Offiziell

 

An einem sonnigen Septembertag zwei Wochen später feierten sie gemütlich Mels Geburtstag bei Kaffee und Kuchen unter den Bäumen im Garten.

Der einziehende Herbst tauchte die Welt in leuchtend bunte Farben, doch noch wärmten die Sonnenstrahlen ihre Gesichter, als sie auf den Bänken und Stühlen um einen großen Tisch herum saßen. Maite hatte sich wie immer ins Zeug gelegt und eigenhändig eine Nuss-Marzipantorte gemacht.

Tina hatte ihr Abizeugnis Mitte des Jahres ausgehändigt bekommen und war nun etwas planlos. Sie hatte so viele Ideen und wollte erstmal ihre Freiheit genießen, bis sie sich für einen Weg entscheiden wollte.

Auf dem Nachttisch im Gästezimmer der Kellys lag ein Flugticket nach Irland, wo sie für eine Weile mit dem Rucksack durch die Gegend reisen wollte, bevor der Wind sie irgendwohin weiter treiben würde. Lange hatte sie für diesen Trip gespart und zum Abschluss hatten ihre Eltern ihren Etat noch ein wenig aufgestockt.

Die letzten Tage vor dem Abflug wollte sie mit Mel und ihren Freunden auf Gymnich verbringen.

Mel freute sich sehr, dass Tina da war und die Mädchen gluckten in einer Tour zusammen. Auch heute waren sie wieder unzertrennlich und raubten Paddy den letzten Nerv, aber da es Mels Ehrentag war, ließ er Gnade vor Recht ergehen und trug es mit Fassung.

Sie genoss diesen Tag in vollen Zügen und saß glücklich abends neben Pad im Kaminzimmer. Sie starrte auf das Feuer, dass sie heute das erste Mal entzündet hatten.

„Oh, ist das gemütlich.“ schwärmte sie und lehnte den Kopf an die Schulter ihres Freundes. - „Ja, ich hoffe, du fandst es heute genauso schön wie ich.“ - „Auf jeden Fall! Vielen Dank, dass ihr euch solche Mühe gegeben habt!“ Sie lächelte kurz in sich hinein bevor sie weiter sprach. „Aber ich glaube ich werde alt.“ - „Genau, Schatz, du wirst alt. Immerhin bist du ganze 17 Jahre alt geworden. Vielleicht sollten wir schon mal die Rente für dich beantragen. Eigentlich ist es sogar ein Wunder, dass du noch keine grauen Haare hast und noch ohne Krückstock laufen kannst.“ - „Ha ha...“ Sie schlug ihn mit der Faust auf die Brust, was ein leises Keuchen zur Folge hatte. „Ne, aber mal im Ernst. Guck dir doch mal an, wie ich meinen 17. gefeiert habe. Andere in meinem Alter hätten eine zünftige Party geschmissen.“ - „Wäre dir das lieber gewesen?“ - „Nein, eben nicht und genau das beunruhigt mich. Und jetzt sitze ich hier vor dem Kamin...willst du mir nicht auch noch eine Wolldecke und Strickzeug bringen?!“

Paddy lachte. „Nun mach dich mal nicht älter als du bist.“ - „Noch älter??“ - „Nun hör aber mal auf. Genug jetzt!“ Er beugte sich zu ihr und verschloss ihren Mund mit einem zärtlichen Kuss.

Maite hatten sie schon längst vergessen. Sie saß im Sessel und räusperte sich nun geräuschvoll. „Ich will ja nicht stören, aber falls ihr vielleicht doch Lust auf eine Party hättet...wir müssten ja eigentlich noch eine offizielle Einweihungsfeier veranstalten. Oder etwa nicht?“

Paddy war begeistert und irgendwie konnte auch Mel sich nicht dagegen wehren. Sie wollten es am nächsten Morgen gleich mal den anderen vorschlagen. Der Rest der Familie hielt es auch für eine gute Idee und nach einer Planungsphase von gut zwei Wochen stieg das Event.

Es waren reichlich Gäste eingeladen. Familie, Freunde und auch ein paar Geschäftsleute. Irgendjemand hatte sich sogar breit schlagen lassen, welche von der Presse herein zulassen, aber die hatten zumindest die Auflage bekommen, rechtzeitig wieder abzuhauen. Tom hatte Order erhalten, ein Auge darauf zu haben.

Die Stimmung war super, nachdem Johnny alle herzlich begrüßt hatte und sie gemeinsam auf die neue Behausung anstießen. Und dies war nicht das einzige Glas Sekt, das an diesem Abend fließen sollte.

Es wurde viel gelacht, geredet, und auch zum Tanzen ließen sich einige animieren.

Paddy plünderte gerade das Buffet, als Mike auf ihn zutrat. „Na, wo ist den deine Freundin? Hat sie schon genug?“

Pad lächelte. „Du meinst meine Verlobte.“ betonte er übertrieben und war blendender Laune.

Doch nun blickte er sich um und ihm fiel auf, dass er sie schon seit einer ganzen Weile nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Eigentlich konnte er sich nur entsinnen, in der ersten halben Stunde gesehen zu haben, wie sie sich im Hintergrund herum getrieben hatte. Danach war er selbst zu sehr mit der Pflege sozialer und gesellschaftlicher Kontakte beschäftigt gewesen.

Ahnungslos zuckte er die Achseln. „Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht.“

Eine leichte Unruhe machte sich in ihm breit und zum Glück wurde Mike just in ein Gespräch verwickelt, so dass Paddy sich auf die Suche nach seiner Liebsten machen konnte.

Er stellte seinen Teller beiseite und klapperte die Räume ab. Schließlich wurde er im Schlafzimmer fündig, wo sie es sich auf dem Bett bequem gemacht hatte und schlief. Sie war noch angezogen und ein aufgeschlagenes Buch lag vor ihrer Nase.

Leise ging Pad zu Merlins Wiege, aber auch er atmete gleichmäßig vor sich hin, ohne auch nur eine Ahnung davon zu haben, was unten los war. Zufrieden nuckelte er an seinem Schnuller und träumte ruhig.

Er deckte ihn noch einmal richtig zu, bevor er sich vorsichtig auf die Bettkante neben Mel setzte.

So friedlich, wie sie im Moment vor sich hin schlummerte, zögerte er einen kurzen Augenblick, doch dann hob er die Hand und fuhr ihr sanft durch die Haare. Seine Finger glitten hinunter und strichen ihr liebevoll über die Wange. Langsam öffnete sie die Augen.

„Mel, was machst du hier oben? Unten tobt eine Party! Du warst doch sonst immer meine Partyqueen.“ Er zwinkerte ihr belustigt zu. - „Ich weiß.“ brummte sie verschlafen. „Aber ich meinte neulich schon zu dir, dass ich alt werde...“

Er sagte nichts, sondern legte den Kopf ein wenig schief und grinste sie an.

„Ach komm, Schatz, warum sonderst du dich ab? Mit Merlin kann es nichts zu tun haben, der gibt keinen Ton von sich. Also?“ - „Hm, ist nicht meine Musik.“ schob sie schmunzelnd vor und drehte sich auf den Rücken. - „Du spinnst doch. Nun sag schon, was ist los?“ ließ er nicht locker.

Er schob seine Hand unter ihr T-Shirt und streichelte ihren endlich wieder flachen Bauch. Genießend schloss sie die Augen, antwortete dann aber widerwillig. „Es sind einfach zu viele Leute. Ich fühle mich da total unwohl. Das ist ein richtig beklemmendes Gefühl, als würde mir etwas Schweres auf der Brust liegen. Ich komme mir vor, als würden mich alle anstarren, auch wenn ich genau weiß, dass es nicht so ist. Und dann die ganzen dämlichen Fotografen.“ - „So viele sind es nun auch wieder nicht und ich lass dich nicht allein. Versprochen.“ - „Es sind genug. Und für meinen Geschmack eben zu viele.“ entgegnete sie trotzig. „Wie kannst du nur immer und immer wieder in die Kameras lächeln? Ich begreif das nicht.“ - „Ach was. Sooo schlimm ist es nicht. Die Fotos werden sowieso gemacht. Dann kann man sich wenigstens bemühen, nicht wie ein Volldepp auszusehen.“ - „Mm, selbst wenn ich es versuche, schaffe ich das nicht.“

„Du redest nach wie vor Blödsinn. Natürlich siehst du gut aus. Außerdem musst du dich gar nicht verrückt machen, die verschwinden auch bald. Hier.“ Er hielt ihr sein Kilkenny hin. „Trink mal einen Schluck, dann wirst du sicher schon etwas lockerer.“

Bereitwillig setzte sie an und nahm ein paar große Züge.

„Lecker.“ nickte sie und betrachtete die leere Flasche. „Ja, ich fühle mich gleich besser.“ - „Hör auf, mich zu verarschen.“ lachte er. „Los, hoch mit dir, unten kannst du dir ein eigenes holen und mir ein neues mitbringen.“ Er nahm ihre Hand und zog sie mit sich. - „Macho...“ murmelte sie, während sie in ihre Schuhe schlüpfte und ihm folgte.

Wie er prophezeit hatte, wurde die Presse bald aufgefordert, das Feld zu räumen. Doch vorher kam Mel um ein paar Pärchenfotos nicht herum. Sie musste wohl oder übel akzeptieren, dass es nun wirklich ganz offiziell mit ihnen war.

Sie lächelte tapfer, immer seinen Spruch im Hinterkopf. Und mit zunehmenden Alkoholkonsum fiel es ihr stetig leichter.

Irgendwann reihte sie sich in das muntere Treiben aus reden, lachen, tanzen und singen ein.

Paddy wich nicht von ihrer Seite, ganz wie er es versprochen hatte. Das war auch besser so, denn mit jedem Bier wurde sie übermütiger.

„Hey, alle zusammen! Ein hoch auf die Kelly Family!“ rief sie lallend.

Paddy versteckte sein Gesicht kichernd hinter seiner Hand, während sie auf einem Tisch stand und die Flasche zum Toast hoch riss, wobei sie bereits beängstigend schwankte. Sie wirbelte herum und guckte sich verwirrt um. „Paddy, wo...“

Zappelnd verlor sie das Gleichgewicht und er öffnete gerade noch rechtzeitig wieder die Augen, um sie aufzufangen.

Unter lautem Protest trug er sie grinsend hinauf ins Schlafzimmer. „Maus, ich denke, für dich ist heute Schicht im Schacht.“ - „Was? Nööö, der Abend hat doch gerade erst angefangen! Lass mich runter!“ - „Nein! Außerdem ist es schon kurz vor drei...von gerade erst angefangen kann also gar nicht die Rede sein.“

Er legte sie auf´s Bett und begann, sie auszuziehen.

„Ich hole dein Schlafshirt aus dem Bad. Nicht wieder runter laufen! Du bist fast nackt.“ ermahnte er sie lachend und stand auf. Ihr Protest wurde immer leiser und als er zurückkam, hatte sie sich auf die Seite gedreht und war bereits eingeschlafen.

„Wusste ich doch, dass du genug hattest.“ sagte er leise, deckte sie zu und ging wieder zu den anderen.

Am nächsten Morgen saßen schon alle beim Frühstück und Paddy hatte Merlin auf dem Arm, als sie das Esszimmer betrat.

„Guten Morgen! Na, Schatz, wie fühlst du dich?“ begrüßte er sie und hatte ein hämisches Grinsen im Gesicht.

Sie verdrehte die Augen. „Wieso? Hab ich mich daneben benommen? War es peinlich?“

Maite konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. „Naja, ich sag´s mal so...sei froh, dass die Kameras schon weg waren.“ - „So schlimm??“ Entsetzt musterte sie die Mimik der anderen.

„Nein...“ antworteten sie einstimmig mit einem eindeutig ironischen Unterton.

Mel kniff die Augen zusammen, drehte sich auf dem Absatz um und wollte sich mit ihren Kopfschmerzen und der Übelkeit wieder in im Bett verkriechen.

„Ach, nun bleib schon da!“ hielt John sie lachend auf. „Iss was, dann geht es dir auch gleich besser.“ - „Hmmm...“ brummte sie und mochte keinen mehr ansehen. Sie machte es sich im Schneidersitz auf einem Stuhl gemütlich, strich sich die noch wuseligen Haare aus dem Gesicht und nahm sich ein Croissant.

Paddy stellte ihr einen Kaffee vor die Nase und sie griff dankbar danach. „Hey, aber die Party war doch cool, oder?“ fragte sie und schielte über den Rand ihres Bechers hinweg.

Die Runde um sie herum begann zu feixen.

„Und wann steigt die nächste?“ Maite hatte offenbar gestern rechtzeitig die Bremse gezogen und war fit wie der junge Morgen.

Paddy legte Merlin auf die Decke und stellte sich hinter Mel, wo er beide Arme um sie legte. „Naja, in allzu weiter Ferne sollte das nicht mehr liegen. Immerhin steht noch eine Hochzeit aus.“