Kartons, Kisten und Geschichten

 

Der Umzug war mittlerweile in vollem Gange.  
Die Kellys hatten aus Angst vor Souvenirjägern keine große Firma beauftragt, sondern einen LKW gemietet und nur wenige Freunde um Hilfe gebeten.  
Die zweite Tour war gerade in Gymnich angekommen, als sie auf den Hof fuhren.  
Mel ging mit dem Kleinen nach oben in ein Zimmer, wo Paddy die Wiege hinein gestellt hatte. Ursprünglich hatte er eine neue kaufen wollen, doch Mel bestand darauf, die alte von Sean zu behalten. Abgesehen von der Tatsache, dass sie es für unnötig hielt, eine neue anzuschaffen, fand sie sie aber auch zu schön mit dem Weidengeflecht und dem hellen Stoff, der über dem Kopfende hing und mit dem man die gesamte Fläche abdunkeln konnte.  
Sie stellte ein Babyfon daneben und ging mit dem Empfangsteil wieder nach draußen, wo Paddy die anderen Jungs inzwischen beim Tragen unterstützte.  
Ächzend schleppten sie in der Mittagssonne einen Karton nach dem anderen nach drinnen oder verteilten sie in den Schuppen.  
Nach einigen Stunden hatten sie es geschafft und alles war sicher verstaut.

Paddy setzte sich unter einen Baum und wischte sich schnaufend den Schweiß von der Stirn, als Joey mit einer Kiste Bier auf dem Hofplatz erschien.  
Alle stießen an und sie dankten ihren Helfern, indem sie den Grill anschmissen und sie sich noch einen gemütlichen Abend machten.  
Sie hatten provisorisch ein paar Matratzen wahllos auf die Zimmer verteilt, so dass sie alle etwas hatten, worauf sie erschöpft einschlafen konnten.  
Am nächsten Morgen wurde Mel von Merlins Gequake aus dem Schlaf gerissen. Nachdem sie ihn gewickelt und gefüttert hatte, ging sie mit ihm und Morla eine Runde durch den hauseigenen Park.  
Als sie sich wieder dem Schloss näherte, waren die anderen bereits in einer regen Diskussion bei einer Art Frühstückspicknick auf dem Rasen.  
Es ging um die Zimmeraufteilung und die war alles andere als einfach.  
Am Ende bekamen Paddy, Mel und Merlin die drei Zimmer, auf die sie von Anfang an ein Auge geworfen hatten, Jimmy und Meike wollten zwei Zimmer und die meisten anderen begnügten sich jeweils mit einem.  
Mel war glücklich über das Ergebnis, wunderte sich aber, dass niemand sonst seine Ansprüche auf die in ihren Augen traumhaftesten aller Räume geltend machen wollte.  
Aufmerksam hatte sie immer wieder zu Kathy geschaut, die während der Debatte ungewöhnlich zurückhaltend und insgesamt seltsam still gewesen war.  
„Was ist los?“ fragte sie schließlich neugierig.  
Kathy räusperte sich, um offenbar einen kleinen Kloß aus ihrem Hals zu verscheuchen. „Ich...ich brauche auch nur zwei Zimmer.“ - „Wieso?“  
Sie schwieg einen kurzen Moment und kämpfte ein wenig mit sich. „Vincent und ich haben uns getrennt. Er ist nicht zu seinen Eltern gefahren, um sie zu besuchen. Er ist ausgezogen.“ erklärte sie traurig.  

Wieso hast du nichts gesagt?“ wollte Barby wissen. - „Es hat sich irgendwie nie ergeben. Außerdem musste ich es selbst erst mal realisieren und verdauen.“ - „Aber wie ist es dazu gekommen? Gab es Streit? Das renkt sich bestimmt wieder ein.“ Maite konnte es einfach nicht fassen und klammerte sich wie meist an ihren Optimismus.  
Kathy schüttelte den Kopf. „Nein, es gab keinen Streit, zumindest nicht direkt. Wir haben uns einfach nichts mehr zu sagen, das war einer der Gründe, warum wir uns immer mehr auf die Nerven gegangen sind und schließlich nur noch unfreundliche Worte ausgetauscht haben. Das Interesse und die Toleranz dem anderen gegenüber sind einfach verschwunden.“  
Ihre Stimme zitterte als sie erzählte. Sie hatte Mühe, ihre Fassung nicht zu verlieren.
"Es wurde unerträglich und so habe ich beschlossen, die Scheidung einzureichen."  
Patricia setzte sich zu ihr und legte behutsam den Arm um sie. „Du wirkst aber nicht glücklich mit der Entscheidung.“ - „Es ist aber die richtige. Trotzdem ist es schwer, sich von seinem langjährigen Partner zu trennen. Vor allem, wenn man ein gemeinsames Kind hat.“ - „Ja! Was ist mit Sean?“ warf Mel ein. - „Er weiß es noch nicht. Er denkt nach wie vor, sein Dad sei im Urlaub. Ich wusste nicht, wie ich es ihm beibringen sollte. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er es überhaupt schon begreift.“
Vincent war ein paar Tage vor Ende der Tournee verfrüht abgereist und hatte Sean bei seiner Mutter gelassen. Sie waren alle, bis auf Kathy natürlich, davon ausgegangen, dass er einfach nur für ein paar Wochen weg war. Mit so etwas hatte keiner gerechnet.  
Die eben noch so heitere Stimmung war schlagartig sehr bedrückt.  
Alle hatten viele Fragen auf der Zunge, doch Kathy wirkte nicht so, als ob sie noch mehr darüber sprechen wollte. Zumindest vorerst nicht. Als könnte sie die Gedanken ihrer Geschwister hören, stand sie auf und guckte unglücklich in die Runde. „Lasst uns ein anderes Mal reden. Ich möchte gern ein bisschen meine Ruhe haben.“  
Maite nickte ihr zu. „Ist doch völlig in Ordnung. Ich werde ein Auge auf Sean haben, dann hast du  etwas Zeit für dich.“  
Selbst nachdem Kathy ins Haus gegangen war, besserte sich die Laune der anderen nicht.  
Fast flüsternd überlegten sie, was ihnen in letzter Zeit an der Beziehung der beiden aufgefallen war, aber jeder einzelne musste erschrocken feststellen, dass er derzeit zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen war. Keiner hatte mitbekommen, wie sehr Kathy sich in den letzten Monaten verändert hatte.  
Irgendwann rafften sich die ersten auf, um ihre Kisten in ihre neuen Zimmer zu schaffen. Mel und Pad waren unter ihnen.  
Joey erbarmte sich und sprang für Mel ein, da sie nach kurzer Zeit schlapp machte und auch Merlin aufgewacht war.  
Gute zwei Stunden später konnte er sich endlich seinen eigenen Sachen widmen.  
Die gemeinschaftlich genutzten Zimmer sowie Küche und Bäder waren für sie hergerichtet worden, aber die Privaträume konnten sie sich selber gestalten.  
Ursprünglich war alles sehr nobel eingerichtet gewesen und einige hatten es auch so übernommen, aber Mel hatte sich damit nicht anfreunden können. Und weil Paddy seiner Verlobten fast nichts abschlagen konnte, hatten sie bereits im Vorfeld überlegt, was sie anschaffen wollten.  
Die Möbel waren mittlerweile geliefert worden und nun begann Paddy mit Jimmys Hilfe, zwei Schränke aufzubauen.  
Der erste war kein Problem, aber der zweite stellte sie vor ungeahnte Rätsel.  
„Das Teil kommt da hin!“ kommandierte Pad über den Rand einer Bauanleitung hinweg und zeigte auf die Seite eines auf dem Boden liegenden Brettes, an dem bereits weitere Elemente befestigt waren. - „Sag mal, hast du ´nen Sockenschuss oder hältst du den Zettel verkehrt herum?!“ fragte sein Bruder leicht gereizt. - „Mann, das ist doch ganz offensichtlich!“ Paddy warf den Plan hin und kniete sich vor die Konstruktion auf den Boden. Zielstrebig griff er nach dem fehlenden Stück und versuchte es an seinen Platz zu bringen.  
„Siehst du! Das passt nicht!“ keifte Jimmy rechthaberisch grinsend und verschränkte die Arme.  
„Au! Mist!“ fluchte Pad, als alles in sich zusammenfiel und seinen Daumen traf.  
Mit schmerzverzerrtem Gesicht presste er die andere Hand auf die Kaputte und schimpfte weiter wie ein Rohrspatz.  
„Was ist los? Gibt es Verletzte?“ rief Mel, die durch den Lärm angezogen worden war. Ursprünglich war es scherzhaft gemeint, doch nun beugte sie sich besorgt zu ihrem Freund hinunter. „Hey Schatz, alles okay?“ - „Sieht das so aus? Nein, verdammt, ich habe mir den Finger gequetscht!“ presste er zwischen den Zähnen hervor.  
Jimmy stand kichernd daneben. „Den Daumen, Paddy. Das ist kein Finger.“ - „Ist es wohl! Er ist schließlich an meiner Hand!“ - „Dein Arm ist auch irgendwie an deiner Hand...“ stellte Jimmy vorwitzig fest.  
Mel stöhnte genervt. „Könnt ihr vielleicht mal aufhören so schwachsinnige Diskussionen zu führen?! Zeig mal her.“ forderte Mel Pad auf und legte seine Hand auf ihren Schoß.  
Widerwillig öffnete er sie, wobei der pochende Schmerz schlagartig wieder so zunahm, dass er einen zischenden Laut ausstieß.

Der Daumen blutete leicht und begann bereits anzuschwellen.  
„Kannst du damit überhaupt Gitarre spielen?“ - „Muss ich! Geht ja nicht anders!“ - „Da bin ich mal gespannt, wie du das hinbekommen willst.“ murmelte Mel nachdenklich. „Komm, gehen wir ihn kühlen.“  
Auf dem Weg ins Bad, trafen sie John, der eine Pause machte und sie bat ihn, Jimmy zu helfen.  
Als sie und Pad eine halbe Stunde später ins Zimmer zurückkehrten, stand der Schrank fix und fertig. Mel bedankte sich überschwänglich, doch Paddy guckte Jimmy nur grimmig an. Sein Blick wurde auch nicht freundlicher, als Jimmy schmunzelnd mit den Worten „Die Anleitung war doch falsch herum.“ an ihm vorbei ging und sich wieder seinen Dingen zuwandte.  
Der Daumen hatte sich nach einer Weile beruhigt und Pad machte sich daran, seine Kisten auszupacken.  
Plötzlich sprang er auf, klapperte sämtliche seiner Brüder ab und kam zu Mel zurück.  
„Schatz, wo ist meine blaue Hose?“ fragte er  und sah Mel forschend an. - „Welche Hose?“ - „Mel, du hast den größten Teil meiner Klamotten eingeräumt! Irgendwo muss meine Hose gewesen sein!“ - „Welche denn?“ fragte sie scheinheilig und musste sich auf die Lippen beißen, um ein Grinsen zu unterdrücken, als sie an den zweiten Stapel dachte, den sie eröffnet hatte, während sie am packen gewesen war. - „Na die, mit einem blauen und einem regenbogenfarben gestreiften Bein! Die, die anderen auch manchmal angehabt haben!“ antwortete er, als sei es doch völlig offensichtlich, welche er meinte. - „Ach die, ja die...“ Sie tat, als würde sie nachdenken.  
„...die ist weg.“ fuhr sie murmelnd fort, ohne ihn anzusehen, während sie sich scheinbar angestrengt einer weiteren Kiste widmete.  
Paddy rührte sich nicht. „Die ist was??“ - „Ich habe sie weggeworfen.“ nuschelte sie noch ein wenig leiser.  
Jetzt kniete er sich auf Kopfhöhe neben sie und zwang sie, ihn anzusehen. „Du kannst doch nicht einfach mein Eigentum wegschmeißen!“  
Sie ließ ein paar Kleidungsstücke wieder in den Karton zurückfallen, als sie ihn entschuldigend anblickte. „Oh Mann, die war aber so schrecklich!“ - „Es ist mir egal, ob du sie leiden magst oder nicht. Es geht hier um das Prinzip! Du hast nicht das Recht dazu, mit meinen Sachen zu machen, was du willst! Ich geh doch auch nicht an deinen Kram und werfe deine Bücher oder sonst was in den Müll!“ - „Das ist doch etwas ganz anderes!“ Sie fuhr bei der Vorstellung erschrocken zusammen. - „Nein, ist es nicht! Auch wenn wir verlobt sind, geht es dich nichts an, was ich auf der Bühne trage!“

Mel wurde ein Stückchen kleiner.

Selbstverständlich hatte er Recht, aber sie hatte gehofft, dass er es entweder gar nicht erst bemerken oder wenigstens nicht so ein Drama daraus machen würde.

Betreten schaute sie ihn an. „Ich weiß. Es tut mir leid.“ - „Davon bekomme ich meine Hose auch nicht zurück.“ - „Aber mehr kann ich doch jetzt auch nicht machen! Es tut mir echt leid, Schatz. Es geht mich wirklich nichts an.“ Sie guckte ihn mit großen Kulleraugen an, die ihre Wirkung nicht verfehlten.

Sein Blick wurde sanfter. „Hm, okay.“ Dann überlegte er kurz. „Ist sie wirklich so schlimm gewesen?“

Mel nickte. „Mehr als das. Aber ich hätte sie nicht wegwerfen dürfen. Kann ich das irgendwie wieder gut machen?“

Paddy zuckte mit den Augenbrauen. „Joa, ich wüsste da schon was.“ grinste er und zog sie hoch und mit sich auf die Matratze. - „Pad, ich glaube nicht, dass dies das ähm...Missgeschick mit der Hose ungeschehen macht...“ sagte sie leise seufzend, als er begann, ihren Hals zu liebkosen. - „Das vielleicht nicht, aber es hilft mir vielleicht es zu vergessen.“ flüsterte er. - „Einen Versuch wäre es wert...“

Doch gerade, als er ihr das T-Shirt ausziehen wollte, kam aus Merlins Wiege ein unzufriedenes Quengeln. Mel verdrehte die Augen. „Ich befürchte, wir müssen das vertagen.“

Sie schob ihn von sich, stand auf und nahm ihren kleinen Jungen aus der Wiege. Pad setzte sich resigniert vor einen weiteren Karton und öffnete ihn.

Oh, das ist einer von deinen.“

Neugierig zog er zwei Pullover heraus und legte so allerlei Krimskrams frei. „Was ist das denn?“ - „Was?“ fragte Mel abwesend, ohne aufzusehen. - „Da sind ja lauter Aufkleber von uns drauf.“

Erschrocken riss sie die Augen auf. „Schatz, mach bitte den Karton wieder zu.“ - „Wieso? Das sieht interessant aus.“ - „Ist es aber nicht! Pack es bitte weg!“ erwiderte sie mit einem Anflug von Panik in der Stimme.

Sie erhob sich, legte Merlin auf eine Wolldecke auf den Boden und verschloss hastig den Deckel der Kiste.

Was soll das?“ fragte er skeptisch. - „Naja, du musst ja nicht alles wissen...“ - „Aber du, oder was? Du weißt so viel von mir, weil wir überall in der Presse breit getreten werden. Natürlich stimmt vieles nicht, aber nicht alles ist an den Haaren herbei gezogen. Daher kanntest du schon mehr von meinem Leben, bevor wir uns überhaupt kennen gelernt haben, als ich von deinem jetzt. Auch wenn wir uns nun schon lange kennen, sagen die Dinge von jemandem mehr über einen aus, als man im ersten Moment denkt. Findest du nicht, dass es fair wäre, wenn ich auch einen kleinen Eindruck von dem gewinne, was du mir vielleicht sonst nicht einfach so auf die Nase bindest?“ - „Ähm, vielleicht...aber...“

Sie merkte, wie sie rot wurde. Es war ihr wahnsinnig unangenehm, wenn Paddy ausgerechnet in diesem Karton schnüffeln würde. Doch ihr fielen keine sinnvollen Argumente ein, um ihn davon abzubringen. So schwieg sie, ließ aber immer noch eine Hand schützend auf dem Deckel liegen.

Schatz, bitte...Lass mich doch nur mal einen Blick hinein werfen. Ich meine, du hast doch sogar meine Sachen gepackt und die Frechheit besessen, Teile davon weg zu werfen. Ich dagegen will nur gucken. Und solange es nicht dein Tagebuch ist...“ - „Ja, aber das ist meine Kellykiste.“ - „Deine was?“ Er schmunzelte.

Nervös schluckte sie und obwohl sie eben schon errötet war, musste ihre Haut mittlerweile einen purpurfarbenen Ton angenommen haben.

Oh Gott...“ Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und vergrub das Gesicht in ihren Händen. „Bitte, dann mach, wenn du es nicht lassen kannst.“

Er zog einen großen Ordner heraus und wühlte in allerlei Kleinigkeiten auf dem Grund des Kartons.

Mel, ist das noch normal?!“

Sie lugte zwischen ihren Fingern hervor und erkannte die Skepsis, die aus seinen Augen stach. - „Ganz normal vielleicht nicht, aber du wusstest, dass ich euch damals vergöttert habe, naja, euch eben gut fand. Und lass dir sagen, es gibt wesentlich schlimmere!“ - „Schlimmer als das?“ Er hatte den Ordner geöffnet und hielt nun eine Seite hoch, auf der ausgeschnittene Schnipsel aufgeklebt waren. Sie waren einzeln beschriftet mit Herkunft und Datum.

Ja, manche malen noch Herzchen drum.“ murmelte sie kleinlaut.

Sie fühlte sich wie im falschen Film. Warum hatte er ausgerechnet diese Kiste nehmen müssen? Warum hatte sie den Kram nicht einfach vernichtet, als sie zu Hause ausgezogen war??

Er blätterte kichernd weiter. Zwischendurch schüttelte er immer wieder ungläubig den Kopf. „Die schreiben aber auch zum Teil ganz schönen Bullshit.“

Mel nickte. „Ja, auf jeden. Und beachte bitte die Daten. Es hat aufgehört, als wir uns kennen gelernt haben!“ - „Ach, und was ist das hier?“ Er legte den Ordner zur Seite und zog das Loreley Video heraus.

Das habe ich geschenkt bekommen! Von jemandem, der nichts von uns beiden weiß.“ - „Okay. Und das hier?“ Es folgten die Tough Road Videos. - „Ey, wenn ihr die produziert, dann müsst ihr auch damit rechnen, dass die jemand kauft!“

Sie spürte, wie ihr ein paar Schweißtropfen die Achseln hinunter liefen. Es war vermutlich das unangenehmste Gespräch, das sie seit langem mit ihm führen musste. Sie hoffte, es wäre endlich bald vorbei.

Ja, da hast du Recht. Finde es trotzdem irgendwie komisch, die bei dir zu finden. Wenn ich das alles so sehe, wärst du mir glatt unheimlich, wenn ich dich nicht schon so lange kennen würde.“ - „Ach, wenn man nicht dauernd auf eure Konzerte kann, war es eben schön, sich das auch zu Hause mal anzusehen. Welches von euren Videos magst du eigentlich am liebsten?“ Sie versuchte das Gespräch ein wenig zu abzulenken. - „Hm, ich glaube die Alten. Ja, die, wo Mom noch dabei war.“ antwortete er nachdem er kurz gegrübelt hatte.

Traurig betrachtete er eins der Cover und strich nachdenklich mit dem verbundenen Daumen darüber.

Mel rückte von der Wand ab und nahm ihn in den Arm, doch er versteifte sich und räusperte sich schnell. „Aber das Loreley Konzert war auch unvergesslich. Schade, dass ich dich damals nicht mitgenommen habe, aber ich glaube du hattest Schule.“ - „Ja, hatte ich.“ Ihre Augen musterten ihn ernst. „Schatz...es ist immer noch schwer, oder?“

Sie merkte, dass er versuchte, seine Gefühle zu überspielen. Er sprach eigentlich fast nie über seine Mutter, aber sie wusste, wie wichtig sie ihm war.

Doch jetzt winkte er ab. „Ach was. Das ist so lange her. Klar war es nicht leicht, aber das ist wie gesagt, lange vergangen.“ - „Das willst du mir nicht wirklich erzählen, oder?“

Sie nahm ihm die Videos ab und schloss seine Hände in ihre ein. Sie suchte seine Augen, aber er wich ihrem eindringlichen Blick aus. - „Doch.“ - „Ist okay. Du musst nicht darüber reden, wenn du es nicht willst, aber du weißt hoffentlich auch, dass ich dir kein Wort glaube.“

Sie ließ seine Hände los und wollte aufstehen, um zu Merlin zu gehen, doch er hielt sie zurück.

Maus, natürlich hast du Recht. Es gibt immer wieder Momente, wo es sehr weh tut. In denen ich mich frage, warum sie nicht bei mir sein kann. Wie glücklich wäre sie über Merlin gewesen, wo sie Kinder doch so geliebt hat. Und wie schön wäre es, wenn sie bei unserer Hochzeit sein könnte. Von den alltäglichen Gegebenheiten mal ganz abgesehen. Ich hätte sie so oft gebraucht, damit sie mir in den Hintern tritt, damit sie mich in den Arm nimmt oder eben einfach nur da ist. Es gab so viele Augenblicke und es wird noch so viele geben, in denen sie fehlt.“

Seine Stimme wurde schwächer und stolperte immer wieder. „Es ist schön aber auch schwer, sie auf den Videos zu sehen. So lebendig, so nah bei mir. Ich war klein und habe schon so vieles vergessen. Allein sich dem bewusst zu sein, tut schrecklich weh. Aber trotzdem wird sie immer bei mir sein! Zwing mich bitte nicht, weiter darüber zu reden. Ich singe davon, das ist für mich der beste Weg, damit umzugehen.“

Inzwischen liefen ihm stille Tränen über die Wangen und Mel tat es schrecklich leid, das Thema nicht gleich fallen gelassen zu haben. Sie hatte ihn nicht in eine Ecke drängen wollen und wandte nun beschämt ihr Gesicht ab. „Pad, entschuldige. Ich wollte dich nicht so sehr aufwühlen.“

Er legte den Kopf auf ihre Schulter. „Ist schon in Ordnung. Manchmal muss man sich auch mit traurigen Gedanken befassen.“

Ja, aber nochmal zum Loreley Video. Was hat das Konzert für dich zu etwas Besonderem gemacht?“ fragte sie, sichtlich bemüht, ihrer Stimme einen fröhlicheren Klang zu geben. Paddy bemerkte ihren äußerst plumpen Versuch, das Thema wieder auf eine für ihn angenehmere Ebene zu bringen und nahm es dankbar an.

Ach, der Auftritt war einfach toll. Die Stimmung war klasse, die Kulisse unglaublich. Aber ich war schrecklich nervös.“ erklärte er, während er sich die Nase putzte. - „Ja, das hat man gemerkt.“ - „Was?“ - „Na, das du nervös warst.“ - „Wieso das denn? Ich bin ein Profi, da merkt man das nicht.“ Er zwinkerte ihr grinsend zu. - „Oh doch, das hat man. Du hast zum Beispiel bei fast jedem Gitarrengriffwechsel auf deine Finger gesehen, damit du dich auch ja nicht verspielst. Das ist so süß!“ - „Hab ich gar nicht! ...Hab ich doch?“ - „Ja!“ lachte sie amüsiert.

Er nahm das Video wieder in die Hand. „Okay, schauen wir es uns an und sehen, ob du Recht hast.“ - „Ne, vergiss es! Ich werde mir ganz sicher kein Video von euch mit dir angucken.“ - „Warum nicht?“- „Weil ich das merkwürdig finde. Außerdem haben wir noch genug zu tun.“

Sie schnappte ihm die Kassette aus der Hand und packte sie in den Karton zurück, doch da hatte Paddy schon etwas Neues entdeckt. Jedoch kam er nicht einmal dazu, das kleine Büchlein aufzuschlagen, da Mel es ihm hastig aus der Hand gerissen hatte.

Das nicht!“ rief sie fast ein wenig zu laut. - „Wieso nicht? Wir hatten uns darauf geeinigt, dass ich alles durchwühlen darf, außer dein Tagebuch.“ - „Ja...“ seufzte sie. - „Und? Ist dies dein Tagebuch?“ - „Nein...“

Wortlos grinsend streckte er die Hand nach dem Buch aus.

Stöhnend legte sie es hinein.

Ihr Gesicht brannte wie Feuer, als sie sah, wie er es langsam aufschlug. Noch warf er keinen Blick hinein, sondern verfolgte sorgfältig ihre Reaktion.

So rot habe ich dich ja noch nie gesehen.“ stellte er kichernd fest. - „Ja, mir ist das eben unangenehm.“ - „Warum? Was ist das denn?“ - „Ach lies doch einfach. Ich kann dich ja eh nicht davon abhalten.“ - „Ja, da hast du Recht.“ stimmte er ihr zu und seine Augen fielen auf die erste Seite. „Da steht ja mein Name.“ erkannte er erstaunt. - "Ich weiß...“ grummelte Mel und kauerte sich in eine Ecke. Unsicher beobachtete sie ihn, während er die nächsten Seiten überflog.

Du kannst auch gerne alleine weiter auspacken. Oder du gehst gucken, was die anderen machen. Ich habe zumindest erstmal was zu lesen.“ - „Ja, gute Idee.“ stammelte sie und suchte wie ein Blitz das Weite.

Paddy machte es sich in der Zwischenzeit neben Merlin auf der Decke gemütlich und vertiefte sich in Mels offenbar selbst geschriebenem Buch. Immer wieder brach er in lautes Gelächter aus oder schüttelte fassungslos den Kopf.

Nach einer Weile steckte sie neugierig die Nase zur Tür herein, während er gerade vor sich hin kicherte.

Und? Wo bist du gerade?“ fragte sie und war sich nicht mal sicher, ob sie die Antwort überhaupt hören wollte. Er guckte sie amüsiert an. „Wir haben uns gerade gestritten und sind dann doch noch einmal miteinander in der Kiste gelandet. Dabei frage ich mich allerdings....war es nicht gut oder warum hast du es nicht näher beschrieben?“

Sie nahm erneut der Purpurton von vorhin an und schloss die Tür wieder, ohne ihm eine Antwort zu geben.

Ein paar Stunden später war er fertig und suchte sein Mädchen in den neuen Räumen. Er fand sie schließlich in Maites Zimmer.

Und? Bist du durch?“ Sie saß auf dem eben aufgebauten Bett und sah ihn geradezu schüchtern an. - „Ja, bin ich.“ antwortete er und bekam ein Dauergrinsen nicht aus dem Gesicht, wohl wissend, wie nervös sie das machte.

Maite horchte auf. „Womit durch?“ - „Mel, hat ein Buch über uns geschrieben.“ Er hielt es feixend in die Luft. - „Halt die Klappe! Wage es nicht!“ fuhr sie ihn biestig an. - „Doch, zeig mal, ich will es auch lesen.“ rief Maite und wollte gerade nach dem Buch greifen. Aber die peinlich berührte Mel war wieder schneller und rannte mit dem Corpus Delicti aus dem Raum.

Paddy holte sie erst ein, als sie in ihrem Zimmer angekommen waren. Er hielt sie fest und drückte sie rückwärts auf´s Bett.

Was denkst du nun über mich?“ fragte sie unsicher, als er auf ihr saß. „Willst du mich immer noch heiraten?“ - „So ein Blödsinn! Natürlich will ich dich noch! Okay, ich gebe zu, es ist irgendwie seltsam, wenn man liest, was fremde Menschen sich über einen ausdenken, obwohl sie nur dein Äußeres kennen. Aber so was kommt ja häufiger vor. Nur kam ich bisher nicht in den Genuss, es lesen zu können.“ - „Genuss??“ hakte sie äußerst skeptisch nach. - „Ja, ob du es glaubst oder nicht, mir hat deine Geschichte im Großen und Ganzen gut gefallen.“ - „Ja, ich glaube es eher nicht.“ - „Doch doch, das kannst du ruhig. Teilweise konnte ich mich sogar darin wieder finden, hin und wieder aber auch nicht. Und manchmal wünschte ich, unser Leben wäre nur halb so leicht, wie du es darstellst, wenn man bedenkt, was wir schon alles zusammen mitgemacht haben.“ - „Ja, das stimmt.“ gab sie zu. - „Manche Szenen gefielen mir sogar richtig gut. Und ich finde, wir sollten sie dringend mal in die Realität umsetzen.“

Er lächelte viel sagend und nahm ihr das Buch aus der Hand.

Pad, wo ist Merlin?“ fragte sie und erwartete, dass er sich jeden Moment bemerkbar machen würde. - „Der ist satt, frisch gewickelt und schläft friedlich in seinem Bettchen dort drüben neben dem Fenster.“ antwortete er und begann, sie mit zärtlichen Küssen zu übersäen.

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Kommentare: 9
  • #1

    Bella (Sonntag, 27 September 2009 19:22)

    Wie witzig, Paddy liest in deiner Geschichte, deine Geschichte! LOL
    Der Humor in einigen Passagen ist echt zum brüllen! Wie Paddy die Kelly-Mappe entdeckt :-)

  • #2

    nicky (Samstag, 11 September 2010 15:20)

    ja aber sehr gut eingebaut das mit dem Buch! die arme Mel....ich glaub mir wäre es auch peinlich! ;)

    aber ich hätte kein Problem mir mit Paddy das lorelei Video anzugucken!aber ich muss mal beim nächsten mal angucken drauf achten ob er wirklich ständig auf seine Finger guckt! ;)

  • #3

    Die Micha (Samstag, 11 September 2010 23:00)

    Ja, endlich irgendwie lässt mich meine nähere Umgebung heute nicht dieses Kapitel zu Ende bringen, aber nu habe ich mich durchgesetzt und habe es geschafft! :-D

    Ja, ich glaube ich würde in Scharm versinken wenn ich in der Situation mit dem Buch wäre, ich finde aber, dass das trotzdem eine Art Tagebuch ist, wenn es auch nicht der Realität entspricht!!! :-)

  • #4

    melsgesammeltekatastrophen (Samstag, 11 September 2010 23:39)

    Ich hätte mir einen Kampf geliefert, bis ich das Buch in den Händen gehalten hätte :D

  • #5

    Die Micha (Montag, 13 September 2010 23:26)

    Auch einem Verlobten muss man nicht alles zeigen oder ihn alles wissen lassen!!! ;-)

  • #6

    Katrinka (Montag, 04 März 2013 10:49)

    Die Hose auf dem Foto ist ja der Hammer *lach*

    „Den Daumen, Paddy. Das ist kein Finger.“ - „Ist es wohl! Er ist schließlich an meiner Hand!“ - „Dein Arm ist auch irgendwie an deiner Hand...“ stellte Jimmy vorwitzig fest.

    Oh Mann, herrlich, wie die sich immer kappeln müssen :-)

    „Na die, mit einem blauen und einem regenbogenfarben gestreiften Bein! Die, die anderen auch manchmal angehabt haben!“

    Danke Mel, die Hose war echt schrecklich :-)

    „Ja, aber das ist meine Kellykiste.“ - „Deine was?“ Er schmunzelte.

    Oh ja,das wäre mir auch peinlich :-)

    „Mel, hat ein Buch über uns geschrieben.“ Er hielt es feixend in die Luft.

    Oh Gott, Erdboden öffne dich :-)


    Oh Mensch, das ist das lustigste Kapitel seit langem, kommt schon sehr nahe an Paddys Fahrprüfung ran.
    aber an Mels Stelle hätte ich meine Kelly-Kiste wahrscheinlich lieber bei meinen Eltern gelassen. Ich habe auch noch so ein Heft, wo ich damals alle Schnipsel eingeklebt habe- man hatte ja sonst nichts zu tun :-)

    Im Übrigen wäre es bestimmt lustig, mit den Kellys ihre Videos zu gucken - ich frage mich sowieso, ob die die irgendwann mal angeschaut haben :-)

  • #7

    Mimi (Mittwoch, 27 März 2013 18:44)

    Ich glaube ich wäre im Erdboden versunken wenn er meine Geschichte gelesen hätte... iich glaube ich hätte die Geschichte mit meinem Leben verteidigt.
    Aber mich würde echt mal interessieren ob sie schon mal Fangeschichten gelesen haben und ob es sogar welche gibt die ihnen gefallen.

    Ich mag die Geschichte echt gern. Hast du toll geschrieben :-)

  • #8

    Sandra (Sonntag, 31 März 2013 16:20)

    So in den ganzen 53 kapiteln die ich bisher gelesen habe nun mein erster kommentar. Erstens finde ich es verblüffend wieviel fantasie ein mensch haben kann solch eine geschichte zu stande zu bringen. Ich habe sie vor kurzem angefangen zu lesen und dann gar nich mehr aufhören bei einigen kapiteln die ich sehr lustig fand von inhalt her bei einigen situationen wäre ich vor lachen meist aus dem bett oder vom stuhl gefallen. Mein handy glüht regelrecht weil ich aus dem lesen gar nicht mehr raus komme einfach nur herrlich. Kompliment an die verfasserin dieser super geschichte. Und das wo ich auch ein absouter kelly family fan war und es noch bin irgendwie.

  • #9

    Marie (Dienstag, 02 April 2013 14:16)

    um gottes willen xD
    ich wär im bodem versunken xD