Geburtstag

 

Mel war zwar schon einige Male auf Konzerten mit gewesen, aber erst jetzt merkte sie, wie anstrengend und Nerven aufreibend es war, eine komplette Tournee mitzumachen.  
Die Tage sausten nur so an ihr vorbei und von den Städten, in denen sie waren, sah sie kaum etwas. Meist hielten sie sich im Bus, der Halle oder dem Hotel auf, weil die Familie arbeiten musste oder sie sich lieber vor den Fans zurückzogen. Ständig lauerten sie vor den Türen oder Toren, immer darauf erpicht, Autogramme, Fotos oder wenigstens mal einen Blick erhaschen zu können. Mel hatte zwar nie den Kellys irgendwo nachgestellt, war aber trotzdem immer ein großer Fan gewesen.  
Jetzt stand sie hinten im Bus, wo die anderen einen Film guckten und schob mit zwei Fingern den Vorhang ein Stück zur Seite. Die Scheiben waren abgedunkelt, dennoch kam sie sich irgendwie beobachtet vor.  
Sie fuhren gerade auf den Platz einer Halle und das Bild, was sich ihr bot, war eine andere Welt. Es schien wie ein früheres Leben gewesen zu sein, dass sie einmal mitten in der Menge gestanden hatte.  
„Barby, gibt es etwas, was du zu deinem Geburtstag machen willst? Möchtest du etwas Schönes unternehmen? Immerhin sind es ja nur noch anderthalb Wochen.“ riss Patricia sie aus ihren Gedanken, indem sie das Schweigen unterbrach.  
Alle blickten nun zu Barby hinüber, die offenbar nachdachte.

Hm, ich weiß nicht. Wo sind wir dann überhaupt?“ fragte sie.

Patricia zückte ihren Terminkalender. „In Heidelberg. Für zwei Tage auch gleich.“ - „Heidelberg ist schön. Aber ich glaube ich möchte nichts machen. Ist im Prinzip doch eh ein Tag wie jeder andere.“ sagte sie leise. - „Barby, ist alles in Ordnung?“ - „Ja, sicher, warum denn nicht?“ Aber ihre Aussage passte so gar nicht, zu ihrem Verhalten. Mit hängenden Schultern stand sie auf und legte sich in ihre Schlafnische.

Patricia schaute ihr nach, dann wandte sie sich den anderen zu. „Sie gefällt mir schon seit längerem nicht. Habt ihr nicht auch das Gefühl, sie wird immer ruhiger?“ - „Ja,“ nickte Kathy nachdenklich. „Sie zieht sich immer mehr zurück. Weiß jemand warum?“

Doch ein Blick in die Runde zeigte ihr, dass alle nur ratlos den Kopf schüttelten oder die Schultern zuckten.

Vielleicht sollten wir uns mal wieder ein bisschen mehr um sie kümmern.“ schlug Jimmy vor. „Ist sie in letzter Zeit ein bisschen zu kurz gekommen?“ - „Gut möglich. Ich habe nichts mit ihr unternommen. Sam war ja meist da, als wir noch zu Hause waren. Und jetzt auf Tour habe ich sie kaum zu Gesicht bekommen.“ überlegte Maite. „Aber ich finde, wir sollten ihr eine kleine Feier vorbereiten. Auch wenn wir gerade nicht zu Hause sind.“ - „Das wäre doch schon mal keine schlechte Idee.“ fand Kathy. - „Ja, ich werde eine Torte organisieren. Und ihr könnt euch ja etwas für den Tag überlegen, was wir unternehmen können. Abends ist ja leider das Konzert, aber bis dahin können wir ja noch etwas machen.“

Alle nahmen sich vor, sich was zu überlegen und rafften sich auf, um zum Soundcheck in der Halle zu erscheinen.

Mel rief derweil bei Tina an. „Na Süße! Wie geht’s dir.“ begrüßte sie sie aufgedreht, als sie abnahm. - „Och, so ganz gut. Die Klausuren sind vorbei und ich plage mich nur noch ein bisschen mit der Vorbereitung für die mündliche Prüfung herum.“ - „Und wie liefen die?“ - „Alles bestens! Aber trotz der anstehenden mündlichen, habe ich das Gefühl in ein Loch zu fallen. Sonst hat man immer gelernt, wusste gar nicht wo man anfangen sollte, hatte ein schlechtes Gewissen, sobald man mal Pause machte und jetzt? Ich hab das Gefühl, die mündliche schaffe ich im Schlaf und dabei ist das noch eine ganze Weile hin.“ - „Ja, das glaube ich. Ist sicher komisch. Freut mich aber tierisch, dass du die schriftlichen Prüfungen gut hinter dich gebracht hast.“

Sie plauderten noch eine Weile, bis sich der Soundcheck dem Ende näherte. Tina ließ den anderen noch einen lieben Gruß ausrichten, bevor sie sich verabschiedete.

Barbys Geburtstag näherte sich mit großen Schritten und langsam manifestierten sich auch die Pläne der anderen. Sie wollten keinen großen Wirbel veranstalten, sondern nur ein paar Dinge machen, die Barby sicher gefallen würden.

Sie sollte eine neue Staffelei bekommen, weil die alte schon auseinander zu brechen drohte. Sie hatte die damals mal auf einem Flohmarkt gekauft, aber ihre Geschwister hatten beschlossen, jetzt muss was Neues her.

Angelo, hast du die Staffelei in deinem Schrank verstaut?“ zischte Paddy am Abend vor dem großen Tag, als Barby aus dem Umkleideraum auf die Toilette verschwunden war. - „Ja, hab ich. Ich habe Blut und Wasser geschwitzt, aber Johnny hatte sie einen Moment abgelenkt, dann bin ich schnell rein.“ - „Sehr gut!“ Dann drehte er sich suchend um. „Maite, du hast auch alles parat?“

Sie nickte. „Japp, der Caterer hat draußen alles in seinem Auto. Die Torte habe ich schon in der Teeküche im Kühlschrank gelagert.“ Es wurmte sie ein wenig, dass sie auf Tour nicht ihre Küche mitbringen konnte, um selber etwas zu zaubern, aber so waren nunmal die Umstände.

Sie hatten geplant, dass sie sich nach dem Konzert in aller Ruhe umziehen würden und die Zeit so lange hinziehen, bis es kurz vor Mitternacht wäre. Da das Konzert erst um halb neun losgehen würde, sollte das kein Problem darstellen.

Patricia hatte eine riesige Decke besorgt, die sie in der leeren Konzerthalle ausbreiten und dann ganz viele Kerzen rundherum aufbauen wollten. Auf der Decke wollten sie dann ein Mitternachtspicknick aufbauen.

Jimmy hatte eine CD mit Barbys Lieblingsliedern zusammen gestellt, die dann im Hintergrund laufen sollte.

Vincent hatte einen Babysitter für Sean organisiert und wollte mit Sam und Kira nach Heidelberg kommen.

Sie hatten sich gedacht, wenn Barby es für einen Tag wie jeden anderen halten würde, wollten sie ihr zeigen, dass es kein Tag wie jeder andere werden würde.

Der Babysitter ist da und die anderen beiden sind auch schon angekommen. Sie machen sich also gleich auf den Weg.“ klinkte Kathy sich ein, die noch ihr Handy in der Hand hielt, mit dem sie gerade noch telefoniert hatte.

Ist was los?“ fragte Barby misstrauisch, als sie vom Klo wieder kam und alle abrupt still wurden. - „Nönö.“ winkte Paddy ab. „Nur Lampenfieber.“ und grinste, als er sich umdrehte.

Sie schüttelte ihre Locken, zupfte noch einmal an ihrem Kostüm herum und lief Richtung Bühne.

Alle waren ziemlich aufgeregt, als sie ihr folgten, was aber nichts mit dem Konzert zu tun hatte. Sie freuten sich immer, wenn sie jemanden überraschen konnten und hatten jedes Mal Schwierigkeiten, lange genug den Mund zu halten, um nicht alles zu ruinieren.

Hervorragend gelaunt bestritten sie den ersten Teil des Konzertes.

Als sie in der Pause herunter kamen, war von Vincent und Konsorten noch keine Spur. Keiner war weiter beunruhigt, als Kathy ihn nicht erreichte. Nach einer kurzen Stärkung flitzten sie wieder zurück auf die Bühne.

Alle konnten es kaum abwarten, Barbys überraschtes Gesicht zu sehen.

Mel hatte das Konzert im Backstagebereich verfolgt, als ihr Handy klingelte. Sie winkte Tom zu sich heran, der nach einem kurzen, zum Teil hektischen Wortwechsel los rannte, jedoch nicht in die Richtung, die sie ihm gewiesen hatte.

Auf der Bühne war Kathy gerade dabei „The Rose“ zu singen, während Paddy am Keyboard stand.

Tom flitzte in geduckter Haltung zu ihm und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

Das Lied war fast vorbei und Paddy stand immer noch wie angewurzelt dort. Er starrte apathisch ins Publikum, als Kathy wieder zu ihrem Platz kam.

Paddy? Hey Paddy! Ist alles okay?!“ stieß sie ihn an. Die anderen Geschwister blickten schon zu ihm hinüber und wunderten sich, warum es nicht weiter ging.

Nein.“ murmelte er abwesend. - „Was ist denn passiert?“

Schließlich wandte er ihr den Blick zu. „Es geht los.“ - „Was?“ Sie verstand immer noch nur Bahnhof. - „Das Baby kommt!“ stieß er entsetzt hervor.

Kathy riss die Augen auf und sah reflexartig zum Backstagebereich. „Was? Und dann stehst du noch hier?“

Endlich war er wieder fähig sich zu bewegen und rannte hinter die Bühne, wo Mel sich mit einer Hand auf einen Tisch lehnte und mit der anderen ihren Bauch hielt.

Ihr Gesicht war schmerzverzerrt.

Paddy griff nach ihrer Hand, die auf dem Tisch lag und sie stütze sich nun auf ihm ab.

Au!“ brüllte er, als sie seine Finger mit aller Kraft zusammendrückte.

Tut mir leid.“ murmelte sie, als sich ihr Gesicht wieder ein bisschen entspannte. Dann fiel ihr Blick auf Tom. „Was machst du denn noch hier? Ich hatte dich doch los geschickt, um Vincent das Tor aufzumachen. Er hat doch eben angerufen, weil er doch keinen Backstageausweis hat!“ - „Ja, aber... als eben... naja, ich dachte, es ist besser, wenn ich Paddy hole.“ - „Jetzt lauf, bevor die wieder nach Köln zurück fahren!“ fauchte sie ihn an.

Tom nickte und rannte los.

Schatz bist du dir sicher?“ - „Womit?“ presste sie zwischen den Zähnen hervor. - „Dass es los geht.“ - „Nein, ich mach das hier nur zum Spaß!“ Sie stöhnte. „Ja, natürlich bin ich mir sicher! Die Fruchtblase ist geplatzt!“ - „Oh.....OH!“

In dem Moment kam Kathy von der Bühne gerannt. „Alles klar?“ - „Das Baby kommt!“ - „Ja, Paddy, das hatten wir gerade schon.“ Sie schmunzelte über den Anblick ihres völlig nervösen kleinen Bruders. - „Oh Mann und ich habe mein Auto nicht mit! Das Kind kommt und ich habe mein Auto nicht dabei! Ich habe den Führerschein bestanden und jetzt müssen wir doch mit Taxi fahren! Und wenn es zu lange braucht, bis es hier ist?! Oh Gott, am besten wir nehmen den Tourbus! Ja! Komm, Mel. Ab in den Bus!“ - „Jetzt hör auf, so einen Schwachsinn zu faseln! Du fährst nicht mit dem Bus vor der Klinik vor! Du darfst das Ding ja nicht einmal fahren!“ versuchte Kathy ihn zur Vernunft zu bringen. - „Dann hol Joey von der Bühne! Der kann das!“ - „Du kommst doch kaum voran mit dem Ding im Stadtverkehr!“

Paddy schluckte. „Du hast Recht! Wenn wir irgendwo nicht weiter kommen und ich bin mit Mel alleine... Also doch ein Taxi! Auuu!“ Eine erneute Wehe hatte Mel zum Quetschen seiner Hand gebracht.

Nein, kein Taxi. Ich fahre euch. Ich habe noch den Mietwagen hier. Meike ist ja immer damit hinterher gefahren.“ erklärte Jimmy schmunzelnd, der plötzlich hinter ihnen stand. - „Du fährst nicht! Du musst wieder auf die Bühne! Ist dort überhaupt noch jemand??“ protestierte Mel. Sie wollte nun nicht noch mehr Aufwand machen, als sowieso schon. Immerhin reichte es, wenn Paddy nicht mehr an der Show teilnahm.

Nun kam Tom mit Vincent, Sam und Kira an. Vincent realisierte sofort, was Sache war. „Ich fahre euch.“ - „Könntet ihr mal aufhören zu diskutieren und zusehen, dass mich irgendjemand weg bringt?? Und wenn es der Typ vom Getränkestand ist! Ich will jetzt ins Krankenhaus!“ - „Hey, ganz ruhig, Mel.“ Kathy tätschelte ihr lächelnd den Arm. „So schnell geht das nicht. Ihr habt noch genug Zeit.“

Paddy fuhr sich zittrig durch seine offenen Haare. „Okay, Vincent. Dann lass uns.“

Mit Mel in der Mitte gingen sie zum Auto. Zwei Mal mussten sie Pause machen, weil sie Wehen bekam.

Ist es normal, dass die schon so schnell hinter einander kommen?“ fragte Paddy Vincent unruhig. - „Hm, bei Kathy ging es damals nicht so schnell. Die hat beinahe ewig in den Wehen gelegen. Zumindest kam es mir so vor.“

Endlich hatten sie es ins Auto geschafft und nachdem sie drei Mal halten mussten, um nach dem Weg zu fragen, kamen sie endlich im Krankenhaus an.

Mel wieder zwischen sich traten sie an die Anmeldung in der Aufnahme.

Hallo. Was kann ich für sie tun?“ fragte die junge Schwester.

Paddy überlegte, ob sie noch Schülerin war. Wer sonst konnte so dämliche Fragen stellen? Mühsam schluckte er mindestens zehn fiese Sprüche hinunter, und atmete tief ein, um sich zu beruhigen.

Meine Freundin hat Wehen. Wir wollen einen Arzt.“ - „Waren sie schon einmal hier?“ fragte sie so gelassen wie zuvor. - „Nein, waren wir nicht.“

Nach schier endlosen Minuten wurden sie endlich weiter geleitet.

Mit den kürzer werdenden Abständen von Mels Wehen stieg Paddys Panik.

Möchten sie nun mit hinein?“ fragte die Hebamme, als er unschlüssig vor der Tür stehen blieb. - „Ähm, nein.“ antwortete er langsam, krampfhaft darauf bedacht, Mels Blick auszuweichen. - „Das könnte dir so passen! Du kommst mit rein!“ fauchte sie, nachdem gerade eine Wehe abgeflaut war. „Du hast mich in diesen Umstand gebracht, jetzt siehst du auch zu, wie ich da wieder raus komme! Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes!“

Die Hebamme sah ihn immer noch fragend an. „Ja, okay, ...dann komme ich wohl mit.“ stammelte er unglücklich. - „Warum nicht gleich so?“ grinste Mel, als er die Tür hinter sich schloss. Obwohl der Raum für ein Krankenhaus gar nicht ungemütlich war, empfand er doch ein beklemmendes Gefühl in der Brust.

Der Arzt kam und untersuchte Mel. „Ein bisschen dauert es noch.“ - „Kann man das nicht einfach raus holen?“ fragte Paddy verzweifelt. - „Ja, könnte man, aber solange es auf normalen Wege kommen kann, was hier der Fall ist, werden wir der Natur ihren Lauf lassen.“ erklärte er schmunzelnd.

Der Natur ihren Lauf lassen. Prima. In der Natur würde er jetzt auch lieber sitzen. Er wollte doch schon lange angeln gehen. Irgendwann musste er es doch lernen. Warum nicht jetzt? Mel bekommt das auch alleine hin.

Sie saß auf einem großen Ball, um sich ein wenig zu entspannen, als sie eine neue Wehe spürte.

Schatz, komm her!“ winkte sie ihn zu sich. - „Mel, sei nicht böse. Ich geh angeln.“ - „Du gehst waaas?“ - „Angeln. Bis später. Vinc ist draußen.“ - „Du hast doch nicht mehr alle Perlen auf der Schnur! Beweg deinen Arsch hier her, Paddy Kelly!“

Wäre er ein Hund, hätte er nun sicher gewinselt, so holte er nur tief Luft und gehorchte wortlos.

Sie griff nach seiner Hand und hielt ihre fest geschlossen. Zum einen um selbst ein bisschen Halt zu bekommen und zum anderen, damit er nicht doch noch flüchten konnte.

Oh Mann, es hatte viel mehr Spaß gemacht, das Kind zu zeugen, als es zu bekommen, stellte er fest, als er sie beobachtete.

Paddy, atmen. Einatmen, ausatmen. Das haben wir doch geübt!“ kicherte Mel, als sie sich wieder entspannt hatte.

Er schnappte nach Luft, als hätte er tatsächlich vergessen, wie seine Lungen funktionieren.

Er räusperte sich leise und grinste verkrampft. „Aber das ist eigentlich mein Part gewesen.“ - „Ja, aber wen du deinen Einsatz verpasst. Reiß dich mal zusammen, ich habe hier die anstrengendere Rolle von uns beiden.“

Sie hatte Recht. Es war seine Aufgabe, sie so gut er konnte zu unterstützen.

Als der Arzt zwei Stunden später nach ihr sah, entschied er, dort zu bleiben. „Ja, jetzt ist es gleich so weit.“ stellte er fest.

Paddys hart erkämpfte Entschlossenheit war mit einem Mal wieder verschwunden. Er konzentrierte sich mit aller Macht darauf, in Mels Gesicht zu sehen, dass sich immer wieder angestrengt verzog. „Schatz, ist alles in Ordnung?“ fragte sie leise zwischen zwei Wehen.

Er stand neben ihr, ihre Hand haltend, und war bleich, wie die Wand.

Ich habe dir, glaube ich, nie erzählt, dass ich kein Blut sehen kann, oder?“ - „Das ist jetzt nicht wahr, oder?“ - „Doch, leider schon.“ - „Das heißt, du willst mich jetzt wirklich allein lassen?“ - „Sei nicht böse. Nur einen ganz kurzen Moment. Bitte.“

Mel konnte nicht antworten, aber die Hebamme nickte ihm zu. „Es ist besser, wenn sie einen Augenblick frische Luft schnappen. Es nützt niemandem, wenn sie uns hier umkippen.“

Fluchtartig verließ er den Raum und traf draußen auf seine Geschwister.

Und? Ist es da?“ fragte Maite aufgeregt. - „Nein, noch nicht.“ - „Du bist aber blass! Bist du umgekippt?“ lachte Angelo. - „Nein, bin ich nicht! Ich wollte nur sehen, ob Vincent noch da ist. Und dann treffe ich auf euch alle!“ - „Ja, wir können doch nicht im Hotel herum sitzen.“ entgegnete Meike. - „Das ist lieb von euch. Aber Barby?“ - „Ich feiere meinen Geburtstag ein anderes Mal. Alle haben das so lieb für mich aufgebaut, aber ich hab doch auch keine Ruhe, während ihr im Krankenhaus seid.“ - „Alles Gute zum Geburtstag!“ Er nahm sie fest in beide Arme. „Tut mir leid, dass ich das ruiniert habe.“ - „Rede keinen Blödsinn. Du hast gar nichts ruiniert. Alles ist gut. Wirklich.“ lächelte sie. „Aber willst du nicht wieder hinein? Sonst kommt das Baby noch ohne dich.“

Da hätte er gar nichts gegen, grummelte er in Gedanken, ließ sich jedoch nichts anmerken. Die Blöße wollte er sich nicht geben.

Ja, ich bin dann mal wieder weg. Fahrt doch ruhig nach Hause.“ - „Nix da. Bis später.“ sagte Jimmy und gab Paddy einen kleinen Schubser Richtung Tür.

Mel hatte gerade eine Presswehe und Paddy ging widerstrebend zu ihr rüber. So sehr er sie auch liebte, er wollte um nichts in der Welt jetzt mit ihr tauschen. Unbewusst kniff er die Beine ein wenig zusammen. Manchmal war er wirklich froh, ein Mann zu sein.

Komm, Schatz, du hast es bald geschafft!“ Er stellte sich hinter sie und nahm diesmal beide Hände in seine.

Tapfer blieb er nun bei ihr, bis endlich ein breites Lächeln auf dem Gesicht der Hebamme erschien und Mel einen erleichterten Seufzer ausstieß.

Ein zartes Stimmchen erfüllte den Raum und trieben Paddy die Tränen in die Augen. Sein Blick, der eben noch auf Mels Gesicht fixiert war, wanderte blitzschnell zur Quelle hinüber.

Da stand die Hebamme und hielt sein kleines Baby in den Händen. Es war blutig und verschmiert, aber es war das Schönste, was er je gesehen hatte. Es war sein Sohn.

Auch Mel hatte den Kopf gehoben und strahlte mit tränennassen Augen auf das kleine Wesen.

Möchten sie die Nabelschnur durchschneiden?“ fragte die Hebamme und obwohl er selbst nicht wusste, was er tat, nickte er überglücklich.

Zitternd führte er die Schere, danach wurde Mel der kleine Junge auf den Bauch gelegt.

Und? Wie soll er heißen?“ fragte der Arzt neugierig.

Paddy und Mel sahen sich grinsend an und Mel wusste, dass sie gewonnen hatte.

Er stimmte ihr stumm zu, während er vorsichtig über die verklebten, dunkelblonden Haare des Krümels streichelte.  
„Merlin Michael Daniel“ sagte sie langsam und blickte in die tiefblauen Augen des Babys.  
Paddy stöhnte gespielt entsetzt. Über Merlin hatten sie ausführlich diskutiert, aber dass er weitere Namen bekommen soll, stand nie zur Debatte. „Das wird aber ziemlich anstrengend, ihn jedes Mal zu rufen.“ - „Du musst sie doch nicht alle verwenden. Es ist mir egal, welchen Namen du nimmst, nenn ihn meinetwegen Mike oder Danny, aber auf Merlin werde ich nicht verzichten. Er ist mein kleiner Zauberer.“  
„Das ist aber schon eher ungewöhnlich.“ meinte auch die Hebamme. - „Mag sein. Aber ich finde ihn schön. Und er hat ja auch noch den Namen seines Vaters und seines Großvaters. Er kann sich von mir aus später auch selber entscheiden, wie er sich anderen Leuten vorstellt. Und jetzt möchte ich nicht weiter darüber reden. Das können wir nachher machen.“
„Das stimmt.“ gab ihr die Hebamme Recht. „Sollen wir das Baby jetzt baden?“  
Mel überlegte kurz. „Ja, es sind vermutlich eine Menge Verwandte da, die dich gleich kennen lernen wollen.“ sprach sie mehr zu dem Würmchen auf ihrem Bauch als zu ihr, dann reichte sie ihn rüber.  
„Möchten sie das machen?“ fragte sie an Paddy gewandt?“ - „Ähm, ne, lieber nicht. Nachher lasse ich ihn noch fallen. Ich denke, ich schau mir das erstmal in Ruhe an.“  
Seine Gedanken wanderten zurück zu dem Tag, als sie sich mit Lena gestritten hatten und er sagte, er könne mit Kindern umgehen. Der Meinung war er auch, aber es war jetzt doch schon ein bisschen her, dass Sean so klein gewesen war und irgendwie fühlte er sich nun wieder ziemlich unbeholfen.  
Der Zwerg wurde rasch vermessen und dann in eine kleine Wanne gelegt.  
Neugierig sah Paddy zu, wie Merlin sein erstes Bad nahm.  
Dann half er dabei, ihm einen winzigen Strampler anzuziehen. Fasziniert betrachtete er die kleinen Füßchen und zierlichen Finger. „Na kleiner Mann. Du konntest es wohl gar nicht mehr erwarten, in die Großfamilie zu kommen, was?“ Sanft strich er über die Händchen und betrachtete sie genau. Mel war sich nicht sicher, ob er nicht doch noch einmal durch zählte, als sie ihn lächelnd beobachtete.  
Die Schwester wickelte Merlin in eine Decke und legte ihn Paddy in den Arm.  
„Geh ruhig und zeig ihn den anderen.“ sagte Mel leise, wie sie seinen unsicheren Blick sah.  
Mit dem Ellbogen öffnete er vorsichtig die Tür, weil er keine Hand von dem Kleinen lassen wollte und streckte seinen Kopf hinaus.  
„Ist er...ja! Da ist er ja!“ rief Patricia und rannte stürmisch auf ihn zu.  
Von allen umringt präsentierte der stolze Vater seinen Erstgeborenen. „Darf ich euch vorstellen...Merlin Michael Daniel Kelly.“ - „Och, das ist aber lang. Vor allem für so ein kleines Kerlchen.“ kicherte Angelo. - „Jetzt fang du nicht auch noch an. Das kannst du mit Mel ausmachen. Die hat sich das so in den Kopf gesetzt. Und er wird ja noch wachsen.“ - „Ja, das haben wir bei Angelo auch gedacht.“ stichelte Maite und ging sicherheitshalber schon mal auf Abstand. - „Was soll denn das heißen?!“ beschwerte sich dieser auch sogleich. - „Ach, du wirst schon auch noch ein Stück größer werden.“ Patricia tätschelte ihm den Kopf, was er mit einer ausweichenden Bewegung abwehrte.  
„Na, dein Wort in Gottes Ohr...“ flüsterte Maite grinsend. - „Könntet ihr mal aufhören, mich zu verarschen?“ schimpfte Angelo grimmig. „Schaut euch doch lieber mal unser neues Familienmitglied an!“  
Aber kaum einer außer ihm hatte überhaupt ein Auge von ihrem Neffen genommen.  
„Er ist so süß!“ murmelte Barby verzückt. „Und er hat mir mir an einem Tag Geburtstag!“ - „Ich will auch so einen!“ seufzte Maite. - „Das werdet ihr mal hübsch bleiben lassen!“ ermahnte Kathy sie und sah erst sie und dann Sam eindringlich an. - „Hach, aber er ist wirklich bezaubernd.“ schwärmte Patricia.  
Kathy hatte ihren Blick ebenfalls wieder auf den Nachwuchs gerichtet. „Paddy, er sieht aus wie du!“ - „Findest du?“ Er war zwar hin und weg von seinem Sohn, konnte aber keine Ähnlichkeit feststellen. So etwas lag ihm noch nie. - „Ja, absolut. Nur die Nase...die hat er offenbar von Mels Seite.“  
Paddy schien noch ein Stück größer zu werden und mochte ihn gar nicht hergeben, als Kathy ihn auch einmal auf den Arm nehmen wollte. „Aber nicht fallen lassen!“ warnte er sie überflüssiger Weise.  
„Oh, er ist eingeschlafen.“ stellte sie fest. „War aber auch aufregend, was Kleiner?“ Dann wandte sie sich zu Paddy. „Dabei ging es ja doch relativ schnell. Ich habe mit Sean damals über zwölf Stunden in den Wehen gelegt.“  
Er verdrehte die Augen. „Mann gut, du erzählst mir das jetzt erst. Das hätte ich nie solange durchgehalten...“  
Schließlich gingen sie zu Mel, die mittlerweile in einem Zimmer lag. Paddy legte Merlin behutsam in ihre Arme, ohne dass er aufwachte.  
„Gratuliere!“ begrüßten die anderen Mel leise, nachdem sie sich komplett ins Zimmer gequetscht hatten.  
„Wie fühlst du dich?“ fragte Patricia. - „Gut. Doch eigentlich ganz gut. Nur ziemlich müde.“ winkte sie mit dem Zaunpfahl. Sie fand es schön, alle bei sich zu haben, aber noch mehr freute sie sich auf eine gehörige Mütze Schlaf.  
So verließen alle das Krankenhaus, um auch ihre Betten aufzusuchen.  
Nur Paddy blieb. Er zog sich einen Stuhl heran und legte seinen Kopf neben ihr auf´s Bett. "Ich liebe dich!" flüsterte er. - "Ich dich auch." lächelte sie überglücklich und totmüde.

Ein Handyklingeln holte Paddy morgens aus dem Schlaf. Es kam aus dem Kleiderschrank, wie er feststellte, als er dem nervigen Ton nachging. Nach kurzem Wühlen fand er es in ihrer Hosentasche.  
„Hallo?“ fragte er immer noch ziemlich verschlafen. Sein Rücken fühlte sich an wie gerädert und doch war er immer noch der glücklichste Mann der Welt, als sein Blick zu der Krankenhauswiege wanderte, in der Merlin friedlich vor sich hinträumte.  
„Hi Paddy? Hier ist Lena.“ - „Ach hallo.“ - „Ich habe Tina vorhin in der Stadt getroffen. Sie hat mir erzählt, dass Barby heute Geburtstag habe. Richtet ihr doch bitte ganz liebe Grüße aus.“ - „Ja, mach ich.“ - „Ist Mel in der Nähe?“ - „Schon, aber die schläft noch. Sie ist noch ziemlich fertig. War eine lange Nacht.“ So langsam konnte er sich das Grinsen nicht mehr verkneifen. - „Wie? Lange Nacht? Paddy, du kannst sie nicht in ihrem Zustand über die Meile schleppen! Schlimm genug, dass sie mit euch auf Tour ist. Bald ist doch der Stichtag! Du musst ein wenig Vernunft annehmen!“ - „Mir ist egal wann der Stichtag ist.“ - „Was? Oh Mann, ich wusste es war ein Fehler sie mitziehen zu lassen...“ - „Lena?“ versuchte er sie zu unterbrechen, aber sie sprach einfach weiter und begann sich gerade in Rage zu reden. „Nein, Paddy! Vielleicht ist es doch das Beste, wenn sie wieder nach Hause kommt.“ - „Lena.“ - „Ich meine, wenn euch so der Sinn für Verantwortung fehlt...“ - „Lena!“ - „Was denn??“ - „Das Baby ist da! Es ist letzte Nacht gekommen und alles ist gut, okay?“ kicherte er. - „Oh.“ - „Ja, Merlin liegt hier neben mir und schläft ganz ruhig.“ - „Gratuliere! Und da sagt mir keiner Bescheid?“ - „Naja, Großeltern sollte man nicht aus dem Bett holen. Die brauchen ihren Schlaf.“ - „Hey, nun werde mal nicht frech.“ lachte Lena jetzt. „Aber Moment...Merlin?“ - „Jip, Mel...“ - „Ich hätte es mir denken können. Das sieht ihr wieder ähnlich.“ - „Stimmt, aber er ist wirklich bezaubernd. Ihr müsst ihn unbedingt bald mal kennen lernen!“ - „So schnell es geht!“ - „Oh, Mel wacht gerade auf. Hier...Lena ist dran.“ Er reichte das Telefon weiter.  
„Hallo Mama!“ - „Ja ebenfalls.“

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Kommentare: 13
  • #1

    Bella (Freitag, 25 September 2009 17:32)

    Also so wehleidig stelle ich mir Paddy eigentlich nicht vor :-)

  • #2

    nicky (Samstag, 11 September 2010 08:40)

    ich kann mir das gut vorstellen bei ihm ;)

    aber Merlin???? also ich würde da die ganze zeit an dem Zauberer denken...naja auch wenn sie sich das schon gedacht hätte oder ihn extra deswegen so genannt hat!naja mein Kind würde ich nicht so einen Namen geben! ;) aber der 2. und 3. Name find ich respektvoll von ihr und eine schöne wahl!gerade der name von dem Vater von Paddy! weiter gehts mit Kaoitel 46!

  • #3

    Die Micha (Samstag, 11 September 2010 11:39)

    Oh wieder Pipi in den Augen, echt schööööön!!! :-)
    Och, da ging mir mein Herzchen auf! :-)

    Und Merlin finde ich jetzt nicht soooo schlimm. Es gibt schlimmere Namen, außerdem finde ich passt es zu Kelly! :-)

  • #4

    melsgesammeltekatastrophen (Samstag, 11 September 2010 11:44)

    Ja eben er heißt ja auch Merlin, weil er ihr kleiner Zauberer ist. Und das erste, was er gemacht hat, ist allen ein Lächeln afs Gesicht gezaubert. :)

    Schööön, Micha, dass du so mitfühlen konntest. *yahoo*

  • #5

    Pharell (Sonntag, 12 September 2010 18:59)

    oh man ich mag nun gar nicht weiter lesen..es wurde in ein forum mal was angedeutet wegen merlin...:-((((

  • #6

    Lisa (Montag, 13 September 2010 22:04)

    ohhhhh ist das schön! *.*

    Aber wisst ihr was...
    wenn ich das so lese, ist es wirklich schade,dass ihm dieses glück wohl auf ewig verwert scheint...
    :((((((((((((

  • #7

    Bella (Dienstag, 06 September 2011 22:29)

    "Ich geh angeln. [...] Bis später!" lol
    :-))))

  • #8

    kelfanaeffchen95 (Donnerstag, 10 Januar 2013 21:56)

    tolles kapitel :)
    und den Namen finde ich jetzt auch nicht sooo schlimm, hätte schlimmer sein können ... bis jetzt mein lieblingskapitel . so viele tolle dinge mit einmal, paddy und mel werden eltern und barby hat auch gleich ein tolles b-day geschenk bekommen - einen neffen . <3

  • #9

    Resa (Donnerstag, 17 Januar 2013 20:41)

    da wo mel gesagt hat, mein kleiner zauberer erinnert mich das ein wenig an: hey paddy, zeig mir mal deinen zauberstab von roses of red XD

  • #10

    Katrinka (Sonntag, 03 März 2013 20:48)

    "Der Natur ihren Lauf lassen. Prima. In der Natur würde er jetzt auch lieber sitzen. Er wollte doch schon lange angeln gehen. Irgendwann musste er es doch lernen. Warum nicht jetzt? Mel bekommt das auch alleine hin."

    Oh oh, böser Gedanke, Paddy :-)

    Ich kenne die Geschichte ja leider schon, ab jetzt werde ich vorsichtig sein, damit ich rechtzeitig ein paar Kapitel überspringen kann - so kann ich wochenlang nicht mehr schlafen....

  • #11

    Micha (Freitag, 29 März 2013 17:56)

    Tränen gelacht mal wieder...er geht angel...ich lach mich schief und dann kam vor rührung echt die tränen als er seinen kleinen merlin seine geschwister vosrstellte...superschöööön....

  • #12

    Marie (Dienstag, 02 April 2013 12:54)

    oh wie tollllliii *-*

  • #13

    Emma (Donnerstag, 07 Januar 2016 21:45)

    Bin gespannt wann er sein erstes baby bekommt!