Schatten der Vergangenheit

 

Mel rief von unterwegs Tina an, die sich freute, dass sie trotzdem kam. Sie versprach, sie vom Bahnhof abzuholen, und wirklich stand sie am Bahnsteig, als Mels Bahn ein fuhr.

Sie hatte die ganze Fahrt über an Caro denken müssen. Darüber, wie sie sie kennen gelernt hatte und wie dann das mit ihnen angefangen hat. An den Nachmittag, als Paddy sie überrascht hat und wie sie Caro dann doch immer wieder begegnet war.  
Und an die Tränen, die ihr in den Augen standen, als sie sich umdrehte. An den Moment als sie diese großen braunen Augen zum letzten Mal gesehen hatte.  
„Hallo Kleine.“ begrüßte Tina sie leise und nahm sie in den Arm. „Wie geht’s dir?“ - „Scheiße. Und dir?“  
Tina nickte Schulter zuckend.  
„Aber es ist schön, dich wieder zu sehen!“ Mel zog ihre Freundin noch einmal an sich. - „Ja, finde ich auch! Ich hab dich vermisst.“  
Tina blickte nach unten. „Hey, du hast ja ein richtiges kleines Bäuchlein bekommen.“  
Sie berührte ihn vorsichtig und nahm ihr die Tasche ab. - „Ja, bin im vierten Monat inzwischen. Es wächst und gedeiht. Nächste Woche habe ich wieder einen Termin zum Ultraschall. Bin gespannt, wie es aussieht mittlerweile.“ - „Und Paddy freut sich auch?“ - „Ja, auf jeden Fall.“ - „Das ist schön. Komm, mein Auto steht dort hinten.“
Während der Fahrt, erzählte Tina in Ruhe alles, was sie bisher von Eltern und Mitschülern erfahren hatte. Die Stimmung war wie zu erwarten beklemmend. Immer wieder kullerten beiden Tränen übers Gesicht.  
„Willst du eigentlich auch zu deinen Eltern?“ fragte Tina, als sie fast angekommen waren. - „Nein, ich denke nicht. Ich weiß nicht, wie Ma zu mir steht im Moment und ehrlich gesagt, will ich mir und dem Krümel nicht noch mehr Ärger zumuten. Also eins ist klar...das Kind wird mit aller Wahrscheinlichkeit ziemlich Stress erprobt sein.“ - „Ja, du solltest dich eigentlich mal schonen. Hast du mal über Urlaub nachgedacht?“ - „Ne, nicht wirklich. Ich habe auch kein Geld.“  
Tina verdrehte die Augen. „Ja, und ich habe gehört, dein Freund sei ziemlich geizig...“ - „Ha ha. Okay, er hat vielleicht genug Geld, aber ich will nicht immer von ihm abhängig sein. Gerade deshalb wäre es schon eigentlich klug, zu Hause vorbei zu schauen. Aber irgendwie mag ich nicht. Ich habe im Moment einfach andere Sorgen.“ - „Ja, wem sagst du das. Aber denk trotzdem Mal nach, ob du nicht irgendwo mal aus dem ganzen raus fährst, um einfach ein bisschen auszuspannen.“ bekräftigte Tina noch einmal ihre Bedenken und lenkte den Wagen langsam auf das Grundstück ihrer Eltern.  
Mel begrüßte kurz Tinas Familie und verzog sich dann aufs Zimmer. Sie stellten das Gästebett auf und sie legte sich erstmal eine Stunde auf´s Ohr. Der Tag war sehr anstrengend gewesen und nach anfänglichen Schwierigkeiten, fand sie endlich einen eher wenig erholsamen Schlaf. Aber immerhin kam ihr Körper ein bisschen zur Ruhe.  
Tina weckte sie, als es Abendbrot gab, aber sie bekam kaum etwas herunter.  
Tina hatte die geplante Party natürlich abgesagt, niemandem war mehr zum Feiern zumute.  
Sie gingen früh zu Bett, doch Mel wälzte sich Stunden im Bett herum. Jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, sah sie Caro, die sich mit tränengefüllten Augen umdrehte und weg lief.  
Doch auch wenn sie sich krampfhaft ihr Lächeln ins Gedächtnis rief, fühlte sie sich nicht besser.  
Einmal war sie gerade eingenickt, als sie hörte, wie auch Tina im Schlaf weinte.  
Morgens wachte sie völlig gerädert auf. Auch beim Frühstück war ihr Appetit noch nicht zurück gekehrt, obwohl ihr Magen knurrte wie verrückt.  
„Was hast du heute vor?“ fragte Tina als sie hinterher wieder in ihrem Zimmer saßen.  
Mel hockte im Schneidersitz gegen die Wand gelehnt auf dem Bett und spielte nachdenklich mit einem Kugelschreiber. „Ich weiß nicht. Eigentlich möchte ich gerne zu Caros Mutter, aber was ist, wenn es unpassend ist, weil Caro ihr vielleicht erzählt hat, was passiert ist?“ - „Ja, schwierig. Aber ich würde es auf einen Versuch ankommen lassen. Wenn sie nichts weiß, wird sie sich bestimmt fragen, warum du nicht aufgetaucht bist. Immerhin wart ihr sehr gut befreundet.“ Mel nickte. „Würdest du mich dort absetzen?“ - „Natürlich. Jetzt gleich?“ - „Ja, bevor ich es mir noch anders überlege.“
Schon auf dem Weg war Mel entsetzlich aufgeregt.  
„Du schaffst das schon. Melde dich, wenn ich dich wieder abholen soll.“ ermunterte Tina sie, als Mel aus dem Auto stieg.  
Langsam ging sie den Weg zum Haus und klingelte zögernd.  
Als sich die Tür schließlich öffnete, schlug ihr das Herz bis zum Hals.

Hallo Mel.“ sagte Caros Mutter leise.  
Sie sah fertig aus. So als hätte sie tagelang nur geweint, was vermutlich auch den Tatsachen entsprach. Sie hatte tiefe Ringe unter den Augen und wirkte nicht nur deshalb deutlich älter, als sie eigentlich war.  
„Hi. Wie geht es ihnen?“ fragte Mel vorsichtig. - „Naja, nicht besonders. Aber komm doch erstmal herein.“ - "Es tut mir wirklich leid, was geschehen ist. Ich mag es gar nicht glauben." - "Danke. Ja, ich auch nicht."
Sie trat zur Seite und ließ sie durch.  
Mel blieb unsicher im Flur stehen. Sonst war sie immer direkt zu Caro ins Zimmer gegangen. Und nun?
„Geh ruhig hinein, wenn du möchtest. Ich warte hier. Mich macht das im Moment zu fertig.“  
Mel nickte und ihre Hände wurden schwitzig, als sie langsam die Tür auf schob.  
Alles sah aus wie immer. Das übliche Chaos herrschte im Zimmer, ohne dass es ungemütlich war.  
Unsicher setzte sie einen Fuß vor den anderen und  ging zögerlich hinein.  
Caros Geruch strömte ihr entgegen und brachte die Erinnerungen mit sich. Die Bilder tauchten vor ihren Augen auf, als sie hier im mitten im Raum gestanden hatten und sie sie auf das Gedicht ansprach. Wie sie eigentlich gehen wollte und sie sich am Ende doch geküsst hatten.  
Mel fühlte, wie ihr Herz noch schneller klopfte und ihr die Tränen in die Augen stiegen.  
Weinend setzte sie sich auf´s Bett.  
Sanft strich sie mit der Hand über die Bettwäsche, in der Caro noch vor wenigen Tage geschlafen hatte. Sie sah aus, als wäre sie eben erst aufgestanden.
Mel ließ ihren Blick durch das Zimmer schweifen.  
Die Socken lagen auf dem Boden, ein leerer Pizzateller stand noch auf dem Schreibtisch.  
Ihre Mutter hatte offenbar noch nicht die Kraft oder den Willen gefunden, etwas zu verändern. Mel hatte das Gefühl, Caro würde gleich zur Tür reinkommen und ihr strahlend um den Hals fallen.  
Sie ließ ihr Gesicht in die Hände sinken.  
Es war eine seltsame Stille um sie herum. Sonst war fast immer Musik an gewesen und wenn nicht, hatte Caros Stimme den Raum erfüllt. Caro schien sowieso jeden Raum ausgefüllt zu haben, egal wo man auf sie getroffen war.  
Und jetzt war sie weg.  
Jetzt, wo Mel in ihrem Zimmer saß, fiel es ihr noch schwerer, es zu glauben. Sie konnte ihre Gegenwart spüren und doch beschlich sie immer mehr diese Ahnung in ihrem Kopf, dass ihr Herz Recht hatte. Es hatte längst begriffen, dass das schöne braunhaarige Mädchen nie wieder einfach lachend um die Ecke käme. Dass sie nie wieder dösend in der Sonne auf der Wiese oder in diesem Bett liegen würde.  
Mel seufzte und hob den Kopf wieder.  
Die Ruhe wurde unerträglich. So wischte sie sich die letzten Tränen aus dem Gesicht und stand auf.  
Im Türrahmen drehte sie sich noch einmal um und warf einen letzten Blick zurück, dann setzte sie sich zu ihrer Mutter in die Küche.  
„Alles okay?“ fragte sie.  
Mel nickte stumm.  
„Möchtest du einen Tee?“ - „Ja, gerne. Danke.“  
Wenige Minuten später rührte sie gedankenverloren in ihrem Himbeertee.  
Caro hatte den auch so gerne gehabt. Irgendwie war es komisch ihren Tee nun alleine zu trinken, aber Mel wollte es einfach in Gedenken an sie tun.  
Beide schwiegen, bis Caros Mutter irgendwann das Wort ergriff.  
„Dienstag soll die Beerdigung sein.“ sagte sie traurig.  
Mel schluckte. „Und wo?“ - „Ich hatte erst an Flensburg gedacht, aber nun habe ich mich für hier entschieden. Zum einen ist der Friedhof wirklich schön und zum anderen kann ich sie so viel häufiger...ähm...besuchen.“
„Ja, das wäre schön. Ich mag den Friedhof auch gerne. Hinten unter den Pappeln ist es am schönsten. Sie mochte das Rauschen der Blätter doch auch so.“ - „Genau dort habe ich einen Platz für sie besorgt. Ich denke, sie wäre zufrieden damit.“ Sie presste die Lippen zusammen, um ein paar Tränen zu unterdrücken. - „Ja bestimmt.“
Dann holte ihre Mutter tief Luft.  
„Würdest du mir vielleicht bei der Beerdigung helfen? Also nicht bei der Organisation, aber vielleicht ein paar Ideen beisteuern?“ - „Natürlich.“ - „Danke. Du weißt ja, dass das Verhältnis zu meinem Ex Mann sehr schlecht ist und...“  
Mel stutzte. „Nein, eigentlich weiß ich das nicht. Caro hatte nur erzählt, dass ihr Mann nicht mehr mit ihnen zusammen wohnt.“  
„Sie hat nie etwas gesagt? Dann schien sie es wohl bewusst verschwiegen zu haben. Ich dachte, weil sie auch mit mir nicht mehr gesprochen hat, sie hätte das Thema einigermaßen verarbeitet.“ murmelte sie nachdenklich.  
„Also wird er nicht zur Beerdigung seiner Tochter kommen?!“ - „Er kann nicht, aber eigentlich ist mir das auch ganz Recht so.“
Mel war sich nicht sicher, ob sie nachfragen sollte. Es schien ihr eigentlich nicht der richtige Moment dafür zu sein, aber andererseits würde es ihr leichter machen, alles zu verstehen.  
Was hatte es noch in Caros Leben gegeben, dass sie nicht gewusst hatte?

Es klingelte an der Tür und Caros Mutter stand auf, um zu öffnen.  
„Es ist schön, dich wiederzusehen.“ hörte sie ihre Stimme aus dem Flur.
Sie kam mit einer jungen Frau zurück.  
Im ersten Moment kam sie Mel bekannt vor, doch bei näherem Hinsehen, merkte sie, dass sie sich getäuscht hatte.  
„Hallo, ich bin Christiane. Du musst Mel sein, richtig?“ Sie reichte ihr die Hand. - Mel nickte verwirrt. „Hi. Ja, die bin ich.“ - „Caro hatte mir von dir erzählt. Du siehst genauso aus, wie sie dich beschrieben hat.“ beantwortete sie ihren fragenden Blick. - „Ah ja.“ Mel zog die Augenbrauen hoch. - „Ich bin ihre große Schwester.“ - „Achso. Schön, dich kennen zu lernen. Auch wenn mir andere Umstände natürlich lieber gewesen wären.“  
Nun fiel ihr endlich auf, weshalb sie ihr so bekannt vor kam. Sie war im Verhältnis zu Caro eher klein und auch nicht ganz so dünn. Außerdem hatte sie helle Haare. Aber sie hatte die gleichen Augen, nur dass diese nicht halb so fröhlich wirkten, wie die von Caro es meist getan hatten. Das war aber sicher der Situation zuzuschreiben.  
Mel fühlte sich auf einmal sehr unwohl. Caro schien ihr offenbar relativ detailliert von ihr erzählt zu haben. Was wusste sie noch? Unruhig rutschte sie auf ihrem Stuhl hin und her, doch zum Glück wandte sich Christiane nun ihrer Mutter zu.  
„Bist du gut hergekommen?“ fragte diese. - „Ja, die Straßen waren größtenteils frei. Hab mit Mühe und Not zwei Urlaubstage nehmen können, aber nachdem mein Chef erfahren hat, was los ist, hat er eingewilligt.“  
Mel erfuhr, dass Christiane offenbar in Hamburg lebte. Sie wohnte schon länger nicht mehr zu Hause, da sie mit 15 ausgezogen war. Irgendwas war vorgefallen, aber sie konnte nicht wirklich aus dem Gespräch schlau werden.  
Die Art wie die beiden miteinander sprachen war kalt und oberflächlich.  
Nach einer halben Stunde fuhr sie wieder, um ihre Sachen ins Hotel zu bringen.  
Freundlich verabschiedete sie sich von Mel, bevor sie ging.  
„Darf ich sie etwas fragen?“ setzte Mel an, obwohl ihr bewusst war, dass sie eigentlich zu weit ging. - „Natürlich.“ - „Warum schläft ihre Tochter in einem Hotel, wenn sie herkommt? Ich weiß, dass es mich eigentlich nichts angeht, aber sie waren doch sowieso davon ausgegangen, dass Caro mit mir über ihre Familie gesprochen hat. Nun kann ich sie selber nicht mehr fragen...“  
Caros Mutter senkte den Kopf. „Es ist eine lange Geschichte und es fällt mir schwer darüber zu reden. Aber die Zeit hat es etwas leichter gemacht. Auch wenn Caro selber nicht darüber gesprochen hat, denke ich, es ist in ihrem Sinne, wenn du erfährst, wie ihre Vergangenheit war. Ich hatte immer den Eindruck, dass sie dich sehr gern hatte.“  
Langsam aber Stück für Stück berichtete sie von früher. Mel saß Stunden lang da und folgte ihren Worten, stellte zwischendurch immer mal wieder eine Frage, wenn sie etwas nicht verstand und hörte weiter zu.  
Es war bereits Abend, als sie aufbrach.  
Sie schlurfte die Straße entlang und fühlte die Kälte nicht, die sie in Nase und Ohren biss. Ihr Kopf zu zu voll mit den Gedanken über das, was sie eben erfahren hatte.  
Schließlich zog sie das Handy aus der Tasche.  
„Hi Schatz.“ - „Hallo, meine Kleine. Wie geht’s dir?“ begrüßte er sie besorgt. - „Nicht gut. Paddy, ich sag´s nicht gern, aber ich brauche dich. Tina ist zwar auch hier, aber sie ist doch selber so fertig.“ - „Ich ruf dich gleich zurück, okay?“ - „Ja, bis gleich.“  
Sie legte auf und rief Tina an, damit sie sie abholen würde.  
Sie wartete auf Paddys Rückruf, während sie weiter ging. Ihr Blick führte ins Leere, denn mit ihren Gedanken war sie immer noch ganz woanders.  
Plötzlich schaute sie auf.  
Ohne dass sie es gemerkt hatte, hatten ihre Füße sie in die Innenstadt getragen. Sie sah auf das kleine Haus am Ende der Straße, in dem sie aufgewachsen und bis vor wenigen Wochen noch gewohnt hatte.  
Wie gefesselt blieb sie stehen und starrte es an, bis sich auf einmal die Tür öffnete und jemand heraus kam.  
Schnell zog sie den Kopf ein und versteckte sich im nächsten Hauseingang. Sie fühlte sich nicht in der Lage, jetzt auch noch ihrer Mutter zu begegnen. Glücklicherweise lief diese in eine andere Richtung davon, wie sie feststellte.  
Sie zuckte zusammen, als ihr Handy klingelte.  
„So, Maus, ich mach mich auf den Weg.“ - „Wirklich? Das ist so lieb von dir! Ich weiß, dass ich viel von dir verlange.“ - „Du verlangst gar nichts. Ich hab gesagt, dass ich da, bin, wenn du mich dort brauchst, also komme ich auch.“ - „Danke. Ich liebe dich!“ - „Ich dich auch. Ich bin so schnell es geht bei dir.“ - „Okay. Fahr vorsichtig!“

Sie drehte sich um und ging schleunigen Schrittes die Ladenstraße hinauf und entfernte sich so von ihrem Elternhaus. Es war ein komisches Gefühl, aber irgendwie auch befreiend. So traurig die Tatsache auch ist, war es für den Moment einfach die beste Entscheidung.  
Nach einer Weile kam sie am Friedhof vorbei. Sie guckte schwermütig auf die nackten Äste der Bäume. Bald wäre Caro in ihrer Nähe.  
Noch wirkte alles trist und kahl passend zur gegenwärtigen Stimmung. Doch in wenigen Monaten wird alles wieder schön und grün sein und die Blätter werden im Wind rauschen. Ihr Herz erwärmte sich wenigstens ein bisschen bei dem Gedanken. Caro hätte es so gewollt. Hier sollte sie dann endlich ihren Frieden finden.  
Ihr Handy klingelte wieder.  
„Wo steckst du denn?“ hörte sie Tinas fragende Stimme. - „Oh..ähm am Friedhof. Ich bin ein bisschen durch die Gegend gerannt.“- „Denn kann ich hier ja lange warten. Dabei war ich sogar noch zu spät, weil ich nur langsam fahren konnte. Die haben Glatteis angesagt und mein Vater hat mich erstmal zu getextet, dass ich ja langsam fahren soll. Bleib einfach dort. Ich bin gleich da.“
„Und? Wie war´s?“ wollte Tina wissen, als Mel fünf Minuten später zu ihr ins Auto stieg. - „Schwer. Schwer und sehr traurig. Ich habe viele Dinge über Caro erfahren, die ich noch nicht wusste. Ich habe mich lange mit ihrer Mutter unterhalten.“ - „Das habe ich gemerkt. Habe schon angefangen, mir Sorgen zu machen.“  
Tina hätte gerne nach gehakt, aber wenn sie davon genauer berichten wollte, würde sie es von sich aus ansprechen.
„Dienstag ist die Beerdigung.“ fuhr Mel fort. „Sie hat mich gebeten, ein paar Ideen mit einzubringen.“ - „Und? Hast du welche?“ - „Ja, ich denke schon. Ich habe Caro als fröhlichen Menschen kennen gelernt. Sicher wurde sie –durch mich- sehr unglücklich in den letzten Wochen, aber von sich aus war sie immer so unbeschwert. Zumindest wirkte sie auf mich immer so.“ Sie schwieg einen Augenblick, als sie innerlich abdriftete.
Sie schüttelte den Kopf und erzählte weiter. „Ich möchte gerne auch ein paar fröhliche Aspekte einbringen. Und es soll nicht nur ein Bild im schwarzen Rahmen da stehen, sondern viele Caros sollen uns anlächeln. Niemand soll sie in trauriger Erinnerung behalten.“
Ihr reichte es schon, dass es ihr selber so ging und sie sich nur mühevoll die glückliche Caro vor Augen halten konnte.  
Tina musterte sie kurz von der Seite, bevor sie wieder auf die Straße blickte.  
„Du sagtest mir an meinem Geburtstag am Telefon, was passiert war. Du hast mächtig daran zu knabbern oder?“  
Mel nickte ohne zu antworten.  
Dann fuhr sie zusammen. „Dein Geburtstag! Ich hab dein Geschenkt zu Hause liegen gelassen!“  
Tina winkte ab. „Das ist jetzt doch völlig egal!“ - „Es tut mir trotzdem leid.“ - „Mach dir um solche Banalitäten jetzt nicht auch noch nen Kopf!“
„Hm...ich hab Paddy angerufen. Ich habe ihn gebeten her zu kommen.“ - „Und kommt er?“ - „Ja.“ Sie lächelte ein wenig. - „Das ist schön.“ - „Ja. Ich brauche ihn jetzt an meiner Seite. Er hatte es mir ja gleich angeboten, aber ich dachte, ich schaffe das alleine.“ - „Es ist so gut, dass du ihn hast. Dann schlaft ihr am besten in meinem Bett und ich lege mich auf das Gästebett.“ - „Danke, das ist nett.“
Es war bereits neun Uhr, stellte Mel fest, als sie bei Tina in die Küche traten.  
„Was willst du essen?“ fragte Tina sie. - „Gar nichts. Ich habe kein Hunger.“ - „Du hast heute doch gar nichts zu dir genommen!“ - „Ach was.“ - „Na, was hast du denn gegessen?“  
Mel dachte kurz nach. „Ein halbes Brot heute morgen.“ - „Siehst du! Du musst irgendwas essen. Dein Krümel muss doch wachsen.“  
Widerwillig sah Mel es ein und setzte sich an den Tisch. Lustlos schob sie die Spiegeleier in sich hinein, die Tina ihr vor die Nase gestellt hatte.  
Sagte Tina nicht etwas von Glatteis vorhin? Hoffentlich würde Paddy heil ankommen. Sie würde es sich nie verzeihen, wenn er einen Unfall hätte und sie Schuld wäre, nur weil sie unbedingt wollte, dass er zu ihr kam.  
Sie schaute erneut auf die Uhr über der Küchentür. Wenn alles gut ging, könnte er in zweieinhalb Stunden bei ihr sein.  
Wird schon, betete sie.  
Nach dem Essen ging sie unter die Dusche. Sie sah sich ihren Fuß an, der mitunter immer noch ziemlich weh tat. Doch meistens spürte sie ihn nicht. Die Wunde war nach wie vor offen. Mel trocknete den Fuß vorsichtig ab und klebte ein neues Pflaster darauf und wickelte erneut etwas Mull drum herum. Tina hatte sie mit allem versorgt, was sie brauchte.  
Müde ließ sie sich in das große Bett fallen.  
Tina war noch unten und sprach mit ihren Eltern. Als sie hoch kam, war Mel bereits eingeschlafen.  
Ein paar Haare kitzelten sie an der Nase, als sie aufwachte.  
Sie öffnete verschlafen die Augen und sah Paddy, der sich im Schein der Nachttischlampe gerade über sie beugte und ihr einen Kuss gab.  
„Hallo meine Süße.“ flüsterte er. - „Gott sei Dank, du bist heil angekommen! Schön, dich zu sehen!“ erwiderte sie leise. - „Wie geht es dir?“ - „Nicht gut. Und im Moment schrecklich müde.“ - „Ich leg mich gleich zu dir. Schlaf ruhig weiter.“ - „Wie bist du eigentlich rein gekommen?“ - „Tina hat mir einen Zettel hingelegt und ich habe den Schlüssel gefunden. Riskante Angelegenheit, aber es hat ihn ja der richtige gefunden.“ - „Wie spät ist es?“ - „Gleich zwei.“  
Er zog sich aus und kuschelte sich an sie.  
„Ich muss dir so viel erzählen...“ murmelte sie an seinen Oberkörper geschmiegt und war schon wieder eingeschlafen.

 

Der Wecker riss sie um kurz nach acht aus dem Tiefschlaf.  

Kommentar schreiben

Kommentare: 4
  • #1

    nicky (Freitag, 10 September 2010 09:40)

    hammer traurig :( vor sowas grauelt das mich auch noch!!!

    nach dem Frühstück geht es weiter mit Kapitel 34!

  • #2

    Die Micha (Freitag, 10 September 2010 15:32)

    Oh man! Echt traurig, damit habe ich ehrlich überhaupt nicht gerechnet! :-(

    OK Weiter geht's *schnief*

  • #3

    Pharell (Samstag, 11 September 2010 23:56)

    bin mir noch gar nicht so sicher das caro tot ist..mhhm

  • #4

    Katrinka (Samstag, 02 März 2013 21:36)

    Ich möchte gerne wissen,was Caros Mutter Mel alles erzählt hat.