah. „Brauchst gar nicht so zu gucken! Von der Beule sieht man nichts mehr!“

Doch dies war nicht der Grund für Joeys Blick gewesen, aber das behielt er schmunzelnd für sich.
Angelo warf ein neues Thema in die Runde. „Habt ihr zufällig noch mehr so tolle Sachen, die ihr verkaufen wollt?“

„Ja, wir haben noch eine Kiste Klamotten, die sehen fast aus wie aus dem letzten Jahrhundert. Die Sachen sind von meiner Oma. Sie war früher mal beim Theater. Da könnte was für euch bei sein“, erklärte Mel.
Barby und Maite waren begeistert. „Wartet hier, wir suchen Kathy und Patricia, die interessiert das sicher auch!“

Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, waren die zwei auch schon aufgesprungen und unterwegs. 

Sie hatten es nicht weit, da die Eisdiele ganz in der Nähe des Flohmarktplatzes lag.
Aber da kamen die Vermissten schon auf sie zu, denn die Stimmen der Geschwister waren nicht zu überhören gewesen.
„Hello!“, rief Kathy in die Runde.

„Na, ihr beiden, das sind Mel und Tina. Wir haben sie eben auf dem Flohmarkt kennengelernt. Sie haben einen Stand mit sehr interessanten Dingen und auch noch tolle Klamotten in peto. Aber setzt euch doch erst einmal“, begrüßte Maite ihre großen Schwestern. 

„Noch drei Eisbecher bitte!“, rief Paddy dem Kellner zu. „Du willst doch auch ein Eis, oder Sean?“ 

„Yes!“
Als sie aufgegessen hatten, kehrten sie zum Stand zurück.
„Hier ist die Kiste...“ Stöhnend zerrte Mel die antike Truhe unter einem Haufen Tücher und ein paar schweren Teppichen hervor. 

„Warte, soll ich dir helfen?“, bot Paddy sich hilfsbereit an und ohne eine Antwort abzuwarten, fasste er nach dem Griff der Truhe.

Ihre Hände berührten sich nur einen Sekundenbruchteil und ein glühendes Kribbeln zog Mels Arm entlang. Es wirbelte durch ihren Verstand und brachte ihre Sinne völlig durcheinander!

Vor Schreck ließ sie los und fiel rückwärts in Paddys Arme, der lieber ebenfalls von der Kiste abgelassen hatte, um Mel aufzufangen.
„Na, ich sagte vorhin schon, du sollst auf dich aufpassen! Ich bin ja nun nicht immer da, um dich vor Schaden zu bewahren. Was willst du nur ohne mich machen?!“, lachte er und zwinkerte ihr zu.

„Ja, weiß ich auch nicht. Allerdings bin ich ohne dich auch nicht so nervös...“

Oje, und schon wieder hatte sie etwas gesagt, was sie doch eigentlich nur hatte denken wollen. 

„Äh, aber danke.“

„Nervös? Wieso das denn?“ Verwundert betrachtete er sie. Okay, es war nicht ungewöhnlich, dass jemand nervös in ihrer Gegenwart war, aber mit Angelo hatte sie sich doch schließlich vorhin auch ganz normal unterhalten.

„Ach, schon gut.“ Sie winkte ab und wollte nur ganz schnell das Thema wechseln. So raffte sie sich aus seinen Armen auf, was ihr schon sehr leid tat, und öffnete die Truhe. 

„So, dann schaut doch mal, ob euch was gefällt.“
Die Kelly Mädchen wühlten sichtlich begeistert in den Sachen.

Die meisten Dinge waren Kleider und sie fanden eine Menge, die sie gerne haben wollten.

Aber auch dieses Mal wollte Mel kein Geld von ihnen annehmen.

„Es ist mir eine Ehre, euch die Dinge zu schenken. Ich würde mich freuen, wenn ich euch mal mit einem der Teile auf der Bühne sehen würde. Das reicht mir als Bezahlung.“
Die Kellys hatten bereits begriffen, dass es hoffnungslos war, mit ihr zu diskutieren, daher ließen sie es einfach gut sein und freuten sich.

Nur Paddy startete einen letzten Versuch. „Aber kann man sich denn gar nicht irgendwie erkenntlich zeigen?“ 

„Hm, vielleicht könnten wir ja mal Backstagekarten bekommen, wenn ihr wieder in der Nähe seid, damit man sich mal wieder trifft?“ 

„Ja, na klar! Das wäre doch nett“, stimmte er erfreut zu. 

„'Nett' ist der kleine Bruder von 'scheiße'...“, murmelte Mel leise, aber Paddy korrigierte sich sofort. „Nein, so war das nicht gemeint! Eigentlich sollte es heißen: ‚Das würde mich sehr freuen‘.“ 

„Na gut, das klingt ja schon besser.“
Mel sagte ihm die Adresse, damit sie ihnen die Karten zukommen lassen konnten.

Er hatte Zettel und Stift in der Hand und war dabei, diese zu notieren, als sie tief Luft holte und all ihren Mut zusammennahm. Was hatte sie schon zu verlieren?

„Willst du vielleicht auch meine Telefonnummer?“, fragte sie gerade heraus, merkte aber, dass ihre Stimme leicht zitterte. 

„Ja, warum nicht“, gab Paddy jedoch nur kurz zur Antwort. 

„Schon wieder so viel Begeisterung...“ Sie verdrehte die Augen, um ihre Unsicherheit zu überspielen. 

Lachend knuffte er sie in die Seite. „Jetzt sag schon die Nummer.“ 

Sie ließ sich nicht zwei Mal bitten. 

Joey dagegen hatte sich Tinas Nummer schon längst organisiert.
„Sag mal, was macht ihr eigentlich hier im Norden? Ihr habt doch kein Konzert, so weit ich weiß, oder?“, fragte Mel Paddy, nachdem sich ihr Puls wieder etwas beruhigt hatte. 

„Nein, haben wir nicht. Wir suchten einen beschaulichen Ort, da man auf dem Hausboot keine Ruhe mehr hat, um Songs zu schreiben. Die belagern ja das Boot, die Busse und sogar das Studio. Man kann nirgendwo mehr normal herumlaufen.“ Er sah betrübt aus. 

„Das stelle ich mir wirklich nervig vor! Wie lange bleibt ihr denn noch? Vielleicht kann man sich ja noch mal wiedersehen?“, fragte Mel vorsichtig, dann merkte sie, was sie da eigentlich gesagt hatte. „Also ich will mich nicht aufdrängen wie die, die das Hausboot belagern! Ich meine“, sie hob die Schultern und ließ sie wieder fallen, während sie seufzte, „es war einfach nett mit euch.“ „‚Nett‘ ist der kleine Bruder von ‚scheiße‘, hab ich vor kurzem gelernt.“, warf Paddy schmunzelnd ein. 

Mel verengte die Augen. „Vielleicht nehme ich das lieber doch wieder zurück…“

Aber Paddy lachte. „Bitte nicht! Das lässt sich bestimmt einrichten und in dieser kleinen Stadt lässt sich das ja auch kaum vermeiden...äh, nicht das ich das jetzt wollte, ne.“
Mel hatte gesehen, dass er ein Handy hatte. Sie hätte ihn gerne auch nach seiner Nummer gefragt, aber sie traute sich nicht und wollte auch nicht noch aufdringlicher sein. Von der Sorte gab es ja schließlich schon genug. Es interessierte sie ebenfalls brennend, wo sie denn wohnten, aber auch danach mochte sie nicht fragen. Er hatte schon Recht, wahrscheinlich würde man sich hier sowieso früher oder später wieder über den Weg laufen.
Inzwischen waren sie fast die letzten auf dem Markt und beschlossen, den Stand abzubauen. Mel rollte den Bollerwagen ein Stück näher ran, als Joey sie belustigt ansah.
„Na, schafft ihr das auch mit dem Gefährt bis nach Hause?“, fragte er amüsiert aber freundlich. 

„Ja, Tinas Mutter holt gleich einen Teil der Sachen mit dem Auto ab, der Rest ist dann nicht mehr so schwer. Aber falls das ein Angebot sein sollte, vielen Dank.“

Tina sah ihre Felle schon davonschwimmen und mischte sich hastig ein. „Naja, du dürftest uns den Karren ruhig bis zum Parkplatz bringen, wenn du möchtest. Du hast ja schließlich doch etwas mehr Kraft als wir.“
Tina wollte die Kellys noch nicht ziehen lassen. Vor allem Joey nicht. Und sie wurde das Gefühl nicht los, dass der ganz und gar nichts dagegen hatte, die anderen vorgehen zu lassen. 

So verabschiedeten sie sich von den anderen Kellys und wünschten ihnen noch eine schöne Zeit und viel Kreativität für ihre neuen Werke. Sie bekamen sogar von allen noch Umarmungen zum Abschied und gerade bei Paddy wünschte sich Mel, er würde sie gar nicht mehr loslassen. Mit geschlossenen Augen sog sie den Geruch seiner Haare ein, die lieblich nach Shampoo dufteten.
Sie war traurig, als sie die Familie dann in der Ferne verschwinden sah. Aber sie wollte nicht Trübsal blasen, dass es vorbei war, sondern sich freuen, dass sie so ein Glück gehabt hatte, die Geschwister ein paar Stunden lang ganz aus der Nähe gesehen und einen wirklich schönen Nachmittag mit ihnen verbracht zu haben. 

Naja und immerhin war Joey auch noch da, auch wenn der offenbar nur Augen für Tina hatte. Es schien mächtig zwischen den beiden zu knistern, wenn es nicht sogar schon gefunkt hatte. 

Mühelos zog er ihnen den vollgepackten Handkarren zum vereinbarten Treffpunkt, wo sie auf Tinas Mutter warteten und die nicht verkauften Sachen auf Kofferraum und Bollerwagen aufteilten.

Dann machte sich jeder auf den Weg nach Hause.
Mel beförderte den Handwagen mit ihrem übriggebliebene Anteil der Sachen problemlos nach Hause, wo sie ihn unberührt in der Garage abstellte. Sie hatte mittlerweile ein Stadium erreicht, in dem sie nur noch durch die Gegend schwebte und ihren Eltern den letzten Nerv raubte, als sie, ohne Luft zu holen, von dem vergangenen Nachmittag berichtete.

Am Anfang schenkte man ihr weder Gehör noch Glauben, doch schließlich gaben sie ihr recht, nur um endlich ihre Ruhe zu haben.
Immer noch beschwingt ging sie nach oben und machte Musik an.

Es war unglaublich! Einfach unfassbar! Sie war den Kellys begegnet und hatte mit ihnen geredet, sie berührt, ihnen Klamotten geschenkt! Sie hatte Paddy sogar ihre Telefonnummer aufgeschwatzt!

Sie könnte platzen  vor Energie! Sie musste tanzen! Sofort!

Ohne lange zu überlegen, entschied sie sich für die „Wow“ CD der Kelly Family und fetzte zu „One more freaking dollar“ wie eine Irre durch ihr Zimmer.

 

„Ich hab dir gesagt, wir hätten ruhig mit denen mitgehen können! Das wäre unsere Richtung gewesen!“, maulte Paddy, während sie um die nächste Straßenecke bogen und er stehen blieb. Er riss die Arme hoch. „Angelo, wir sind hier total falsch!“ „Sind wir gar nicht!“, erwiderte dieser beharrlich und zeigte auf den Kirchturm in der Ferne. „Wir müssen in die Stadtmitte.“

„Ja, aber wir waren dem Kirchturm vorhin schon deutlich näher! Ach hätten wir nur Tom nicht weggeschickt! Der hätte mir jetzt recht gegeben.“

„Quatsch. Und jetzt trödel nicht, ich hab Hunger.“ „Das hast du immer.“ „Ich bin im Wachstum!“ „Ich auch“, konterte Paddy und setzte seinen Weg fort. 

Die Stadt war wirklich nicht besonders groß und so hatten sie bald ihr Hotel erreicht. Im Zimmer angekommen, das er sich mit Angelo teilte, warf er sich aufs Bett und nahm sich sofort seine Gitarre.

Angelo hat irgendwo eine Tüte Erdnüsse auftreiben können, welche er sich genüsslich einverleibte. Als Paddy zu spielen begann, verdrehte er die Augen. „Was ist los mit dir?“ Er warf sich noch eine Erdnuss in den Mund. „Wobei ich es mir vermutlich denken kann, oder?“ 

Sein Bruder zuckte die Achseln. „Wieso soll was los sein?“ „Du spielst diesen Song immer, wenn dich irgendwas sehr beschäftigt.“ 

Paddy schnaufte leise und wechselte die Melodie. 

„Scarborough Fair?!“, bemerkte Angelo überrascht. „Seit wann stehst du auf Simon & Garfunkel?“ 

Erneut zuckte Paddy mit den Schultern. „Die waren schon immer gut. Außerdem lief das Lied vorhin auf dem Flohmarkt. Ist es dir nicht aufgefallen?“

Angelo schüttelte den Kopf.
„Vielleicht warst du gerade woanders unterwegs. Aber als wir bei Mel am Stand ankamen, lief eine Platte von Simon & Garfunkel auf einem Grammophon, das zwischen ihrem und dem Nachbarstand stand. Nachher stellte sich heraus, dass das Grammophon dem Standnachbarn gehörte, aber Mel sich die Platte gerade heute Morgen auf dem Flohmarkt gekauft hatte. Ihre Mutter hat wohl die CD, aber Mel findet Schallplatten cooler.“ Seine Augen blitzten kaum merklich auf, doch Angelo hatte es gesehen. Er stöhnte leise. „Paddy, nein!“ „Was?“ „Nein!“ „Was ist denn?“ Er hielt kurz inne und blickte auf. „Bitte sag mir, dass du dich nicht ernsthaft für das Mädchen interessierst!?“ 

Paddy antwortete nicht, sondern zupfte weiter schweigend auf der Gitarre. 

„Sie ist ein Fan!“ 

Jetzt stöhnte Paddy. „Ich weiß! Aber ich glaube, sie mag mich.“ „Natürlich mag sie dich! Sie ist ein Fan!“

Schnaubend legte Paddy endlich die Gitarre beiseite. „Und?“, fragte er trocken und sah Angelo fast angriffslustig an. Natürlich hatte er gemerkt, dass sie ein Fan war! Sie hatten ja auch kein Geheimnis daraus gemacht. Aber musste das unweigerlich ein Problem darstellen?

„Und?! Du kannst doch mit einem Fan nichts anfangen!“ „Warum eigentlich nicht?“ Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. 

„Darf ich dich mal an deine letzten Erfahrungen erinnern? Das war eine Katastrophe! Die hat uns alle irre gemacht!“ „Die war kein Fan, die ist einfach nur ziemlich durchgeknallt!“

Sein Blick ging plötzlich ins Leere. Ja, es war nicht zu übersehen gewesen, dass er Mel nervös gemacht hatte und sie zeitweise sogar so gewirkt hatte, als würde sie ihn anhimmeln. Er hatte darüber hinweggesehen, sie war so putzig dabei gewesen, hatte ihr Herz auf der Zunge getragen. 

„Wo bist du mit deinen Gedanken?“, fragte Angelo und konnte sich die Antwort schon denken. „Du siehst aus, als hätte es dich erwischt.“

Paddy seufzte und zuckte erneut die Achseln. „Ich mag sie. Sie ist mir sympathisch.“ „Ja, sie ist schon ziemlich niedlich, stimmt schon. Aber -“ „Na, dann ist sie halt ein Fan!“, wandte Paddy gereizt ein, bevor sein Bruder es erneut tun konnte. 

„Und wenn sie dich nur gut findet, weil du bist, wer du bist? Wenn sie nur den mag, für den sie dich hält?“ „Das muss ich dann wohl herausfinden“, schnaufte er. „Und sie auch. Sie weiß doch auch nur, ob sie mich wirklich mag, wenn sie mich kennenlernt!“

Lässig warf sich Angelo noch eine Erdnuss in den Mund und verengte die Augen. „Du magst sie wirklich“, stellte er abschließend sachlich fest und ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, während er kaute. Paddy drehte den Kopf weg, als er aufsprang, die Hände in die Hosentasche steckte und zum Fenster ging. Sein Blick fiel auf den leergefegten Marktplatz. „Sieht so aus.“ Er zuckte die Achseln. „Sie ist irgendwie süß. Frech und doch schüchtern. Sie hat sprechende Augen.“ „Alter Schwede, dich hat`s aber schon ganz schön erwischt.“ „Ey, geh mir nicht auf den Sack!“, pampte Paddy los und war im Begriff, sich zu ihm umzudrehen, als eine Bewegung im Augenwinkel ihn innehalten ließ. Sein Blick huschte zu dem beleuchteten Fenster eines Hauses, das auf der anderen Seite der kleinen Straße lag, die in den Marktplatz mündete. Es war nur unwesentlich höher gelegen und nicht besonders weit entfernt. Vielleicht zehn, höchstens 20 Meter. Dort tanzte jemand. Oder zumindest etwas in der Art. Paddy spitzte die Ohren und öffnete das Fenster, um besser hören zu können. Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen. „One more freaking dollar“, stellte er amüsiert fest. Er wühlte in seiner Hosentasche und zog schließlich den gesamten Inhalt heraus. Zwischen Plektrons und Kaugummis lag der Zettel, den er nun auseinanderfaltete und die Adresse mit dem durch die Straßenlaternen beleuchteten metallenen Schild an der Hauswand abglich. Seine Mundwinkel verzogen sich noch weiter nach oben. „Bingo“, murmelte er so leise, dass es eindeutig nicht an seinen Bruder gerichtet war. Dieser kam dennoch neugierig zu ihm. „Was ist denn eigentlich los?“ Dann folgte er Paddys Blick und auch er musste unweigerlich schmunzeln. „Das ist sie, oder?“ „Ja!“ „Und sie tanzt zu deinem Lied.“ „Ich weiß“, seufzte er und verschränkte die Arme vor der Brust, während er sie unverhohlen betrachtete.

 

Plötzlich hielt sie inne. Irgendwie fühlte sie sich beobachtet.

Sie wohnte zwar im dritten Stock, allerdings direkt am Marktplatz und so war es nicht einmal abwegig, dass jemand sie sah. Doch sie erstarrte förmlich, als sie feststellte, dass sich tatsächlich zwei Gestalten an einem Fenster auf fast gleicher Höhe keine zwanzig Meter entfernt offenbar über sie lustig machten.

Erschrocken öffnete sie ihr Fenster, setzte sich auf das Fensterbrett und wollte gerade motzen, ob sie ein Problem mit guter Laune hätten, da erkannte sie die zwei Spaßvögel... 

Der Groll wich aus ihrer Mimik, dafür wurde die rote Färbung noch intensiver.
„Ihr schon wieder? Verfolgt ihr mich?!“, rief sie peinlich berührt.

„Na, du Verrückte! Ja genau, wir dich...na, wenn das nicht eher umgekehrt ist!?“, erwiderte Angelo provokant.

„Entschuldigung, aber ich wohne hier nun einmal! Und darf ich mal fragen, was ihr eben so komisch gefunden habt?“

„Angelo hat nur gerade einen Witz erzählt“, antwortete Paddy ausweichend, aber leicht spöttisch grinsend.

„Ja, schon klar. Oh, Moment.“

„Meeeeel, Telefon! Tina!“, rief ihre Mutter ein Stockwerk tiefer.

„Ich bin sofort wieder da!“ Innerlich verfluchte sie ihre beste Freundin, als sie sich vom Fenster entfernen musste. 

 

„Weg ist sie“, kommentierte Angelo belustigt.

„Telefon. Mal sehen, wann sie wiederkommt.“ „Sie ist aber schon ein Wirbelwind.“ 

Paddy nickte. „Den Eindruck habe ich auch. Hatte sie vorhin gesagt, wie alt sie ist?“   

Angelo schüttelte den Kopf. „Nicht dass ich wüsste. Was denkst du, wie alt sie ist?“ 

„Vielleicht ein Jahr jünger, höchstens zwei, würde ich meinen.“

 

Mel rannte nach unten und wollte ganz aufgeregt erzählen, wer im Hotel gegenüber wohnt, doch sie kam gar nicht zu Wort, denn Tina plapperte sofort los. „Mel, weißt du wer angerufen hat...Joey! Er möchte sich morgen mit mir treffen! Ich kann es gar nicht fassen!“

Mel freute sich mit ihr. „Doch ich kann das fassen. Ist dir gar nicht aufgefallen, wie er dich die ganze Zeit angestarrt hat?! Melde dich sofort danach, okay?“

„Ja, na klar! Und was hast du noch so gemacht?“

„Och, ich habe mich nur gerade mit Paddy und Angelo unterhalten…“, antwortete sie betont nebensächlich.

„Was? Da denke ich, ich rufe bei dir an und habe eine wahnsinnige Neuigkeit und dann kommst du mit so etwas?! Wieso redest du mit Paddy und Angelo? Sind die etwa bei dir?“

„Nein, aber die wohnen gegenüber im Hotel. Du weißt doch, dass ich von meinem Zimmer da mehr oder weniger auf die Betten gucken kann“, berichtete Mel eifrig.

„Und dann hast du sie beobachtet?!“

„Äh, ne...eher umgekehrt. Du, aber ich will wieder hoch, die sitzen bestimmt noch am Fenster. Bis morgen dann!“
Tina war nicht begeistert. Dass Mel so nah bei den Kellys war und sie nicht, förderte ein eifersüchtiges Rumoren in ihm Bauch zutage. Aber irgendwie gönnte sie es ihrer Freundin ja doch. Schließlich hatte sie selbst morgen ein Date mit Joey! Bei dem Gedanken gönnte sie dem Rest der Welt alles!

Paddy löste seine Arme wieder und zeigte mit dem Zeigefinger auf seinen Bruder. „Wir gehen da jetzt rüber!“ „Was? Wieso?“ „Kennenlernen. Du weißt schon!“, erklärte er mit einer grenzenlosen Selbstverständlichkeit in der Stimme, als er auch bereits im Begriff war, das Fenster zu schließen.
„Da kommt sie schon zurück!“, stellte Angelo fest, als sie im Laufschritt wieder das Fenster erreichte. 

 

Als Mel oben ankam, wollten die beiden von gegenüber gerade das Fenster schließen.

„Na, habt ihr was vor?“, fragte sie eilig, doch äußerst bemüht, dabei gelassen zu wirken. 

„Ja.“

„Darf ich fragen, was?“

„Wir kommen mal rüber“, rief Paddy beiläufig und schloss das Fenster nun ganz. 

„Wie rüber? Wohin? Zu mir?!“ Sie sah die zwei nur noch nicken und verschwinden. 

Oh nein...! Ihr rutschte das Herz in die Hose, als sie sich hektisch in ihrem Zimmer umsah...es war unordentlich und voller Kelly Poster!

Sie wollte die beiden weder mit dem einen noch mit dem anderen gleich wieder verschrecken. Sie wusste, sie hatte nur wenige Minuten. 

Also aufräumen oder Poster abnehmen? 

 

Paddy drehte sich um und machte vor dem Verlassen des Zimmers einen Abstecher ins Bad. Kritisch warf er einen Blick auf seine Haare, die wie meistens privat zu einem schlichten Zopf zusammengebunden waren. 

„Hey Paddy, sie weiß, wie du aussiehst!“ „Was? Ich bin nur kurz auf Klo!“ „Ich hab weder den Klodeckel mit noch deinen Gürtel gehört…“ 

Paddy stöhnte und öffnete die Tür. „Okay, Sherlock, gehen wir.“

Sie sagten schnell den anderen Bescheid, dann machten sie sich auf den kurzen Weg zur Türklingel des Nachbarhauses, die Paddy nach einmal tief Durchatmen drückte. 

„Bist du etwa nervös?“, fragte Angelo erstaunt und musterte ihn. Unwirsch schüttelte sein Bruder den Kopf. „Ach was! Wieso sollte ich?“ Bevor Angelo noch einen blöden Spruch reißen konnte, öffnete Mels Vater die Tür. 

„Hallo, ich bin Paddy, das ist mein Bruder Angelo. Mel erwartet uns“, erklärte er freundlich und streckte die Hand aus. 

„Alles klar, dann kommt mal rein“, wurden sie von Mels Vater begrüßt, als er Paddys Handschlag erwiderte und sie eintreten ließ. Sie schien offenbar häufiger Besuch zu bekommen. 

Sie folgten den Treppen hinauf in den zweiten Stock und kamen auf eine Tür zu, die eindeutig nach Teenager aussah. Unscheinbar grau gestrichen stammte die Tür vermutlich noch aus der Entstehungszeit des Hauses. 

Weniger unscheinbar war die wilde Dekoration, die aus einem Sammelsurium von Erinnerungen zu bestehen schien. Fotos, Postkarten, kleine handgeschriebene Briefchen, Zeichnungen, Bierdeckel reihten sich an Kronenkorken und lustige Werbeflyer. Auch das ein oder andere Foto von den Kellys und Konzerttickets selbiger  waren darunter. Leicht zu übersehen dagegen war auf Kopfhöhe ein winziges ovales Fenster, das nicht größer als eine Din A5 Seite war, doch es war von innen zugehängt, wie Angelo feststellte, als er sich auf die Zehenspitzen stellte. 

Paddy klopfte und wartete.

Mel hatte sich für die Poster entschieden und war von Wand zu Wand gerannt, um eilig den Großteil der Bilder von der Holzverkleidung abzuzupfen. Die meisten hatten es sogar einigermaßen überstanden. Sie konnte sie gerade noch in den Kleiderschrank stopfen, als es bereits an der Tür klopfte. 

„Äh, ja, herein?“, sagte sie so leise, dass die Wartenden es fast nicht gehört hätten.

Mel hieß sie inmitten in ihrer Unordnung willkommen und trat unruhig von einem Bein auf das anderen.

Sie fühlte sich sehr unwohl. Um nichts im Leben hätte sie jetzt jemanden und schon gar keinen Kelly in dieses Zimmer eingeladen! Und doch standen sie nun da in ihrer Tür und grinsten.

„Guck mal Paddy, das sieht aus, wie in unsere Ecke im Bus früher. Nur dass da mehr Bilder von mir hingen“, grinste Angelo, während er seinen Blick über das Chaos schweifen ließ und an einem Punkt hinter ihr hängen blieb.
Sie schaute sich um. Abgesehen vom „Over the hump“ Poster, das sie bewusst hängen gelassen hatte, hatte sie leider das Bild von Paddy über dem Bett vergessen und wurde rot.

Rasch versuchte sie, das Thema von den Bildern wegzulenken. „Ja, ich kam heute nicht zum Aufräumen…“ 

„Kein Problem. Wir nehmen einfach das Bett, wenn das okay ist“, sagte Paddy und setzte sich in Bewegung. „Da hängt ja auch schon ein Bild von mir, dann scheint das ja sowieso mein Platz zu sein...“ Bei den letzten Worten schaute er sie schmunzelnd an, was ihren Kopf nur weiter davon abhielt, wieder eine normale Gesichtsfarbe anzunehmen. Musste er sie jetzt so bloßstellen? 

Wäre Tina doch nur hier, dann würde sie sich nicht ganz so hilflos fühlen! Die wusste meist, was zu sagen war. Aber auf der anderen Seite...was sollte schon geschehen, wenn sie was Dämliches sagte? Sie würde die beiden vermutlich sowieso nie wieder sehen, wenn sie abreisten.
Nickend deutete sie in die Richtung. „Klar, bitte setzt euch.“

Sie selbst nahm im Schneidersitz auf dem Kopfende Platz.

„Das Bild ist von einem Konzert im Sommer, als ihr Anfang August in Kiel gewesen seid“, erklärte sie, als würde sie sich rechtfertigen. „Damals hab ich nicht im Traum damit gerechnet, dass ausgerechnet ihr beiden auf meinem Bett sitzen würdet!“ Sie räusperte sich leise. „Aber wolltet ihr nicht texten?“, lenkte sie endlich das Thema in andere Gefilde. 

 

Gott, was ließ sie sich gerade leicht aus der Bahn werfen. Paddy fiel es schwer, sie nicht die ganze Zeit anzugrinsen. „Ja, wir sind vom Plan abgekommen. Schließlich haben wir vom Fenster aus die leere Stadt beobachtet und dich wegen der lauten Musik entdeckt und tanzen gesehen“, erklärte er schmunzelnd.
Irgendwie bekam sie schon wieder das Gefühl, dass er sie auslachte...

Sie redeten noch eine ganze Weile, bis Angelo auf einmal mit den Fingern auf der Bettkante trommelte und dann aufsprang. „Ich glaube, ich habe da gerade was im Kopf -“

„Na, das wäre ja mal was ganz Neues…“, unterbrach ihn sein großer Bruder, wofür er sofort ein paar kleine Schläge kassierte.

„Ja, ich werde los, ich will das gleich zu Papier bringen. Mel, wir sehen uns?“ Er umarmte sie kurz. 

„Ja, das hoffe ich doch. Schön, dass du da warst.“

„Kommst du mit?“, fragte er seinen Bruder, doch der schüttelte ungläubig den Kopf. Was für eine absurde Frage! Potenziell begann genau jetzt der beste Teil des ganzen Tages! „Nö, ich glaube, ich bleibe noch etwas. Wenn das in Ordnung ist?“ Er sah Mel fragend an, doch diese strahlte ihn unmissverständlich an. „Ja, das geht schon klar!“, erklärte sie nebensächlich ohne jegliche Kongruenz zu ihrem Auftreten. Sie freute sich, dass er nicht gleich die erstbeste Möglichkeit zur Flucht vor ihr wieder nutzte, sondern es im Gegenteil vorzog, noch ein wenig zu bleiben. Es war ihr schlicht unmöglich, diese Freude glaubhaft zu unterdrücken.

Ja, es war ihr zwar schon noch ein bisschen komisch zumute bei dem Gedanken, gleich mit ihm allein in einem Zimmer zu sitzen, aber das würde sich hoffentlich bald legen.
„Du musst doch sicher morgen zur Schule, oder?“, überlegte Paddy laut. 

„Ja, aber erst zur dritten.“
Und als hätte sie es gehört, tauchte ihre Mutter auf. „Du machst – oh, du hast Besuch. Dich kenne ich noch gar nicht.“ Sie stockte, als sie die Schwelle übertreten hatte, doch dann dachte sie angestrengt nach. „Moment, irgendwo hab ich dein Gesicht schon mal gesehen.“ 

Ihr Blick fiel auf das Bild über ihm und sah dann Mel an.

„Du hast also doch kein Blödsinn erzählt!“ Sie zog erstaunt die Augenbrauen hoch, bevor sie Paddy die Hand entgegen streckte. „Hi, ich bin Lena, Mels Mutter. Freut mich sehr!“

Paddy stand auf und gab ihr höflich die Hand. „Ja, freut mich auch.“
Ein unangenehmes Schweigen erfüllte den Raum.

Alle drei standen unbeholfen herum, bis Lena ihre Neugier zügelte und rücksichtsvoll den Rückzug antrat. „Ja, ich wollte auch nur sagen, mach nicht mehr so lange, denk dran, du hast morgen Schule.“ 

„Ja, ja...“

Dann zog sie mit einem mahnenden Blick auf Mel die Tür hinter sich zu.
„Denk dran, du hast morgen Schule!“, wiederholte Paddy amüsiert Lenas Worte, als sich ihre Schritte entfernt hatten. Mel knuffte ihn in die Seite. „Es kann ja nun mal nicht jeder berühmt sein und Privatunterricht bekommen. Manche wollen auch was Anständiges werden... „

„Naja, wenn du es genau nimmst, bin ich ein Straßenkind, das derzeit den Luxus genießt, auf einem Hausboot leben zu können.“ „Ja, es geht dir wirklich schlecht. Nicht mal Geld für den Friseur habt ihr.“ „Eben!“ 

 

Neugierig beobachtete er sie. Auch wenn er es Angelo gegenüber nicht hatte zugeben wollen, sie war tatsächlich nicht die einzige, die nervös war. Es kam nicht häufig vor, dass er sich für ein Mädchen interessierte. Erst recht nicht für einen Fan! Er hatte auch noch immer nicht herausgefunden, woran es lag, dass sie sich von den anderen unterschied. Doch er konnte nicht leugnen, dass er sie näher kennenlernen wollte und dass sich seine Gedanken, seit sie sich am Morgen begegnet waren, nur noch um sie gedreht hatten. 

Jetzt hatte sie sich ihrer Winterkleidung entledigt und ihre Beine, die in einer weinroten Cordhose steckten, zu einem Schneidersitz verschränkt. Der Schlag am Ende war so weit und lang, dass von ihren Füßen nur noch die Zehen herausschauten, doch davon sah man gerade auch nicht mehr viel. Trotz des lockeren Shirts war eindeutig, dass sie sehr schlank war. Eine Seite war über ihre Schulter heruntergerutscht und entblößte ein wenig verlockende Haut. Ihr Brustkorb hob und senkte sich in schneller Folge und unter ihrem Shirt ließen sich hübsche Rundungen erahnen. Schnell richtete er seinen Blick wieder auf ihr Gesicht. Ihre blauen Augen strahlten ihn an und das freches Grinsen schien gar nicht mehr von ihren Lippen weichen zu wollen. Er konnte nicht anders als es zu erwidern. Wie es wohl wäre sie zu berühren? Ihre auf seinen zu spüren? Er hoffte, es irgendwann zu wissen. Oder sie schlicht mal im Arm zu halten, auch ohne dass sie versehentlich hineinfiel. 

„Paddy? Hallo?“ Fragend sah Mel ihn an und schien auf etwas zu warten. 

Ein minimales Kopfschütteln vertrieb seine Gedanken. „Was?“ Sie kicherte leise. „Wo bist du mit deinen Gedanken? Ich hab dich gefragt, ob du vielleicht etwas trinken möchtest?“ 

Er räusperte sich leise. „Ja, sehr gern“, antwortete er schmunzelnd. 

„Ist Mineralwasser okay? Oder lieber ein Bier?“ „Willst du mich abfüllen?“, fragte er provokant und brachte sie damit ins Schleudern. „Ähm, nein, natürlich nicht.“ „Ich mach nur Spaß. Wasser ist prima.“ 

Sie wirkte fast erleichtert, als sie an ihm vorbei das Zimmer verließ und tatsächlich hörte er vor der Tür ein Schnaufen, als hätte jemand gerade sehr tief Durchatmen müssen. Dann führten ihre Schritte die Treppe hinunter. 

Er konnte nicht anders und stand auf, um sich in ihrem Zimmer in wenig umzusehen. Solange er nichts öffnete, um hineinzusehen, sollte das wohl in Ordnung sein. Die Hände sicherheitshalber in den Hosentaschen, um sich nicht doch in Versuchung zu führen, schlenderte er herum. Sein erster Weg führte ihn zum hölzernen CD Ständer. Auf einer ganzen Reihe der CD Rücken fand er den Namen seiner Familie. Sogar die ganz alten Sachen waren mit dabei. Aber auch andere Dinge wie Doors, Nirvana, Joni Mitchell und Aretha Franklin standen neben Janis Joplin und Jimi Hendrix. Und anscheinend hatte sie ihrer Mutter die CD von Simon & Garfunkel entwendet. Auf der Kommode daneben entdeckte er die dazugehörige neue Platte vom Flohmarkt zusammen mit einigen anderen. 

Dann fiel sein Blick auf den Kleiderschrank. Ein Einbauschrank, Kiefer, der perfekt in die Dachschräge eingefügt worden war. Die einzelne Lamellentür stand ein kleines bisschen offen und ein Stapel buntes Papier schien fast herauszurutschen, als hätte jemand ihn hastig hineingestopft. Neugier übermannte ihn. Immerhin war die Tür schon fast offen und wenn er sie zwei oder drei Zentimeter weiter aufschob, war das kein Kapitalverbrechen. Aber ja, es war ihm vollkommen bewusst, dass man das eigentlich nicht machte. Diese zwei Zentimeter brachten jedoch den Stapel ins Rutschen und ein Haufen Kellyposter landete vor seinen Füßen. 

Ja, sie war ein Fan. Und offenbar ein Fan, der ihn nicht damit verschrecken wollte. Schnell schob er die Bilder wieder zusammen und legte sie zurück. Er hatte gerade die Tür wieder halb angelehnt, als er Mels Schritte näherkommen hörte. Er stand neben ihrem Schreibtisch und betrachtete das Chaos darauf, bis die Zimmertür geöffnet wurde. 

„Na, bist du neugierig?“, fragte sie keck gerade heraus und er zuckte die Achseln. „Nein, überhaupt nicht.“ Doch seine Stimme verriet die Ironie. „Ist doch ganz spannend zu sehen, wie ein Fan so lebt.“ 

 

Ein Fan. War sie nicht mehr für ihn? Nein. Sie schnaubte leise. Warum sollte sie? Würde sie es je sein? Welch lächerlicher Gedanke. Er konnte jede haben. Okay, vielleicht nicht jede, aber tausende auf jeden Fall. Warum sollte er ausgerechnet sie wollen? 

 

Sie stand noch mitten im Zimmer mit einer Flasche Selter und zwei Gläsern, als er an ihr vorbei wieder zum Bett ging. Er hätte sich auch auf den Schreibtischstuhl setzen können, jetzt wo Angelo nicht mehr da war, aber das war überhaupt keine Option für ihn. 

Sie schnupperte vorsichtig, als er auf ihrer Höhe war. 

„Stinke ich?“ „Nein. Aber irgendwas riecht hier nach Blumen.“ „Nach Blumen? Sicher, dass ich das bin?“ „Glaubst du, mein Einhorn hat gepupst?“ „Wer weiß“, lachte er und versuchte, an sich selbst zu riechen. „Hm, keine Ahnung.“ 

Mel hatte inzwischen die Sachen auf ihren Nachtschrank gestellt und kam vorsichtig wieder näher. „Darf ich?“, fragte sie unsicher, ohne überhaupt zu erklären was, trotzdem nickte er. Was immer sie wollte, sollte ihm recht sein, solange sie dabei näher kam. Unbeweglich wartete er darauf, was sie vorhatte. Und sie kam näher, reckte sich ein wenig und schnupperte erneut. „Ja, Blumen. Du riechst nach Blumen. Ein äußerst männlicher Duft, wenn ich das so sagen darf.“ 

„Ja, genau…“ Irritiert nahm er seinen Zopf und roch daran, als es ihm wie Schuppen von den Augen fiel. „Ach ja, Maites Shampoo!“, seufzte er. „Ich habs mir heute Morgen geliehen.“ „Wieso?“ „Frag nicht“, wich er aus und trat einen Schritt auf sie zu. Sie zuckte, als wollte sie zurückweichen. „Hey, nicht weglaufen, ich tu dir nichts“, lachte er und sog ihren Duft ein. 

 

Wieso kam er so nah? War sie vielleicht doch nicht nur irgendein Fan für ihn? Oh mein Gott! Er roch auch an ihr! Ein wohliger Schauer lief über ihren Rücken. Nur wenige Zentimeter trennten sie voneinander und zögernd hob sie den Kopf. 

 

Auch Paddy hatte kurz aufgeschnappt, wonach sie gerochen hatte und wollte dem näher auf den Grund gehen, doch plötzlich hob sie ihr Gesicht an. Ihre Lippen waren seinen nun ganz nah und sein Blick fiel unweigerlich darauf. 

„Und wie rieche ich? Ich hoffe, nicht allzu schlimm?“, fragte sie leise.

Ihr Atem roch auf auf jeden Fall nach Kaugummi. Spearmint. Aber da war noch was. 

„Nein, ganz und gar nicht.“ Dann kicherte er. „Aber irgendwie männlich.“ 

Sie fiel in das Kichern ein. „Nivea Deo for man“, erklärte sie verlegen. „Ich mag das.“ Sie benetzte nervös ihre Lippen und machte keine Anstalten, sich von ihm zu entfernen. 

Sein Herz schlug schneller. Konnte er es wagen, ihr noch näher zu kommen? Nicht, dass sie nachher dachte, er würde sie für einen Groupie halten. Langsam hob er einen Arm und streckt die Hand aus, doch dann verließ ihn der Mut. 

 

Was hatte er jetzt vor? Unbeweglich verfolgte sie jede Nuance seiner Bewegungen. Seine Finger näherten sich ihrem Gesicht, doch dann griffen sie nach dem Stab, der ihre langen blonden Haare zusammenhielt, und zog ihn heraus, so dass sie sich nun über ihre Schultern und den Rücken ausbreiteten. 

„He, das ist ganz schön dreist!“, kommentierte sie, nachdem sie einem Reflex gefolgt und ihm doch ausgewichen war. Den Stab hatte er da aber schon in der Hand gehabt. Sie hasste ihre Reflexe. Verdammt! 

 

„Sorry, ich konnte nicht anders. Vielleicht bin ich doch ein wenig neugierig.“ Erst dachte er, er hätte die Kurve gerade noch bekommen, doch im gleichen Moment ärgerte er sich darüber, dass er einen Rückzieher gemacht hatte. Er hätte jetzt statt des Stabes ihre Haut berühren können, sehen, wie sie auf ihn reagiert hätte. Wahrscheinlich unsicher und schüchtern und doch sehr niedlich. Er konnte in ihren Augen lesen. Ein Verlangen sprach aus ihnen, das sie anscheinend nicht bereit war zuzulassen. Noch nicht? 

Aber statt ihr näher zu kommen, stand sie nun wieder ein Stück entfernt und noch dazu bedeckten ihre Haare ihre hübsche nackte Schulter. Damn. 

„So“, ergriff er das Wort und in seinem Ton lag etwas von Aufbruch. Nach dieser merkwürdigen Aktion, die eine bis dato sehr schöne Atmosphäre kaputt gemacht hatte und ihn nun ziemlich unbeholfen mit dem Haarstab in der Hand herumstehen ließ, fiel ihm nichts mehr ein, wie er den Moment retten könnte. Wahrscheinlich wäre es einfach das beste, wenn sie den Abend für heute beendeten. Sie würde ihn vermutlich jetzt ohnehin nicht mehr für den coolen Musiker halten, sondern für einen aufdringlichen Freak. 

Aber es er es wagte, wieder in ihr Gesicht zu sehen, sah er empört zusammengezogene Brauen und eine ungläubig gerunzelte Stirn. „Du willst doch nicht schon los, oder?“ Mel konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen. Mittlerweile fand sie es ziemlich lustig mit ihm und abgesehen von kleinen Rückfällen, fühlte sie sich sehr wohl in seiner Gegenwart. So lange er ihr nicht zu nahe kam und ihr den Verstand raubte oder äußerst dämliche Reflexe auslöste. 

 

Wollte sie etwa, dass er noch bleibt?!

„Ich soll nicht gehen?“ „Auf keinen Fall!“, erwiderte sie überzeugt und ärgerte sich gleich über ihren übertriebenen Eifer, der ihn allerdings zum Lächeln brachte. „Wieso? Schlägst du was anderes vor?“ „Du könntest bleiben.“ „Und dann?“ „Wir könnten einen Film gucken. Ich hab’ mir von Tina den Paten ausgeliehen“, begann sie, kam dann jedoch wieder ins Stocken. „Aber, wenn du los musst, ich meine, wenn du vielleicht noch zu tun hast oder vielleicht einfach was Besseres…“ „Nein! Nein, ich habe nichts Besseres vor“, antwortete er hastig und merkte, wie ihre Augen sofort wieder leuchteten. 

„Klasse, dann mach es dir doch schon mal im Bett gemütlich“, wies sie ihn an und drehte sich um, um das Video einzulegen, erstarrte aber in ihrer Bewegung. Langsam drehte sie sich wieder um und wandte wie in Zeitlupe Paddy ihr feuerrotes Gesicht zu. Er hatte sich nicht von der Stelle bewegt und blickte sie mit einem umwerfenden Lächeln auf den Lippen an. „Aha, soso. Soll ich das?“ Seine Augen blitzten auf. 

„Das war nicht so gemeint, wie es sich anhörte!“ „Wie hörte es sich denn an?“, hakte er süffisant grinsend nach. 

„Also naja, ach, du weißt schon! So war es auf jeden Fall nicht gemeint!“ Obwohl er sie nur ärgern wollte und sie das wusste, fühlte sie sich zunehmend unwohl und unsicher. Hatte sie es jetzt vermasselt? „Okay, du musst auch nicht.“

Endlich rührte er sich wieder. „Ich hab doch gar nicht abgelehnt!“ Ihr Bett stand an der Wand und er nahm den Platz auf der Innenseite, schnappte sich ihr Kissen und kuschelte seinen Kopf hinein. Möglichst unauffällig roch er daran. Es roch recht frisch gewaschen und doch mischte sich noch eine andere Nuance mit hinein, die eine Zufriedenheit auf sein Gesicht zurückbrachte. 

„Ach, wolltest du jetzt noch was trinken?“ Mel schenkte sich etwas  ein und füllte auch sein Glas voll, bevor sie eine Antwort erhalten hatte, nahm einen Schluck und stellte ihr Glas auf den Nachtschrank zurück. Seins reichte sie seiner ausgestreckten Hand. Während er es in einem Zug leerte, sah sie ihn belustigt an. „Ex oder Kellyfan?“ „Was?“ „Ach nix.“ Dann stemmte sie die Arme in die Taille. „Und wo soll ich hin?“, beschwerte sie sich, nachdem er ihr Kissen wieder unter sein Kopf geknüllt hatte. 

 

 

 

 

Er hatte nichts Besseres vor! Also entweder wollte er nicht nach drüben oder er wollte tatsächlich bei ihr bleiben. Wie gerne wollte sie, dass letzteres der Grund wäre. 

Obwohl er den Film lange nicht gesehen hatte, zählte er eindeutig zu seinen Lieblingsstreifen.
So machten sie es sich auf dem Bett gemütlich.

Doch es dauerte keine halbe Stunde, da waren Mel bereits die Augen zugefallen. Ihr Kopf sank auf Paddys Schulter, so dass dieser sich auch nicht so leicht aus dem Staub machen konnte, selbst wenn er gewollt hätte. Mit einem leisen Seufzer legte er den Arm um sie und genoss den Rest des Films, während sie neben ihm im Land der Träume wandelte.
Nach einer Weile öffnete sich die Tür und ihre Mutter schaute herein. „Du solltest schon längst schlafen.“ 

Paddy legte den Finger an die Lippen. „Pssst, das macht sie schon seit einer ganzen Weile.“
Beim süßen Anblick der beiden verkniff sich Lena weitere Kommentare, winkte kurz und ging ins Bett. 

Als der Film vorbei war, beschloss Paddy doch zurück ins Hotel zu gehen, um selber noch eine Mütze Schlaf abzubekommen. Er wollte Mel nicht wecken, so legte er sie ganz langsam auf die Seite, deckte sie zu und verließ leise das Zimmer.
Als sie am nächsten Morgen aufwachte, war sie ziemlich enttäuscht, dass sie den Rest des Abends einfach verschlafen hatte, war sich aber auf der anderen Seite nicht einmal sicher, ob sie das Ganze nicht nur geträumt hatte.
Sie ging gerade hinunter zu Frühstück, als ihre Mutter ihr grinsend entgegen kam. „Na, wann ist Paddy denn gegangen, oder liegt der noch oben?“

„Ne, ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich habe geschlafen...“ 

„Du bist mir auch `ne Schnarchnase. Ich glaube, weitere Kommentare spare ich mir lieber.“

Okay, sie hatte das nicht nur geträumt. Umso ärgerlicher war es, dass sie den ganzen Film über gepennt hatte! Sie hätte sich in den Hintern treten können! Trotzdem schien ihr Herz im Gleichklang mit der Sonne zu schlagen und überdreht ging sie zur Schule, wo sie sofort auf Tina zurannte, sobald sie sie vorm schwarzen Brett entdeckt hatte. Aufgeregt zog sie ihre beste Freundin beiseite und erzählte ihr atemlos, was vorgefallen war.

Diese glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. „Was?! Du hast den Mann deiner Träume bei dir liegen und pennst ein?! Also das kann auch nur dir passieren!“

Ja, ja, wer den Schaden hat...

Schulterzuckend lächelte sie und machte sich auf den Weg in ihren Klassenraum.
Den Rest des Tages schwebte Mel weiter auf Wolke sieben, ebenso wie Tina, die sich auf ihr Treffen mit Joey freute. Sie hatten sich direkt nach der Schule wieder in der Eisdiele verabredet und Mel konnte es sich nicht nehmen lassen, Tina dort hinzubringen. 

Insgeheim hatte sie natürlich gehofft, dort auf Paddy zu treffen, aber enttäuscht musste sie feststellen, dass Joey allein an der Eisdiele stand. 

Paddy hatte Joey am Treffpunkt abgeliefert und nutzte dann die Gelegenheit im nahe gelegenen Plattenladen zu stöbern. Doch davon wusste sie nichts, da sie sich nicht getraut hatte, Joey nach seinem Bruder zu fragen. 

„Na gut, dann wünsche ich euch einen schönen Nachmittag. Ich werde mich mal nach dem neuen Album von Herman van Veen umsehen. Tschüss Joey. Bis morgen, Tina“, verabschiedete sie sich wohl wissend, dass Tina sie unter allen Umständen später noch anrufen würde.

Zielstrebig lief sie auf das richtige CD Regal zu, sobald sie den Laden betreten hatte. Sie wollte gerade anfangen zu suchen, als sie wenige Meter von sich entfernt, einen attraktiven jungen Mann entdeckte.

„Kennen wir uns nicht?!“, fragte sie gespielt und schubste ihn mit der Hüfte ein wenig von der Seite an.

Leicht genervt drehte Paddy sich um, fing dann aber gleich zu lachen an. „Na, du Schlafmütze…“

„Hm, so etwas Ähnliches habe ich heute irgendwo schon mal zu hören bekommen...“ Sie kratzte sich verlegen am Kopf. „Wann bist du eigentlich gegangen?“

„So gegen zwei, glaube ich“, antwortete er, nachdem er kurz nachgedacht hatte. 

„Und, wie ist dein Plan heute? Noch neue Superhits schreiben?“ Sie kicherte zwinkernd. 

„Nö, erst mal nicht. Die können auch bis morgen warten. Hab’ heute schon viel geschafft. Wollte mir den Rest des Tages so um die Ohren schlagen. Neue Inspiration sammeln sozusagen. Was kann man denn hier Schönes machen?“ 

Mel zuckte mit den Schultern. „Hier? Nicht viel. Ihr habt es wirklich geschafft, euch einen ruhigen Ort auszusuchen. Langweilig trifft es eigentlich auch ziemlich gut.“ 

Skeptisch zog Paddy die Augenbrauen zusammen. „Na, was machst du denn, wenn du Freizeit hast?“
Mel überlegte. Was machte sie eigentlich jeden Tag...vermutlich nichts, was ihn interessieren würde.

„Nun sag schon“, drängte er, nachdem sie weiterhin schwieg.

„Hm, ich treffe mich mit Tina oder anderen Freunden. Wir gucken Filme, spielen oder gehen was trinken. Ja, am Wochenende gehe ich gerne feiern, aber noch haben wir kein Wochenende und erst Mittag. Ansonsten gehe ich gerne ins Erlebnisbad in der Nähe, aber da wird wohl für dich um diese Uhrzeit schon zu viel los sein. Ich gehe auch gern mit dem Hund spazieren oder verbringe Zeit bei meinen Großeltern. Die haben sehr viele Tiere und Oma ist sowieso die Beste. Außerdem betreue ich Konfirmanden, organisiere Wochenenden, Gottesdienste und Jugendfahrten und solch Kram. Aber wir hatten erst vor kurzem ein Konfiwochenende und nun ist erstmal Ruhe. Ach und im Ruderverein bin ich auch, bin aber in letzter Zeit nur selten dort und außerdem ist Winter, da wird normalerweise nicht gerudert. Doch ich vermute, das sind alles Dinge, die dir eher nicht so viel Spaß machen.“
Aber Paddy zuckte mit den Schultern. „Naja, es klingt alles herrlich normal und das kann ich gut mal brauchen. Zeig mir doch euren Hund, dann können wir ja ein Stück mit dem gehen.“
Mel war einverstanden und so machten sie sich auf den Weg. Paddy verliebte sich sofort in Nele, einen Deutsch-Langhaar, der absolut verspielt war.
Sie schnappten sich die Leine und liefen mit ihr los. Zuerst durch den Wald und dann einen Weg durch die Felder entlang.
Ein Wort gab das andere und so redeten sie munter über alles, was ihnen einfiel. Mel war sehr erleichtert, dass ihre anfänglichen Sprachblockaden überwunden zu sein schienen und es wurde ein sehr entspannter Spaziergang, abgesehen davon, dass Nele zerrte wie blöd, so dass Mel irgendwann schon fast genervt von ihr war.

Paddy fiel ihr gereiztes Gesicht auf und streckte ihr seine Hand entgegen. „Soll ich sie mal nehmen?“

„Wenn du Lust hast, gerne.“ Erfreut übergab Mel ihm die Leine und rieb sich die schmerzende Hand.
„Hier wohnt meine Oma übrigens“, sagte sie auf einmal, als sie an einem von Bäumen umsäumten Hof vorbeigingen.

„Hier schon? Ich dachte, das wäre ein paar Kilometer von Kappeln weg?“ 

Sie nickte. „Ja, wir sind auch bestimmt schon acht Kilometer gelaufen.“

„Wow, so weit kam mir das gar nicht vor. Sind wir echt schon so lange unterwegs? Na komm.“

„Wohin?“, stutzte sie.

„Na, zu deiner Oma?! Du sagtest, sie sei sehr nett und die Tiere will ich auch sehen. Ich liebe Tiere. Ich möchte gern irgendwann mal Ziegen haben. Habt ihr Ziegen?“
Mel schüttelte den Kopf. „Ne, Ziegen nicht. Wir hatten mal einen Bock, Jonas, aber das ist schon Jahre her. Außerdem war der ganz schön garstig und hat immer alle gestoßen. Aber Schafe haben sie, Pferde und Dammwild. Ein paar Hühner müssten hier auch rumlaufen, wenn die sich nicht gerade vor der Katze verstecken.“
Paddy war begeistert und bestand darauf, sich alles anzusehen und wenigstens mal hallo zu sagen.
„Hi Oma! Das ist Paddy“, begrüßte Mel ihre Großmutter, als sie die Tür öffnete.

Überraschung stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Was macht ihr denn hier? Hallo Paddy.“ Sie gab ihm die Hand und ließ die beiden herein. „Hat dich deine Mutter gefahren?“

„Nein, wir waren gerade in der Nähe mit dem Hund spazieren. Ich wollte ihm hier mal alles zeigen“, erklärte Mel.
„Hier in der Nähe?! Dann seid ihr ja schon eine ganze Weile unterwegs und müsst bestimmt Hunger haben. Wollt ihr was essen?“, fragte Mels Oma in der Küche angekommen.
Das war meistens ihre erste Frage, wenn irgendjemand sie besuchte. Da Mel wusste, dass es sinnlos war nein zu sagen, nickte sie und sie bekamen kurze Zeit später eine heiße Brombeersuppe mit Grießklößen vorgesetzt.
„Kennst du das?“, fragte Mel. Paddy schüttelte den Kopf und probierte. „Mhh, sehr lecker und bei den Temperaturen genau das Richtige!“

„Ganz meine Rede“, nickte Mel und schob sich den nächsten Löffel hinter die Kiemen.
Alle drei saßen um den Tisch herum und ließen es sich schmecken, bis Paddy bemerkte, dass er gemustert wurde. „Sag mal, bist du nicht der von der Kelly Family?“, fragte ihre Oma schließlich frei heraus.

Er nickte mit vollem Mund, während sie weitersprach.

„Mel hat mal von dir erzählt. Sie mag eure Musik.“ Dann verstummte sie, da sie der strafende Seitenblick ihrer Enkelin getroffen hatte. Sie wechselte erfolgreich das Thema und sie unterhielten sich über die Tiere.

Mel hielt sich größtenteils zurück und überließ ihnen das Reden. Sie beobachtete stattdessen immer wieder Paddy, der hier völlig fehl am Platze wirkte. Die Situation mit ihm hier bei ihrer Oma gemeinsam am Tisch zu sitzen, war nicht nur verständlicherweise ungewohnt, sondern geradezu unrealistisch.
Als schließlich alle Teller leer waren, schlug Mel vor, sich noch den Hof anzusehen und wieder nach Hause zu spazieren, da sie noch ein gutes Stück Weg vor sich hatten und es auch bald dunkel werden würde. 

„Soll Opa euch nicht fahren?“ 

Doch Mel schüttelte den Kopf. „Lass mal, ein bisschen Bewegung wird uns nach dem Essen nicht schaden. Aber vielen Dank.“ 

Das wäre ja noch schöner, wenn aus anderthalb Stunden, die sie in Ruhe mit Paddy allein verbringen konnte, nun eine viertel Stunde werden würde, nur weil sie gebracht wurden! Nein, nein, dann lieber den langen Weg auf sich nehmen...


Es war schon stockduster, als sie den Hund wieder ablieferten. Paddy zog es ins Hotel, wo er auf Tina, Joey und die anderen Kellys traf. Sie aßen gemeinsam eine Kleinigkeit, bevor Joey Tina zum Busbahnhof brachte. 

Es war auch bei ihnen ein wunderbarer Nachmittag gewesen und es knisterte spürbar auf beiden Seiten. Schon auf dem Weg zum Busbahnhof verstummten ihre ehemals so munteren Gespräche mehr und mehr und beide blickten immer wieder geradezu hilfesuchend zu den funkelnden Sternen hinauf. 

Als sie ankamen und der Bus vorfuhr, stand Tina ziemlich unbeholfen vor der geöffneten Tür. Doch auch Joey strahlte nicht mehr Sicherheit aus. 

Sie hoffte inständig, dass er sie zum Abschied küssen würde, doch so vorlaut sie sonst oft war, nun traute sie sich nicht, den ersten Schritt zu machen. Alles, was sie schaffte, war, sich einladend noch ein paar Zentimeter auf ihn zuzubewegen und den Abstand zwischen ihnen zu verringern. 

Wieso küsste er sie nicht endlich?! Sie wünschte sich doch gerade nichts sehnlicher, als seine Lippen auf ihren zu spüren! 

„Wollen sie nun mitfahren oder sich weiter in die Augen starren?“ Ungeduldig klopfte der Busfahrer mit den Fingerkuppen auf dem Münzhalter herum. 

Tina stöhnte unhörbar und nickte. „Ja, ich komm.“ 

Sie warf Joey noch einen letzten flehenden Blick zu, der darauf mit einer freundschaftlichen Umarmung reagierte. 

Enttäuscht drehte sie sich um und stieg auf die erste Stufe des Busses, als er sie am Arm zurückhielt.

Würde er sie nun doch noch küssen? Hatte er endlich den Mut aufgebracht, wenn sie es schon nicht schaffte?

Aufgeregt drehte sie sich ihm zu und wartete gespannt auf den so ersehnten ersten Schritt, aber Joey ließ überraschenderweise ihren Arm los. „Sehen wir uns morgen?“ 

„Ja, gerne!“, antwortete sie hastig und strahlte ihn an. Das war zwar immer noch kein Kuss, aber durchaus die berechtigte Hoffnung auf eine neue Möglichkeit. Und der Ausblick auf einen weiteren Tag mit Joey oder wenigstens ein paar Stunden, die sie gemeinsam verbringen konnten, ja, das waren herrliche Aussichten!

Dann schloss sich die Tür vor ihrer Nase und der Bus fuhr los. Verträumt verrenkte sie sich den Hals nach Joey, bis er nicht mehr zu sehen war. 


Mel hatte in der Zwischenzeit mit ihrer Familie zu Abend gegessen. Sie sprach in einer Tour von Paddy und dem schönen Nachmittag. Nie hätte sie erwartet, dass er an so banalen Dingen auch Freude haben könnte. 

Sie saß mit ihren Eltern noch am Abendbrottisch, als das Telefon klingelte.

„Mel, für dich.“ Ihr Vater reichte ihr den Hörer.

Ob es Paddy war? Warum kam der denn nicht einfach her, statt anzurufen?

Nein, es war kein Kelly und auch keine Tina, sondern Tobi, ein guter Freund. „Hi Mel! Wie sieht`s aus? Sollen wir heute was trinken gehen?“
Sie überlegte kurz. Wenn Paddy sich nun doch noch melden würde? Aber wenn nicht, säße sie den ganzen Abend dämlich zu Hause herum, also... „Jo, gerne. Kommst du vorbei oder treffen wir uns in der Palette?“

„Ich hol dich ab. Bis gleich.“
Eine viertel Stunde später stand er auf der Türschwelle und sie gingen zusammen die wenigen Meter zur Kneipe. Jeder bestellte sich ein großes Kilkenny, als sie am Tresen vorbeigingen, um sich einen Platz im hinteren Bereich zu suchen.
Sie tauschten lachend einige Neuigkeiten über gemeinsame Freunde aus, da sie sich schon ein paar Tage nicht gesehen hatten, als die Tür aufging und ein bekanntes Gesicht herein kam.

„Hi Flo, na was geht?“, empfingen beide ihren Kumpel.
„Joa, alles bestens“, antwortete er und setzte sich zu ihnen.

Sie kannten sich schon einige Zeit und gingen gerne mal am Wochenende zusammen los. Flo war in Tobis Parallelklasse und ein Jahr älter als Mel. Sie fand, dass er wahnsinnig gut aussah, aber dennoch waren sie nur Freunde.
Ein kalter Windstoß fegte zu ihnen herein, als erneut jemand im Eingang stand. Es war Dave, der herzlich begrüßt wurde und sich ebenfalls zu ihnen gesellte.
Das erste Glas war leer und der Kellner brachte bereits die zweite Runde, als wieder die Tür aufging.
Mel verschluckte sich fast an ihrem Bier, als sie sah, dass es Paddy und Patricia waren, die den Raum betraten.
„Hi! Na, auch unterwegs?“, fragte Patricia überrascht, als sie Mel entdeckte, während sie nach einem freien Tisch Ausschau hielt.
Paddy guckte hinter seiner Schwester hervor, um zu sehen, mit wem sie gerade sprach.
„Na, wir haben uns ja lange nicht gesehen“, entgegnete er lachend. 

„Ja, bin mit Freunden hier. Nur auf ein bis zwei Bierchen. Soll ja auch morgen wieder früh hoch“, antwortete sie noch auf Patricias Frage. „Und wie kommt ihr hier her?“

„Zu Fuß?! Ne, Blödsinn, wir haben gestern gesehen, dass es hier irisches Bier gibt, da hat es uns quasi magisch angezogen.“ Er deutete auf Mels Glas.

„Ach so, na denn viel Spaß.“
Dann nahmen die Geschwister an einem Tisch in der hintersten Ecke der Kneipe Platz.
Mel sah den beiden nach, während jemand sie anstieß.
„Hey, wer war denn das?“, wollte Tobi neugierig wissen.

Er kannte sonst alle Freunde von Mel.

„Bekannte“, schmunzelte sie und wandte sich wieder ihren Jungs zu, konnte aber nicht umhin, immer mal wieder einen Blick zur Seite zu werfen.
Patricia redete wild gestikulierend auf ihren Bruder ein, während der ihr offenbar gar nicht richtig zuhörte, sondern regelmäßig zu Mel hinüber sah. Aber immer wenn sich ihre Blicke trafen, guckte sie schnell weg. Schließlich riss sie sich zusammen und blieb mit den Augen bei ihren Freunden. Es brachte zwar eine gewisse Unruhe mit sich, ihn nicht ansehen zu können, aber es wäre noch schlimmer, wenn er mitbekommen würde, dass sie ihn am liebsten ununterbrochen anstarren würde!
Es gelang ihr tatsächlich, sich wieder auf ihre Jungs zu konzentrieren.

Alle vier waren ausgelassen und lachten viel. Aber es wurde spät und die anderen verabschiedeten sich nach und nach.
„Geht ruhig schon, ich hab’ es ja nicht weit. Ich trink noch mein Glas leer und mach mich dann auch auf den Weg.“ Sie drückte alle einmal und weg waren sie.
Wieder drehte sich ihr Kopf wie von alleine zum Tisch der Kellys.

Sie hätte sich gerne zu den beiden Geschwistern gesetzt, aber Patricia sah immer noch so aus, als hätte sie wichtige Dinge zu besprechen.
Mel drehte erschrocken ihren Kopf weg...Mist! Paddy hatte schon wieder gesehen, dass sie ihn beobachtete.

Sie musste sich auf ihr Glas konzentrieren! Das konnte doch nicht so schwer sein! Einige Sekunden blickte sie auf die klare rotbraune Flüssigkeit und ließ sie hin- und herschwappen. Nicht wieder umdrehen! Wenn er sie für aufdringlich hielt, würde er sicher nichts mehr mit dir zu tun haben wollen. 

Mit Hilfe ihrer stummen Selbstgespräche behielt sie ihren Kopf nach vorne gerichtet und die Augen auf dem Tisch. Sie nahm noch einen kräftigen, letzten Schluck und setzte das leere Glas ab, als Paddy auf einmal vor ihr stand. 

Erschrocken zuckte sie zusammen. Durch ihr konsequentes Ignorieren hatte sie ihn nun nicht einmal näher kommen gesehen. 

Sie beschloss, sollte sie erneut in eine solche Situation kommen, eine neue Taktik zu wählen...
„Hey, du bist ja ganz verlassen hier! Willst du nicht noch einen Moment zu uns kommen? Oder musst du auch schon los?“

„Eigentlich wollte ich gerade gehen, aber...ach, ein kleines Bier kann ich ruhig noch nehmen.“ 

Sie stand auf, bestellte sich schnell am Tresen noch eins und folgte Paddy an den Tisch.
Dort stellte sie fest, dass Patricia offenbar von einer Songidee zur nächsten sprang, dazwischen auf namenlose Exfreunde zu sprechen kam, plötzlich eine neue CD erwähnte und...Mel konnte ihr irgendwie nicht folgen. Paddy musste wenigstens so tun, als würde er ihr zuhören und nickte immer brav.
So konnte er sich aber leider nicht mit Mel unterhalten, doch sie genoss es einfach, bei den beiden zu sitzen und ihnen bei ihrer mehr oder weniger einseitigen Kommunikation zuzusehen.
Mit der Zeit wurde ihr Kopf immer schwerer und die Augen stetig kleiner. Sie schaffte es aber beim besten Willen nicht, sich aufzuraffen und die beiden dort sitzen zu lassen. Stattdessen zog sie es eindeutig vor, vollkommen übermüdet in Paddys Nähe zu verharren.
„Patricia, ich glaube, ich bringe die Kleine mal nach Hause“, erklärte Paddy amüsiert und griff die Gelegenheit beim Schopf, den Redeschwall seiner Schwester zu unterbrechen. Dann drehte er sich zu Mel. „Du siehst ein ganz klitzekleines bisschen müde aus.“

Mel schreckte hoch.

„Möglich“, murmelte sie verpennt. „Die viele frische Luft und so, weißt du...“ 

Paddy lachte. „Ja...vor allem 'und so', ne?“
Patricia stimmte ihrem Bruder lächelnd zu. „Ja, lass uns los. Ich denke, es ist auch für uns spät genug.“
Die beiden setzten Mel vor ihrer Haustür ab und gingen weiter ins Hotel. 


Am nächsten Tag wachte Mel mit leichten Kopfschmerzen auf und schleppte sich widerwillig zur Schule. Dort traf sie auf Tina.

„Hey, wo warst du gestern Abend?! Ich habe drei Mal versucht dich anzurufen!“, redete diese gleich auf sie ein.

„Hm, ich war ein paar Bier trinken mit den Jungs.“ grunzte Mel. „Paddy und Patricia waren auch da, saßen aber am anderen Tisch. Und Joey hat dich gestern noch zum ZOB gebracht?“

Tina nickte eifrig. „Ja und er hat gefragt, ob wir uns heute sehen! Wir haben auch schon telefoniert und uns wieder an der Eisdiele verabredet!“

„Wie kannst du nur immer bei der Kälte Eis essen?! Und wenn du weiter so viel Eis isst, wirst du doch noch fett. Das will bei deiner jetzigen Figur schon was heißen!“ Sie musterte Tinas fast schon knochigen Körper.

„Darum geht es doch jetzt gar nicht!“, entgegnete Tina ungeduldig. „Er will mich wiedersehen! Das ist doch das Wichtigste!“
Mel stimmte ihr zu und freute sich für ihre Freundin, auch wenn sie das schlecht zeigen konnte, da sie gedanklich noch im Bett lag und schlief.
Der Schultag ging komplett an ihr vorbei und irgendwann war auch endlich die letzte Stunde geschafft.

Tina wartete am Hinterausgang der Schule auf sie. „Nun beeile dich doch! Nicht dass er noch abhaut!“ 

„Ja, ja.“ Mel fühlte sich zwar nicht mehr ganz so matschig wie am Morgen, war aber immer noch nicht in der Verfassung einen so zügigen Gang abzuliefern, wie der, den Tina daraufhin einschlug. Sie trottete ihrer Freundin hinterher, die immer wieder warten musste, damit sie nicht ganz den Anschluss verlor. 

„Meine Güte, ich wollte heute noch ankommen!“

„Dann geh doch schon vor.“

„Nein, das werde ich nicht. Du siehst lieber zu, dass du mal in die Puschen kommst!“

Aber Tina hätte schon eine Peitsche in der Hand halten müssen, um Mels Schritte zu beschleunigen.
Endlich hatten sie ihr Ziel erreicht und Mel begrüßte Joey, der natürlich wieder nur Augen für Tina hatte. „Ok, dann viel Spaß ihr zwei! Ciao.“ Sie winkte matt und setzte ihren Weg fort. Zum Glück hatte sie es nicht mehr weit nach Hause und drosselte das Tempo noch ein wenig.
Tina hatte einen schönen Nachmittag vor sich und sie? Sie würde nach Hause gehen und Hausaufgaben machen müssen. Super Aussichten.... Sie würde auch lieber ihre Zeit mit Paddy oder den restlichen Kellys verbringen, aber sie würde sicher nicht zu ihm hinüber gehen.

Er hatte ja ihre Nummer und ihre Adresse. Wenn er noch mal was mit ihr machen wollte, könnte er sich ja melden. Oder war ihm der gestrige Tag doch zu langweilig gewesen? Warum war er abends gleich ins Hotel verschwunden? Wieso ging er lieber mit Patricia einen trinken, die er ständig sah und bei der er außerdem doch offenbar kaum zu Wort gekommen war? Ob er sich noch einmal melden würde?

Sie schüttelte den Kopf.

Was erwartete sie denn eigentlich? Dass er sie nun ständig anriefe? Sie kannten sich doch kaum und er hatte ja schließlich auch zu tun.
Doch sie redete so gern mit ihm. Sie genoss überhaupt seine Nähe, seine bloße Anwesenheit reichte schon, um ihr den Tag zu versüßen. Und jedes Mal spürte sie so ein warmes Kribbeln im Bauch, wenn sie an ihn dachte. Und sie dachte fast nur noch an ihn...
Mit gesenktem Blick bog sie um die nächste Ecke und stieß mit jemandem zusammen.

„Vorsicht, junge Dame!“ Paddy grinste sie an. „Wo bist du denn mit deinen Gedanken?“

„Äh, in der Schule“, log sie hastig. „Und wo willst du gerade hin?“
Paddy machte einen gehetzten Eindruck. „Ich wollte gerade zu Joey. Er hatte sich mit Tina verabredet und so durch den Wind, wie der war, hat er sein Handy liegen gelassen.“ Er hielt es Mel als Beweis vor die Nase. „Kommst du kurz mit?“

Sie sah ihn immer noch ganz durcheinander an, bevor sie endlich reagierte.

„Klar!“, strahlte sie und flitzte hinter ihm her. Plötzlich war sie kein Stück mehr müde und auch das Tempo bereitete ihr keinerlei Schwierigkeiten mehr.
Paddy drückte seinem Bruder das Telefon in die Hand und ließ die beiden allein.
Gemeinsam mit Mel schlenderte er zurück Richtung Marktplatz.
„Und du willst nach Hause?“, fragte er Mel.

Sie nickte. „Und was hast du nun vor?“

„Eigentlich wollte ich noch etwas schreiben, aber ich komme nicht voran. Meinen Geschwistern geht es zum Teil sehr ähnlich. Was kann man denn hier sonst noch unternehmen?“

Sie zog die Augenbrauen hoch. „Ich dachte eigentlich, du hättest gestern schon begriffen, dass man hier nicht viel machen kann?!“

Paddy überlegte. „Ich habe gesehen, dass die Ostsee nicht weit weg ist. An so einem pustigen Tag könnte man einen herrlichen Spaziergang machen.“ 

„Ja, an den Strand wäre auch eines der wenigen Dinge gewesen, die ich noch hätte vorschlagen können. Soll ich euch den Weg aufschreiben, damit ihr dahin findet oder reicht es, wenn ich ihn dir erkläre?“
Er guckte verdutzt. „Ne, musst du doch nicht, wenn du mitkommst. Oder hast du keine Zeit?“

„Natürlich hab ich Zeit! Ich wollte mich nur nicht aufdrängen...“
Er lächelte amüsiert. „Nein, du drängst dich nicht auf. Ich würde mich freuen, wenn du mitkämst.“
Mels Augen begannen zu glänzen. „Okay, sollen wir die anderen abholen? Sind die im Hotel?“ 

„Eigentlich dachte ich, wir könnten auch alleine los. Ich muss nicht immer meine Geschwister um mich haben. Komm, wir sagen nur noch Joey Bescheid.“
Strahlend folgte Mel ihm zurück Richtung Eisdiele, wo Joey und Tina immer noch saßen. Die beiden unterhielten sich gerade über die Pläne der Kellys...
„Bis zum 7. Dezember bleiben wir noch, dann müssen wir zurück nach Hause und treten am 8./9. und 10. Dezember in Köln auf“, erklärte Joey gerade Tina, als ihm auffiel, wie traurig sie aussah.

„Was hast du denn?“, fragte er leise und legte ihr den Arm um die Schulter, doch sie zögerte einen Moment. „Ach, ich hatte irgendwie gehofft, ihr wärt zu meinem Geburtstag noch da...“ Sie lehnte den Kopf an ihn. 

„Wolltest du denn groß feiern?“, fragte Paddy sie.
Mel musste antworten, denn Tina wurde durch einen stetig größer werdenden Kloß in ihrem Hals daran gehindert. „Am 8. feiert sie mit ein paar Mädels aus ihrer Klasse und am 9. mit drei Brieffreundinnen und mir. Wir wollten alle bei ihr übernachten.“ 

„Aber wenn ihr nicht da seid, kann ich mich gar nicht mehr richtig freuen. Wahrscheinlich laufe ich wieder gegen einen Laster oder so...“ Tina musste selber lachen.
Joey zwinkerte Paddy über ihren Kopf hinweg zu. Dieser nahm Mel bei der Hand und zog sie ein Stück beiseite.
„Könntest du nicht organisieren, dass Tina und du nach Köln kommen? Ich glaube, das würde nicht nur Tina, sondern auch Joey sehr freuen. Ich denke, da bahnt sich was an. Vielleicht könntest du es ja auch schaffen, dass Tina nicht gleich merkt, dass ihr nach Köln fahrt?“

„Ja, das kriege ich hin!“, flüsterte Mel überzeugt, auch wenn sie eigentlich nicht den blassesten Schimmer hatte, wie sie das hinbekommen sollte. 

„Super!“ 

Paddy nickte Joey kaum merklich zu, als sie wieder zu den beiden gingen und erklärte ihnen, dass sie planten, zum Strand zu fahren. Joey wollte gleich mit, doch Tina zog es vor, in der Stadt bleiben. Zudem war sie sich darüber im Klaren, dass Mel viel lieber etwas Zeit alleine mit Paddy verbringen wollte. Außerdem hätte er sie sicher gefragt, wenn er gewollt hätte, dass sie mitkommen.
So brachten Paddy und Mel die Schulsachen nach Hause, setzten sich alleine auf die Räder und machten sich auf den Weg zum Meer.
Es war ein wunderbares klares Winterwetter.

Als sie über die Dünen kamen, pustete ihnen wie zur Begrüßung der frische Wind ins Gesicht.
„Puh, ist doch recht eisig“, stellte Mel zitternd fest und zog den Schal etwas enger.
Aber Paddy gab ihr einen kleinen Schubs und rannte mit ihr zum Wasser hinunter. „Na komm, Bewegung wärmt auf!“

Doch bereits nach wenigen Meter verfielen sie aus dem Laufschritt in ein gemütliches Bummeltempo.

„Schön, dass du mitgekommen bist.“ Er lächelte sie an und vergrub die Hände noch tiefer in den Taschen seiner Jacke. 

„Schön, dass du gefragt hast! Ich gehe gern spazieren. Und du? Kommst du sonst eigentlich dazu? Geht das überhaupt oder wirst du ständig belagert?“

„Eigentlich eher selten. Wie ich vorgestern schon erzählte, kann man im Prinzip kaum einen Schritt gehen, ohne dass jemand einem auf den Fersen ist. Ist ziemlich anstrengend. Aber im Ausland nutze ich die Gelegenheit und bin oft stundenlang unterwegs, wenn es der Zeitplan denn zulässt.“

„Das glaube ich. Muss echt ätzend sein, wenn man sich in dem Land, in dem man wohnt, nicht frei bewegen kann.“ 

„Das kannst du laut sagen! Wundert mich fast, dass hier noch niemand aufgetaucht ist.“

„Die hängen wahrscheinlich alle mit ihren Teleobjektiven hinter den Dünen“, witzelte Mel und blickte sich demonstrativ um. 

„Ich hoffe nicht“, lachte Paddy. „Sonst gibt es wieder die wildesten Gerüchte.“

„Das kann ich mir vorstellen! Schreiben die eigentlich viel über dich, was nicht stimmt?“ 

Paddy zuckte mit den Schultern. „Hin und wieder. Aber ich lese auch nicht alles. Zum einen macht es einen verrückt und zum anderen hab ich normalerweise gar nicht die Zeit dazu.“ 

Mel bückte sich und hob eine kleine Muschel auf. Vorsichtig strich sie mit dem Finger den Sand weg und legte die glänzende Schale frei. „Was machst du, wenn du Lügen über dich liest? Wie fühlt sich das an? Hat man nicht jedes Mal das Bedürfnis, alles richtig zu stellen?“

„Anfangs war es ziemlich scheiße, um es mal deutlich auszudrücken, aber inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. Ich weiß ja, was wirklich stimmt, das ist die Hauptsache. Es ist wie mit dieser Muschel: Die Leute spekulieren, wie es unter dem Sand aussieht, aber niemand macht sich die Mühe, ihn beiseite zu wischen. Darunter könnte es ja vielleicht nicht mehr so spannend sein, wie die es sich ausmalen und somit gehen ihre Verkaufszahlen in den Keller.“

„Ich glaube nicht, dass es mir so leicht fallen würde, das einfach so abzutun.“

„Man härtet ein bisschen ab. Du weißt doch: No biz like showbiz. Die Presse will ja auch nur ihre Zeitschriften an den Mann bringen.“

„Eben! Die wollen nur Geld verdienen, aber muss das auf deine Kosten sein?!“

„Wenn´s nach mir ginge nicht, ist aber nicht zu ändern. Es ist einfach zu aufwendig, wegen jedes kleinen Gerüchtes eine Klarstellung einzufordern. Lass sie doch ihre Gerüchte streuen, wenn es sie glücklich macht.“

„Bewundernswert“, murmelte Mel und steckte die Muschel in die Tasche. 

Möglichst unauffällig beobachtete sie ihn von der Seite. Je länger Paddy ihn kannte, umso beeindruckter war sie von ihm. Er wirkte viel älter, als er war. Auch wenn er gerne mal Spaß machte, schien er im Inneren sehr erwachsen zu sein. Eigentlich perfekt: Ein attraktiver, junger Mann, der Humor hatte und wusste, was er wollte. Sie wünschte sich, 20 cm größer zu sein, etwas mehr Brust zu haben und ein Gesicht, um das sich die Modezeitschriften reißen würden. Warum war sie denn nicht wenigstens ein bisschen attraktiver? Gut, sie war nicht hässlich, aber sicher auch nicht der Traum aller Männer. Leider. 

Sie sog die salzige Meeresluft ein und schloss einen Moment lang die Augen. 

Es gab eine Frage, die ihr auf der Zunge brannte, aber konnte sie es wagen, sie zu stellen? Würde er wahrheitsgemäß antworten und ging sie die ehrliche Antwort überhaupt etwas an? Naja, was hatte sie schon zu verlieren? Wenn er nichts sagen wollte, müsste er ja nicht...

Seufzend öffnete sie die Lider und ging langsam weiter. 

Sie holte gerade Luft, um anzusetzen, als Paddy ihr zuvor kam. „Was macht dein Freund eigentlich heute?“

„Welcher Freund?“

„War das nicht dein Freund gestern Abend? Der Blonde mit dem Pferdeschwanz“, hakte er möglichst beiläufig nach. „Achso, der hat Schule und ich glaube, danach wollten sie nach Flensburg. Shoppen oder so.“ Sie machte eine kurze, aber prägnante Pause, bevor sie fortfuhr. „Aber er ist nur ein Freund, nicht mein Freund.“

„Ah, okay, dann hab ich das wohl falsch interpretiert. Sah irgendwie so aus.“ Es fiel ihm schwer, sein erleichtertes Lächeln zu unterdrücken. 

„Das sah so aus?“ Mel blieb stehen und verschränkte die Arme, während sie ihn neugierig musterte. 

„Ich hab dich nicht beobachtet, falls du das jetzt denkst! Aber man guckt sich ja zwischendurch doch mal um.“

„Ja, schon klar…“

„Mann!“ Er stieß sie leicht in die Seite, so dass sie sich mit einem Ausfallschritt abfangen musste. „Hey, nicht ins Wasser schubsen! Wir haben Winter!“

„Dein Glück! Im Sommer hätte ich dich schon längst den Meeresboden aus der Nähe betrachten lassen!“

„Was?“ Mel schürzte die Lippen, während sie übertrieben entrüstet die Stirn in Falten zog. „Das ist aber nicht die feine englische Art!“

„Ich bin ja auch kein Engländer! Und als Iren sind wir kaltes Wasser gewöhnt, da müsste ich also nicht mal auf den Winter Rücksicht nehmen!“, lachte Paddy.

„Ja, aber auf mich! Wage es bloß nicht! Komm mir nicht zu nahe!“, gackerte sie und spurtete mit großen Schritten davon. 

„Du glaubst doch nicht, dass du schneller bist als ich!“

„Ich werde nicht kampflos aufgeben! Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft... ahhh. Au!“ 

Aber auch wer kämpft, konnte über einen großen Stein stolpern, wenn er mehr über die Schulter zurückblickte als nach vorne. Zum Glück war dies der einzige Stein in Reichweite, so dass Mel wenigstens in den einigermaßen weichen Sand fiel. 

„Hast du dir weh getan?“ Besorgt reichte Paddy ihr die Hand und half ihr wieder auf die Beine. 

„Nein, nein, geht schon. Danke. Das war eben mehr der Schreck.“ 

Schnell entzog sie ihm seine Hand wieder. Jedes Mal, wenn seine Haut ihre berührte, liefen ihre Gedanken Amok. Wie sollte sie denn so noch einen geordneten Satz herausbringen?!

Sie wandte sich ab und wusch sich im eisigen Ostseewasser den Sand von den Fingern. Das kalte Nass reinigte nicht nur ihre Hände sondern vor allem ihren Kopf. Als sie sich wieder gesammelt hatte, trocknete sie die Finger in einem Taschentuch und lächelte ihn verlegen an. „Wie du jetzt gesehen hast, bin ich manchmal etwas tollpatschig.“

„Das habe ich schon am ersten Tag festgestellt.“

„Sehr witzig. Pass lieber auf, dass du nicht gleich derjenige bist, der in der Ostsee planscht!“

„Willst du es drauf ankommen lassen?“ 

„Nein, eher nicht“, lenkte sie ein und setzte ihren Weg fort.

Paddy schloss sich ihr an. „Was willst du nach der Schule machen?“

„Nach der Schule? Du stellst ja Fragen! Keine Ahnung, das ist doch noch ewig hin!“

„Ich bin zwar nicht zur Schule gegangen, aber ich kann mir denken, dass das schneller geht, als man meint. Und dann? Hast du keine Idee?“ 

„Puh, ehrlich gesagt nicht so richtig. Früher wollte ich mal Rechtsanwältin werden, aber das finde ich nun doof. Dann hatte ich an Lehrerin gedacht, aber das finde ich nun auch doof. Und Tierärztin hatte ich auch mal überlegt, aber…“

„Lass mich raten, das findest du nun auch doof?“

„Ne, das nicht, aber dafür muss man einen sehr guten Abschluss haben“, lachte Mel. „Und ob ich das hinkriege, weiß ich nicht.“

„So schlechte Noten?“

„Nö, nicht direkt, aber leider bin ich nicht die fleißigste. Immerhin hat das Leben ja noch mehr zu bieten als nur Mathematikformeln.“ 

Paddy schüttelte übertrieben deutlich den Kopf. „Ich hoffe, das ist nicht dein Ernst! Mathe ist natürlich nicht alles, aber mit einem anständigen Schulabschluss kann man schon was anfangen. Mach was draus, solange du noch die Möglichkeit hast!“ 

Mel stöhnte unüberhörbar genervt. „Könntest du bitte aufhören, wie meine Mutter zu reden? Es sind wirklich noch ein paar Jahre hin bis zu meinem Abschluss und bis dahin kann noch viel passieren. Und was ist eigentlich mit dir? Hast du einen richtigen Abschluss?“ 

Er räusperte sich. „Ähm, lass uns das Thema wechseln.“

„Sehr guter Vorschlag!“, stimmte Mel grinsend zu und hakte sich bei ihm ein, wie sie es bei Freunden häufig tat, aber nur um ihn gleich danach wieder loszulassen. Sie war einem Reflex gefolgt, den sie sofort mit frischer roter Farbe im Gesicht bezahlte. 

„Ähm, ich wollte nur...äh…“

„Kein Problem, du kannst gerne meinen Arm leihen.“ 

Aber Mel steckte ihre Hand wieder in die Jackentasche und schloss die Muschel in ihre Finger ein. „Ne, schon gut. Nicht dass uns doch noch jemand sieht, da könntest du dich ja nicht mehr herausreden. Mit 'nur eine flüchtige Bekannte' kämst du dann kaum noch durch.“

„Ja, aber es entspricht doch der Wahrheit!“

„Ja...“ 'Leider' fügte Mel in Gedanken hinzu. 

„Sag mal, wo wir gerade wieder bei Gerüchten sind...was ist eigentlich an den Gerüchten um diese angebliche Freundin von dir dran? Oder waren da wieder 'Muschelsucher' am Werk?“ 

Er zögerte einen Augenblick, in welchem er kaum merklich an seiner Unterlippe knabberte. „Paddy?“

„Was? Achso, nein, keine feste Freundin. Da war mal was, aber das ist vorbei.“

„Oh, ich würde ja gern sagen, dass es mir leid tut, aber…“ Sie zuckte die Achseln. „...naja. War die Trennung schlimm?“

„Tja, sagen wir mal ereignisreich.“ 

Er lächelte, aber Mel spürte deutlich, dass ihm das Thema unangenehm war. 

„Bist du schon mal gesegelt?“

„Wie bitte?“

„Na, ob du schon mal mit einem Schiff unterwegs warst?“ 

Er kicherte unverhohlen. „Ich wohne auf einem…“

„Oh. Ja, natürlich.“ Sie biss sich auf die Zunge und ihr Gesicht zeigte wieder eindeutig, wie gern es sich rot färbte. Wenn sie schon so plump das Thema wechseln musste, wieso konnte sie sich nicht was Vernünftiges überlegen, statt so einen Schwachsinn zu labern?! Natürlich hatte er Erfahrung mit Schiffen! Vielleicht wäre es besser, wenn sie erst einmal den Mund hielt, bevor sie noch mehr Peinlichkeiten raushauen würde.

Schweigend gingen sie nebeneinander am Wasser entlang. Unsicher wartete Mel darauf, dass Paddy sich nun zu Wort melden würde, doch auch er sagte nichts. 

Schließlich blieb er wieder stehen und schaute auf´s Meer raus.
„Ist was?“, fragte Mel.

Er schüttelte den Kopf, ohne sie anzusehen und blickte nachdenklich weiter in die Ferne.

Auch Mels Augen versanken in den Schaumkronen auf den Köpfen der Wellen, die sich unaufhörlich auftürmten und sich kurz vor ihren Füßen scheinbar ins Nichts auflösten. Mit sich trugen sie das dröhnende Rauschen, das zu einem beruhigenden Nebengeräusch geworden war. 

Der Wind wehte ihnen um die Nase und die Möwen schrien über ihren Köpfen. Sie blickte hinunter in den Sand und malte mit ihren Schuhen abstrakte Zeichen hinein, die von jeder Welle wieder weggespült wurden.
Nach einem kurzen Moment sah sie Paddy von der Seite an, der aber weiter zum Horizont starrte und offenbar nachdachte. Sie wagte nicht, noch einmal nachzufragen, was denn sei. Sie hatte Angst, ihn in seinen Gedanken zu stören. Ihm gefiel es sicher, einfach mal etwas Ruhe zu haben und nur die hypnotisierende Melodie der Wellen zu hören, die Böen im Gesicht zu spüren und das Salz des Meeres auf der Zunge zu schmecken.
Plötzlich griff er wortlos nach ihrer Hand und zog sie weiter, ohne sie wieder loszulassen. 

Im ersten Moment hätte Mel sie ihm am liebsten wieder entzogen, zu groß war nach wie vor ihr Unbehagen. Ihre Nervosität war weiter gewachsen, als er nichts mehr sagte, nachdem sie so einen Blödsinn von sich gegeben hatte. 

Hatte er keine Lust mehr, sich mit ihr zu unterhalten? Hatte er festgestellt, dass es zwecklos war? Vielleicht weil von ihr ohnehin nichts Kluges kommen würde?

Doch nun hielt er ihre Hand und er hielt sie so fest, dass sie unmöglich aus seiner fallen könnte, selbst wenn sie die Anspannung in ihr lösen würde. 

So schob sie ihre Angst beiseite und hielt seine ebenfalls fest, während sich ein mädchenhaftes Grinsen auf ihrem Gesicht ausbreitete.
Nach wie vor schwieg er und sie wusste nicht, ob es angebracht war, die Stille mit ihren Banalitäten zu stören. Stumm spazierten sie nebeneinander her, weiterhin eine Hand in der des anderen vergraben.
Doch nach einer Weile blieb er erneut stehen und wieder schaute er hinaus aufs Wasser.
Sie wagte endlich einen neuen Versuch. „Also ich werde den Eindruck nicht los, dass du etwas auf dem Herzen hast.“ 

„Ja, irgendwie schon.“

„Na, erzähl! Manchmal fühlt man sich hinterher besser, wenn man darüber gesprochen hat. Und mach dir keinen Kopf, von mir erfährt niemand was, falls du dir Sorgen um die Presse machst.“

„Ja, das weiß ich.“

Sein Blick, der sie einen kurzen Moment lang traf, löste erneut ein mulmiges Gefühl in ihr aus. Panisch überlegte sie, ob ihre Handflächen feucht wurden und er dies merken würde. Sie musterte sein Gesicht von der Seite, das wieder in die Ferne gerichtet war.

„Was ist denn los?“
Er grinste verschmitzt und wandte den Kopf zu ihr. „Manchmal bist du ein bisschen...nicht falsch verstehen, aber ... naiv, ne? Oder sollte ich lieber blind sagen?“
Sie schluckte.

Es fiel ihr durchaus schwer, das nun nicht falsch zu verstehen...

Sie wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte, so beschloss sie, ihn einfach weiterreden zu lassen.
„Na, es geht um dich.“

„Wie um mich?! Hab ich was Falsches gesagt? Ich meine, ich hab schon mitgekriegt, dass ich ein paar echt blöde Dinge von mir gegeben habe, aber... War es so schlimm? Willst du lieber wieder zurück? Wir können auch fahren, wenn du möchtest! Gott, ich weiß, ich rede zu viel...“ Mittlerweile war sie richtig verunsichert. 

„Oh Mann...“ Er verdrehte die Augen.
Das mulmige Gefühl wandelte sich zu einer regelrechten Beklemmung in ihrer Brust. Jetzt verstand sie gar nichts mehr. Hatte sie wirklich alles falsch gemacht? 

Irritiert ließ sie seine Hand los, doch als sie zurückweichen wollte, trat er einen Schritt auf sie zu. Zaghaft hob er den Arm und legte seine Finger auf ihre Wange. „Ich weiß, du hast vorhin gesagt, ich soll dir bloß nicht zu nahe kommen. Ich hoffe trotzdem, dass du es mir nicht übel nimmst, wenn ich jetzt versuche, dich zu küssen.“

„Was bitte?“, stammelte sie tonlos und spürte ihr Herz gegen ihren Kehlkopf schlagen. 

Aber Paddy gab ihr keine Antwort, stattdessen zog er sie noch näher an sich heran, nahm ihren Kopf in beide Hände und legte seine Lippen ganz sanft auf ihre. 

Mel wagte nicht zu atmen. Atmen bedeutete leben und leben hieß, dass die Zeit weiterlaufen würde. Doch sie wünschte sich, dass dieser Augenblick nie enden sollte! 

Obwohl sie ziemlich überrumpelt war, genoss sie nun die Berührung der weichen Haut auf ihrer, seine Finger die ihr Gesicht hielten, seinen Atem auf ihrer Haut. 

Sie hatte mit vielem gerechnet, aber damit nicht! Und vielleicht hatte er Recht und sie war wirklich noch etwas blauäugig, doch das war ihr egal. Im Moment war ihr der Rest der Welt egal!

Sie spürte gerade deutlich, wie seine Zunge ihre sanft umspielte, wie seine Haare sie an der Stirn kitzelten und sein Geruch, der ihr jedes Mal den Verstand raubte, in ihre Nase stieg. Das war ihre Welt, aus der sie am liebsten nie wieder zurückkehren würde!

Es war so wunderbar und sie merkte nichts mehr von dem eisigen Wind, hörte keine Möwen mehr und auch das Lied des Meeres war in ganz weite Ferne gerückt. 

Es existierten nur noch sie beide. 

Seine Arme waren weiter gewandert und umschlossen sie nun ganz fest. Sie zogen Mel an ihn heran und schienen sie gar nicht mehr loslassen zu wollen. 

Mel wünschte sich, dass es nie wenden würde, doch schließlich wurde ihr schon ganz schwindelig, weil die Schmetterlinge in ihrem Bauch solche Purzelbäume schlugen.
Sie schnappte nach Luft. „Tut mir leid, aber ich muss mich kurz setzen“, stieß sie atemlos hervor und ließ sich in den Sand fallen.

Für ihren ersten Kuss war sie äußerst zufrieden. Mehr als das. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie auch gut ohne Luft und nur von Liebe leben können. Denn dass sie mehr für ihn empfand als nur bloße Schwärmerei, das musste sie sich mehr und mehr eingestehen. 

Er setzte sich daneben und beobachtete sie von der Seite.

Sie hatte die Beine angewinkelt und die Stirn auf die Knie gestützt.

„Alles in Ordnung? Hätte ich das doch nicht machen sollen? Ich meine, ich wollte nicht…“, fragte er vorsichtig, aber sie hob abrupt den Kopf und starrte ihn an.
Ihre Augen glühten und hätte sie rundherum lachen können, hätte sie es wohl getan. „Oh doch! Was für eine blöde Frage...Das war wunderbar! Es kam nur etwas... naja... mir ist lediglich ein bisschen schwindelig.“ 

Unverkennbar verlegen wandte sie ihr Gesicht wieder ab.
„Glaub es oder nicht, aber ich bin ein wenig schüchtern“, erklärte er mitfühlend.
Sie lachte ein bisschen gelöster. „Ja, ich glaube es eher nicht...“

Immer noch fühlte sie sich völlig weggetreten von den Glückshormonen in ihrem Körper.

Paddy spielte unsicher mit den Fingern im Sand. Ihm brannte etwas nicht nur auf der Zunge sondern auch auf dem Herzen. Gingen ihm auf der Bühne die Worte sonst so leicht von den Lippen, fiel es ihm nun schwer, den Mund überhaupt aufzubekommen. Als er ihr begegnet war, hatte er noch kesse Sprüche herausgehauen und nun machte er sich von Minute zu Minute mehr Gedanken darüber, dass er vielleicht was Falsches sagen oder machen könnte. 

„Doch ist so. Sieh mal, ich wollte...“ Er holte noch einmal Luft. „...ich wollte dir was sagen, konnte aber nicht, sondern tat etwas.“ 

„Na,“ Sie grinste herausfordernd, immer noch berauscht von dem eben Erlebtem. „was wolltest du mir denn sagen?“
Diesmal wich er ihrem Blick aus und verfolgte stattdessen das Spiel der Schaumkronen.
„Jetzt raus damit, bevor ich gleich wieder verwirrt bin, weil du nichts sagst.“ Mit diesen Worten griff sie nach seiner Hand.
Er löste seine Augen von den Wellen und wandte sich ihr wieder zu. „Ich mag dich eben echt gern!“

„Und das wolltest du mir mit diesem Kuss sagen? Sagst du das allen Leuten, die du magst, so?!“
Er schmunzelte. „Nein, nur wenn ich jemand besonders mag und das kommt nicht oft vor, da man ja meist auch nicht die Gelegenheit hat, die Menschen wirklich kennenzulernen. Aber bei dir bin ich mir sicher, dass ich dich noch sehr viel mehr kennenlernen will!“
Er beugte sich vor und gab ihr noch einen Kuss.

Und wieder drehte sich alles in ihr.
Jetzt schwieg sie, während er sie von der Seite mit den Augen fixierte.
Sie sah nachdenklich, geradezu besorgt aus, fand er, aber gleichzeitig auch wahnsinnig süß.

„Was ist los, war der jetzt nicht gut?“, fragte er diesmal nur zum Teil ernst gemeint. 

„Doch natürlich! Davon möchte ich auch gerne noch ganz viele mehr haben, aber- “

„Na, du bist aber nicht gerade schüchtern…“, unterbrach er sie grinsend.
„Ach,“, winkte sie ab ohne zu lächeln. „aber, naja, du bist nun mal sehr bekannt. Und du weißt ganz genau, viele Mädchen wollen dich...“

Sie zögerte und fügte dann hinzu. „Aber…“

„Was aber?“

„Paddy, ich möchte nicht nur so ein Urlaubsflirt sein und wenn du weg bist, höre ich nie wieder was von dir! Ich mag eure Musik, ich mochte dich auch schon immer gerne leiden, aber ich bin kein Groupie! Ich will nicht um jeden Preis, was mit dir anfangen, nur weil du Paddy Kelly heißt!“ Sie schaute ihn bitter ernst in seine wunderschönen Augen, doch er lächelte besänftigend. „Ich weiß, deshalb mag ich dich auch so. Du siehst nicht nur die Muschel, du wischt den Sand beiseite, schaust hinter die Fassade und versuchst sogar hineinzublicken. Du willst den Menschen sehen, nicht nur das, was die Medien aus mir machen.“
Sie sah wieder auf den Boden und ließ den Sand durch ihre Finger rieseln. „Natürlich! Ich will doch wissen, wer du wirklich bist! Aber ich rede auch nicht gerne über meine Gefühle, weil es einen so verletzlich und angreifbar macht, aber....seit wir uns kennen... Natürlich, und das weißt du, mochte ich dich auch...wie sag ich`s am besten ...als unbekannte Person in der Ferne gern, du warst einfach sympathisch, aber das, was ich fühle, hat nichts mehr mit der Figur zu tun, die ich nur von der Bühne kenne. Ich hätte dir nie gesagt, was ich jetzt empfinde, weil ich davon ausgegangen wäre, dass du mich eh nur für einen Groupie halten würdest! Aber das, was ich bisher hier privat von dir kennen lernen durfte, ist so was von liebenswert. Nicht nur deine Ausstrahlung, sondern auch deine ganze Art, dein Handeln, deine Worte, eben alles. Ich finde dich einfach unbeschreiblich.
Ich weiß, ich kenne bisher nur den Bruchteil eines Bruchteils, aber meinem Herzen reicht das offenbar um durchzudrehen! Und gerade deshalb will ich nicht nur jemand für deinen Ausflug hier in den Norden sein.“ Sie presste beherzt die Lippen zusammen. „...Paddy Kelly hin oder her...für ein winziges Zwischenspiel bin ich mir zu schade. Ohne dir jetzt zu nahe treten zu wollen.“
Nun wurde auch Paddy ernst. „Denkst du das etwa von mir? Dass ich jemand bin, der in jeder Stadt eine andere hat? So bin ich nicht! Wenn ich etwas mit dir anfange, meine ich es auch ernst! Glaub mir das bitte!“
Sie lächelte erleichtert. „Hm, okay. Nein, eigentlich habe ich keine schlechte Meinung von dir, aber das heißt ja nichts, da ich dich ja kaum kenne. Das, was man liest und hört, kann man ja nicht für bare Münze nehmen. Ich wollte ja nur einmal die Fakten klären, damit ich weiß, woran ich bin. Oder dies zumindest glaube.“ Jetzt beugte sie sich vor und küsste ihn und er machte nicht den Hauch einer Anstalt, ihr auszuweichen. 

Noch immer fühlte sie sich gehemmt, empfand die Vorstellung, ihm näherzukommen, als unrealistisch, auch wenn sie noch das Gefühl der zarten Lippen auf ihren gespürt hatte. Aber dann hatte das Verlangen Überhand genommen.
Als sie sich wieder voneinander lösten, rieb er sich gut gelaunt die eisigen Hände und pustete warme Luft hinein. „Also so erwärmend es auch ist, dich zu küssen, mir wird langsam echt kalt.“

Mel grinste und nickte. „Ja, lass uns mal wieder los. Wir müssen ja auch noch ein gutes Stück mit dem Rad fahren.“
Er stand auf, zog sie hoch und sie gingen Hand in Hand zurück, wobei man durchaus sagen konnte, dass beide eher vor sich hin schwebten und niemand mehr wahrnahm, wie ihre Füße den Boden berührten.
Durchgefroren, aber mit den strahlendsten Lächeln auf den Lippen kamen sie Händchen haltend im Hotelzimmer an. „Na, was ist denn mit euch los?“, fragte John, doch dann sah er auf ihre Hände mit den innig ineinander verschränkten Fingern. „Okay, vergesst es. Schon klar.“
Es folgte ein kurz anschwellender Gruppenapplaus der übrigen Kellys.
Auch Tina saß zwischen den anderen neben Joey und freute sich mit ihnen. 

Paddy hielt die Hand, in der er Mels Finger eingeschlossen hatte, kurz hoch in die Luft. „Ja, so, nun ist aber auch gut, ne!“, kicherte er und ließ sie wieder fallen. „Macht mal nicht so einen Zirkus hier.“
Erleichtert, dass die anderen nun auch Bescheid wussten, setzten sich und er ließ seinen Blick durch die Runde schweifen. „Und? Wie ist der Plan bei euch? Seid ihr auch schön produktiv gewesen?“

Es folgte geteiltes Gemurmel.
„Zeigt uns doch mal den Rest der Stadt!“, schlug Maite vor.

Alle waren einverstanden und so führten Mel und Tina sie zu den wenigen Sehenswürdigkeiten, die die Stadt zu bieten hatte.
Als letztes folgte die Schule, die zwar nicht besonders sehenswert war, aber Joey und Paddy wollten sie dennoch gerne kennenlernen.

In der Schule war auf Grund der Uhrzeit zum Glück nichts mehr los.
Mel und Tina erzählten ihnen, dass es noch ein paar andere Kelly Fans gab, was die anderen ganz und gar nicht verwunderte.
Kathy und Paddy schlenderten etwas hinter den anderen und unterhielten sich. Kathy hatte einen Song fertig gestellt und summte ihn Paddy leise vor, wobei sie auch immer mal einige Textpassagen einschob. Sie überlegten auch, wie der Aufbau der neuen CD werden könnte, kamen aber zu keinem rechten Ergebnis.

So sehr Mel die Musik der Kellys liebte, dies Gespräch langweilte sie entsetzlich. Da kam es ihr gerade recht, dass Jimmy die Aufmerksamkeit auf sich zog.
„Hey, wer zuerst unten ist, hat gewonnen!“, rief er ihr zu, als sie am Kopf der großen Treppe angekommen waren. Irgendwie hatte er schon den ganzen Tag Hummeln im Hintern gehabt, was just seinen Höhepunkt erreichte.
Mel war begeistert. „Ja, lass uns ein Wettrennen machen! Aber glaub mir, du hast keine Chance! Ich renne die Stufen fast jeden Tag hoch und runter.“

„Ich laufe auch mit!“, rief Maite. „Achtung, fertig, los!“ 

Jimmy führte sofort. Maite lag dicht dahinter mit Mel auf einer Höhe.
Das konnte doch nicht wahr sein! Sie hatte das meiste Training hier, quasi Heimvorteil und sollte dennoch verlieren?! Sie legte noch einen Zahn zu.
„Ahhh!“ Der schrille Aufschrei war aus Mels Kehle gekommen und verstummte jäh wieder, als sie die untersten Stufen herunterkugelte. 

Paddy rannte sofort zu ihr hinunter und kniete sich neben sie, während sie mit den Tränen kämpfte.
„Was habe ich dir am ersten Tag schon gesagt?! Was soll nur passieren, wenn ich nicht da bin... Ich habe dir prophezeit, dir geschieht noch was“, versuchte er sie spaßig schimpfend etwas aufzumuntern, aber dann schwang doch etwas Besorgnis in seiner Stimme mit. „Hast du dir was getan?“ 

„Ich glaub schon, mein Fuß tut schweinemäßig weh!“

„Halt dich fest, ich trage dich.“

„Heb dir keinen Bruch…“, schluchzte sie.

„Na was wiegst du?!“

„Knapp 50kg.“

Er musste lachen. „Na komm, du Fliege.“

Schniefend klammerte sie sich an seinen Hals, als er unter ihre Knie fasste und sie hochhob. „Wir lassen dich erst mal untersuchen.“
Tina erklärte sofort, dass das Krankenhaus gleich in der Nähe sei und ging vorne, als sie losmarschierten. 

Paddy hatte sich den Weg allerdings nicht ganz so lang vorgestellt. 

Joey bot ihm immer wieder an, ihn abzulösen, aber sein Stolz ließ es nicht zu. Wäre doch gelacht, wenn er das nicht alleine schaffen würde. Außerdem würde es keinen guten Eindruck machen, wenn er vor Mel schwächelte. 

Schweißgebadet erreichte er endlich das Ziel. 

„Das soll ein Krankenhaus sein? Die Frage, auf welche Station wir müssen, erübrigt sich wohl. Oder gibt es mehr als eine?“

„Ich glaube nicht.“ Tina zuckte die Achseln.
In der Klinik wurde Mel von einem netten Arzt untersucht.

„Tja, der Fuß ist nicht gebrochen, sondern nur leicht verstaucht, aber ein paar Prellungen hast du auch“, erklärte er schließlich. 

Erleichtert atmeten alle auf. 

„Siehst du, bist bestimmt bald wieder auf den Beinen“, tröstete Angelo Mel mitfühlend und streichelte ihr beruhigend über den Arm.
Eine freundliche Schwester kam zu ihr, schiente das Bein fachmännisch und gab ihr ein Paar Krücken.

„Und damit soll ich laufen können?!“ Skeptisch begutachtete sie die Gehhilfen. 

Wie oft hatte sie jemanden damit humpeln gesehen, aber selber in der Hand gehabt, hatte sie so etwas noch nicht. 

Doch die Schwester zeigte ihr, wie es funktionierte und nachdem erst Paddy und dann Angelo sie einmal aufgefangen hatten, als die ersten Versuche scheiterten, klappte es auch einigermaßen. 

Als sie mit einem Großraumtaxi wieder zu Mel fuhren, erklärte Joey, dass er sie alle auf den Schrecken erst mal zum Essen einladen würde.
„Da müssen wir euch aber etwas anders zurecht machen, sonst kommt ihr vermutlich gar nicht zum essen, weil ihr so auffallt.“ warf Tina ein. 

Zähneknirschend mussten sie ihr Recht geben. Auch wenn sie mehr oder minder am Hintern der Welt waren, hatten sie bereits feststellen müssen, dass es doch mehr Kellyfans hier gab als nur Tina und Mel. 

Sie gingen zum Hotel und holten Johnny ab, der sie nicht auf den Spaziergang begleitet hatte, weil er noch etwas schreiben wollte.
Dann machten sie sich auf den Weg zurück zu Mels Elternhaus, wo Paddy sofort ihren Kleiderschrank aufriss und die Sachen durchwühlte.

Er fühlte sich offenbar bereits wie zu Hause.
Die Poster hatte sie zum Glück schon wieder woanders untergebracht, so verhängte sie lediglich über einige Schubladen ein striktes Wühlverbot. 

„Finger weg! Ich seh das ganz genau!“, mahnte sie Paddy, der in einem scheinbar unbeobachteten Moment eine von ihnen vorsichtig aufziehen wollte. Grinsend ließ er seine Finger wieder davon. 

„Was hast du denn mit dem Bein gemacht? Die hattest du vorhin noch nicht!“ John deutete auf die Schiene.

„Nein...ich hab ein Wettrennen gemacht“, antwortete sie und guckte zu Jimmy.

Als ihre Blicke sich trafen, brachen beide in lautes Gelächter aus.

„Ach ja, du hast übrigens gewonnen. Du warst zuerst unten!“, japste er. 

„Haha...“ Mel verdrehte kichernd die Augen.
Die Mädels ließen sie so, aber die Jungs mussten sich ein paar Veränderungen gefallen lassen.
Bei Paddy, John und Joey verbargen sie die Haare, so gut es ging, während sie Jimmy kurzer Hand zur Frau machten. Alle hatten sehr viel Spaß dabei, vor allem Jimmy.
Tina schmiss sich weg vor lachen. „Du musst aber schön die Klappe halten, Jimmy! Den ganzen Abend! Du bist eine ganz schüchterne Frau!“

Er sah sie fragend an. „Wieso das denn?!“

„Na, was meinst du, was die denken, wenn man deine Stimme hört oder willst du die ganze Zeit piepsen, wobei man da auch hört, dass es nicht Original ist?!“

Alle grölten los und machten sich auf den Weg durch die kleine Innenstadt.
„Wohin sollen wir denn jetzt?“

„Ich bin fürs Pane Vino, das ist ein Italiener“, schlug Tina vor.

Joey grinste. „Ja, klingt fast so. Von mir aus gerne.“ Auch alle anderen waren einverstanden. Joey freute sich schon unterwegs. Er hatte genau wie der Rest seiner Familie eine Vorliebe für die italienische Küche.

„Oh ja, Lasagne. Ich liebe Lasagne! Ist die dort gut?“, fragte er Mel.

Sie zuckte mit den Schultern. „Frag mich nicht, ich bin Vegetarier.“

„Ja, die ist sehr gut!“, mischte sich Tina ein. „Lasagne ist mein Lieblingsessen und die habe ich dort schon zig-fach gegessen.“
Während des Essens kamen sie kaum voran. Maite und Mel überboten sich gegenseitig beim Witze erzählen, während die anderen sich schief lachten.
„Wo wohnst du eigentlich genau, Tina? Ist es sehr weit?“, fragte Joey nach dem Essen. 

„Nein, ich wohne nicht hier in Kappeln. In einer kleinen Gemeinde gut 10 Kilometer nördlich von hier.“

„Noch weiter nördlich? In Dänemark?“ Er kicherte. „Gib mir mal deine Adresse. Dann besuchen wir dich diese Woche vielleicht mal.“
Mit „wir“ meinte Joey natürlich nur sich selbst...

Er brachte Tina noch zum ZOB, wo sie dann den letzten Bus nahm.
Joey hätte sie gerne noch gefahren, aber er hatte beim Essen leider zu viel Rotwein getrunken. Doch dafür bekam sie einen kleinen Abschiedskuss, der sie sogar mitsamt des Busses bis nach Hause schweben ließ. Sie hätte fast ihre Haltestelle verpasst, weil sie so sehr am Träumen war.
Mel war bereits mit den anderen wieder zum Hotel gehumpelt. Ihr wäre der Weg zur Bushaltestelle auf Krücken einfach zu anstrengend gewesen und außerdem wollte sie Tina und Joey auch die Zeit für sich alleine gönnen.
Sie verabschiedete sich vor dem Hotel von den anderen und bedankte sich für den schönen Tag, auch wenn es diesen kleinen Zwischenfall während des Wettrennens gegeben hatte.
Dann hinkte sie weiter nach Hause, wo sie vor der Tür stehend bemerkte, dass Paddy neben ihr wartete.

„Äh, hab ich mich nicht gerade von dir verabschiedet?!“ Verwirrt blickte sie zischen der Hoteltür und ihm hin und her. „Du willst doch nicht - “

Frech grinste er sie an. „Doch ich will bei dir übernachten. Das heißt, nur wenn du mich lässt natürlich.“ Er sah ihr skeptisches Gesicht und fuhr schnell fort. „Hey, da drüben muss ich mir mit Angelo ein Zimmer teilen. Das willst du mir doch nicht zumuten, oder?!“ Er deutete mit dem Daumen über seine Schulter. 

„Nein“, kicherte sie. „Aber sei ganz leise. Ich denke nicht, dass meine Eltern das gut finden würden.“

Langsam ging sie voran und drehte sich grinsend noch mal zu ihm um. „Und du willst mir erzählen, dass du schüchtern bist...!?“

Er antwortete nicht, sondern zuckte nur mit den Schultern und sah wie ein „Unschuldsengel“ zur Decke.
Auf Zehenspitzen schlichen sie nach oben.
Paddy ging leise weiter, während Mel noch einen Blick ins Wohnzimmer warf und ihren Eltern gute Nacht sagte, damit diese nicht noch einmal oben rein kämen.
So normal wie möglich schloss sie die Tür wieder hinter sich und sah die Treppe hinauf, die zur dritten Etage führte und damit zu ihrem Zimmer.
Sie war aufgeregt und fühlte sich sogar etwas unwohl bei dem Gedanken, dass Paddy oben auf sie wartete. Doch sie hatte es auch nicht übers Herz gebracht, ihn vor der Haustür unten stehen zu lassen. Nicht nachdem sie seinen umwerfenden Augen erlegen war. 

Was er wohl erwarten würde? Sie hatte gelesen, wenn auch in unseriösen Blättern, dass er schon mehr mit Frauen gehabt hatte. Sie dagegen hatte bisher nur sehr spärlich Erfahrungen sammeln können. Sehr sehr spärlich, um es deutlich zu sagen.
Auf dem Weg in ihr Zimmer merkte sie, dass sie immer langsamer wurde, doch letzten Endes erreichte sie schließlich die Tür.

Dann atmete sie noch einmal tief durch und ging hinein.
Paddy lag auf dem Bett und hatte den Fernseher eingeschaltet.

Sie stellte die Krücken in die Ecke, hüpfte auf einem Bein zum Bett und setzte sich neben ihn. Nervös sah sie sich um und blickte auf das Bild von ihm, das immer noch über dem Bett hing. Sie beugte sich vor, um es abzunehmen.

„Hey, lass es doch hängen...ist wie ein Spiegel neben dem Bett“, witzelte er herum. 

„Spinner“, murmelte sie verlegen und nahm es dennoch ab.

Diese Art der Kommentare halfen ihr gerade leider gar nicht dabei, sich wohler in ihrer Haut zu fühlen. Sie wagte nicht mal, ihn richtig anzusehen. Er würde dann bestimmt merken, was in ihr vorging.
Doch trotz der inneren Unruhe war sie ziemlich müde, denn es war mal wieder ein sehr aufregender Tag gewesen.
„Soll ich dir beim Ausziehen helfen oder geht das mit der Schiene?“, bot er ihr hilfsbereit an.
So langsam wurde ihr richtig mulmig zumute.

Sie setzte sich seitlich aufs Bett und schaute ihn an, wie er dort vollkommen entspannt lag. Stetig darauf bedacht, seinem Blick auszuweichen.
„Mmm, also...wie fange ich an“, begann sie zu stottern. 

„Na, am besten mit der Hose, ne.“

„Ja, nee, eben. Hör mal bitte auf zu scherzen! Also, kurz gesagt...ich habe kaum Erfahrungen mit Männern.“

Er grinste. „Ja? Und?“

„Und du schon, oder nicht? Also ich meine natürlich mit Frauen. Nicht mit Männern…“

„Ja, und?“

„Kannst du auch mal was anderes sagen?!“

„Ja, was?“

Sie zog die Stirn in Falten und guckte leicht genervt.

Er riss sich zusammen. „Worauf willst du denn nun eigentlich hinaus?“
Unruhig knetete sie ihre Finger, bis sie knackten, und fuhr stockend fort. „Hm, gib mir Zeit. Wir sind doch gerade erst zusammengekommen....Ich hab noch nie...ich meine...ich bin noch nicht soweit.“

„Ja natürlich. Du hast alle Zeit, die du brauchst...“

Dann lachte er leise und sah sie liebevoll an. „Ach, du dachtest....nein, ich wollte nicht deshalb mit hoch. Ich finde es einfach schön, in deiner Nähe zu sein. Und das mit Angelo stimmt wirklich. Du glaubst gar nicht, wie der Schnarchen kann! Unglaublich, was aus so einer kleinen Person für Töne herauskommen können.“ 

Mel kicherte. „Das denke ich jedes Mal, wenn ich Kathy singen höre. Dann allerdings im positiven Sinne.“
Er hörte ein lautes Rumpeln. „Was war das?“

Sie grinste. „Der Stein, der mir gerade vom Herzen gefallen ist...nein, Quatsch, das sind meine Eltern, die gerade zu Bett gehen. Also leise.“ Sie legte die Finger an die Lippen.
„Also kommst du nun alleine klar, oder soll ich helfen?“, flüsterte er. 

„Wäre nett, wenn du hilfst.“

So zog er erst sie und dann sich aus, sie kuschelten sich aneinander und waren ganz schnell eingeschlafen.
Mels Mutter war am nächsten Morgen gar nicht begeistert, als sie kam, um Mel zu wecken und die zwei zusammen im Bett liegen sah.
Daher scheuchte sie die beiden aus deren Nest; Mel zur Schule und Paddy ins Hotel rüber.

Letzterer verschwand breit grinsend mit den Worten „Hey, is nix passiert“ aus der Haustür.
Mel konnte sich in der Schule kein Stück konzentrieren und als sie Tina in der Pause erzählte, dass Paddy bei ihr geschlafen hatte, war auch für Tina der Schultag restlos gelaufen.
Allerdings hatte sie acht Stunden und ärgerte sich ein wenig, dass Mel mehr Zeit mit den Kellys verbringen konnte als sie. Noch dazu konnte sie mit niemandem darüber reden, da Mel und sie ausgemacht hatten, keinem zu erzählen, dass die Kellys in der Stadt waren. Das würden schließlich ohnehin schon genug mitbekommen.
Aber als sie nach der Schule aus der Sporthalle kam, erlebte sie eine Überraschung. Dort stand Joey mit einem Motorrad und hielt ihr einen Helm entgegen!
„Los, steig auf! Ich fahr dich nach Hause. Ich wollte dich doch sowieso mal besuchen und sehen, wie du wohnst!“

Tina freute sich wahnsinnig! Sie umarmte Joey und gab ihm einen Kuss. Dann fuhren sie los.
Sie dirigierte ihn, bis sie es fast geschafft hatten. „Rechts abbiegen und nach der Kirche links. So, da sind wir schon.“
Bei Tina angekommen, öffnete auch nach mehrmaligem Klingeln niemand die Tür.

„Meine Schwester ist sicher beim Jonglieren. Gehen wir hinten herum.“

Dort musste Joey erst mal die Hunde Asko und Amsel begrüßen. Tina fand es sehr süß, wie begeistert er mit ihnen spielte.
Drinnen merkte er sofort, welches Zimmer zu Tina gehörte, da an der Tür ein großes Kelly Poster hing.
Er öffnete die Tür, verbeugte sich und schenkte ihr den Vortritt.
„Überraschung!!“, riefen etwa ein Dutzend Stimmen, als sie über die Schwelle trat.

Die Kellys, Tom, Anike (Tinas Schwester), und natürlich Mel waren da.
„Das soll deine Feier sein, da wir zu deinem Geburtstag nicht mehr da sind. Vorfeiern, soll zwar Unglück bringen, aber man soll auf der anderen Seite die Feste auch feiern, wie sie fallen und du bist doch nicht abergläubisch, oder?!“, rief Maite.
„Nein, ich bin nicht abergläubisch. Auf wessen Mist ist das denn gewachsen?“, erwiderte sie lachend.

Sämtliche Augen im Raum fielen auf Joey und dieser guckte getroffen. „Nicht gut?“

„Doch! Ich war noch nie glücklicher!“

Sie fiel erst Joey und dann allen anderen im Raum um den Hals. „Das ist das tollste Geschenk, dass ich je bekommen habe! Ihr seid echt der Wahnsinn!“
Joey räusperte sich. „Da wäre doch noch etwas...“
Er streckte Tina ein kleines Päckchen entgegen. Neugierig riss sie es auf. Es befand sich ein hell lila gebatiktes Bettlaken darin, auf dem sich sämtliche Anwesende mit einer Art Eigenportraits, Unterschriften und guten Wünschen verewigt hatten.
Tina war absolut begeistert. Dann kam ihre Mutter herein und verteilte an alle Sekt, womit sie dann auf Tina anstießen.
Es wurde den ganzen Nachmittag und Abend fröhlich gefeiert, Spiele gespielt, gelacht, gesungen und getanzt. Es war eine wirklich gelungene Party.
Gegen 22.00h verabschiedeten sich die meisten. Nur Paddy, Mel, Joey und natürlich Tina blieben. Sie schlugen mit Matratzen, Schlafsäcken und Decken ihr Nachtlager in Tinas Zimmer auf, welches fast einem Open Air Lager glich. Anike hätte auch gerne dort geschlafen, aber sie durfte nicht, was den dort Schlafenden auch ganz recht war.
Am nächsten Morgen verpennten sie natürlich.
Paddy wachte um 7.00h auf und weckte die anderen. Nach gehetzten zehn Minuten waren alle startklar.

Joey brachte Tina mit dem Motorrad zur Schule.
Paddy Mel mit dem Fahrrad...sie kam natürlich viel zu spät, doch das ihr völlig egal. Sie genoss es auf dem Gepäckträger zu sitzen und sich an ihm festzuhalten, auch wenn das Ganze mit der Schiene und den Krücken etwas umständlich war.
Um kurz nach 8 betrat sie das Klassenzimmer mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht. Die folgende Predigt ging zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus, ohne auch nur einmal wirklich von ihr registriert worden zu sein.
Auf der einen Seite, wollte der Schultag überhaupt nicht vergehen, auf der anderen Seite bekam sie rein gar nichts vom Unterricht mit, da sie vollkommen in ihren Erinnerungen schwebte.
Nach der Schule setzte sie sich aber an ihre Hausaufgaben, um nicht komplett den Anschluss zu verlieren.
Doch bereits nach kurzer Zeit hörte sie etwas an die Scheibe knallen. Und noch einmal...
Sie stand auf, lugte durch die Jalousien und sah Paddy, der im geöffneten Fenster gegenüber saß und mit Haselnüssen auf ihr Zimmer zielte. „Nettes Hotel ist das...stellt einem gleich was zu knabbern hin.“

Mel lachte. „Na, wenn du nichts Besseres zu tun hast, als mit Nüssen zu werfen, kannst du gerne herüber kommen und mir bei meinen Englischhausaufgaben helfen. Wenn du doch was besseres zu tun hast, kannst du trotzdem gerne kommen.“

„Na klar komme ich“, nickte er eifrig und sprang von der Fensterbank.
Als Mel ihm die Tür öffnete, hatte er seine Haare in der Jacke versteckt und seinen neuen Hut tief ins Gesicht gezogen. „Genau, es könnte dich ja auf den zwanzig Metern hier rüber jemand erkennen, was?“, witzelte Mel herum.

„Na, man muss mit allem rechnen, ne?“ Er zwinkerte schelmisch und folgte ihr.
„So, wo fangen wir an?“, fragte er, als sie oben angekommen waren.
„Naja, noch komme ich alleine klar, aber später brauche ich deine Hilfe. Hast du Lust so lange mal meine Gitarre zu stimmen? Die ist dort irgendwo im Schrank.“

Nach einigem Suchen fand er sie.

„Na, so geht man aber nicht mit so einem Schmuckstück um!“, rügte er sie.

„Ja, ich weiß…“, schmunzelte sie schuldbewusst. „aber spielen kann ich eh nicht wirklich. Ich hab mal zwei drei Akkorde gelernt, aber damit hatte sich das Ganze auch wieder.“

„Wozu soll ich sie dann stimmen?“

„Du stellst vielleicht Fragen...damit du mir was vorspielen kannst natürlich!“

Er machte sich geübt daran, sie wieder in Form zu bringen und war schnell fertig. Dann zupfte er ein wenig auf ihr herum und summte „An Angel“.
Plötzlich hielt er inne. „Also jetzt kommt ein Lied...ein Lied über Hühner....ein Huhn und ein Hahn... und du bist das Huhn und ich bin der Hahn...“ Er grinste sie an.

Sie schüttelte lachend den Kopf. „Klar bin ich dein Huhn.“

Kichernd ließ sie den Schreibtisch Schreibtisch sein und nahm ihm die Gitarre aus der Hand. „Danke, Liebling. Aber die brauchst du jetzt nicht mehr.“ Aufreizend setzte sie sich auf ihn und begann ihn zu küssen.

„Na, dafür, dass du gesagt hast, du hättest kaum Erfahrungen mit Männern, gehst du jetzt aber ganz schön forsch ran!“, stellte er amüsiert fest.
Sie ignorierte den Kommentar und küsste ihn weiter.

„He, sollte ich dir nicht bei den Hausaufgaben helfen?!“, warf er ein.

„Ja ja…“, brummte sie und sah ihn übertrieben gelangweilt an.

Er überlegte kurz. „Okay, ich sag die einen Satz und du sagst mir die Bedeutung. Kiss me.“

Doch statt zu antworten, küsste sie ihn natürlich.

„Gut, ganz so war das nun nicht gemeint, aber die Bedeutung hast du schon richtig erkannt. Vergessen wir die Hausaufgaben...“ Er zog sie auf sich und sie küssten sich und schmusten, was das Zeug hielt...eben zwei frisch verliebte Teenager.
Da klopfte es und bevor sie sich erheben konnten, ging die Tür schon auf.

„Hi Mel – oh, sorry, wir wollten nicht stören.“

Tina und Joey, die in der Tür standen, brachen in schallendes Gelächter aus. Man bekam den Eindruck, dass ihnen ihr Auftauchen nicht ernsthaft leid tat.
Mel und Paddy rafften sich grummelnd auf und sahen die anderen gespielt grimmig an.
„Wir wollten euch nur fragen, ob ihr mit bummeln wollt?“, fragten die Beiden, als sie sich endlich wieder beruhigt hatten.
Sie stimmten zu und sie machten sich auf den Weg in die Stadt. Sie waren erst bei Mambo, wo es allerhand Kelly typische Klamotten gab. Den zwei Jungs gefiel der Laden auf Anhieb.
Dann kamen sie an dem Antiquitätenhändler vorbei, wo Paddy unbedingt rein wollte. Allerdings hat sich dort dann nur Joey für eine alte Öllampe begeistern können, die er Tina schenkte.
Paddy gefiel die Lampe nicht und schielte Mel an. „This is crap...“ 

Doch diese schaute leicht überfordert, worauf hin Paddy feststellte... „Okay, ich glaube, du brauchst noch mehr Nachhilfe.“

Beim Gedanken an die letzte „Nachhilfestunde“ am Mittag nickte sie eifrig zustimmend. „Ja, das muss wohl sein...“
Joey und Tina verstanden gar nichts und nahmen nur zur Kenntnis, dass die beiden sich wieder auf den Rückweg machten.

„Ach, frisch Verliebte sind ja so kindisch und anstrengend“, meinte Joey und grinste Tina an. „Ja, absolut“, stimmte sie ihm zu und küsste ihn.
„Okay, let´s see...“ Paddy schnappte sich Mels Englischbuch und fing an zu blättern, während sie ihn ganz entgeistert ansah.

„Was machst du denn da?!“, fragte sie ungläubig. 

„Ich suche einen passenden Text, den du mir übersetzen kannst!?“ 

„Ja, aber…“

„Du hast doch nicht gedacht, wir machen weiter wie heute Mittag? Ja, okay, ich gebe zu, ich habe dich ein bisschen reingelegt, aber du musst eben auch mal wieder was für die Schule tun!“

„Oh Mann“, stöhnte sie genervt und guckte ihn enttäuscht an.
Er klappte das Buch zu und wühlte in seinen Taschen bis er einen zerknitterten Zettel fand. „Na gut, ich schlag was anderes vor. Hier ist der Text zu einem Lied, das ich gerade schreibe.“

Sie hielt ihm die Gitarre hin. „Los, singen!“ 

Doch er wehrte ab. „Nein, nichts hier jetzt mit singen! Den sollst du übersetzten! Wenn du dich gut anstellst, dann singe ich, so weit wie ich es bisher fertig habe. Ist das ein Deal?“

„Ja“, lenkte sie widerwillig ein.
Sie hatte gerade angefangen, da rief ihre Mutter sie zu sich nach unten. „Sag mal, hängst du schon wieder mit ihm `rum? Du solltest mal wieder was für die Schule tun!“

„Ja, mach ich doch gerade! Wir übersetzen Englischtexte.“ Lena seufzte, gab sich aber dann mit dieser Antwort zufrieden.
„Come on, darling, sit down and -“, ermunterte Paddy sie, als sie zurück ins Zimmer kam.

„Paddy...können wir nicht deutsch reden?“

„Oder spanisch?“

„Ha ha, sehr witzig.“

„No, Sweety, let´s speak english.“

Also so hatte sie sich den Nachmittag aber ganz und gar nicht vorgestellt! Sie verdrehte genervt die Augen, fügte sich aber schließlich ihrem Schicksal und schaute sich doch neugierig den Text seines neuen Liedes an.
Er gefiel ihr. Zwischendurch musste sie zwar mal nachfragen, wie das eine oder andere gemeint war, aber dann hatte sie es irgendwann geschafft. „Ready!“
„Hm, tscheig ma“, murmelte er mit vollem Mund.

Er hatte auf dem Schreibtisch eine Tüte Gummibärchen gefunden und seine Wangen waren aufgeplustert wie die eines Hamsters.

Er war ganz zufrieden. „`kay, dann bin isch nu´ dran.“

Er schluckte die restlichen Bärchen hinunter, nahm die Gitarre und fing an zu singen. Das Lied hieß „Fell in love with an alien“ und gefiel Mel auf Anhieb. Es wollte ihr auch den Rest des Tages nicht mehr aus dem Kopf gehen.

So gingen die Tage und schließlich Wochen dahin.

Mel bekam ihre Schiene bereits nach knapp einer Woche wieder ab und sie fühlte sich unendlich frei ohne die Krücken.
Paddy schlief meist bei ihr und sie genossen jede Zeit, die sie miteinander verbringen konnten.
Auch aus Joey und Tina war inzwischen ein richtiges Paar geworden.

Doch wie sie alle wussten, rückte der Tag der Abfahrt immer näher.
Und eines Tages stand Paddy vor der Schule, um Mel abzuholen. Es regnete in Strömen. Er hatte sich zwar leicht verkleidet, setzte sich aber dennoch der Gefahr aus, dort erkannt zu werden und so keine Ruhe mehr in dem kleinen Ort zu haben.

Gerade dadurch wurde Mel stutzig.
„Was machst du hier? Ja, schon klar...mich abholen, aber warum?“

„Lass uns ein Stück spazieren gehen. Ich muss mit dir reden.“

Das klang ja schon mal gar nicht gut.
Sie hakte sich beim ihm ein und sie liefen quer durch den Wald.
„Gut, ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden. Wir fahren früher als geplant. Patricia hat irgendeinen PR Auftritt eingeschoben und der ist in Madrid. Am nächsten Tag gibt es dann dort auch noch ein Konzert. Leider haben die anderen beschlossen, dass es sich nicht lohnt, noch wieder hierher zurückzukommen.“ Er sprach leise und wirkte bedrückt.
Genau wie Mel. „Nun sag schon, wann fahrt ihr?“

„Heute Abend.“
Sie bekam einen gigantischen Kloß im Hals. „Heute Abend schon...?“, flüsterte sie tonlos. 

Traurig starrte sie ihn an. Am liebsten hätte sie ihn gebeten zu bleiben, aber sie wusste, es würde nicht gehen und sie hatte Angst, dies auch noch aus seine Mund zu hören.
Er blieb stehen und nahm sie in den Arm. „Kleine, du wirst mir so fehlen!“

„Ach, du hast ja die ganze Zeit zu tun und wirst gar nicht die Zeit haben, mich zu vermissen, während ich hier in diesem Kaff sitze und Däumchen drehe!“ Und ihre Tränen liefen.

Er wischte ihr über die feuchten Wangen und küsste sie sanft. „Ja, ich werde viel zu tun haben, aber ich werde dich vermissen! Ich werde dein Lachen vermissen, deine Augen und deine Lippen. Du wirst mir fehlen, wenn ich abends einschlafe und wenn ich morgens aufwache. Ich werde ungeduldig auf den Tag warten, an dem wir uns wiedersehen! Ich liebe dich!“

Hatte er das gerade tatsächlich gesagt? Oder hatte sie es nur hören wollen? Meinte er es wirklich so, wie er es gesagt hatte? Es war ihr egal, sie wollte es einfach glauben.

„Ich dich auch!“, schluchzte sie.
Er hatte sie in seine Arme geschlossen und seine Nase in ihren Haaren versenkt. Aneinander gepresst standen im Wald und waren mittlerweile klatschnass.

„Komm, lass uns ins Warme.“ Er löste seine Umarmung, nahm ihre Hand und zog sie weiter.
Sie konnte gar nicht mehr denken und spürte nur noch ein schier endloses Gefühl der Traurigkeit.
Ja, er hatte gesagt, er liebe sie, aber sie konnte sich nicht darüber freuen. Wie lange würde es dauern, bis er sie vergessen hätte? Bis er eine Neue hätte?! Er hatte gesagt, er wäre nicht so einer, aber realistisch gesehen, konnte er tausende haben. Wie lange würde es dauern, bis er eine traf, die ihr das Wasser reichen konnte und ihm den Kopf verdrehte?!
„Hey, Mel?“ Er schüttelte an ihrer Hand. „Ich rede mit dir.“

Sie sah auf. „Sorry, ich war in Gedanken...“ 

„Ja, das habe ich gemerkt. Woran dachtest du?“

Sie versuchte sich an einem kläglichen Lächeln, das aber vollends misslang. „Na, woran wohl...wann werden wir uns wiedersehen?“

Er seufzte tief. „Ich weiß es nicht. Ich hoffe spätestens Weihnachten.“

„Weihnachten?“ Sie musste schlucken. „Das sind vier Wochen!“ Bedrückt senkte sie den Kopf wieder und trottete weiter neben ihm her. 

„Ja, ich weiß…“, murmelte er nickend.
Als sie bei ihr angekommen waren, wollte sie erst mal heiß duschen. Auch wenn sie eigentlich keinen Moment mehr ohne ihn verbringen wollte, musste sie einen Augenblick alleine sein, um das zu verdauen und ihre Gedanken zu sortieren.
„Darf ich mitkommen?“, fragte er schelmisch grinsend, doch sie schüttelte verlegen den Kopf. „Lieber nicht.“
Seine Annäherungsversuche waren in den letzten Tagen immer deutlicher geworden, aber bisher hatte sie ihn immer galant zurückgewiesen oder war in welcher Form auch immer ausgewichen.
Als sie aus der Dusche kam, saß er auf dem Bett, natürlich mit der Gitarre in der Hand, und zupfte eine schöne Melodie. Sie machte die Tür hinter sich zu, lehnte den Kopf an den Rahmen und lauschte mit geschlossenen Augen seinem Spiel.

„Na komm her.“ Er stellte das Instrument zur Seite, kam auf sie zu und legte von hinten beide Arme um sie. Er stützte den Kopf auf ihre nassen Schultern uns sog den Duft ihrer Haut ein.

Sie schloss die Augen wieder und genoss einfach seine Nähe, als er begann, ihre nackte Haut zu küssen.

Sie liebte es, seine weichen Lippen auf sich zu fühlen und sie spürte, wie ihr Puls schneller wurde und sie eine Gänsehaut am ganzen Körper bekam. Langsam drehte sie sich um und schlang beide Arme um ihn. Als er anfing, ihren Nacken zu liebkosen, drückte sie sich fest an ihn und vergaß den Rest der Welt. Seine Hände begannen, sich über ihren Körper zu bewegen und öffneten vorsichtig das Handtuch.
Im ersten Moment zuckte sie zusammen, wehrte sich dann aber nicht dagegen, auch wenn sie sich so nackt vor ihm mehr als nur etwas unwohl fühlte.
Er küsste sie, während er sie langsam nach hinten drückte, bis er an die Tür kam und diese abschloss.
Ihr Puls wurde immer schneller und sie schob die Hände unter sein Hemd. Sie wechselten die Richtung und er dirigierte sie weiter nach hinten, bis er sie aufs Bett schob und sich auf sie legte. Seine Hände glitten an ihr herunter und fuhren zärtlich über ihren Körper.
Behutsam streichelte er sie und als er eine Hand zwischen ihre Schenkel schob, konnte sie kaum noch klar denken.

Sie hörte, dass auch sein Atmen schneller wurde, als ihr plötzlich bewusst wurde, worauf das hinaus laufen würde...

„Schatz“, unterbrach sie ihn jäh. 

„Ja?“, flüsterte er. 

„Ich weiß nicht, ob ich das will.“
Er grinste sie vielsagend an. „Also es fühlt sich durchaus so an, als ob du wolltest.“
Nun war sie nicht gerade entspannter.

Sie hielt seine Hand fest. „Nein, ich glaube, ich will das wirklich noch nicht.“
Er sah ein kleines bisschen enttäuscht aus, lächelte aber. „Ist okay. Das ist völlig in Ordnung! Aber ich glaube, ich gehe  mal eben kalt duschen...“

Sie nickte erleichtert.
Als er aufstand, war nicht zu übersehen, dass er durchaus gewollt hätte...
Sie zog die Decke über sich und schaute ihm nach, wie er ins Bad verschwand. Es tat ihr irgendwie leid, dass sie ihn zurückgewiesen hatte, aber sie wollte nichts machen, wofür sie sich nicht völlig bereit fühlte. Oder war sie tatsächlich soweit gewesen, so wie er behauptet hatte? Solange sie zweifelte, war es aber sicher die richtige Entscheidung gewesen...
Sie zog sich Unterwäsche an und grübelte weiter. Nach einer Weile kam er nur mit Boxershorts bekleidet aus dem Bad.

„Darf ich mich mit zu dir unter die Decke legen? Dann können wir noch etwas kuscheln, bevor ich nachher los muss.“
Als Antwort hob sie die Decke ein Stück hoch, so dass er drunter krabbeln konnte.

„Och, schon angezogen“, stellte er enttäuscht fest, als er ihre Unterwäsche sah. 

„Ja, besser is…“, murmelte sie und kuschelte sich an ihn.

Als sie seine warme Haut auf ihrem Körper spürte, zweifelte sie doch ein wenig, ob sie eben die richtige Entscheidung gefällt hatte, sagte aber nichts.
Etwa zwei Stunden später klingelte sein Handy und als er widerwillig ran ging, hörte er Kathys Stimme. „Hi Paddy, bist du bei Mel? Wir müssen gleich los. Angelo hat schon mal deine Sachen zusammengepackt. Wir sind alle soweit reisefertig. Kommst du?“

„Ja, bin in einer Stunde da.“

„Nein, Paddy. Wir müssen unseren Flieger bekommen. Du hast höchstens noch eine halbe.“

„Okay.“

Er legte auf und drehte sich zu Mel. „Es ist so weit. Ich muss los.“
Ihre Augen standen schon wieder unter Wasser und sie hatte Schwierigkeiten, die Fassung zu bewahren.

Schweigend zogen sie sich an und machten sich auf den Weg.
„Was machst du zu deinem Geburtstag?“, wollte sie wissen, während sie zum Hotel gingen. 

„Kann sein, dass wir in München sind. Tricia hatte so etwas angedeutet. Sie hat irgendwie wieder das volle Programm aufgefahren. Schau mich nicht so an, ich könnte mir an meinem Geburtstag auch Schöneres vorstellen!“
Als sie die Treppen des Hotels hochgingen, kamen ihnen schon die anderen mit den Instrumenten, Taschen und Koffern entgegen.
Auch Tina saß oben im Zimmer in einer Ecke und sah ebenso traurig aus, wie Mel sich fühlte. Kaum einer mochte so wirklich reden.
Maite dagegen hüpfte im Vergleich zu den anderen noch recht fröhlich durch die Gegend.
Und auch Angelo wirkte relativ erfreut, dass er bald wieder in Köln sein würde, wo er Kira wiedersehen könnte. Ein Mädchen, das er schon länger erfolglos anhimmelte. Er hatte zwar während der ganzen Zeit nie von ihr gesprochen, aber Paddy hatte ihr erzählt, was Sache war.
Die Kellys hatten sich einen Kleinbus gemietet, der sie nach Hamburg fahren sollte, wo sie dann den Flieger nehmen würden. Diesen packten sie mit ihren Sachen voll und kletterten einer nach dem anderen hinein.
Nur Paddy und Joey standen noch draußen. Joey hielt die weinende Tina im Arm und verabschiedete sich, während Paddy Mel küsste und gar nicht mehr aufhören wollte.

„Leute, es tut mir wirklich leid, aber wir müssen los!“, rief John aus der geöffneten Schiebetür heraus.

Paddy drückte seine Kleine noch einmal fest an sich. 

„Du wirst mir fehlen!“, seufzte er und kletterte hinter Joey in den Bus. 

„Und du mir erst!“, jammerte sie, als er sich noch einmal vorbeugte und zu flüstern begann. „Du kannst ja die Poster aus deinem Schrank wieder aufhängen, dann bin ich präsenter.“ Er grinste, gab ihr einen Kuss auf ihre erröteten Wangen und zog die Schiebetür des Busses zu, während sie ihm sprachlos nachsah.
Mel und Tina winkten, bis der Bus um die Ecke bog und nicht mehr zu sehen war.
Schluchzend gingen die Beiden nach oben in Mels Zimmer.
Erst mochte keiner reden, aber so langsam beruhigten sie sich und ließen nach und nach die letzten Wochen Revue passieren.
Als Mel zum heutigen Tag und den Erlebnissen nach dem Duschen kam, kicherten beide sogar wieder.

„Hach, das klingt echt gut“, schwärmte Tina.
Mel war neugierig, was denn bei Joey und ihr passiert war, da dieser auch mehrfach bei Tina übernachtet hatte.

Sie grinste. „Mmmm, ich habe keinen Rückzieher gemacht...“
Mel war ja so neugierig und wollte alles genau wissen. Tina hatte vorher schon mehr Erfahrungen mit Männern gehabt als Mel und berichtete nun von ihren Erlebnissen mit Joey.
So quatschten sie die halbe Nacht, bis sie irgendwann völlig übermüdet einschliefen.

 

 

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Kommentare: 52
  • #1

    küssi (Mittwoch, 10 September 2008 14:43)

    sagt mal wie viel davon hast du denn real erlebt oder ist das alles nur ausgedacht

  • #2

    melsgesammeltekatastrophen (Mittwoch, 10 September 2008 19:13)

    Also alles, was mit einem persönlichen Kontakt mit den Kellys zu tun hat, habe ich mir ausgedacht. Und das meiste von dem Drumherum auch.
    Wenn ich die Kellys getroffen habe, war das eher unspektakulär, sehr selten und vor allem erst später.

    Ach ja und die späteren Kapitel werden besser. Der Anfang muss dringend nochmal überarbeitet werden.

  • #3

    Melinda (Freitag, 12 September 2008 22:08)

    Ich lese vom Anfang an. So ist es für mich, wie zB. Harry Potter war, als mir sehr schlecht geht seelisch vor vier, fünf Jahren. Diese Geschite verzaubert mir, und lässt mich in einem anderen Welt fliegen. Hoffe, dass du verstehst mich!
    Eine Frage: Bist du Mel? Geht es um dich?

  • #4

    melsgesammeltekatastrophen (Samstag, 13 September 2008 02:17)

    Nein, wie ich oben schon schrieb, ist es eine rein fiktive, sprich erfundene Geschichte, aber sicher hat sie auch die ein oder anderen Charakterzüge von mir. Lässt sich ja nicht ganz vermeiden,da ich ja die Autorin bin.
    Klar gab es Situationen, die ich gerne selbst erlebt hätte, aber die gesamte Geschichte wäre mir zu anstrengend um sie erleben zu wollen. Zu viele Katastrophen.
    Freut mich, dass du sie jetzt von Anfang an liest. Und dass sie dir offenbar gefällt.
    Freue mich immer über Rückmeldungen!

  • #5

    Melinda (Samstag, 13 September 2008 10:13)

    Ich hab verstanden, dass die Geschite fiktiv ist, ich wollte nur wisswen ,ob es um dich geht. Also... wie soll ich ausformulieren, na lasse ich, ich hab schon die Antwort bekommen. Wann schläfst du übrigens?

  • #6

    melsgesammeltekatastrophen (Samstag, 13 September 2008 11:24)

    Ne, versuch doch mal zu erklären.
    Und Schlaf ist was Nettes, wir aber im Allgemeinen überbewertet :-D

  • #7

    Melinda (Samstag, 13 September 2008 12:26)

    Also als du die Geschichte schrieb, waren vor deinen Augen Paddy und du, -ohne die Katastropen? Mochtest du eine nähere Beziehung mit ihm haben, ihn heiraten und gemeinsam ein Baby bekommen? Wenn ich solche Geschichten herausfinde dann bin ich natürlich die Heroin

  • #8

    melsgesammeltekatastrophen (Samstag, 13 September 2008 12:42)

    Achso, ähm, nein. :-D Wie gesagt, natürlich hat die Hauptfigur gewisse Parallelen mit mir, aber ernsthaft wollte ich das nicht. Denn das Tourleben um ihn herum, wäre ja trotzdem das gleiche geblieben. Und das wäre nichts für mich gewesen.
    Als ich die Geschichte begonnen habe, habe ich sicherlich wie viele junge Mädchen davon geträumt, ihn kennenzulernen und vielleicht auch mal zu küssen, aber heutzutage...ähm nein. Und damals war ich viel zu jung, um ernsthaft ans heiraten oder Kinder zu denken. Und heute, würde ich niemanden heiraten, den ich doch gar nicht kenne ;-)
    Gut, ich gebe zu, kennenlernen würde ich ihn immer noch gerne, aber nur aus rein menschlicher Neugier, nicht weil irgendwelche erfundenen Gefühle dahinter stecken sollten.
    Da bin ich viel zu realistisch für.
    Außerdem ist er, wie man so schön sagt, nicht mehr mein Typ. Damals fand ich ihn echt süß, aber mittlerweile eher nicht so, auch wenn seine Augen und sein Lächeln noch was haben, keine Frage.
    Die Geschichte begann, als ich noch richtig geschwärmt habe und als ich Jahre später angefangen habe, sie abzutippen und zu beenden, ist er eben immer noch die Hauptfigur geblieben.

  • #9

    Melinda (Samstag, 13 September 2008 13:10)

    Aha, ich verstehe.Ja ich sollte auch nicht in der Vergangenheit leben. Villeicht lebe ich in einem Traumwelt. Er kommt jetzt nach zehn Jahren in "meinem Leben" wieder - nicht wortwörtlich - und die schöne Erinnerungen... Ich bin jetzt ebenso blöd wie damals. Du bist realistisch, du hast es gut.

  • #10

    melsgesammeltekatastrophen (Samstag, 13 September 2008 17:44)

    Ja, realistisch schon, aber ein bisschen am träumen bin ich ja schon, sonst würde ich mich nicht noch so intensiv mit dieser Geschichte befassen.
    Aber die Dinge die ich mir ausdenke, wünsche ich mir eben nicht. Zumindest nicht mit Paddy. Oder JPM :-D

  • #11

    Steffi (Freitag, 03 Oktober 2008 19:24)

    Huhu,

    ich darf verkünden ich hab angefangen!!! :-) Auch wenn dieses Kapitel verdammt lang war, puuuh... Sehr schön, gefällt mir!!!

  • #12

    Steff (Montag, 17 August 2009 23:25)

    Super Geschichte ! Und viele Sachen kann man sich sogar bildlich vorstellen ;o) Wirklich toll geschrieben! Kompliment!!!! Konnte garnicht aufhören zu lesen, aber ich glaub da kommen noch mehr Geschichten- oder? Ich glaub ich sollte aber zwischendurch doch etwas schlafen gehen *lol*
    Bin gespannt.....

  • #13

    melsgesammeltekatastrophen (Montag, 17 August 2009 23:30)

    Hallo Steff,
    vielen Dank für dein Feedback! FFreut mich sehr! naja, das hier war ja nur das erste Kapitel. Es folgen ja noch über 60. weitere oder hast du die auch schon durch?
    Ich hoffe, du bleibst dabei?
    Und wenn du mit dieser Geschichte durch bist, sind ja noch drei weitere auf dieser HP :)
    Viel Spaß noch und Feedback ist immer gut ;) Lg

  • #14

    nicky (Dienstag, 07 September 2010 00:35)

    hey!

    Ich bin zum Glück aus Zufall auf diese tolle Seite gestoßen!eh das 1. Kapitel war ja wohl mega toll!in manchen Situationen konnte ich mich mit der Mel indentifizieren!und in manchen Szenen konnte man sich Paddy sehr gut vorstellen!Ich liebe diese Geschichte gerade weil sie nicht real ist!Diese Fantasie einfach nur toll!ich war total drin in der Geschichte! und ich bin sehr gespannt was in den weiteren 82 Kapiteln steht! oh ha da werd ich wohl lange brauchen! ;)

  • #15

    melsgesammeltekatastrophen (Dienstag, 07 September 2010 00:41)

    Hallo Nicky!
    Das freut mich aber, dass du den Weg hierher gefunden hast und ich dich als neue Leserin hier begrüßen kann! Wie hast du denn den Weg gefunden?
    Vielen Dank für das echt tolle Auftaktsfeedback! Ich bin doch auch gespannt, was du zu den folgenden 82 Kapiteln sagst! Ich glaube, der Rekord beim Lesen liegt bei drei Tagen. :D
    Ich bewunder das...das würde ich selbst nie schaffen!
    VIel Spaß noch beim Lesen und ich hoffe, auch wieder etwas von dir zu hören!
    Lg Pw

  • #16

    nicky (Dienstag, 07 September 2010 16:08)

    ja bin jetzt beim 4. Kapitel! ich schreib in jedem Kapitel was dazu!wenn auch nicht zu der geschichte!;)aber ich kanns ja mal versuchen! ;) wie ich auf die seite gestoßen bin? ja ne freundin hatte erzählt das letztens was von Paddy(Br.John Paul Mary) bei Prominent oder so lief...das wollte ich denn googlen...ja und dann irgendwie kam ich denn hier auf die seite! da stand zum auswählen "Ein verlorener Sohn und eine vermisste Schwester" und es war im zusammenhang mit Paddy...ja und das hatte mich interessiert!zum Glück sage ich dir! ;)

    Ich wohne in Rostock und die "Santa Barbara Anna" gehört jetzt unserer Stadt!Sie liegt bei uns im Hafen! was ist wenn sich ein Kelly zufällig auf die HP verirrt? :D wäre dir das unangenehm???

  • #17

    melsgesammeltekatastrophen (Dienstag, 07 September 2010 16:11)

    Oh Rostock ist schön!
    Ja, ich denke, es wäre mir schon ein bisschen unangenehm, wenn sich ein Kelly hierher verirren würde :D

  • #18

    nicky (Dienstag, 07 September 2010 17:52)

    gut dann hat sich ja meine Frage erübricht!;)

  • #19

    Ela (Freitag, 10 September 2010 08:22)

    Hihi.... Ja, meine drei Tage Akkordlesen! :)
    Tag und Nacht, in jeder freien Minute, weil ich mich nicht loseisen konnte.

  • #20

    Pw (Freitag, 10 September 2010 08:27)

    Ela, wat machst du denn hier?! :o hihi. Und du konntest dich nicht loseisen? ;) Hey der heutige Tag endet auf g :P

  • #21

    Ela (Freitag, 10 September 2010 12:28)

    Ich muss doch mal schauen, was hier so los ist. :)
    Und ja, der heutige Tag endet auf G *grummel*

  • #22

    Motte (Freitag, 10 September 2010 19:59)

    Suuuper! Da kann man ja gar nicht mehr aufhören! Riesen Sucht-potential! :D

  • #23

    melsgesammeltekatastrophen (Freitag, 10 September 2010 20:01)

    Hallo Motte!
    Kommst du auch von Studi?
    Vielen Dank für dein Lob! :)

  • #24

    Angy (Donnerstag, 23 Dezember 2010 23:00)

    Uii... Gott ich freu mich gerade so, diese Seite gefunden zu haben. <3 Das Kapitel habe ich so verschlungen. Total toll. Ich war 7 Jahre alt 94 und habe daher nie so die Möglichkeit gehabt, in solche Geschichten einzutauchen. XD War einfach noch viel zu jung. ^^ So nun lese ich das nächste Kapitel. ^^

    Lg und frohe Weihnachten, aus Köln wünsche ich dir. ^^

  • #25

    stephanie (Montag, 20 Juni 2011 23:50)

    oh wow, die geschichte ist so toll, vorallem kommt sie so echt vor die ganzen bilder die man sieht. super gut geschrieben ich freu mich auf die nächsten geschichten!! mach weiter so

  • #26

    Pw (Dienstag, 21 Juni 2011 00:40)

    Hey, danke! :) Das ist aber nur das erste Kapitel gewesen :)

  • #27

    Thunder (Dienstag, 21 Juni 2011 20:31)

    Hallo, ich bin deinem Rat gefolgt und habe die überarbeitete Version gelesen. und ich muss dich nochmal loben. Ich finde die Story bis jetzt echt gut und das erste Kapitel könnte schon alleine eine Geschichte sein ;)
    Darf ich fragen wie du zum Fanfivtion gekommen bist und wann du die geschichte angefangen hast?
    LG

  • #28

    melsgesammeltekatastrophen (Dienstag, 21 Juni 2011 20:38)

    Klasse, freu mich :D
    Als ich anfing diese Geschichte zu schreiben, gab es den Begriff FF von gar nicht, daher konnte ich mich uch nie wirklich damit anfreunden. Damals war es halt einfach eine Geschichte. Wir waren junge Mädchen, die angefangen haben zu träumen. Und von Zeit zu Zeit habe ich die Geschichte wieder herausgeholt und dann mit inzwischen wesentlich größerem Abstand weiter geschrieben. Der Ursprung der Geschichte liegt Ende 93/ eher aber 94. Dann ist sie über die Jahre immer weiter gewachsen. Und schließlich kam ich mal auf die verrückte Idee, sie abzutippen und dann habe ich sie irgendwann mal in ein Forum gestellt. Und irgendwie hat sie den Leuten gefallen. :) Mir dreht sich zwar immer noch der Magen um, wenn ich mir den sprachlichen Anfang ansehe. Aber während der Geschichte bessert es sich. :) Bin gespannt, was du noch so dazu sagen wirst. Es wird garantiert so einige Stellen geben, an dem du mir gerne den Kopf abreißen willst und das sei dir dann auch gestattet :D
    Lg und vielen Dank noch mal.

  • #29

    Miriam (Dienstag, 28 Juni 2011 13:11)

    Hey.. :-)

    Bin durch Facebook zu deiner tollen Geschichte gekommen, das war vor 3 Tagen! Und heute fang ich mit Kapitel 34 an!!!!!
    Es passiert echt nicht oft dass, mich eine Geschichte so fesselt und ich einfach nicht mehr aufhören kann :-)
    Die Geschichte ist echt SUPER!

    Du hast echt ein riesen Talent & eine tolle Fantasie..

    Will gar nicht daran denken, dass sie irgendwann fertig ist.. :-(
    Schreibst du noch daran? Oder ist mit Kapitel 85 Schluss? Wenn ja, muss ich jetzt langsam machen, damit ich noch einige Zeit was davon habe :-)

    So... weiter gehts

    LG

  • #30

    hdwaldfee (Dienstag, 02 August 2011 03:13)

    „Heute Abend schon...?“ flüsterte sie tonlos (...)
    „Was bitte?“ stammelte sie tonlos

    tonlos- wie macht sie das bloß? ;-)

  • #31

    Bella (Donnerstag, 18 August 2011 18:03)

    Hallo!
    Großes Kompliment für das erste Kapitel! Wahnsinnig toll geschrieben und spitzen Beschreibung der Charaktäre, besonders von der Protagonistin! Man hat da echt das Gefühl jemanden kennen zu lernen. Ich hab 2009 glaub ich, schon mal gelesen, bin bis Kapitel 76/77 gekommen. Jetzt bin ich wieder drauf gestoßen und dachte, ich fang von vorne an. Mal sehen ob ich es diesmal bis zum Ende schaffe ;-)

  • #32

    nouvelle (Montag, 21 November 2011 22:02)

    so eine tolle geschichte :-*
    ich hab mich richtig wieder in die alte zeit zurück versetzt gefühlt und bin sogar ein wenig traurig, dass diese zeiten vorbei sind... wobei die kellys (bes. paddy sind wahrscheinlich froh). ich habe auch gelesen, wie du heute zu paddy stehst und so ähnlich gehts mir auch, ich glaube ich "liebe" den paddy, der gar nicht existiert bzw nicht mehr oder nie wirklichkeit war... das war so eine traumvorstellung :) in 2002-2004 hatte ich nochmal einen "rückfall" was das paddy-syndrom betrifft :) aber heute weiß ich gar nicht wie ich zu ihm stehe... ich mag seine musik und ich liebe den paddy aus der alten zeit :)
    ganz tolle geschichte, ich werde weiterlesen.
    liebe grüße nouvelle
    falls du mir mal schreiben möchtest: minka-maus@hotmail.de
    würd mich freuen :)

  • #33

    Nicky (Montag, 28 November 2011 01:25)

    So Kapitel 1 ist zum 2. Mal geschafft.... ;-) und es ist beim 2. Mal lesen genauso schön .... ;-)

  • #34

    Luisa (Dienstag, 13 Dezember 2011 16:40)

    Also ich lese die Geschichte schon zum zweiten mal und bin immer noch total hin und weg.
    Ist ja echt zum schießen wie Mel immer sagt was sie denkt und erst im nachhinein merkt was sie da gesagt hat:D

  • #35

    romy (Montag, 09 Januar 2012 22:22)

    hi, ich bin vor 2 tage durch zufall auf deine seite gestoßen und bin ganz begeistert...verschlinge es quasi :o)
    da bin ich gleich wieder teenie und sehen mich liebend gerne in mels rolle...schwärm...
    meine freundin und ich haben damals auch immer geschichten erfunden...

    auf jeden fall, daumen hoch :o)
    ich werde mit begeisterung auch die anderen kapitel lesen!!!!

    glg romy

  • #36

    kelfanaeffchen95 (Samstag, 05 Januar 2013 23:13)

    Ich habe deine Seite vor ein paar tagen durch nen Link entdeckt und habe heute morgen angefangen zu lesen, ich muss sagen, ich bin sehr gefesselt und könnte stunden lesen, wenn ich nicht zwischendurch mal arbeiten müsste ... wirklich sehr sehr toll geschrieben . weiter so ... glg von Kelly Fan zu Kelly Fan ...

  • #37

    tina (Freitag, 11 Januar 2013 18:17)

    hallo liebe schreiberin :)

    ich habe mich nun ein wenig in deine geschichte hineingelesen und bin begeistert !! hast du mal überlegt, öffentlich zu schreiben? also in die autorenbranche zu gehen? :)

  • #38

    melsgesammeltekatastrophen (Freitag, 11 Januar 2013 19:15)

    Vielen dank, ihr Lieben. Ich freu mich sehr über euer ganzes positives Feedback! Danke Danke Danke :)
    Und ja, klar habe ich mal darüber nachgedacht, was zu veröffentlichen. Aber mir fehlt die entscheidene Idee. Solche Kelly Sachen kann man halt nicht einfach veröffentlichen.
    Lg eure PW

  • #39

    jane (Donnerstag, 17 Januar 2013 11:45)

    Hallo Mel,

    ich habe deine Geschichte noch nicht gelesen, aber schon viel darüber gehört.
    Willkürlich habe ich mir mal ein Kapitel rausgesucht, zwischengelesen und war sofort gefangen. Interessant finde ich, dass du von 94 an bis heute immer mal weitergeschrieben hast. So kann man die Veränderungen spüren.
    Ich schreibe auch, aber im Gegensatz zu Dir, inspiriert mich der heutige Paddy mehr als der damalige.. :)

    Lg,Jane

    (PS.: Ich werde mir bald die Zeit nehmen die gesamte Geschichte zu lesen!)

  • #40

    Resa (Montag, 25 Februar 2013 21:09)

    so 2. durchgang hier. sehr schönes kapitel.

  • #41

    Katrinka (Dienstag, 26 Februar 2013 21:23)

    Mensch, das war ein verdammt langes Kapitel :-)

    Und erstauntlich, dass ich schon soviel von der Geschichte vergessen hatte - ich wusste gerade noch, dass sie sich auf dem Flohmarkt getroffen hatten - aber der Rest....und vor allem der Abschnitt am Strand - so wunderbar :-)

    Falls du das Ganze zufällig (ich weiß, die Wahrscheinlichkeit ist gering) noch in Buchform irgendwo herumliegen hast, nehme ich dir jederzeit gerne eines ab.

    Wenn die nächsten Kapitel auch alle so lang sind, brauche ich Monate, um mich wieder durchzuarbeiten - arbeiten und schlafen muss ich ja leider dann doch auch mal irgendwann :-)

    Hach, ich freue mich, du hast meinen Abend gerettet :-)

  • #42

    melsgesammeltekatastrophen (Dienstag, 26 Februar 2013 21:30)

    Danke schön :)
    Ja ich habe schon mehrere Anfragen für eine Buchausgabe, die ich natürlich nicht herumliegen habe. Aber vielleicht lohnt es sich doch, es nochmal Korrektur zu lesen (Hatte im Buch eine Fehler entdeckt). Das erste Mal habe ich zwar auch nichts daran verdient sondern drauf gezahlt, aber mal schauen. Mein Problem ist halt auch, dass es so eine lange geschichte ist und ich mit dem Korrektur lesen nicht hinterher komme. :(

  • #43

    Katrinka (Mittwoch, 27 Februar 2013 11:01)

    Also ich helfe gerne beim Korrektur lesen, bin ja eh gerade dabei, die ganze Geschichte nochmal zu lesen :-)

    Und jetzt lese ich gleich die Szene am Strand nochmal, die war soooo schön *schmelz*

  • #44

    Mimi (Mittwoch, 13 März 2013 01:06)

    Also ich lese die Geschichte jetzt auch gerade zum zweiten Mal. Die ist einfach zu schön *hach*.

    Viiiiiiieeeeeelen lieben Dank für das letzte Update. Ich konnte es kaum glauben.......und ich hoffe es folgen noch gaaaaanz viele ;).

    Gibt es eigentlich bei "erwacht" auch noch Updates?

    Liebe Grüße und ein ganz großes Lob an dich :)

  • #45

    Marie (Samstag, 30 März 2013 16:52)

    die geschichte ist echt wunderschön :)
    ich liebe kelly geschichten. ich bin 15 und wünschte mir so ich wäre älter.. aber ich hab das gefühl, die kellys kommen wieder :))) hoffen wir es denn ich bin ein riesen fan *-*

  • #46

    Alina (Donnerstag, 09 Mai 2013 00:00)

    Kommt zwar ein bisschen spät da ich die vorhanden Kapitel schon durch hab. Aber um Marie´s Feedback mal zu kommentieren: Ich bin selber erst 14 und auch ein riesen Fan ;) Ich wünsche mir auch so oft ich wäre älter und wegen der Sache ob die Kellys wieder kommen...sind sie ja schon...so halbwegs :D im Dezember haben sie letztes und vorletztes Jahr eine Tour gemacht.Aber nur Paddy,Patricia,Joey,Kathy und Paul. Sie heißt 'Stille Nacht' falls du es noch nicht weißt ;)Und wahrscheinlich werden sie dieses Jahr noch eine Tour starten :) Ich war letztes Jahr dort und kann nur sagen: ES IST UND WAR HAMMER!!! *-*

  • #47

    Eva (Samstag, 22 Juni 2013 17:50)

    Hehe, lustig, ich hab früher auch solche Geschichten gelesen! Gefällt mir ;) Aber auch ich bin heute "drüber weg", also genauer gesagt bin ich verheiratet...nur das Baby fehlt noch :)

    Ganz liebe Grüsse
    Eva

  • #48

    Eva (Samstag, 22 Juni 2013 17:51)

    ich meinte geschrieben...nicht gelesen...

  • #49

    Kathrin (Mittwoch, 05 Oktober 2016 14:39)

    Da ich nun alle verlinkten/gefundenen Geschichten durch habe, geh ich zum 2.Mal EGON durch :-)
    Hoffe immer noch dass es irgendwann weitergeht :-)

  • #50

    Ela (Sonntag, 03 September 2017 22:28)

    ...ich fang dann jetzt auch nochmal mit Egon an.
    Unglaublich, wieviele Dinge, Abschnitte und Details ich nicht mehr auf dem Schirm hatte.

    Die "neuen" Updates habe ich noch nicvt gelesen, dafür fehlt (e) mir einfach der Hintergrund. Also geht's nun von vorn los.

  • #51

    Pw (Sonntag, 03 September 2017 23:02)

    Hey Ela, toll, dass du Egon noch mal lesen willst! Verzeih mir die überarbeitungsbedürftigen ersten Kapitel. Es wird irgendwann besser. :) Wünsche dir viel Spaß und hoffe, dass es dir gefällt!
    Lg Pw

  • #52

    Ela (Montag, 04 September 2017 14:34)

    Das es mir gefällt, weisst du doch ;-)