Take My Hand

 

Mel saß nach dem Frühstück mit Merlin auf dem Arm auf einem Sofa in einem Duisburger Hotel.

„Willst du mit zum Konzert?“ fragte Pad sie zwinkernd, als sie aufbrechen wollten. - „Nein, eigentlich eher nicht. Aber schönen dank.“ antwortete sie bissig, grinste aber. - „Nein, ich meinte doch nur mit zum Soundcheck.“ - „Weiß nicht. Ich bin noch so müde.“ - „Du kannst dich ja dort noch etwas hinlegen.“ - „Ja, klasse. Auf der Bühne, oder was?“ - „Wenn du unbedingt willst.“ kicherte er.

Mel grübelte. Sie waren zwar erst den zweiten Tag wieder unterwegs, komischerweise fühlte sie sich trotzdem schon wie nach einer sechswöchigen Reise.

Doch sie nickte. „Okay, ich fahre mit.“

In der Halle angekommen, legte sie sich auf eine dicke Decke, die sie mitgebracht hatte und hörte dem Soundcheck zu. Merlin lag auf ihrem Bauch und unter ihrem Kopf war ein dickes Kissen.

Die Augen fielen ihr fast zu, als Barby auf der Bühne ein paar Tanzschritte probte. Schließlich konnte sie nicht mehr dagegen ankämpfen und begann leise zu schnarchen. Selbst die laute Musik konnte sie nicht davon abhalten, weg zu dämmern.

Kathy belächelte sie von oben herab und stieg hinunter, um den Kleinen an sich zu nehmen und auch davon wurde sie nicht wieder wach.

Erst als es still um sie herum wurde, blinzelte sie zwischen ihren Lidern hervor. Die Halle hatte keine Fenster und die große Hallenbeleuchtung war ausgeschaltet.

Sie drehte sich ein wenig und sah die Kellys im Schatten auf dem Bühnenrand sitzen, bevor sie die Augen wieder zu machte.

„Mel.“ Paddy räusperte sich und sprach diesmal durch das Mikro. „Mel, du bist so süß.“ - „Hm.“ brummte sie im Halbschlaf und hob den Kopf ein Stück an.

Erst jetzt realisierte sie, dass sie offenbar geschlafen hatte.

„Ich bin gar nicht süß.“ widersprach sie leise. - „Doch, bist du. Die ganze Musik und Diskussionen bringen dich nicht aus der Fassung und du schläfst in aller Ruhe, aber wenn es drei Minuten lang ruhig wird, fängst du an dich zu regen.“ - „Haha, sehr witzig.“ Sie lag immer noch auf dem Rücken und richtete etwas auf, indem sie sich rückwärts auf die Ellenbogen stützte.

Nur ein einziges kleines Licht war auf der Bühne an, in dem Paddy ein Stück von seinen Geschwistern entfernt auf der Kante eines Verstärkers saß und sie beobachtete.

Den Kopf in seine Richtung gewandt, schloss sie die Augen wieder. „Lass mich doch einfach noch etwas pennen, ja? Weck mich kurz vor dem Einlass.“ Sie wollte sich gerade wieder hinlegen, als er weiter sprach.

„Schatz, hörst du mir mal bitte zu.“

Maite kicherte von der Seite, doch Mel achtete nicht auf sie.

„Paddy, was ist denn?“

Verschlafen setzte sie sich hin, knüllte das Kissen auf ihrem Schoß zusammen und stützte sich darauf.

Er summte vor sich hin und begann leise zu singen.

„I'll take your hand, I need my girl friend
I'll take your hand, I need my Merlin
I'll take your hand, we need each other
No need to walk the road alone
No need to walk the road alone.“

„Oje, du Spinner.“ kicherte sie und schlug sich theatralisch die Hand vor die Stirn.

Doch Paddy ließ sich nicht beirren und holte tief Luft.

„Mel, willst du mich heiraten?“ - „Was?? Das ist doch wohl ein Scherz!“ Sie blinzelte ihn ungläubig an, während ihr die Kinnlade runter fiel. - „Ähm, naja...“

Fahrig fuhr er sich durch die Haare, während sie aufgestanden war und sich langsam auf ihn zu bewegte.

„Eigentlich war das kein Scherz.“ murmelte er verlegen.

„Hast du überhaupt darüber nachgedacht, was du da gerade sagst?!“ fragte sie immer noch ziemlich perplex und kletterte zu ihm auf die Bühne.

Er schwieg und begann zittrig in seinen Taschen zu wühlen.

„Mist, falsche Hose...“ schimpfte er leise und blickte Hilfe suchend zu Angelo hinüber. Dieser sprang hastig auf und kehrte keine Minute später wieder aus der Umkleide zurück. Er flitzte zu Paddy, der immer noch nervös grinsend vor Mel stand, und drückte ihm etwas in die Hand, bevor er sich wieder zu seinen übrigen Geschwistern gesellte.

Paddy räusperte sich erneut und hielt Mel ein kleines Kästchen unter die Nase.

„Oh mein Gott! Du hast tatsächlich darüber nachgedacht!“ stieß sie atemlos hervor. „Du meinst das wirklich ernst!?“ - „Ja, Mel, ich meine es ernst. Ich habe noch nie etwas so ernst gemeint. Wir haben schon so manche Katastrophe miteinander überstanden. Ich werde dich immer lieben. In guten wie in schlechten Zeiten. Willst du das auch?“

Sein Gesicht nahm einen leicht ängstlichen Ausdruck an, als er auf ihre Antwort wartete. Die Sekunden schienen wie Minuten, nein, wie Stunden zu verstreichen. Zeit, die ihm unendlich erschien.

Mel sah ihn an und dann fiel ihr Blick auf seine Familie, die immer noch völlig starr am Rand der Bühne saß und jetzt wie gebannt an ihren Lippen hing.

Paddy musterte ihre Mimik und schickte ein Stoßgebet nach dem anderen zum Himmel. Bitte...lass sie „Ja“ sagen! Bitte...lass kein „Nein“ diese Lippen verlassen, wenn sie sich öffnen!

Mel versuchte krampfhaft, ihre Gedanken zu ordnen, als sie sich wieder zu ihm wandte und in seine Augen schaute.

„Also verstehe ich das richtig, dass du willst, dass ich auf ewig an diese Zigeunerfamilie gebunden bin? Dass ich möglicherweise von durchgeknallten Fans attackiert werde? Dass ich wahrscheinlich immer mal wieder in den Zeitungen auftauchen werde? Dass ich eigentlich nicht mit dir gemeinsam auf die Straße gehen kann, ohne angesprochen zu werden und es mir so kaum möglich sein wird, ein normales Leben zu führen?“ Sie blickte ihn herausfordernd an und sein Gesicht wurde immer länger.

„Naja, wenn du es so willst...ja. Wobei ich eigentlich eher daran dachte, dass du den Rest deines Lebens mit mir einschlafen und neben mir aufwachen wirst. Dass du mit mir immer jemanden haben wirst, wo du dich anlehnen kannst. Dass du, ich und Merlin eine Familie sind. Dass du ganz offiziell mein bist! Meine Prinzessin.“ - „Gut, das rückt das Ganze natürlich in ein etwas anderes Licht. Ich muss darüber nachdenken und das Für und Wider abwägen...“

Wenn Paddys Gesicht gerade schon lang war, gab es jetzt keinen Ausdruck mehr dafür. „Ja, okay, ist in Ordnung.“ stammelte er und ließ die Hände sinken, in denen er nach wie vor die kleine Schatulle hielt.

Er ließ den Kopf hängen, doch seine Augen ruhten gerade lange genug auf ihr, dass er noch mitbekam, wie sich ein breites Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete.

Sie verschränkte die Arme und schielte ihn kiebig von unten herauf an. „Ja! Natürlich will ich dich heiraten, du Idiot! Wenn nicht dich, wen dann?“

Jubel brach aus, als Paddys Geschwister aufsprangen und auf sie zu rannten, doch nichts davon drang an seine Ohren.

Sie hatte „Ja“ gesagt! Tatsächlich „Ja“!

Er sprudelte über vor Glück, als er sie hoch hob und im Kreis herum wirbelte. Er zog sie fest an sich und küsste sie zärtlich. „Oh, ich liebe dich!“ flüsterte er in ihr Ohr. - „Ich liebe dich auch!“ erwiderte sie strahlend, aber dann sah sie ihn skeptisch an. „Aber Schatz, ich bin doch keine Prinzessin!“ - „Für mich schon. Hey und wir ziehen auf ein Schloss, du musst also folglich eine Prinzessin sein.“ schmunzelte er. - „Hm, da ist was dran.“

Er schüttelte glucksend den Kopf. „Dass man auch immer erst alles mit dir ausdiskutieren muss...Hättest du nicht einfach gleich „Ja“ sagen können?!“ kicherte er. - „Das wäre ja langweilig.“ grinste sie zwinkernd und küsste ihn wieder.

„So und nun lass mich endlich mal sehen!“ rief sie aufgeregt und er hielt ihr die schwarze Samtschachtel erneut hin.

In ihr steckte ein wunderschöner zierlicher Silberring mit einem einzelnen Stein drin. Eine feine Maserung fasste ihn ein und Mel fand ihn einfach hinreissend! Schweigend bestaunte sie ihn.

„Wenn er dir nicht gefällt..“ setzte Paddy an. - „Doch! Er ist traumhaft! Danke!“ unterbrach sie ihn und wieder küssten sie sich hingebungsvoll.

„He, Leute! Wir wollen auch mal gratulieren!“ mischte Maite sich ein, während die anderen brav daneben standen und abwarteten.

Mel schwebte den Rest des Tages auf Wolke sieben und auch Paddy hatte Schwierigkeiten, sich auf das Konzert am Spätnachmittag zu konzentrieren. Wie in Trance überstand er den Auftritt und nachdem sie am Abend alle gemeinsam auf die Verlobung angestoßen hatten, fielen beide totmüde ins Bett.