Zweisam

Am nächsten Morgen kämpfte er sich aus dem Bett, als der Wecker klingelte. Nach einem kurzen Frühstück, wandte er sich seine Plänen zu.  
Er sprach diverse Termine ab, bevor er sich ins Büro setzte und seine auf dem Flug erstellte Liste abhakte.  
Sie wollten doch auch schon lange für das neue Album im Studio gewesen sein, aber er hatte da keinen Kopf für gehabt.  
Unprofessionell, schalt er sich selbst. Er gelobte Besserung und ging zu Kathy, der er die Leitung für das Album komplett übertragen hatte, während er unterwegs gewesen war. Sie tauschten sich über bisherige Songvorschläge und Produktionsideen aus, als auch John noch zu ihnen stieß. Motiviert mischte er sich in die angeregte Diskussion ein.  
Er und Kathy konnten sich nicht einigen, welche zwei Lieder wieder aussortiert werden, weil es einfach zu viele für das Album waren.  
„Was sagst du, Patrick?“ fragte John. „Hey Paddy!“ stieß er seinen Bruder an der Schulter an.  
Der schreckte aus seinen Gedanken hoch. „Was? Sorry, war gerade woanders.“ - „Ja, das hab ich gemerkt. Was ist denn los mit dir?“ - „Ach, ich...“ Er überlegte kurz, ob er was vorschieben sollte und entschied sich dann aber doch für die Wahrheit. „Ich habe Ärger mit Mel. Ich muss nochmal zu ihr.“ - „Was ist denn passiert? Kannst du das nicht am Telefon klären?“ wollte Kathy wissen.  
Sie war mittlerweile leicht genervt von seiner anhaltenden Reiselust, aber er schüttelte den Kopf. „Nein, es ist zu ernst. Ich bin morgen wieder da. Ihr schafft das auch ohne mich.“  
Die beiden sahen ihm sprachlos nach, als er aufsprang und weg war, ohne auf eine weitere Reaktion von ihnen zu warten.  
Er fuhr mit dem Zug, um noch ein paar Stunden Zeit zu haben, damit er sich genau überlegen konnte, was er sie wie fragen konnte. Wie er am besten herausfinden konnte, ob sie ihm die Fragen auch aufrichtig beantwortete. Und wie er sich verhalten sollte.  
Er hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch. Hätte er sich anmelden sollen? Er wusste ja nicht mal, ob sie zu Hause war. Vielleicht war sie ja gar nicht allein.
Vom Bahnhof aus nahm er ein Taxi und war sehr nervös, als er auf die Türklingel drückte.  
Lena öffnete und sah ihn verdutzt an.  
„Hi, was machst du denn hier? Weiß Mel, dass du kommen wolltest?“ fragte sie leicht grimmig.  
Mel hatte offenbar immer noch nicht zu sich selbst zurückgefunden, so verschlossen, wie sie im Moment war. Es passte Lena nicht, dass er nun auftauchte und sie wieder komplett durcheinander bringen würde.  
„Nein, sie hat keine Ahnung, aber ich möchte gern mit ihr reden. Ist sie da?“ - „Und du hältst das für eine gute Idee?!“ - „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Aber es sind stehen noch zu viele ungeklärte Dinge im Raum, daher halte ich es für notwendig.“ - „Ich bin mir nicht sicher, ob sie dich sehen will.“ - „Ich weiß ja auch nicht, wie sich die Dinge nun entwickelt haben, aber da sie diejenige ist, die Fehler gemacht hat, ist sie mir eine ausreichende Erklärung eigentlich schuldig.“ versuchte er sie zu überzeugen. - „Was auch immer zwischen euch war, meinst du nicht, du solltest ihr erst mal Zeit geben, um sich neu zu orientieren?“ Ob das wirklich in Mels Interesse lag oder nicht, es lag in ihrem Interesse, ihre Tochter vor noch mehr Kummer zu schützen.
Paddy war irritiert. „Hat sie dir nicht gesagt, was passiert ist?“ - „Nein, hat sie nicht. Sie wollte nicht darüber sprechen und das akzeptiere ich. Aber seitdem ist sie seltsam in sich gekehrt. Ich bekomme sie kaum noch zu Gesicht. Entweder verbarrikadiert sie sich in ihrem Zimmer oder sie ist unterwegs und sagt mir auch nicht mehr, wo sie hin will. Ich komme nicht an sie ran.“ - „Vielleicht lässt sie mich ja mit sich reden. Sie kann mir dann immer noch sagen, dass sie mich nicht sehen will.“ - „Paddy, sie war so fertig an dem Tag, als du hier warst! Tu mir den Gefallen und lass sie in Ruhe. Sie ist sowieso nicht zu Hause.“ - „Okay, ich denk darüber nach. Danke. Tschüss.“ - „Mach´s gut.“
Die Anspannung fiel von ihm ab, als sich die Tür vor seiner Nase wieder schloss. Er schnaufte und setzte sich auf die Kirchenmauer gegenüber.  
Sollte er einfach hier auf sie warten? Wo sie wohl steckte?  
Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es kurz nach halb eins war.  
Natürlich, sie musste noch in der Schule sein! Also könnte er wirklich hier bleiben, bis sie auftauchen würde. Aber wenn sie gleich mit zu Caro gehen würde? Er wollte ihr nicht begegnen, daher zog er es gar nicht erst in Erwägung, dort vorbeizugehen.

Sie war ihm ein Dorn im Auge. Eigentlich war er immer gut mit ihr ausgekommen, hatte sie sogar sehr gern gemocht, doch nun war sie nur noch diejenige, die der Auslöser für all das gewesen war.  
Falls Mel sechs Stunden hätte, würde er noch eine halbe Stunde haben, um sie an der Schule abzufangen. Ohne weiter darüber nachzudenken, sprang er auf und lief los.  

 

Mel rutschte von eine Pobacke auf die andere.  
Sie musste schon wieder auf die Toilette. Ihre Blase raubte ihr derzeit den letzten Nerv! Obendrein hatte sie schreckliche Langeweile. Schließlich gab sie ihrem Drang nach und ging auf´s Klo. Danach zog sie noch eine kleine Runde durch die Schule.

Alles war spannender als Wurzelrechnung. Sie konnte sich auch beim besten Willen nicht vorstellen, wofür sie das einmal in ihrem Leben brauchen würde.  
Widerwillig ging sie in den Klassenraum zurück.

Es fiel ihr schwer, jeden Tag neben Caro zu sitzen. Sie sprachen nur noch das Nötigste miteinander und gingen sich ansonsten aus dem Weg.  
Mel fühlte sich einsam. Sie und Paddy fehlten ihr sehr.  
Keine Caro mehr, die lachend bei ihr auftauchte, um sie irgendwohin abzuholen. Keine Anrufe von Pad abends vorm zu Bett gehen.  
„Alles in Ordnung? Du siehst fertig aus.“ schrieb Caro auf einen kleinen Zettel, den sie ihr unter dem Tisch zusteckte. - „Ja, alles klar.“ antwortete sie.  
Sie konnte und wollte sich mit Caro nicht mehr über private Dinge austauschen. Es würde alles nur wieder unnötig kompliziert machen.  
Unruhig sah sie auf die Uhr. Nicht mehr lange und auch dieser Schultag war endlich geschafft.  
 
Paddy hatte nicht mehr viel Zeit. Zum Glück war er fast da.  
Er setzte sich auf einen Baumstumpf im Wald und hoffte, sie würde den gleichen Weg nehmen, wie sie es immer getan hatte. Sein Platz bot ihm einen guten Blick auf den kleinen Trampelpfad, der von der Schule zum eigentlichen Weg führte. Aberhunderte von Schüler hatten ihn über die Jahre platt getreten, um sich einen Umweg zu ersparen.  
Gespannt wartete er, ob sie auftauchen würde. Hoffentlich wäre sie allein, andernfalls würde er sich noch unbehaglicher fühlen.  
Er hatte eigentlich nur ein paar letzte Dinge mit ihr besprechen wollen, doch nun fühlte er eine leichte Aufregung in sich aufsteigen.  
Zu seinem Missfallen stellte er fest, dass er sich sogar ein bisschen freute, sie wiederzusehen. Obwohl er nicht einmal wusste, was nun aus ihr und Caro geworden war. Und warum freute er sich eigentlich? Im Grunde genommen wusste er nicht einmal, ob sie ihm überhaupt die Wahrheit erzählen würde, wenn er sie nach irgendwas fragte. Er hatte vor und zurück überlegt, aber keinen eindeutigen Indikator entdecken können, der ihm dabei weiterhelfen würde.  
Am unwohlsten fühlte er sich bei dem Gedanken an das erste Aufeinandertreffen.  
Wie würde Mel reagieren, wenn sie ihn sieht? Was sollte er sagen? Er hatte sich so viele Sätze zurecht gelegt gehabt. Alle waren verschwunden. Sein Kopf schien leer zu sein.  
Und hatte Lena vielleicht Recht? Sollte er sie in Ruhe lassen? Sie war wirklich sehr verzweifelt gewesen, als er sie das letzte Mal gesehen hatte, aber er hatte den Eindruck gehabt, dass es daran lag, dass ihre Beziehung beendet war und er dabei war, sie zu verlassen. So gesehen, müsste sie sich doch eigentlich freuen ihn wiederzusehen und er würde ohne größere Probleme mit ihr reden können.  
Aber in der Zwischenzeit konnte soviel passiert sein.  
 
Es klingelte zum Stundenende. Erleichtert stand Mel auf, warf Caro ein flüchtiges „Bis morgen.“ zu und verließ den Klassenraum. Vor der Tür wurde sie allerdings von ihrem Lehrer zurückgehalten.  
„Mel, was ist los mit dir? Du erscheinst mir schon seit längerem ständig geistig abwesend zu sein.“ - „Ach, das täuscht.“ erwiderte sie überrascht. - „Nein, das glaube ich nicht. Ist alles in Ordnung? Hast du Probleme zu Hause? Oder kommst du mit dem Unterrichtsstoff nicht zurecht?“ - „Nein, es ist wirklich alles bestens. Aber danke der Nachfrage. Bis morgen.“ würgte sie ihn mehr oder weniger höflich ab und ging zum Ausgang.  
Das hatte ihr ja noch gefehlt. Ein Lehrer, der sich mit ihr über ihr Privatleben unterhalten wollte. War ja lieb gemeint, half ihr aber im Moment auch nicht weiter.  
Schlurfend betrat sie den Wald und war in Gedanken schon längst zu Hause. Sie wollte sich eine große Portion Nudeln kochen und eine Mittagstunde machen. Sie war ziemlich müde, da sie gestern Nacht wieder nicht zur Ruhe gekommen war, weil sie sich über Gott und die Welt den Kopf zerbrochen hatte.  
 
Die Schule war offenbar zu Ende. Paddy hatte ein leises Klingeln gehört, war sich aber nicht sicher gewesen, doch nun kamen immer mehr Schüler den Weg entlang getrottet.  
Unter ihnen war auch Caro. Offenbar sah sie ihn zum Glück nicht.  
Sie war alleine. Was war mit Mel? War sie heute doch nicht im Unterricht gewesen?  
Er war kurz davor, sie darauf anzusprechen, da hielt ihn etwas zurück.

Missbilligend registrierte er einen leichten Anflug von Eifersucht in sich. Warum? Gerade gestern Abend hatte er sich doch dafür entschieden, das Kapitel abzuhaken und war nur hergefahren, um die letzten Fragen beantwortet zu bekommen.  
Der Strom junger Menschen verebbte und keine Mel in Sicht.  
Er wollte gerade aufbrechen, da sah er ihre blonden Haare zwischen den Bäumen hinter ihr her wehen.

Er holte tief Luft und machte einige Schritte Richtung Weg, doch dann blieb er unsicher stehen.  
Sein Herz, das ihm bis zum Hals schlug, brachte ihn völlig durcheinander. Mühsam bekam er sich unter Kontrolle und ging weiter auf sie zu.  
Wieso beachtete sie ihn nicht, er war doch schon fast neben ihr?!  
„Mel?“ sprach er sie vorsichtig an.  
Sie zuckte zusammen. Offenbar war sie in Gedanken versunken gewesen.  
„Paddy! Was machst du denn hier? Was willst du? Wieso...?“ Wie vom Schlag getroffen war sie stehen geblieben und starrte ihn an.  
Wieso war er gekommen? Er wollte offenbar mit ihr reden, sonst wäre er nicht bewusst hier an der Schule aufgetaucht. Würde er ihr noch eine Chance geben?
Nervös sah sie ihn an, als er das Wort ergriff.  
„Ich würde mich gerne noch einmal in Ruhe mit dir unterhalten.“ - „Worüber? Über uns?“ fragte sie hoffnungsvoll. - „Naja, ich hab noch viele unbeantwortete Fragen, also wenn du bereit wärst, mit Rede und Antwort zu stehen, wäre ich dir sehr dankbar. Irgendwie bist du es mir vielleicht auch etwas schuldig. Schließlich bist du es gewesen, die ...hm... mich verarscht hat. Ich denke, ich kann sonst nicht so einfach damit abschließen.“ - „Ja, natürlich.“ antwortete sie knapp.  
Die Hoffnung, die aufgekeimt war, als er plötzlich vor ihr stand, erstarb bei seinem letzten Satz. Wollte er sie also doch nicht zurück. Die Schmetterlinge, die gerade noch in ihrem Bauch Purzelbäume geschlagen hatten, fielen nun wie verdorrte Blätter zu Boden.  
„Lass uns doch da unten auf die Bank am See setzen.“ schlug sie vor und ging voran.  
Er folgte ihr und betrachtete sie nachdenklich.  
Sie hatte ihm sehr gefehlt, das merkte er deutlich. Am liebsten würde er sie einfach in den Arm nehmen, stattdessen lief er einen Meter hinter ihr...
Irgendwie sah sie anders aus, aber er konnte sich aber nicht erklären, woran es lag.  
Sie setzten sich nebeneinander. Mindestens ein halber Meter Platz lag zwischen ihnen. Sie hatte es nicht gewagt, ihm noch näher zu kommen.  
„Also, was willst du wissen?“  
Sie fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, dass er sie gleich löchern würde, aber es stimmte, es war sein gutes Recht zu erfahren, was passiert war.  
Paddy blickte nervös hin und her. Er war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob er nun wirklich wissen wollte, was sie dachte, empfand und getan hatte. Unsicherheit flammte in ihm auf, dass er Dinge erfahren würde, die ihm noch mehr Schmerz zufügen würden, statt ihm innere Ruhe zu verschaffen.  
Welche Frage sollte er zuerst stellen?
„Hm, wie ist es zwischen euch dazu gekommen?“ - „Wie ich ja schon gesagt habe, war es auf meinem Geburtstag. Wir hatten beide getrunken und dann im Bad, hat sie mich geküsst. Ich war so gefesselt von ihren Augen, dass ich nichts dagegen tun konnte.“ - „Was war mit mir? Wo war ich da?“ - „Du...tja, du standest plötzlich vor der Tür.“  
Ja, er konnte sich an den Abend erinnern. Das Bild tauchte vor ihm auf, als er geklopft hatte und die beiden Mädchen aus dem Bad gekommen waren. Und das war etwas, was ihm nun schwer im Magen lag.  
„Wann hast du dann bemerkt, dass das nicht nur ein Ausrutscher war, sondern mehr?“ - „In der Nacht danach. Ich ließ die letzten Wochen Revue passieren und musste mir eingestehen, dass sie mir schon länger mehr bedeutete, als ich geahnt hatte.“ Mel sah auf den Boden. Sie konnte ihm nicht ins Gesicht sagen, dass sie etwas für jemand anderen empfand, auch wenn er es schon längst wusste.  
„Warum hast du mir nichts davon gesagt?“ - „Wie denn?? Ich wollte dich nicht verlieren! Außerdem war mir eigentlich immer klar, dass ich für dich einfach mehr empfinde.“ versuchte sie sich zu erklären. - „Dann hättest du das nicht tun sollen.“ sagte er ruhig. - „Ja, ich weiß. Du glaubst gar nicht, wie ich das bereue!“ Tränen stiegen in ihr hoch. Sie kämpfte mit ihnen und gewann vorerst.  
„Hast du mich oft belogen?“ - „Naja, eigentlich nur wenn es drohte herauszukommen und ich habe es jedes Mal gehasst!“
Er stellte fest, dass ihn der Gedanke ein wenig beruhigte. Noch zusätzlich vielleicht bewusst verhöhnt worden zu sein, hätte ihm wohl den Rest gegeben.  
„Habt ihr...ich meine...ist da mehr zwischen euch gelaufen?“ - „Nicht mehr als du gesehen hast...“ - „Na, das reichte mir auch schon.“  
Er sah sie an. „Wie hast du dir das eigentlich vorgestellt? Wolltest du das immer so weiterlaufen lassen?“ - „Nein, ich hatte es beendet, als wir in Irland waren. Aber dann waren wir wieder da und sie wollte mit mir reden, über die Karte, die ich ihr geschickt hatte, und an dem Tag ging es mir so beschissen. Und sie war da...und irgendwie ist es dann doch wieder passiert. Sie hat einfach so eine magische Anziehung auf mich und ich hatte an dem Tag einfach nicht die Kraft, mich dagegen zu wehren.“ sprudelte es aus ihr hervor.  
Ein Hauch von Verzweiflung stand ihr ins Gesicht geschrieben.  
„Was war denn an dem Tag?“
Mel suchte nach Worten, doch entschied dann, ihn zu vertrösten. „Ist kompliziert, will ich jetzt nicht drüber reden. Zumindest tauchte sie plötzlich auf. Das war nicht geplant! Ich wollte doch schon längst einen Schlussstrich ziehen! Es tat mir alles so leid dir gegenüber!“
Er fasste sich ein Herz und stellte die Frage, vor der er eigentlich am meisten Angst hatte. „Seid ihr jetzt ein Paar?“ - „Nein! Wo denkst du hin?“ - „Ich dachte, jetzt wo ihr freie Bahn habt...“ - „Nein, wir sind nicht zusammen.“ - „Ich dachte, du empfindest was für sie?“ - „Ja schon, aber ich will nicht sie, ich will dich!“ Sie sah ihn an und wartete auf eine Reaktion.

Angst stand in ihren Augen. Er durfte jetzt nichts Falsches sagen, sonst würden sie sich wieder mit Tränen füllen und er hasste es so, wenn sie weinte. Sie hatte ihm sein Herz gebrochen und doch fühlte er sich immer noch unbändig zu ihr hingezogen.

Da saß diese kleine Frau vor ihm und hing an seinen Lippen, als würden sie über ihre gesamte Zukunft entscheiden...

Er schwieg, weil er einfach nicht wusste, was er erwidern sollte.

Noch immer war er sich nicht sicher, ob er sie wollte oder nicht. Eigentlich hatte das Gespräch es bisher nicht unbedingt besser gemacht. Ein paar der Wunden, die bereits am verheilen gewesen waren, waren wieder aufgerissen worden.

Ihm war bewusst gewesen, dass dieses Risiko bestanden hatte, doch die Neugier nach Antworten war stärker gewesen. Sie ließ ihm keinen Platz mehr, um sich auf andere Dinge konzentrieren zu können. Er musste sie geklärt haben, sonst würde es ihm noch schwerer fallen, nach vorne zu blicken.

Und nun saß er neben ihr und hatte Schwierigkeiten, sie nicht einfach an sich zu drücken.

Auf der einen Seite hatte er kein Vertrauen mehr zu ihr, auf der anderen Seite verkrampfte sich sein Herz bei dem Gedanken, dass er sie vielleicht nie wieder sehen würde.

Aber wie sollte ihre Beziehung dann aussehen? Er konnte doch nicht so tun, als sei nie etwas passiert! Und wie soll man mit jemanden leben, wenn man nicht weiß, ob man ihm glauben kann?

Seine Gedanken flogen so schnell durch seinen Kopf, dass er nicht einmal merkte, dass sie offenbar immer noch auf eine Antwort wartete.

Traurig wandte sie den Blick ab und leises Schluchzen setzte ein.

Jetzt konnte er nicht mehr anders. Er rutschte ein Stück näher und legte ihr die Hand auf die Schulter. „Hey Kleine...“

Doch sie sagte nichts. Sie kämpfte immer noch mit den Tränen, denn sie wollte nicht schon wieder mental vor ihm auf dem Boden liegen.

Irritiert horchte sie auf und mit Mühe schaffte sie es, den Kloß in ihrem Hals hinunter zu schlucken.

Er hatte sie gerade 'Kleine' genannt. Nicht einfach nur Mel.

Sie putzte sich schniefend die Nase und sah ihn wieder an.

Ich bin hergekommen, um mich zu verabschieden.“ seufzte er.

Ihr Blick verzerrte sich zu eine entsetzten, traurigen Grimasse, so sehr sie sich auch dagegen wehrte.

Ich wollte mich mit dir aussprechen, Dinge erfahren, die mir sonst keinen Frieden gegeben hätten. Aber ich muss sagen, dass ich irgendwie, weiß Gott warum, immer noch sehr viel für dich empfinde. Die Wut, der Schmerz und die Enttäuschung haben nicht alles zerstört, wie ich anfangs annahm.“

Ihr Gesicht entspannte sich und sie beobachtete ihn nun mit großen Augen und wagte nicht, ihn zu unterbrechen.

Aber mein Vertrauen ist dahin. Ich sagte es bereits, aber ich weiß nicht, wie ich dir etwas vorbehaltlos glauben kann. Und sogar die Antworten, die du mir heute gegeben hast, stelle ich irgendwo in Frage. Aber ich will dich auch nicht verlieren. Du bedeutest mir einfach zu viel.“ - „Heißt das, dass du uns wirklich noch eine Chance gibst?“ Ungläubig sah sie ihn an. - „Ja, ...ich denke schon. Aber aller Anfang ist schwer. Vor allem ein zweiter...“

Trotz seiner mahnenden Worte fiel sie ihm um den Hals und nun flossen Tränen der Erleichterung über ihre Wangen hinunter auf seine Jacke. Er legte beide Arme um sie und drückte sie fest an sich.

Ja, das Gefühl in seinem Bauch war richtig. Er war froh sie an sich zu spüren, auch wenn sie ihm so sehr weh getan hatte.

Darf ich dich noch etwas fragen?“ fragte er zögerlich, da er wieder ein bisschen Angst vor der Antwort hatte.

Ja, alles!“ strahlte sie, als sie sich aus der Umarmung löste und ihm in die Augen sah. - „Was ist jetzt mit Caro?“ - „Nichts. Wir haben uns nicht mehr außerhalb der Schule gesehen seit dem Tag. Ich habe die Freundschaft beendet.“ - „Warum, wenn es mit uns doch sowieso vorbei war?“ - „Weil ich dich liebe und alles dafür tun würde, dich zurück zu bekommen. Wie sollte ich um dich kämpfen können und dir gleichzeitig sagen, dass wir uns noch treffen?“

Er musterte sie. Ihr Gesicht war noch nass von den Tränen und er konnte nichts als Ehrlichkeit in ihm lesen.

Langsam näherte er sich ihr und küsste sie ganz sanft auf den Mund.

Sie war so erleichtert. Die Schmetterlinge in ihrem Inneren erwachten wieder und sie hoffte, dass sie sie nie wieder verlassen würden.

Doch sie spürte auch etwas anderes. Ihre Blase drückte wieder und erinnerte sie indirekt an ein anderes „Problem“, das die beiden hatten.

Pad, sollen wir los?“

Er nickte und zog sie an der Hand hoch. Sie hakte sich bei ihm ein und sie gingen gemächlich Richtung Stadt.

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Kommentare: 12
  • #1

    Eva (Dienstag, 22 Juni 2010 19:53)

    ich finde es so schön, dass sie sich immer wieder eine Chance geben :)

  • #2

    Eva (Dienstag, 22 Juni 2010 19:56)

    Ach ja und ich finde, du wirst immer besser :)

  • #3

    nicky (Donnerstag, 09 September 2010 08:28)

    jajajajjaja....sie sind wieder zusammen *juhu* ... find ich toll! jetzt macht es wieder Sapß!^^ so weiter geht es mit Kapitel 19! bin ja mal gespannt wie sie ihm das bei bringt mit dem Kind!!! hab schon die ganze Nacht von geträumt! naja und das erste nach dem Aufwachen wo ran ich dachte war ans weiter lesen!*krass*

  • #4

    Die Micha (Donnerstag, 09 September 2010 20:44)

    Hach... *seufz* ist das schööööööön

  • #5

    pharell (Freitag, 10 September 2010 22:22)

    .-))))puhhhh

  • #6

    Lisa (Samstag, 11 September 2010 12:08)

    schöööööööööööööööööööööööööööööön!!!!!!!!!*.*

  • #7

    Bella (Donnerstag, 25 August 2011 22:19)

    Schön beschrieben, wie beide getrennt von einander fühlen. Und was sie sich über den anderen ausmahlen...Dabei denken doch beide an den jeweils anderen :-)

  • #8

    Yvonne (Montag, 02 Juli 2012 20:41)

    soooooo schön...ich muss gerade heulen...ich bin sehr gespannt wie es weitergeht :)

  • #9

    Krümel (Montag, 07 Januar 2013 00:48)

    Es ist soooo schön ich leide wie ein Hund...

  • #10

    Katrinka (Freitag, 01 März 2013 11:01)

    Du schreibst so toll....man leidet richtig mit.

  • #11

    Marie (Sonntag, 31 März 2013 11:58)

    EIN GLÜCK *-*

  • #12

    Sabrina (Dienstag, 11 Februar 2014 20:21)

    Ich lese die Geschichte jetzt schon zum zweiten Mal.
    Und ich find sie sooo schön, dass ich beim lesen dieses Kapitels mal wieder geheult habe :)