Bier & Punsch

Einer nach dem anderen kletterte unter die Dusche, bevor sie sich müde auf die Kante ihres gemeinsamen Bettes setzten.

Ein deutliches Klopfen riss sie aus der Verschnaufpause und sofort wurde die Tür stürmisch aufgerissen.

Hey, Jungs, wie geht’s? Wie lief das Konzert?“ rief Jimmy fröhlich und schmiss sich neben ihnen auf das Bett. - „Hervorragend!“ antwortete Angelo. „Und die Fernsehaufzeichnung?“

Jim zuckte mit den Schultern. „Hm, wie immer. Alles prima. So, und was machen wir heute noch?“ - „Kein Plan bisher. Aber da es so gut lief, sollten wir feiern gehen. Wir zwei gehen nämlich zusammen auf Tour.“ verkündete Paddy und wartete gespannt auf die Reaktion seines älteren Bruders. - „Ja und? Was ist daran jetzt so besonders?“ - „Na, dass wir ohne euch fahren!“ - „Oh Paddy, nach Kathys Auftritt neulich, ist das echt nicht mehr komisch. Komm, lassen wir´s. Wo gehen wir hin?“ - „Keine Ahnung. Ich kenn mich hier doch ebenso wenig aus.“ - „Na, denn immer der Nase nach. Auf, auf mit euch!“ scheuchte er seine zwei jüngeren Brüder hoch und lief selber wieder in sein Zimmer, um seiner Jacke zu holen.

Sie kamen ziemlich bald an einer kleinen Bar vorbei, die sie zielstrebig betraten.

Zuerst stießen sie auf den gelungenen Auftritt an und dann gab mal wieder ein Bier das andere, bis schließlich der Alkohol wieder nach draußen drängte.

Ich muss mal für kleine Musiker. Kommt jemand mit?“ fragte Jimmy, während er sich bereits leicht schwankend von seinem Platz erhob. - „Bin doch kein Mädchen, dass ich zu zweit auf Klo gehe!“ antwortete Angelo entrüstet, doch Paddy stand ebenfalls auf.

Isch bin auch kein Mädchen, *hick* auch wenn meine Frisur manche Leute irritieren mag. Aber ich muss pullern.“

Er nickte sich selbst nochmal zu und schloss sich Jimmy an.

Alle Becken waren besetzt und da er sowieso eine Abneigung hatte, sich neben andere Männer zu stellen, suchte er eine Kabine auf.

Amüsiert belauschte er ein Gespräch, das außerhalb stattfand, und machte gerade seine Hose wieder zu, als er ein Knistern in seiner Tasche bemerkte. Er zog angestrengt die Brauen zusammen, während er ein Stück Papier herausholte und fing an, es auseinander zu falten.

Er konnte sich partout nicht erinnern, was das für ein Zettel sein konnte.

Allerdings hatte er nicht gerade wenig getrunken und seine Hand-Augen-Koordination war nicht mehr sehr feierlich. So rutschte ihm der Brief aus den Fingern und landete auf dem Boden.

Oups. *hick* Ich hab da was fallen gelassen.“ Er beugte sich kichernd hinunter und hob ihn wieder auf. - „Hey! Es ist ja schön, dass du keine Verdauungsprobleme hast und auf Klo etwas fallen gelassen hast, aber das musst du nicht aller Welt mitteilen! So detailliert interessiert uns das nicht!“ rief Jimmy in einem gespielt mahnenden Ton vor der Kabinentür, konnte sich aber kaum noch zurückhalten, um nicht in lautes Gelächter auszubrechen.

Paddy steckte den Zettel ungelesen zurück in die Hosentasche und traf albern grölend bei den Waschbecken auf seinen Bruder.

Nein, Jimmy, so war das doch gar nicht, sondern...“

Doch weiter kam er nicht, denn sein Bruder hielt ihm abwehrend die Handfläche entgegen. „Stopp! Es war mein Ernst, ich will es nicht noch genauer wissen! Komm, gehen wir zu Angi, bevor der sich von jemandem mit schleppen lässt. Der ist ja auch schon nicht mehr ganz klar.“

Paddy nickte grinsend und hielt ihm die Tür auf.

Schon von weitem erkannten sie eine weibliche Person an ihrem Tisch, die intensiv, ja geradezu penetrant auf Angelo einredete.

Nein, ich will nicht mit dir mitgehen! Mir ist egal, was für tolle Discos hier in der Nähe sind!“ war das erste, was sie von ihm hörten, als sie in Reichweite kamen.

Verzweifelt gestikulierte er herum und blickte dankbar auf, als er seine Brüder entdeckte.

Sofort eilte Jimmy ihm zur Hilfe. „Du, Mädchen, wir wollen nicht unfreundlich sein, aber du hast gehört, dass er nicht mit dir gehen möchte. Außerdem wollen wir gerne ein bisschen unter uns sein. Ist nicht böse gemeint, okay?“

Schmollend gab sie klein bei und verschwand an die Bar zu ihrer Freundin.

Mann, Angi, wo haste denn die wieder her gehabt?! Du ziehst die schrägen Weiber auch magisch an wie kein anderer!“ lachte Paddy und nahm wieder auf seinem Stuhl Platz. - „Das sagt der Richtige! Ich sag nur ...Jenny.“

Jimmy horchte auf. „Jenny? Wie kommst du denn jetzt auf Jenny? Von der haben wir doch Jahre nichts gehört.“ - „Sie war heute auf dem Konzert.“ erklärte Angelo und nahm einen Schluck Bier. - „Ich wusste gar nicht, dass du sie auch gesehen hast.“ bemerkte Paddy überrascht.

Doch, sie war mir sogar recht früh ins Auge gefallen. Wundert mich übrigens, dass sie noch gar nicht wieder aufgetaucht ist oder sonst irgendwie versucht hat, Kontakt aufzunehmen.“

Paddy räusperte sich unbewusst und starrte schweigend in sein Bierglas.

Oder hat sie doch?“ Angelo sah ihn an und senkte seinen Kopf immer weiter gen Tischplatte, um seinen Blick zu treffen. Schließlich hob Paddy seine Augen ein Stück und schaute möglichst nichtssagend zurück.

Oh, Paddy, sag nicht, du hast mit ihr gesprochen! Wann denn?“ - „Nein hab ich nicht! Aber sie hat mir einen Zettel zugesteckt.“ - „Sie hat was?!“ rief Jimmy entsetzt. „Was stand drin?“ - „Keine Ahnung, *hick* ich habe ihn noch nicht gelesen. Ich hatte gar nicht mehr daran gedacht.“ Er wühlte in seiner Hosentasche und holte ihn hervor.

Du willst ihn jetzt doch nicht lesen? Schmeiß ihn weg! Der ist von Jenny, da kann nichts Gutes drin stehen!“ - „Ich weiß nicht. Was wäre denn so *hick* schlimm, wenn ich ihn lesen würde? Wenn nichts Sinnvolles drin steht, kann ich ihn immer noch wegwerfen.“ - „Gegenfrage: Warum willst du ihn lesen? Was sollte denn da drin stehen, was dich irgendwie weiter bringt? Ich meine, wieso ziehst du das überhaupt in Erwägung?“ - „Was weiß ich...die bloße Neugierde. Irgendwie wirkte sie anders auf mich. In ihrem Blick lag irgendwas Entschuldigendes.“

Verständnislos schüttelten beide Brüder die Köpfe und nahmen noch einen Schluck Bier.

Wenn du meinst, du musst das machen, dann tu es, aber ich halte es für reine Zeitverschwendung.“ murmelte Jimmy schon leicht genervt.

Nacheinander blickte Paddy erst in Jimmys, dann in Angelos Gesicht und beide sagten das Gleiche aus: Sie hielten ihn für komplett übergeschnappt.

Ja, aber...“ - „Nichts, aber! Das ist Jenny! Überlege mal, was sie dir bisher alles angetan hat!“ - „Aber verdient nicht jeder eine zweite Chance? Sie weiß, dass ich mit Mel glücklich bin!“ - „Ja, aber auch eine zehnte oder zwölfte Chance?! Und genau, du erwähnst Mel! Was meinst du wohl, würde sie dazu sagen, wenn sie wüsste, dass du einen Brief ausgerechnet von Jenny in den Händen hältst?!“ argumentierte Jimmy weiter. - „Naja, sie muss es ja nicht erfahren.“ - „Na, wenn du das für richtig hältst, bitte.“

Jimmy gab resigniert auf und leerte sein Glas, während Paddy langsam den Zettel auseinander faltete.

In einer feinen Handschrift war jeder Zentimeter der Vorderseite ausgenutzt worden und gespannt begann er zu lesen.

Bedächtig ließ er ihn sinken und lehnte sich zu zurück, als er durch war.

Ja, und? Was ist nun?“ hakte Angelo ungeduldig nach, als er immer noch nichts sagte. - „Tja, sie entschuldigt sich für all die Jahre, für alles, was sie mir angetan hat. Dass sie so furchtbar war und sie nun alles aus einem anderen Blickwinkel sieht. Sie ist in Therapie und meint, das sie das gut voran bringe und sie sich geändert hat.“ - „Ach? Und der Konzertbesuch ist Teil ihrer Behandlung?“ schnaufte Jimmy ironisch und verdrehte die Augen. - „Nein, ich denke nicht so direkt, aber sie...ach kein Plan, ist irgendwie so ein Bauchgefühl, dass sie es wirklich ernst meint.“ - „Jungs, lassen wir es einfach, ja? Lasst uns das Thema wechseln.“ schlug Angelo schlichtend vor und bestellte noch eine Runde, doch Paddy ignorierte ihn. „Sie würde sich gerne einmal mit mir in Ruhe unterhalten. Und... Sie hat ihre Handynummer darunter geschrieben.“

Du denkst doch nicht wirklich darüber nach dort anzurufen?!“ Wenn Jimmy seinen Bruder gerade schon für verrückt gehalten hatte, war er jetzt kurz davor ihn einweisen zu lassen. - „Nein, obwohl...“ - „Paddy, nein! Gib mir sofort den Zettel, bevor du irgendwas Dämliches machst!“ - „Ich denke gar nicht daran!“ entgegnete er, faltete den Brief sorgfältig zusammen und schloss ihn in seiner Faust ein.

Doch Jimmy hielt ihm die ausgestreckte Hand entgegen. „Aber sofort!“

Grimmig sah Paddy ihn an, zögerte noch einen Moment, bevor er ihm zähneknirschend den Zettel überreichte. Jimmy zerriss ihn sofort in tausend Einzelteile und warf sie in den Aschenbecher.

So, gute Entscheidung!“ Jimmy klopfte ihm auf den Rücken und wandte sich dann der Kellnerin zu, die ihnen die neue Runde brachte. „Danke und wären sie vielleicht so nett und würden den Ascher ausleeren, wir wussten nicht, wohin mit dem Müll. Vielen Dank.“ - „Gerne, kein Problem.“

Hm, vielleicht hast du ja Recht. Aber du weißt, ich glaube nun mal an das Gute im Menschen.“ gab Paddy widerwillig zu. - „Ganz sicher habe ich Recht und du solltest vielleicht aufpassen, dass dein Optimismus nicht in Naivität endet.“ - „Ja ja...“ grummelte er.

So langsam ging ihm das Thema auf den Geist. Es war doch schließlich seine Sache, ob er sich mit Jenny unterhalten wollte oder nicht. Er wollte doch nur reden!

Auch Angelo hatte genug davon und riss das Gespräch wieder an sich, so dass Paddy weiter schweigend in sein Glas starren konnte und seine Gedanken schweifen ließ.

Nach einer Weile erhob sich Jimmy erneut. „Ich muss schon wieder. Paddy, du auch?“

Aber dieser schüttelte den Kopf und schaute zu Angelo, als Jimmy verschwunden war.

Du, Angi,...“ - „Hör jetzt endlich mal auf, mich Angi zu nennen. Du weißt, ich hasse das!“ - „Ja ja. Also, was ich sagen wollte. Unser Auftritt war doch echt cool heute, oder?“ - „Sicher, wieso?“ - „Naja, mein Kommentar zu Jimmy vorhin war nicht ganz so scherzhaft gemeint, wie er offenbar dachte. Ich könnte mir gut vorstellen, nur mit dir auf Tour zu gehen. Man kommt doch viel mehr zum Zuge, wenn man sich die Bühne nur zu zweit teilt. Was meinst du?“ - „Ich weiß nicht. Das Konzert war schon sehr geil und ich könnte mir das durchaus auch vorstellen, aber ich glaube, es ist nicht der richtige Augenblick, um es dem Rest vorzuschlagen.“ - „Ach, was interessiert uns der Rest?! Wir sind alt genug und können machen, was wir wollen!“ erklärte er selbstsicher vom Alkohol angetrieben und schlug mit der Faust auf den Tisch, um seine Entschlossenheit zu untermalen. - „Ja, Paddy, du vielleicht. Ich dagegen darf noch nicht mal alleine Verträge unterschreiben.“ - „Oh, ja stimmt. Mist. Aber denk mal drüber nach, es wäre schon eine coole Vorstellung, nur du und ich.“ - „Schon, aber frag doch sonst Jimmy oder Maite.“ - „Ne, ich würde gern dich dabei haben.“ - „Mich?“ Er machte eine kurze Pause. „Kann es sein, dass du mich nur dabei haben willst, weil ich meistens hinter meinem Schlagzeug nicht so präsent bin und die anderen sich vielleicht noch weniger von dir herum schubsen lassen als ich?“ - „Was? Angi, was redest du denn da für einen Blödsinn?“ - „Siehst du? Du tust es schon wieder! Ich habe dich eben zum hundertsten Mal gebeten, mich nicht Angi zu nennen. Es interessiert dich aber offenbar überhaupt nicht.“

Paddy riss sich zusammen und richtete seinen Oberkörper wieder ein wenig mehr auf. „Angelo, entschuldige. So war das auf jeden Fall nicht gemeint. Und deine Befürchtung ist trotzdem grundlos. Seit dem Streit neulich, der um ein Haar eskaliert wäre, trage ich den Gedanken mit mir herum, ob ich mich doch selbstständig mache. Aber ich habe heute gemerkt, dass ich mit dir zusammen einfach mehr Spaß auf der Bühne habe, als ich alleine je haben könnte.“

Sein kleiner Bruder schielte ihn skeptisch an. „Okay, also wenn das dein Ernst ist, dann klingt das ja schon ganz anders. Pad, ich würde darüber nachdenken, aber wie gesagt, so lange ich nicht volljährig bin, sieht es schlecht aus.“ - „Versteh schon. Nein, ernsthaft, ich kann das irgendwie nachvollziehen, aber schade ist es trotzdem.“ - „Klar ist es das, aber naja. Und du? Willst du wirklich alleine los ziehen?“

Paddy zuckte die Achseln. „Ich weiß es nicht, aber reizen würde es mich schon.“

Er wandte den Kopf zur Seite, weil Jimmy wieder aus dem Klo auf den Tisch zukam.

Na, ist was Interessantes passiert, als ich weg war?“ - „Nööö.“ grinsten beide zeitgleich und sahen sich lachend an, doch Paddy brannte es wieder so auf der Zunge, so dass er sich nicht zurückhalten konnte. „Wir haben nur über Angelos neuen Stringtanga diskutiert. Ich finde die Farbe schrecklich. Was meinst du dazu?“ - „Hä?“ Jimmy starrte ihn verwirrt an. - „Ach nichts. Nur ein blöder Scherz.“ beruhigte Angelo ihn, aber Paddy setzte noch nach. „Ja, Angelo, das würde ich an deiner Stelle nun auch behaupten.“

Für diese Bemerkung kassierte er einen unsanften Tritt vor´s Schienbein, prostete aber kichernd den anderen zu und nahm einen Schluck Bier.

Bald hatten sie die nächste Runde vernichtet und beschlossen gut gelaunt weiter zu ziehen.

Hey, seht mal! Der Weihnachtsmarkt hat noch auf! Lasst uns was trinken!“ rief Paddy und peilte eine der Glühweinbuden an, die jedoch recht gut besucht war. - „Ja, was trinken, gute Idee. Vor allem, weil wir das heute ja noch gar nicht gemacht haben, ne.“ lachte Angelo und folgte ihm nicht ganz so zielsicher.

Jimmy blieb ein Stück hinter ihnen zurück,bis die Beiden stutzten und sich zu ihm umdrehten. „Was ist denn? Hast du schon genug?“

Jimmy antwortete nicht, sondern winkte sie wortlos zu sich heran.

Das ist doch Jenny, oder nicht? Dort hinten an dem Stand. Die mit dem Punschbecher in der Hand und sie unterhält sich gerade mit einer Freundin.“ Er zeigte auf den Tisch eine Bude weiter und Paddy nickte. „Ja, das ist sie. Oh Mann...“

Ihm klappte der Unterkiefer herunter, als er sie genauer betrachtete.

Trotz der Kälte trug sie einen Minirock, doch dazu eine Strumpfhose und hochhackige, hellbraune Stiefel. Ihre Winterjacke war kurz und ließ ihre weiblichen Rundungen gut zur Geltung kommen.

Wenn er sie so betrachtete, musste er zugeben, dass die zwei Jahre, die sie älter als Mel war, durchaus auffielen.

Sie wirkte wirklich nicht mehr wie der kleine durchgeknallte Kelly Fan von früher, sondern wie eine junge, erwachsene Frau.

Paddy schluckte, aber noch schien sie ihn gar nicht gesehen zu haben, sondern unterhielt sich angeregt und über das ganze Gesicht lächelnd weiter mit ihrer Freundin.

Pad, lass sie. Wir gehen woanders was trinken.“

Jimmy hielt ihn am Arm fest, doch Paddy riss sich mit einem Ruck los. „Nein, ich möchte mit ihr sprechen.“ - „Wieso?! Mann, ich versteh dich nicht! Und denk an Mel!“ - „Mensch, Jimmy, ich will doch wirklich nur mit ihr reden!“ - „Boa, mach doch, was du willst! Komm, Angelo, wir gehen!“

Wütend wandte Jimmy sich ab und ging mit zügigen Schritten zusammen mit Angelo in die andere Richtung davon.

Paddy blickte ihnen kurz nach, bevor er sich wieder zur Punschbude umdrehte.

Dort stand immer noch Jenny, doch sie hatte ihr Gespräch eingestellt und starrte ihn nun neugierig an. Sie hatte die nicht gerade leise Diskussion mitbekommen und musste sich nun sichtbar ein Schmunzeln verkneifen.

Paddy atmete noch einmal tief durch und ging auf sie zu.


Hallo Jenny.“ - „Hi.“ begrüßte sie ihn freundlich und wechselte dann den Blick zu ihrer Freundin. „Darf ich vorstellen?“ - „Nicht nötig! Hallo ich bin Angela. Ich muss jetzt leider los, aber hat mich sehr gefreut. Tschüss, Jenny, bis später.“

Unsicher schauten Paddy und Jenny auf die umstehenden Buden und Menschen, um sich nicht angucken zu müssen. Keiner wusste so recht, wie er beginnen sollte.

Schließlich ergriff Jenny das Wort, während sie ihn geradezu schüchtern ansah.

So kannte er sie gar nicht und lauschte fasziniert ihren Worten, die nun, wo sie nicht mehr von diesem besessenen Klang getragen wurden, regelrecht sanftmütig klangen.

Hast du meinen Brief gelesen?“ - „Ja, hab ich.“ - „Aber du hast nicht angerufen.“ - „Nein. Meine Brüder haben mich davon abgehalten.“ - „Achso...“ Sie scharrte mit dem Schuh in der Holzspäne auf dem Boden vor der Bude, bevor sie den Kopf wieder hob. „Also willst du doch nicht reden?“

Er seufzte leise. „Doch, eigentlich schon. Aber nicht hier.“ Demonstrativ blickte er sich um. „Lass uns irgendwo hin, wo wir mehr unter uns sind.“ - „Okay.“ stimmte sie erleichtert zu und nahm einen Schluck aus ihrem Punschbecher.

Auch Paddy bestellte sich einen Punsch und mit den heißen Bechern in der Hand verließen sie den überlaufenen Weihnachtsmarkt.

Jenny ging voraus und Paddy kam nicht umhin, ihr auf ihren wohl geformten Po zu schielen, so sehr er sich auch zusammenriss. Er war so hibbelig, dass er seinen Becher bereits geleert hatte, bevor sie wieder Halt machten.

Sie stoppte in einer schmalen Seitengasse, wo sie nicht von aller Welt belauscht werden konnten. Zitternd lehnte Jenny sich gegen die Hauswand und nippte an ihrem Punsch, während sie ihn forschend über den Rand des Bechers beobachtete.

Paddy stellte seine leere Tasse auf den Boden neben die Hauswand, vergrub die Hände in seinen Hosentaschen und schaute sie unsicher an.

Ja, er hatte mit ihr reden wollen, doch irgendwie wusste er nun nicht mehr, was er sagen sollte.

Immer wieder fiel sein Blick auf ihre langen, schlanken Beine. Sie sah so viel fraulicher aus, als Mel es je getan hatte.

Seine Hände in den Taschen ballten sich zu Fäusten. Er musste die Anspannung seiner Muskeln fühlen, die Nägel, die sich in seine Handflächen bohrten, um sich wieder in die Realität zurück zu holen.

Leise räusperte er sich. „Jenny, du wolltest mit mir reden. Was hast du zu sagen?“ presste er zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor, weiter darauf konzentriert, sein Gesicht zu wahren.

Sie strich sich eine ihrer blonden Haarsträhnen hinters Ohr und suchte offenbar nach den richtigen Worten.

Also, wie ich schon geschrieben hatte in meinem Brief, es tut mir leid. Es tut mir so wahnsinnig leid, was damals alles gelaufen ist.“ Nervös knetete sie die Finger ihrer freien Hand, die inzwischen eiskalt waren.

Langsam hob sie den Kopf und sah ihn an. Ihre Augen wanderten über sein Gesicht und blieben an seiner Unterlippe hängen, auf der er unruhig herum biss.

Weißt du, ich war so wahnsinnig unzufrieden mit allem. Zu Hause lief alles scheiße. Meine Familie ist ziemlich kaputt und dann habe ich dich kennen gelernt. Klar, kannte ich dich und deine Familie aus dem Fernsehen und ich fand euch nie so besonders toll. Du weißt, wie das ist, entweder man liebt euch oder man hasst euch, aber als ich dir gegenüber stand, war alles irgendwie anders. Du hast so eine fesselnde Ausstrahlung, der ich mich nicht entziehen konnte. Und dann deine Geschwister. Ich habe dich und deine Familie so bewundert. Ich wollte immer ein Teil von euch sein.“

Ihre Stimme wurde leiser und sie bemühte sich, den Kloß aus ihrem Hals zu vertreiben.

Und dann habe ich es versaut. Ihr habe es einfach vermasselt...“

Paddy beobachtete sie schweigend, verschränkte die Arme und wartete auf das, was sie noch vorzubringen hatte. Es irritierte ihn ein wenig zu sehen, wie Tränen in ihre Augen stiegen.

Es schienen ehrliche Tränen zu sein. Es war das erste Mal, dass sie nicht weinte, um etwas zu erreichen. Zumindest wirkte es so auf ihn, er hatte eher den Eindruck, dass ihr etwas wirklich auf der Seele lastete.

Erfolgreich kämpfte er gegen das Bedürfnis an, tröstend den Arm um sie zu legen.

Wie Perlen rollten die kleinen Tropfen über ihre rot gefrorenen Wangen und dann konnte er sich doch nicht dagegen wehren, sie wegzuwischen.

Ja, du hast es vermasselt und dabei haben wir uns damals recht nahe gestanden. Wir haben solchen Saß zusammen gehabt. Weißt du noch?“ seufzte er und sie nickte schniefend.

Ja und ich wollte nicht, dass das so endet! Ich hatte das Gefühl, du würdest auf Abstand gehen und da wurde ich immer hysterischer. Ich habe einfach Panik bekommen, dich zu verlieren. Und dann hast du den Kontakt tatsächlich ganz abgebrochen und plötzlich erschien Mel auf der Bildfläche.“

Die Tränen liefen inzwischen unaufhaltsam und ihre Worte waren kaum noch zu verstehen.

Paddy hatte seine abweisende Körperhaltung aufgegeben und reichte ihr ein Taschentuch, damit sie sich die Nase putzen konnte.

Sie war so...sie passte einfach so zu dir. Schon während sie immer wieder auf Konzerten auftauchte und ich sie nur von weitem beobachtet habe, merkte ich, wie liebenswert sie sein musste. Irgendwann hat mich die Eifersucht regelrecht aufgefressen und ich musste sie einfach ansprechen. Ich dachte nur, wenn ich nicht glücklich bin, sollst du es auch nicht sein. Ich war so fanatisch, so vollkommen besessen. Ich hatte kein eigenes Leben mehr, weil ich nicht mehr klar denken konnte.“

Mittlerweile schluchzte sie bitterlich und Paddy kämpfte nicht mehr dagegen an, das Mitleid in ihm hatte gewonnen. Er streckte die Hand aus, zog sie in seine Arme und streichelte ihr beruhigend über den Rücken.

Ja, du hast Mist gebaut, so schlimm, dass ich manchmal kaum glauben kann, dass du diese Dinge wirklich getan hast, aber das ist lange vorbei.“ - „Paddy, heißt das du verzeihst mir?“ Hoffnungsvoll hob sie den Kopf und sah in sseine Augen. - „So weit würde ich jetzt vielleicht nicht gehen, aber ich werde darüber nachdenken...“

Er konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, zu verzweifelt wirkte ihr Gesicht. schon lange fand er, dass er eine ganz schlechte Eigenschaft hatte...er konnte nicht wirklich nachtragend sein. Das Leben war einfach zu kurz dafür, um sich längerfristig mit Ärger zu belasten. Vom Verstand her wusste er immer noch, wie schrecklich alles gewesen war, der Terror, dem er und auch Mel später ausgesetzt gewesen war, aber irgendwie konnte er auch nicht aus seiner Haut.

Jenny wand sich aus seiner Umarmung und stellte ihren Becher neben seinen auf den Boden, bevor sie sich wieder an seine Brust lehnte.

Der Duft ihres Shampoos vermischte sich mit dem ihres Parfums und stieg in seine Nase. Er schloss die Augen, stützte das Kinn auf ihren Kopf und hörte weiter zu.

Weißt du, ich habe dann vor einiger Zeit einen Therapeuten aufgesucht. Ich bin zu Hause ausgezogen, habe mein Leben in die Hand genommen und sehe alles mit anderen Augen. Ich kann überhaupt nicht mehr begreifen, was ich damals getan habe. Es ist, als wäre das eine andere Person gewesen und nicht ich. Ich würde verstehen, wenn du mir mein Verhalten nicht verzeihen kannst, ich wollte nur, dass du weißt, wie leid es mir tut.“ - „Das heißt, du nutzt deine Power endlich mal für sinnvolle Dinge? Das freut mich. Ganz ehrlich, Jenny, wenn mich eins immer an dir beeindruckt hat, dann wie viel Energie du hast.“ - „Ja?“ Sie hob ihren Kopf wieder und schaute ihn aus verquollenen Augen an. Verlegen lächelte sie, obwohl noch immer Tränen in ihren Augenwinkeln glitzerten.

Ja.“ nickte er. „Aber du hast deine ganze Kraft immer nur dazu aufgewandt, um anderen - mir - das Leben schwer zu machen.“ - „Doch ich habe mich verändert!“

Er schmunzelte und merkte, wie seine Gedanken wieder abdrifteten. „Das sehe ich.“ - „Bitte?“ - „Ach nichts.“ murmelte er und betrachtete weiter ihre zarten Wangen, die von ihrer welligen, beinahe goldenen Mähne eingefasst wurden. In seinen Augenwinkeln sah er, wie ihre Brust sich unter dem Pullover aufgeregt hob und senkte und konnte nicht umhin, einen kurzen, direkten Blick darauf zu werfen.

Sie bemerkte es sofort und ihre Augen blitzten ihn frech an.

Nur wenige Zentimeter trennten ihre beiden Gesichter noch voneinander und seine Augen ruhten nun auf ihren zarten Lippen, deren Mundwinkel unwillkürlich zuckten.

Sie war so schön geworden, dass er glatt vergessen konnte, wer vor ihm stand.

Sanft strich er ihr mit dem Handrücken über die Wange.

Ach, Jenny...“ flüsterte er leise und näherte sich langsam ihrem Gesicht.

Seine Hände waren fest um ihre Taille geschlungen und er fühlte, wie ihr Atem bereits sanft seine Lippen kitzelte, als sie plötzlich den Kopf zurückzog.

Hey, Paddy, was wird das?“ Verwirrt wischte sie sich die letzten Tränen aus den Augen und sah ihn skeptisch an. - „Wieso? Ich meine, was soll das schon werden?“ fragte er scheinheilig und grinste herausfordernd. - „Naja, es ist ja nicht so, dass ich das nicht will, aber... was ist mit Mel?“ - „Mel...“ seufzte er und fuhr sich mit der Hand über den Kopf. - „Na, deiner Frau. So weit ich weiß, seid ihr doch inzwischen verheiratet.“ erwiderte sie leise.

Noch immer standen sie eng beieinander und seine andere Hand lag auf ihrer Hüfte.

Als er nichts sagte, zuckte sie mit den Schultern. „Bei allem Anstand, aber wenn dir es egal ist, soll mir das auch gleich sein.“ sagte sie leise und näherte sich ihm wieder, doch diesmal war er es, der auf Abstand ging.

Er ließ sie los und trat zwei Schritte zurück, während er eine Handfläche über die Augen deckte und hinter seinen Fingern sah man, wie sich Zornesfalten auf seiner Stirn bildeten. Wut auf sich selber ließ sie entstehen und krampfhaft mühte er sich, seine fünf Sinne wieder zu sammeln.

Nein. Nein, es ist mir nicht egal. Himmel, was ist nur in mich gefahren?“ Wie aus einer Trance erwacht schüttelte er den Kopf, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. Sein Blick fiel auf Jenny, die unsicher in seiner Nähe stand.

Ihre Augen waren erfüllt von Reue.

Sie hatte es nicht so weit kommen lassen wollen. Natürlich hatte sie insgeheim immer nochmal darüber nachgedacht, wie es wäre, ihn noch einmal zu küssen, aber sie wollte es nicht um jeden Preis. Als er ihr immer näher gekommen war, sie seinen Geruch auf ihrer Zunge gespürt hatte, hatte sie fast den Verstand verloren, doch dann war sie gerade noch rechtzeitig wieder zur Vernunft gekommen. Was hätte es auch für einen Sinn gemacht, wenn sie einen Mann geküsst hätte, der sowieso eine andere liebte? Aber nun würde Paddy sicher wieder schlecht von ihr denken und dabei hatte sie ihm doch unbedingt beweisen wollen, das sie sich geändert hat. Nie im Leben hätte sie sich träumen lassen, dass, wenn es heute zu einer Begegnung kommt, sie so endet!

Sie hob den Kopf und suchte seine Augen.

Sie ruhten auf ihr und hatten etwas Vorwurfsvolles in ihrem Ausdruck.

Sofort spürte sie den Drang sich entschuldigen zu müssen, dabei hatte sie doch nichts Schlimmeres getan als er.

Er war auf sie zugekommen und hatte doch mit ihr reden wollen, hatte sie angefasst und war ihr näher gekommen. Sie war diejenige gewesen, die im letzten Moment die Notbremse gezogen hat! Trotzdem hatte sie das Gefühl, sich erklären zu müssen.

Paddy, es tut mir leid. Ich wollte das nicht. Bitte bekomm nicht wieder einen falschen Eindruck von mir, denke nicht, dass ich dich deshalb sehen wollte. Ich hätte gehen sollen, nachdem wir gesprochen haben. Danke, dass du mir die Möglichkeit gegeben hast, mich für all die Jahre zu rechtfertigen. Mach´s gut.“

Sie ließ den Kopf wieder hängen und rieb sich mit den Händen über ihre Oberarme, die allmählich trotz ihrer Jacke von einer Gänsehaut überzogen wurden. Sie drehte sich von ihm weg und ging langsam zum Ende der Gasse, doch er folgte ihr und hielt sie an der Schulter zurück. „Jenny, warte.“

Sie stoppte kurz, setzte dann aber ihren Weg fort, so dass er sich vor sie stellen musste, um sie aufzuhalten.

Wieder trennten sie nur wenige Zentimeter, als er ruhig auf sie herab sah.

Jenny, ich glaube dir. Ich weiß nicht warum und bei all dem, was du mir angetan und wie du dich aufgeführt hast, würden mich alle anderen für verrückt erklären, aber ich finde keine Lüge, weder in deinen Worten noch in deinen Augen.“ - „Danke. Du weißt nicht, wie viel mir das bedeutet!“ - „Das was eben passiert ist oder beinahe passiert wäre, war nicht nur deine Schuld. Ich bin irgendwie nicht ganz bei Sinnen. War wohl doch etwas viel Alkohol heute Abend. Aber wir haben ja doch nochmal die Kurve bekommen, ne.“ lächelte er aufmunternd. - „Ja, Gott sei Dank.“ nickte sie, doch innerlich merkte sie, wie gut und böse miteinander rangen.

Sie war froh, dass sie es nicht getan hatten und doch war da dieser kleine Teil in ihr, der anderer Meinung war, aber sie hatte gelernt, diesen unter Kontrolle zu haben.

Komm mal her.“ forderte er sie mit sanfter Stimme auf und legte die Arme um sie. Kumpelhaft klopfte er ihr auf den Rücken, bevor er sich wieder lösen wollte.

Paddy!“ brüllte ihn eine vertraute Stimme von der Seite an und er fuhr erschrocken zusammen. Schlagartig ließ er Jenny los und wandte sich dem Durchgang zum Marktplatz zu. Entsetzt und wütend starrten ihn zornfunkelnde Augen an und zwei geballte Fäuste wurden in die Taille gestemmt.

Wo kommst du denn her?!...He, es ist nicht, so wie es aussieht!“ beteuerte er seine Unschuld und hob zur Bekräftigung beide Handflächen hoch. - „Das kann doch unmöglich dein Ernst sein! Wer soll dir das denn abnehmen?! Seh´ zu, dass du sie da stehen lässt und mitkommst, aber auf der Stelle!“

Paddy zog den Kopf ein. So böse hatte er Jimmy nur ein einziges Mal in seinem Leben gesehen und das war damals in Irland, als Mel ihn beim Koksen erwischt hatte.

Er warf Jenny einen flüchtigen Blick zu und hob kurz die Hand zum Abschied.

Mach´s gut, Jenny. Pass auf dich auf.“ - „Ja, du auch.“ Sie lächelte müde und wartete, bis er mit Jimmy um die Ecke verschwand, bevor ihr ein paar Tränen übers Gesicht liefen.

Jimmys Mimik war mehr als angespannt, während die beiden Brüder schweigend nebeneinander her liefen. Ab und zu wagte Paddy es zu ihm zu sehen, wandte seine Augen doch schnell wieder ab, als er sah, wie sich Jimmys Kiefer aufeinander pressten und die Muskeln hervor stachen.

Jimmy, ich...“ begann er, nachdem sie etwa die Hälfte des Weges ins Hotel zurück gelegt hatten, doch sein Bruder fiel ihm ins Wort. - „Komm mir jetzt nicht mit irgendwelchen Ausflüchten! Ich glaube dir sowieso kein Wort!“ - „Aber...“ - „Nein, verdammt! Jenny...ausgerechnet Jenny?? Bist du von allen guten Geistern verlassen?“ - „Jimmy, es war doch gar nichts!“ - „Ich habe nichts gesehen, außer dass ihr euch umarmt habt, aber ich habe gehört, was ihr gesagt habt. Und daraus war eindeutig zu entnehmen, dass ihr euch näher gekommen seid, als es üblich ist und dass ihr offenbar beinahe etwas getan habt, was...Mann, ich mag gar nicht darüber nachdenken! Du kannst doch nicht mit Jenny ins Bett wollen, wenn du verheiratet bist und dann auch noch mit einem so liebenswerten Mädchen wie Mel!!“

Paddy blieb stehen und blickte ihn erschrocken an. „Aber ich wollte doch nicht mit ihr ins Bett!“ - „Ja, is´ klar, Paddy. Ich habe doch deinen Blick vorhin gesehen! Oh, wieso bin ich nur abgehauen?! Ich könnte mich selber ohrfeigen dafür!“ - „Jimmy, ich wollte wirklich nicht mit ihr ins Bett! Wir hätten uns nur beinahe geküsst.“ gab Paddy kleinlaut zu und hoffte, den vermuteten Tatbestand etwas abmildern zu können, brachte Jimmy jedoch nur noch mehr in Rage.

Geküsst?! Wenn du sie küssen wolltest, wolltest du auch mit ihr in die Kiste! Und, sorry, wenn ich mich wiederhole, aber Jenny? Wie viel hast du getrunken, dass du vergessen konntest, was damals alles geschehen ist? Sie hat nicht nur dir und Mel sondern uns allen das Leben zur Hölle gemacht!“ - „Ja, ich weiß, aber sie hat sich geändert!“ - „Und deshalb hat sie versucht, dich zu küssen...Und wieso verteidigst du sie auch noch?“ - „Weil sie sich wirklich geändert hat! Und nicht sie, sondern ich habe versucht sie zu küssen!“

Jimmy riss die Augen auf. „Was?? Paddy, das wird ja immer schlimmer! Bist du komplett übergeschnappt?!“ - „Nein, aber...“ - „Wie kannst du Mel dann sowas antun? Du weißt, wie ich zu ihr stehe! Dass sie für mich wie ein kleine Schwester ist! Wenn du ihr das Herz brichst, dann hau ich dich um!“ - „Ich will ihr nicht das Herz brechen, ich liebe sie doch! Mehr als du dir vorstellen kannst!“ - „Da hast du ausnahmsweise mal Recht! Ich kann mir das im Moment kein Stück vorstellen! Wieso tust du so etwas, wenn du behauptest, sie zu lieben?!“ - „Ich weiß es nicht, es ist irgendwie so passiert.“ - „Irgendwie so passiert...Wie soll ich mich ihr denn jetzt gegenüber verhalten? Ich kann ihr doch mit dem Wissen nicht in die Augen sehen und so tun, als sei alles in bester Ordnung!“ - „Ich weiß.“ seufzte Paddy und ging langsam weiter. Auch Jimmy setzte sich wieder in Bewegung und schimpfte kontinuierlich leise vor sich hin.

Ich könnte dir jetzt schon an Hals springen! Eigentlich verdienst du eine gehörige Tracht Prügel, damit du wieder zur Vernunft kommst! Man sollte wirklich...nein, ich werde wirklich!“ brüllte er und blieb wieder stehen. - „Was sollte man?“ fragte Paddy mit einer bösen Vorahnung, doch da holte Jimmy schon aus und versetzte ihm einen schwungvollen rechten Haken. Trotz der Vorahnung traf dieser Paddy ungebremst und brachte ihn ins Taumeln. Er konnte sich gerade noch an der Hausmauer abstützen, sonst wäre er zu Boden gegangen.

Scheiße, drehst du jetzt völlig durch?“ Er stellte sich wieder richtig hin und packte seinen größeren Bruder am Kragen. „Was schert es dich denn so sehr, was ich mache, dass du mir dafür eine rein hauen musst?!“ - „Lass mich los oder du bekommst noch eine!“ drohte Jimmy, wartete jedoch nicht darauf, sondern löste Paddys Hände mit einer gekonnten Armdrehung von seiner Kleidung und stieß ihn gegen die Hauswand zurück.

Paddy lehnte sich mit aller Kraft gegen ihn, ballte die Faust und schlug zu.

Die Wucht traf Jimmy in die Magengegend und brachte ihn zum Keuchen.

Du kleiner Bastard! Wenn du Scheiße gebaut hast und dafür einen links und rechts hinter die Ohren verdient hast, solltest du das reumütig einstecken, statt dich zur Wehr zu setzen!“ schrie er und versetzte ihm noch eine.

Die traf Paddy so hart, dass er sich fluchend mit der einen Hand die Wange hielt und mit der anderen erneut an der Wand abstützen musste.

Er sammelte sich kurz, bevor er unter Schmerzlauten ein wenig Blut auf den Asphalt spuckte.

Hey, es reicht, ja?“ brachte er heiser hervor und spuckte noch mehr Blut auf den Boden.

Jimmy stand neben ihm und atmete tief durch, um sich wieder zu beruhigen. Seine Hände waren nach wie vor zu Fäusten geballt und zitterten vor Anspannung.

Auch wenn er immer noch stocksauer war, fühlte er sich nun geringfügig besser.

Sorry, Pad, aber das musste sein. Du hast es nicht besser verdient.“ - „Ich weiß! Aber war das nicht ein wenig übertrieben?!“

Mit schmerzverzerrtem Gesicht bewegte er seinen Unterkiefer hin und her, dann zog er die Stirn noch mehr in Falten.

Oh Gott!“ stöhnte er und hielt die Hand auf, auf der nicht nur blutiger Speichel landete, sondern auch ein abgebrochener Zahn.

Du Penner, hast mir `nen Zahn ausgeschlagen!“

Jimmy schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund. „Ach du Scheiße, lass mal sehen.“ - „Nimm die Finger weg!“ brüllte Paddy und suchte mit der Zunge nach der Zahnlücke.

Oh, nein! Da ist noch ein Teil drin! Jimmy, wir müssen zum Zahnarzt! Der muss raus!“ - „Jetzt? Weißt du, wie spät das ist?“ - „Nein! Aber weißt du wie sehr das weh tut?!“

Jimmy hatte ein schlechtes Gewissen und das war ihm deutlich anzusehen. „Na, komm, fahren wir in die Klinik.“

Sie winkten sich ein Taxi heran und saßen kurz darauf im Wartebereich.

Paddy hatte ein voll geblutetes Taschentuch in der Hand, dass er sich krampfhaft vor den Mund hielt. Die Schmerzen waren nicht weniger geworden, er hatte eher das Gefühl, seine gesamte linke Gesichtshälfte wäre angeschwollen und würde wie verrückt pochen.

Jimmy musterte ihn betreten von der Seite.

Du siehst scheiße aus.“ - „Ja, danke, das kann ich mir denken...“ - „Und nun? Was willst du Mel sagen?“

Paddy zuckte ahnungslos mit den Schultern ohne aufzublicken.

Naja, immerhin dauert es ja ein bisschen, bis sie mich sieht. Bis dahin ist das bestimmt abgeschwollen.“ - „Nein, ich meinte nicht, was du ihr wegen deines Gesichts sagen willst, sondern wegen Jenny.“ - „Vielleicht muss sie es ja gar nicht erfahren...“

Vorsichtig sah er zu seinem Bruder, der jedoch vehement den Kopf schüttelte. „Vergiss es! Ich werde ihr zwar nichts sagen, so schwer es mir auch fällt, aber du wirst es tun!“

Ja, mal sehen.“ erwiderte er leise. - „Paddy, willst du noch einen Zahn verlieren?“ - „Nein! Ich werde mit ihr reden, aber ich weiß noch nicht wann.“ - „Sofort, wenn du sie das nächste Mal sprichst! Sie macht sich sowieso schon den ganzen Abend verrückt, eigentlich solltest du sie jetzt anrufen, wenn es nicht schon so spät wäre. Ist ja schon halb eins.“ - „Woher weißt du, dass sie sich verrückt macht?“ Verwundert blickte Paddy ihn an. - „Sie hat mich angerufen, weil sie dich auf deinem Handy nicht erreicht hat. Da ging immer nur de Mailbox ran. Das kann ich bestätigen, das war ja auch der Grund, warum ich dich gesucht und schließlich gefunden habe.“

Paddy zog sein Handy aus der Tasche und stöhnte. „Akku leer. So ein Mist. Aber jetzt wäre es sowieso zu spät.“ - „Ja, einerseits meine ich das ja auch, aber andererseits hat dich das früher auch nicht gestört. Willst du mein Handy haben?“ - „Ja, danke. Dann kann ich ihr eine Sms schreiben.“ - „Ruf sie an.“ - „Jimmy, ich will sie nicht anrufen. Ich kann ihr das doch nicht am Telefon erzählen!“ - „Dann sag es ihr, wenn du sie das nächste Mal siehst.“

Paddy seufzte und steckte das tote Handy wieder in die Tasche. „Das ist nicht so einfach.“ - „Das ist es nie, aber was ist, wenn Jenny es ihr sagt?“ - „Das wird sie nicht. Aber...ach Jimmy, es ist alles komplizierter als du denkst.“ - „Was ist denn daran kompliziert?“ - „Es geht Mel im Moment nicht so besonders. Ich kann sie nicht noch weiter runter ziehen.“ - „Paddy, jetzt rede endlich mal Klartext! Was ist los?“

Er haderte kurz mit sich, bevor er Jimmy eine Kurzform der Frankgeschichte erzählte.

Oh mein Gott, was für ein Arschloch! Arme Mel! Ich habe ja nicht geahnt, was die Kleine durchgemacht hat!“ schimpfte er entsetzt, als Paddy fertig war.

Seine Wange spürte dieser kaum noch, zu sehr war er mit der Wut in seinem Bauch beschäftigt, die ihn jedes Mal auf´s Neue befiel, sobald die Gedanken an Frank aufkamen.

Und jetzt?“ hakte Jimmy besorgt nach. - „Wir haben ihn angezeigt und warten darauf, dass ihm der Prozess gemacht wird. Mir graut es jetzt schon davor, weil es sicher wie ein Lauffeuer durch die Medien geht wird. Und Mel muss das dann alles ertragen. Wenn ich sie doch nur irgendwie davor schützen könnte! Sie hat doch schon mehr als genug aushalten müssen. Ich mag mir gar nicht ausmalen, was gewisse Zeitungen wieder daraus machen werden.“ - „Das glaube ich. Mann, das ist echt harter Tobak. Und dann hast du Mel in dieser Situation jetzt alleine gelassen?!“ - „Nein, ich war doch noch bei ihr und dann tauchte Tina auf und sie hatte sich in den Kopf gesetzt, mit ihr wegzufahren, um ein bisschen Abstand zu bekommen. Aber vielleicht verstehst du jetzt ein bisschen besser, warum ich sie damit jetzt nicht auch noch belasten will.“ - „Ja, zum Teil. Aber ich versteh nun noch weniger, warum du drauf und dran warst, ihr das überhaupt anzutun!“ - „Ich doch auch nicht! Ich sollte nie wieder Alkohol trinken!“ - „Und du meinst wirklich, der ist alleine daran Schuld?“ - „Ja! Meine ich!“ - „Okay...Du musst es ihr aber trotzdem so bald wie möglich sagen. Wenn sie irgendwie, auf welchem Weg auch immer heraus finden sollte, dass Jenny da war und ihr geredet habt und was weiß ich nicht noch, dann ist die Hölle los. Und so wie ich sie einschätze, sieht Mel rot und du bist sie los.“

Paddy begann, an seinem Daumennagel zu kauen, bis er durch die Anspannung seiner Wangenmuskulatur unsanft an den abgebrochenen Zahn erinnert wurde und es wieder unterließ.

Aber woher sollte sie es denn erfahren, wenn weder du noch Jenny etwas sagen werden?“ - „Keine Ahnung, aber du weißt nicht, wer euch gesehen hat!“ - „Wer soll uns denn gesehen haben?“ - „Fans, Paparazzi, Presse, irgendwer?“ - „Das hätte ich doch mitbekommen.“ - „Mich hast du auch nicht bemerkt, obwohl ich sicher schon zwei Minuten lang dort stand!“

Paddy ließ den Kopf hängen und nickte. „Ja, das stimmt.“

Herr Kelly, kommen sie bitte mit durch.“ forderte ihn eine ältere und äußerst steif wirkende Schwester auf und er erhob sich von dem unbequemen Plastikstuhl.

Jimmy stand gleichzeitig mit Paddy auf, schüttelte verwirrt den Kopf und nahm wieder Platz.

Ach ne, mein Zahn ist ja gar nicht kaputt.“ grinste er und wurde von einem bösen Blick von Paddy getroffen. - „Pass bloß auf! Noch so ein Spruch und du kannst gleich mit durch kommen und es dir auf dem Stuhl neben mir bequem machen...“

Als Paddy wieder heraus kam, war seine Wange nicht abgeschwollen eher im Gegenteil, zudem bildete sich obendrein allmählich eine bläuliche Färbung um sein Auge herum.

Jimmy sah ihn mitleidig an, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen. „Oh Mann, und morgen ist ein Fotoshooting für Bravo Poster....“

Paddy war genug mit der Betäubung in seiner Wange beschäftigt, die ihm das halbe Gesicht lähmte, so dass er nicht weiter darauf einging. Also setzten sie sich schweigend und warteten auf das Taxi, dass die Schwester gerufen hatte.

Heiliger Bimbam, wie siehst du denn aus?!“ entfuhr es Angelo, als Paddy das gemeinsame Zimmer betrat.

Er hatte schon im Bett gelegen und sprang nun auf, um sich das Übel aus der Nähe anzusehen.

Ich war beim Zahnarzt.“ - „Ach, und der hat dir ein blaues Augen geschlagen? Wolltest du den Mund nicht aufmachen?“ kicherte er und da Paddy an diesem Abend ohnehin schon geübt im Werfen böser blickte war, schenkte er seinem jüngsten Bruder gleich auch noch einen.

Nein, hat er nicht. Frag bitte nicht weiter. Ich bin einfach müde und möchte ins Bett.“

Angelo hatte sich bereits wieder hinein gelegt und schmunzelte immer noch. „Okay, wenn du meinst. Aber ehrlich gesagt sterbe ich fast vor Neugierde.“ - „Wunderbar, dann habe ich zumindest mehr Platz im Bett. Los, rutsch mal ein bisschen.“

Paddy quetschte sich auf seine Seite, schrieb Mel noch eine Sms von seinem Handy, das mittlerweile ans Stromnetz angeschlossen war, und löschte schließlich das Licht.

Am nächsten Morgen musste er sich die gleichen Fragen von den anderen anhören, wich aber immer geschickt aus. Beim Einschlafen hatte er sich überlegt zu erzählen, dass er besoffen so unglücklich gestürzt wäre, dass er sich dabei den Kopf angehauen und den Zahn ausgeschlagen hätte. Das war zwar peinlich, aber besser zu ertragen, als wenn ihm alle wegen Jenny Vorwürfe machen würden.

Beim Shooting am Nachmittag wartete er mit der großartigen Idee auf, dass sie das Thema „Wie laufen die Kellys Rummelpott“ nehmen könnten, so dass er völlig überschminkt und mit einem Kostüm seine Wunden vor der Kamera verbergen konnte.

Mel ließ erst am Nachmittag von sich hören. Auch sie schrieb nur eine Sms, war sie doch leicht angesäuert, weil sie ihn erst nicht erreichen konnte und er sich dann erst so spät gemeldet hatte. Und dann auch nur mir einer Kurznachricht. Er wusste doch, dass er sie zu jeder Tageszeit anrufen konnte.

Trotzdem hatte sie einen wunderbaren Abend mit Tina an der Waldbühne verbracht. Sie hatte sich zwar durchgesetzt, so dass sie ohne Strapse dort auftauchten, aber mit Mehl, Reis und Wasser hatten sie sich dennoch bewaffnet.

Daher kamen sie erst spät nachts völlig mit Mehl verklebt und einem kleinen Schwips im Gepäck in dem günstigen Hotel an, in das sie sich für diese Nacht eingemietet hatten.

Davon, dass ihr Mann sich nicht gemeldet hatte, ließ sie sich zwar nicht die Laune verderben, aber ein wenig wurmte es sie schon. Und als sie dann beim Aufwachen nur diese minimalistische Nachricht von ihm gelesen hatte, stieg ihr Unmut weiter. Sie war längst nicht mehr so eifersüchtig, wie zu Anfang ihrer Beziehung, zu sicher war sie sich inzwischen seiner Gefühle. Dennoch fand sie es merkwürdig, dass er nicht zu erreichen gewesen war und als dann auch noch Jimmy sagte, er hätte mit Paddy getrunken, doch nun sei dieser alleine auf dem Weihnachtsmarkt unterwegs, hatte sich ein ungutes Bauchgefühl in ihr breit gemacht. Aber ob sie sich jetzt deswegen verrückt machte oder nicht, das würde die Sache auch nicht ändern, also verdrängte sie den Gedanken und beschloss, weiter die Zeit mit ihrer lang vermissten Freundin zu genießen.

So, Tina, was machen wir heute?“ fragte Mel, während sie Tina beim Mittagessen beobachtete. Sie selber hatte keinen Appetit, hatte aber hinsichtlich Tinas Gewicht dringend darauf bestanden, dass sie wenigstens etwas zu sich nehmen musste.

Wir könnten ins Kino gehen. Da läuft ein Film mit Johnny Depp.“ - „Aber wir haben im Prinzip gestern doch schon Kino geguckt.“ - „Das war nicht wirklich Kino, das würde ich eher als Special-Event mit Performance-Elementen bezeichnen.“ kicherte Tina. „Und außerdem...Mel, das ist Johnny! Lass dir das doch einfach mal auf der Zunge zergehen...Johnny Depp.“

Sie grinste verträumt. „Okay, überredet.“

Zwei Stunden später lümmelten sie sich in zwei bequeme Kinosessel eines kleinen Lichtspieltheaters. Sie waren versorgt mit einer Tüte Popcorn, Chips und zwei großen Cola und freuten sich auf Johnny.

Mel schmolz dahin und auch Tina ging es nicht anders, während sie den Film sahen. Natürlich bekamen sie auch was von der Handlung mit, aber im Prinzip war die für sie nebensächlich, wie sie sich eingestehen mussten.

Ohhh, sah er nicht gut aus?“ schwärmte Mel, als sie wieder auf die Straße traten. Ihre Augen leuchteten immer noch und Tina nickte eifrig. „Jaaaa und dann die Szene am Strand, wo er kein T-Shirt an hatte!“ - „Jaaaa und dann die Stelle im Schlafzimmer, wo er gar nichts mehr an hatte!“

Beide Mädchen sprangen gackernd durch die Gegend und zogen die Blicke der anderen Passanten auf sich, was sie aber nicht im Geringsten störte. Kannte sie ja sowieso keiner hier.

Mann, ist das kalt!“ jammerte Mel und rieb sich die Hände, nachdem ihre euphorische Wärme wieder vergangen war. - „Lass uns doch nach Dresden fahren.“ schlug Tina vor. - „Super, da ist es auch nicht wärmer.“ lachte Mel und verdrehte die Augen. - „Ha ha, das stimmt wohl, war aber eigentlich auch nicht der Grund für meinen Vorschlag. Ich hätte einfach Lust auf Dresden, da wollte ich schon immer mal hin. Du weißt doch Zwinger und so.“ - „Zwinger? Hunde habt ihr doch auch zu Hause...“ - „Mel, jetzt sag nicht, du weißt nicht, was der Zwinger ist!“ Fassungslos starrte Tina sie an und überlegte ernsthaft, wie es um das Allgemeinwissen ihrer Freundin bestellt war.

Natürlich weiß ich, was der Zwinger ist, lass dich doch nicht veräppeln. Na, denn los, holen wir unser Gepäck und setzen uns in den nächsten Zug. Da ist es zumindest warm.“

So brachen die beiden auf und ließen Berlin hinter sich.

Endlich wieder ein Bett für mich alleine!“ jubelte Angelo überglücklich, als er sich am Abend in die Koje des Tourbusses fallen ließ. - „Das war ja auch mit dir nicht mehr auszuhalten.“ grinste Paddy, sah aus dem oberen Bett auf ihn herab und deutete an, ihm auf den Kopf spucken zu wollen. - „Wage es nicht!“ drohte Angelo mit verengten Augen. „Ich will das obere Bett! Los raus da, dir kann man ja nicht trauen!“

Er stand auf und wartete, dass Paddy es ihm gleich tun würde, doch dieser schüttelte grinsend den Kopf. „Never ever! Ich gehe doch nicht das Risiko ein, dass das Bett dein Gewicht nicht trägt und nachts auf mich runter kracht!“ - „Waaas? Vorsicht, mein Lieber, oder du bekommst noch ein zweites blaues Auge!“ - „Ne, danke. Lass mal. Okay, tut mir leid, ja? Aber ich bleibe trotzdem hier oben, du müsstest dir doch sowieso jedes Mal `ne Leiter holen, um hier rauf zu kommen. Das macht viel zu viel Terror, wenn du nachts pinkeln musst.“ - „Paddy! So, jetzt fehlt dir gleich noch ein Zahn!“

Angelo setzte an und war überraschend schnell auf das obere Bett gesprungen.

Er wollte gerade eine Ranglei beginnen, als Patricia sich einmischte.

Was ist mit deinem Zahn, Paddy?“ - „Nichts.“ - „Du weißt, dass ich es nicht mag, wenn man unehrlich ist. Jetzt sag schon.“ - „Naja, ich habe dir doch erzählt, dass ich mich gestern Abend auf die Schnauze gepackt habe.“ - „Ja, das hast du, aber ich habe dir schon heute Morgen kein Wort geglaubt. So sieht niemand aus, der nur hingefallen ist. Was du hast, ist ein konkretes blaues Auge und ich würde gerne wissen, wo du es her hast! Und was das mit seinem Zahn auf sich hat! Muss ich mich darauf einstellen, dass wir bald eine Klage wegen Körperverletzung am Hals haben oder sich die Medien deswegen melden werden?“

Sie verschränkte die Arme und sah ihn forschend an. Auch Jimmy war hellhörig geworden, gesellte sich nun zu ihnen und wartete schweigend.

Unsicher schweifte Paddys Blick von einem zum anderen. Auch Angelo war nun mehr als neugierig, endlich zu erfahren, was wirklich passiert war.

Unwillkürlich wanderte Paddys Zunge nach hinten zu der freien Stelle, wo ihm nun ein Backenzahn fehlte. Angewidert zog er sie wieder zurück und wich Patricias bohrenden Augen aus.

Also, was ist nun? Jetzt erzähl schon! Wenn du wirklich nur hingefallen wärst, würdest du dies schon längst beteuern, statt hier herum zu drucksen. Okay, vielleicht geht es mich auch nichts an, aber wenn wir wirklich was von außen zu erwarten haben, würde ich das schon gerne wissen.“ - „Nein, von außen haben wir mit aller Wahrscheinlichkeit nichts zu erwarten...“ - „Sondern?!“ Sie löste ihre Arme und lehnte sich gegen die Umrandung der Kojen. Ungeduldig trommelte sie mit den Nägeln auf dem verkleideten Holz herum.

Jimmy ertrug das Schweigen als Erster nicht mehr. „So, Paddy, rede Tacheles oder ich tu´s.“

Irritiert fiel Patricias Blick auf ihn. „Was hast denn du damit zu tun?!“ - „Das blaue Auge und, naja, auch den fehlenden Zahn hat Paddy mir zu verdanken.“ erklärte er und in seiner Stimme schwang alles andere als Stolz mit. - „Was?! Jungs, es wäre großartig, wenn man euch nicht alles aus der Nase ziehen müsste!“

Paddy richtete sich auf seinem Bett auf, so gut es ging, um gegebenenfalls einer Ohrfeige von Patricia ausweichen zu können. Er würde ihr so etwas zwar nie zutrauen, aber man konnte ja nie wissen, sicher ist sicher.

Jimmy, wieso schlägst du Paddy? Seit wann ist Gewalt eine Lösung? In dieser Familie hatten wir uns mal darauf geeinigt, das Gewalt nicht einmal Mittel zum Zweck ist, also was hat euch eure Erziehung so vergessen lassen? Ihr seid keine Kinder mehr!“

Paddy nickte, schaute jedoch vorwurfsvoll zu Jimmy. „Aber er hat angefangen.“ - „Oh Mann, warum denn?“ erhob nun Patricia ihre Stimme ein wenig, ihre Geduld ging allmählich restlos zur Neige.

Weil ich mich gestern mit Jenny getroffen habe...“ gab Paddy schließlich klein bei. - „Du hast was??“

Tricia hatte ihre übertrieben gelangweilte Position aufgegeben und starrte ihn nun fassungslos an. Möglichst unauffällig lehnte er sich ein Stück zurück, um in Deckung zu gehen, wurde jedoch von Angelo daran gehindert, der immer noch auf seinem Bett saß.

Gut, ich habe mich nicht mit ihr getroffen, sondern bin ihr begegnet, aber dann habe ich mich mit ihr unterhalten und das hat Jimmy offenbar ziemlich in Rage versetzt.“ - „Das kann ich verstehen! Mann, Paddy, Jenny?? Weißt du denn gar nicht mehr...“ - „Verdammt! Weißt du eigentlich, wie oft ich mir das seit gestern anhören durfte?! Ich bin es leid!“ Er sprang aus seiner Koje herab und lief den Gang hinunter, drehte dann jedoch um und rannte mit erhobenem Zeigefinger auf seine Schwester zu. „Es ist alleine meine Sache, was ich mache, mit wem ich rede und was auch immer! Mischt euch nicht ständig ein! Manchmal bin ich es sowas von Leid, von dieser Familie nahezu gänzlich überwacht, kontrolliert und bevormundet zu werden! Schert euch um euren eigenen Kram!“ - „Aber Paddy...“ flüsterte Patricia erschrocken. - „Nichts „aber Paddy“!“ äffte er sie nach. „Und wenn du es genau wissen willst, habe ich mich nicht nur mit ihr unterhalten, sondern habe versucht, sie zu küssen! Und deshalb ist Jimmy mir an Hals gesprungen! Fein, prima, ist mir auch klar, dass das eine beschissene Aktion war, aber das ist ganz allein mein Ding!“

Kathy, die gerade vorne beim Fahrer gesessen hatte, war durch das Geschrei angelockt worden und kam eiligst näher. Paddy hatte sie schon von weitem bemerkt und hob abwehrend die Hand. „Kathy, tu mir einen Gefallen und halte dich ausnahmsweise mal raus!“ - „Was ist denn hier los?“ - „Nichts! Nichts ist hier los! Ihr macht mich irre, das ist es! Aber bitte, setzt euch doch alle zusammen und diskutiert mein Privatleben aus, super Idee!“

Wutschnaubend stampfte er nach hinten und setzte sich auf eine der gepolsterten Bänke im Aufenthaltsbereich.

Er bebte, sein ganzer Körper zitterte vor Zorn.

Klar, war es scheiße, was er gemacht hatte, aber mussten sie ihn alle darauf hinweisen, mussten sie sich alle immer und überall einmischen und er sich vor allen vorführen lassen? Ist es nicht schon beschämend genug, sich falsch verhalten und dies eingesehen zu haben? Und auch wenn er einen Fehler gemacht hatte, ging es sie doch überhaupt nichts an, verdammt!

Nach ein paar Minuten stoppte der Bus und Kathy kam zu ihm nach hinten. „Paddy, ich denke, es ist das Beste, wenn du raus gehst.“ - „Was? Setzt ihr mich jetzt aus, oder was?! Sicher, was frage ich eigentlich so blöd, ihr wisst doch sowieso immer alles besser! Aber gut, ich gehe, ich komm ohne euch sowieso besser klar! Ich brauche niemanden!“ - „Ich halte es einfach nur für eine gute Idee, wenn du draußen ein wenig frische Luft schnappst und wieder zur Besinnung kommst.“ erwiderte Kathy ruhig, doch man sah ihr deutlich an, dass sie sich unter Kontrolle halten musste, nicht ebenfalls die Stimme zu erheben. - „Great! Dann sagt mir doch, was ihr über mich ausdiskutiert habt, wenn ich wieder reinkomme!“ - „Paddy, reiß dich mal zusammen und lass deine schlechte Stimmung nicht an uns aus! Wir können nichts dafür, wenn du nicht damit umgehen kannst, dass du Mist gebaut hast! Geh nach draußen und schrei meinetwegen einen Baum an, aber komm mit besserer Laune wieder herein!“

Er war aufgesprungen und los gelaufen, hielt jedoch neben ihr inne und blickte sie wütend an. Langsam öffnete er den Mund, schloss ihn aber wieder, ohne etwas zu sagen, und presste die Kiefer aufeinander.

Schnaufend ging er weiter, ohne noch jemanden anzusehen.

So, und du hast Paddy eine rein gehauen?“ fragte Patricia leise und setzte sich auf die Kante des gegenüberliegenden Bettes. - „Ja, habe ich. Er hat es doch nicht besser verdient. Wenn der mit Jenny...uaaaa und dann die arme Mel! Das mit dem Zahn war natürlich nicht beabsichtigt, aber wo gehobelt wird, fällt nun mal auch Späne.“ - „Blöder Spruch, Jimmy, echt blöd. Gewalt bringt niemanden weiter.“ - „Ja, ich weiß. Ich konnte aber irgendwie nicht anders.“ - „Super. Soll das nun unsere Standardmethode werden, um Konflikte auszutragen?!“ - „Nein, sicher nicht, aber reden hilft bei ihm offenbar doch derzeit auch nicht wirklich, wie du gesehen hast.“

Angelo räusperte sich leise, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. „Aber ganz Unrecht hat er ja nicht, oder?“ - „Womit?“ hakte Jimmy verständnislos nach. - „Na, damit, dass es uns eigentlich nichts angeht.“ - „Angelo, wenn du drauf und dran wärst, Kira zu betrügen und sie dadurch zu verlieren, wärst du nicht auch ein wenig dankbar dafür, wenn die jemand den Kopf wäscht?“ - „Ja, vielleicht.“ gab er zu und lehnte sich gegen die Wand zurück. „Allerdings denke ich, es reicht und wenn er gleich zurückkommt, sollten wir es gut sein lassen und nicht weiter darauf herum hacken, zumindest falls er sich beruhigt hat.“

Die anderen drei schwiegen einen Moment, stimmten ihm dann aber zu. Sogar Kathy, die es zwar ärgerte, dass sie nicht wusste, worum es eigentlich gegangen war und nun noch neugieriger wurde, nachdem sie Jimmys Andeutungen gehört hatte. Aber auch sie musste sowohl Paddy als auch Angelo Recht geben: Eine wirkliche Privatsphäre war durch das dauernde Aufeinanderhocken...

Nachdenklich schaute sie aus dem Fenster, wo sie die Umrisse ihres eigentlich so hoch geschätzten Bruders erkannte.

Paddy ging ein paar Schritte und sog die eisige Nachtluft ein. Es war Schnee gefallen, der nun unter seinen Schuhen knirschte, doch jetzt war der Himmel sternenklar und der bleiche Vollmond tauchte die Landschaft in ein unwirkliches Licht.

Der plötzlich schweigende Motor des Busses brachte ihn dazu, sich umzudrehen.

Matt drang Helligkeit durch die abgedunkelten Scheiben, ließ jedoch keine Konturen durchscheinen.

Ob sie ihn beobachteten? Wahrscheinlich schon, vermutete er, wusste er doch um die Neugier seiner Geschwister.

Na, wenn schon. Eigentlich kannte er es von Kindesbeinen nicht anders, als dass ständig Augen oder sogar Kameras auf ihn gerichtet waren und sich jeder für sein Privatleben interessierte.

Es hatte sogar mal einen kurzen Zeitraum gegeben, als es ihm gefallen hatte, plötzlich so im Mittelpunkt zu stehen, doch inzwischen war es einfach nur anstrengend und je häufiger er gemeinsam mit Mel erlebte, wie es sein konnte, ein ganz normaler Privatmensch zu sein, umso mehr sehnte er sich danach. Er genoss es jedes Mal in vollen Zügen, mit ihr allein zu sein, grenzte es doch schon förmlich an ein Wunder, dass ihre Wohnung noch nicht von Fans oder der Presse belagert wurde.

Allmählich spürte er, wie er ruhiger wurde. Seine Fäuste, die kurz zuvor noch vor Anspannung zu Fäusten geballt gewesen waren, erschlafften und der kühle Wind blies ihm erfrischend um die Nase.

Gedankenverloren kniete er sich hin und ließ seine Finger durch den eisige Schnee gleiten. Er warf grollend einen Blick über seine Schulter auf den Bus, dessen Insassen gar nicht mehr so erdrückend auf ihn wirkten wie noch vor ein paar Minuten. Inzwischen taten ihm sogar seine Worte leid, immerhin hatten sie Recht und er war es, der mit seinem Fehlverhalten klar kommen musste, egal was sie sagten oder taten.

Doch würde er ihnen diese Einsicht mitteilen, würde dies garantiert erneute Kommentare nach sich ziehen.

Aber es nützte ja nichts.

Seufzend stand er auf und ging zum Bus zurück.

Sorry.“ murmelte er zähneknirschend, während er seine Geschwister passierte, blickte jedoch nicht auf, sondern kletterte gleich hinauf in seine Koje.

Und auch die Anderen hatten sich zusammen gerissen und kein Wort mehr verlauten lassen.

Dunkel realisierte Paddy, dass sich das Fahrzeug wieder in Bewegung setzte, während er in einen unruhigen Halbschlaf hinüber driftete.

Am nächsten Morgen wurde er sehr früh geweckt. Es war das Klingeln seines Handys, das ihn aus dem Land der Träume zurückholte.

Ja?“ brummte er verschlafen und richtete sich müde auf. - „Hi Pad. Hab ich dich geweckt?“ - „Wer ist denn da?“ Gähnend kratzte er sich am Kopf, immer noch unfähig, auch nur ein Auge zu öffnen.

Hier ist Mel!?“ - „Oh Schatz, hallo.“ - „Hallo...“ grummelte sie und starrte missmutig in die Gegend.

Vorgestern hatte sie ihn nicht erreicht, in der Nacht war nur diese blöde Sms gekommen und auf ihre Sms am Nachmittag hatte er gar nicht reagiert. Sie hatte schlecht geschlafen, als sie bis zum Morgen keinerlei Rückmeldung von ihm bekommen hatte, das war sie von ihm einfach nicht gewöhnt. Daher beschloss sie, ihn gleich morgens anzurufen, bevor er wieder mit irgendwelchen Terminen beschäftigt sein würde. Wie zu erwarten, hatte sie Erfolg und erreichte ihn, doch dann erkannte er sie nicht mal?!

Sie atmete einmal tief durch und versuchte, sich zu beruhigen.

Mel, du machst dich verrückt. Er ist mit seinen Geschwistern unterwegs auf Tour, weswegen machst du dir jetzt eigentlich so viele Gedanken?

Pad, alles in Ordnung bei dir?“ - „Sicher. Und selbst?“ antwortete er knapp, klang aber nicht wirklich überzeugend.

Als sie antwortete, hörte er nicht einmal richtig zu, da Jimmy ebenfalls durch Paddys Handy geweckt worden war und nun an seiner Koje vorbei schlurfte.

Als er bemerkte, dass sein Bruder mit Mel telefonierte, blieb er überaus interessiert stehen und beobachtete ihn unverhohlen.

Hey Jimmy, verzieh dich!“ zischte Paddy mit einer scheuchenden Handbewegung und äußerst genervtem Tonfall.

Pad, ist wirklich alles okay?!“ hakte sie verunsichert nach. - „Ja, das sagte ich doch. Und sonst so?“ - „Und sonst so?! Schatz, irgendwas stimmt doch nicht. Wieso bist du so komisch? Warum meldest du dich nicht und wenn ich was von dir höre, klingst du enorm gereizt.“ - „Hab einfach viel um die Ohren im Moment, tut mir leid.“ - „Um diese Uhrzeit?“ - „Nein, aber sonst.“ - „Pad, kann ich dich was fragen und du versprichst ehrlich zu sein?“ - „Klar.“ - „Du bist so komisch zu mir, das habe ich all die Jahre nicht in der Form erlebt, egal wie viel Stress in deinem Leben war. Hat deine Stimmung, was mit mir zu tun?“ - „Wieso sollte es was mit dir zu tun haben?“ - „Du gibst also zu, dass dein Verhalten nicht normal ist?“ - „Ja...ähm nein! Mel, was willst du eigentlich?“ maulte er schnippisch. - „Genau, das meine ich, Paddy. Diese Art! Sonst warst du nie so zu mir. Hab ich dir was getan? Bist du noch sauer, weil ich mit Tina weggefahren bin, obwohl du für mich alles stehen und liegen gelassen hast?“ - „Nein, bin ich nicht. Mel, wo liegt dein Problem? Ich bin auf Tour, bin müde und du hast mich geweckt. Was erwartest du?“

Er hörte, wie ihr langsam die Tränen kamen. „Ich wollte doch nur wissen, ob zwischen uns alles in Ordnung ist...“

Eigentlich war alles in Ordnung zwischen ihnen, aber was sollte er sagen? Ja, irgendwie hatte seine Laune etwas mit ihr zu tun, wenn auch nur indirekt. Sein schlechtes Gewissen hielt ihn davon ab, sich zu melden und hinderte ihn daran, sich normal zu verhalten.

Und wieso hatte er sie eben nicht erkannt?! Er könnte sich ohrfeigen für seine dämliche Frage, wer dran sei! Unter tausenden hätte er normalerweise ihre Stimme heraus hören können!

Sollte dies der Moment sein, in dem er ihr von Jenny erzählen müsste? Doch jetzt am Telefon statt später von Angesicht zu Angesicht, wo sie ihm zuhören müsste und ihn nicht so leicht missverstehen würde?

Die Worte lagen auf seiner Zunge, aber er brachte keins davon über die Lippen.

Mels ungutes Gefühl im Bauch, das sie schon seit Tagen plagte, wurde zu einem quälenden Schmerz, während sie auf seine Antwort wartete.

Okay, Paddy, alles klar...“ Und ohne auf eine weitere Reaktion zu warten, legte sie auf.

Sie hatte das Schweigen einfach nicht mehr ertragen, das auf diese für sie sehr wichtige Frage gefolgt war.

Tränen liefen über ihr Gesicht, als sie auf das Display starrte, dessen Licht langsam erlosch. Verletzt warf sie das Telefon auf das Bett der Jugendherberge, nahm es jedoch gleich wieder in die Hand.

Sofort ärgerte sie sich über sich selbst.

Wieso hatte sie so impulsiv reagiert und einfach aufgelegt? Vielleicht wäre seine Antwort ja doch gar nicht so schlimm ausgefallen und er war lediglich zu müde gewesen, um schnell zu reagieren. Aber jetzt verbot es ihr ihr Stolz, ihn noch einmal anzurufen. Doch würde er zurückrufen, falls sie tatsächlich der Grund für sein Verhalten war?

Sie sah auf das Handy, aber als es nach einer Minute immer noch dunkel und leise blieb, schaltete sie es aus. Ansonsten würde es sie verrückt machen, wenn sie es den ganzen Tag über immer wieder heraus holen würde, um drauf zu gucken, ob sie seinen Anruf verpasst hätte.

Auch Paddy hielt sein Telefon nach wie vor in der Hand. Perplex sah er wie ihr Name auf dem Display verschwand und es in den Stand-by Modus zurückkehrte.

Was war denn das nun? Hatte er was Falsches gesagt? Ne, ging ja gar nicht, immerhin hatte er gar nichts gesagt.

Hatte er zu lange gewartet?

Sein Daumen zuckte und war kurz davor ihre Nummer im Kurzwahlspeicher zu drücken, doch dann überlegte er es sich anders.

Wenn er sie nun wieder am Telefon hätte, würde er erneut vor der Entscheidung stehen, was er ihr sagen sollte.

Jimmy kam gerade vom Klo zurück und blieb neben ihm stehen. „Du hast ihr nichts gesagt?“

Paddy schüttelte wortlos den Kopf.

Du quälst sie.“ - „Ich quäle sie so oder so. Im Moment ist sie nur verwirrt, aber wenn sie von Jenny hört, wird sie verletzt sein.“ - „Verletzt ist sie jetzt garantiert auch schon. Und wenn du es ihr sagst, bist du wenigstens ehrlich. Pad, sei fair ihr gegenüber.“ bat Jimmy ihn ruhig und setzte seinen Weg in seine Koje fort.

Nachdenklich sah Paddy ihm nach, bis er den Vorhang zuzog.

Er hob die Hand mit dem Telefon wieder an und wählte.

Mailbox.

Jetzt hatte sie ihr Handy ausgeschaltet?? Sie war in Berlin, einer großen Stadt, da würde es ganz sicher nicht am mangelnden Empfang liegen.

Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Was sie so sauer?

Tja, nun konnte er nichts mehr machen, also legte er das Telefon neben sein Kopfkissen und schloss die Augen wieder. An Schlafen war jedoch nicht mehr zu denken...

Mel wischte sich schniefend die Wangen trocken und horchte kurz. Tina schien trotz ihres aufwühlenden Gesprächs noch zu schlafen.

Beneidenswert.

Unruhig wälzte Mel sich hin und her, bis sie schließlich aufstand und duschen ging.

Als sie fertig angezogen wieder im Zimmer erschien, saß auch Tina inzwischen verschlafen auf ihrer Bettkante. Gähnend kletterte sie hinunter und schnappte sich ihre Zahnbürste.

Morgen, Mel. Du Morgenmuffel bist schon hoch?“ - „Ja, ich konnte nicht mehr schlafen. Los seh zu, lass uns was Schönes machen. Die Hundehütte anschauen oder so.“ - „Den Zwinger!“ - „Ach ja, richtig.“ Mel grinste und zwinkerte Tina zu.

Sie wollte sich nichts anmerken lassen, sonst hätte sie Tina erklären müssen, was los war. Natürlich war sie eine gute Freundin, und auch wenn sie sich länger nicht gesehen hatten, hätte sie Vertrauen zu ihr, doch eins würde zum anderen führen und das Gespräch würde irgendwann auf Frank kommen.

Also strahlte sie mit der Wintersonne um die Wette und wickelte sich ihren dicken Schal um den Hals.

Sie knotete sich gerade einen neuen Zopf, als Tina mit ihrem Kalender in der Hand neben ihr auftauchte.

Pad hat nächste Woche Geburtstag.“ - „Ich weiß. Aber dass du dafür einen Kalender brauchst, wundert mich.“ kicherte Mel. - „Brauche ich nicht, mir fiel das Datum nur gerade auf, als ich nach einem Termin schaute. Wahrscheinlich kann ich nicht mit euch feiern. Schade, wäre gerne da gewesen und hätte die Anderen gesehen, wo ich doch schon mal im Lande bin.“

Mel zuckte die Achseln. Ausgerechnet heute Morgen war es ihr herzlich egal, ob er bald Geburtstag hatte oder nicht.

Ab nun, ich will noch was von diesem Tag haben, bevor er wieder um ist.“

Tina legte verwirrt ihren Planer beiseite und zog ihre Jacke an. „Ich komm ja schon, aber warum du dir Sorgen machst, verstehe ich nicht ganz, immerhin ist es erst halb acht.“

Mel reagierte nicht darauf, sondern ging gleich hinaus. Auf dem Flur zog sie das Handy heraus und schaltete es kurz an.

Keine Nachricht.

Sie machte es wieder aus und steckte es zurück in die Tasche.

Hatte er also tatsächlich nicht versucht, sie zu erreichen...

Doch Paddy hatte versucht, sie anzurufen, mehrfach sogar.

Mittlerweile hatte auch er sich frisch gemacht, saß im hinteren Bereich des Busses und aß einen Obstsalat.

Maite wird ihm sicher den Kopf abreißen, denn es hatte groß und breit ihr Name drauf gestanden, doch er hatte ihn ignoriert und herunter gerissen. Sein Hunger ließ es einfach nicht zu, dass er auf solche Kleinigkeiten wie Besitzansprüche Rücksicht nahm.

Während er kaute, griff er wieder einmal nach dem Handy und wählte ihre Nummer, doch immer noch war nur die Mailbox bereit, mit ihm zu sprechen.

 

Nach drei weiteren erfolglosen Versuchen schrieb er eine Sms. Wenn sie irgendwann das Handy anmachen würde, müsste sie die lesen.

Hey Schatz, lass uns in Ruhe darüber reden. Ich möchte das nicht am Telefon besprechen. Wenn du dich nicht meldest, werde ich ganz Berlin nach dir absuchen!“

Er konnte ja nachvollziehen, dass sie heute Morgen einfach aufgelegt hatte, jedoch nicht, dass sie ihr Handy ausgeschaltet hatte, um nicht mehr erreichbar zu sein. Sie musste ihm doch wenigstens die Möglichkeit geben, es ihr zu erklären!

Maite riss ihn aus seinen Gedanken, als sie frisch geduscht neben ihm auftauchte. „Sag mal, ist das mein Obstsalat, den du da gerade isst?!“ - „Schon möglich. Aber guten Morgen erstmal.“ brummte er ohne aufzusehen. - „Was an diesem Morgen gut sein soll, weiß ich noch nicht. Immerhin hast du mir gerade mein halbes Frühstück weg gegessen. Los, gib mir die Gabel! Ach ja, und Kathy wollte irgendwas von dir.“

Stöhnend ließ er die Gabel in die Schüssel fallen und schob diese zu seiner Schwester hinüber, die inzwischen auf der Bank neben ihm Platz genommen hatte.

Unmotiviert stand er auf.

Viel lieber wollte er nun erstmal das mit Mel klären, immerhin war dies der vorherrschende Gedanke in seinem Kopf. Mühsam wischte er ihn beiseite und suchte seine ältere Schwester.

Ach, da bist du ja! Pass auf, wie fahren nun gleich zur Halle und schauen uns die Örtlichkeiten an. Danach ist ja ein Interview mit dieser Bravo-Tante angesetzt. Bitte, kannst du das übernehmen?“ - „Mit Wilma?“ - „Ja, genau.“ - „Wieso ich denn schon wieder?“ - „Was heißt hier schon wieder? Du bist derjenige, der sich in letzter Zeit immer wieder raus zieht. Also lediglich mal als Feststellung, aber ich finde es dann doch ziemlich gewagt, von „ich schon wieder“ zu sprechen.“ - „Ja, ja, hast ja Recht.“ - „Also machst du das?“ - „Ja. Sonst noch was?“ - „Naja, was bedrückt dich schon wieder? Was ist gestern mit dir los gewesen?“ - „Kathy, ich weiß deine Anteilnahme zu schätzen, aber lass es bitte meine Sache sein, okay?“ - „Na gut, aber wenn du was auf dem Herzen hast, kannst du immer zu mir kommen, okay?“ - „Ja, danke.“

Grummelnd zog er wieder ab. Er verzog sich in seine Koje und wartete darauf, dass sie an der Halle ankommen würden.

Das Gekreische der weiblichen Fans zeigte ihm, dass sie das Gelände fast erreicht hatten.

Genervt raffte er sich aus den Federn auf und warf einen prüfenden Blick in den Spiegel.

Er sah mies aus. Der wenige Schlaf der letzten Nacht war ihm deutlich anzusehen und die Färbung seines blauen Auges ging allmählich in ein knalliges Gelb-Grün über.

Seufzend wusch er sich das Gesicht und fuhr sich ein paar Mal mit der Bürste durch die Haare, bevor er sich zu seinen Geschwistern nach vorne begab, wo sie bereits darauf warteten, dass sich die Tür öffnete, damit sie schnell in die Halle eilen konnten.

Paddy hasste das Gelände hier. Es war auf Grund der örtlichen Gegebenheiten kaum möglich einen anständigen Backstagebereich zu schaffen, so dass sie vor den Augen der wartenden Fans, die es sich nicht hatten nehmen lassen zum Teil sogar bereits am Vortag hier aufzuschlagen, in die Halle rennen mussten.

Er setzte sich eine überdimensional große Sonnenbrille auf und stieg die Stufen hinter seinen Geschwistern hinunter.

Das Geschrei wurde schier unerträglich, als ihn die Wartenden erblickten, und er lief mit eingezogenem Kopf hinter Angelo her.

Er hob flüchtig die Hand, um die Fans zu grüßen, bevor er den rettenden Eingang erreichte.

Erleichtert streckte er sich wieder, nahm seine Sonnenbrille ab und stopfte sie in die Jackentasche.

So, Leute, lasst uns sehen, dass wir das hinter uns bringen, ich habe gleich noch mehr zu tun.“ motzte er gereizt, um seine Familie anzutreiben, als jemand von der Seite an ihn heran trat.

Hallo Paddy.“ - „Oh, hallo Wilma.“ begrüßte er die Reporterin überrascht.

Erschrocken zerrte er die Sonnenbrille wieder aus der Taschen und setzte ein strahlendes, wenn auch gekünsteltes Lächeln auf.

Lass ruhig stecken, dein blaues Auge habe ich ohnehin schon gesehen.“ lachte sie und streckte ihm die Hand entgegen. „Gab es Streit?“ fragte sie locker mit einer übertriebenen Beiläufigkeit. - „Nein, wie kommst du denn darauf?“ wich er unglaubwürdig aus.

Ich dachte nur. Sieht ja schon ziemlich übel aus. Fast als hättest du eine drauf bekommen.“ - „Ach was, nein. Ich bin nur etwas ungünstig gestürzt neulich Abend. Glatteis und so, ne. Und was machst du schon hier? Ich dachte, das Interview ist erst später.“ - „War auch eigentlich später geplant, doch weil ich mir nicht sicher war, wann ihr ankommen würdet, bin ich schon mal früher hergekommen.“

Paddy nickte und zog seine Jacke aus. „Wir müssen aber erst noch hier ein paar Dinge klären, aber dann stehe ich dir zur Verfügung.“ - „Also du gibst mir heute Rede und Antwort?“ - „Ja genau. Aber ein bisschen Geduld wirst du schon noch haben müssen.“ - „Kein Problem. Ich schau mir dann solange an, was ihr macht, wenn das in Ordnung ist.“ - „Ja, sicher.“

Er wandte sich zu seinen Geschwistern um, von denen die meisten schon auf der Bühne waren und den Aufbau diskutierten.

Nach einer dreiviertel Stunde hatten sie alles geklärt und Wilma kam wieder auf Paddy zu.

Können wir?“ - „Ich muss noch einmal kurz wohin und dann kann es losgehen.“ erklärte er und verschwand Richtung Toilette.

Eigentlich musste er gar nicht, wollte aber wenigstens fünf Minuten nur für sich haben. Er drehte den Schlüssel um und ließ sich seufzend auf den Klodeckel fallen, dann zog er sein Handy aus der Hosentasche.

Eine Kurznachricht stand auf dem Display.

Aufgeregt drückte er auf öffnen und las. „Mach dir keine Mühe, wir sind nicht mehr in Berlin.“

Leise fluchte er.

Was sollte denn das jetzt schon wieder? Er liebte sie ja abgöttisch und er konnte auch verstehen, warum sie ihn missverstanden hatte, er hatte ja selber ein schlechtes Gewissen wegen der Sache mit Jenny, aber warum musste sie denn immer wieder so zickig sein? Ein bisschen hatte er doch gehofft, sie wäre im vergangenen Jahr ein wenig besonnener geworden. Sie müsste ihn doch wenigstens anhören!

Er merkte nicht, wie die Zeit verging, während er auf das Display starrte und seinen Gedanken nachhing.

Hey Paddy, bist du da drin?“ hörte er Jimmys Stimme kurz bevor dieser an die Tür klopfte. - „Ja, ich bin gleich da.“

Er steckte das Handy wieder ein, drückte auf die Spülung, um den Schein zu wahren und kam heraus.

Alles klar bei dir?“ fragte Jimmy, der draußen gewartet hatte. - „Ja, ja.“ murmelte er, doch die Sorgenfalten auf seiner Stirn verrieten ihn. - „Ist was mit Mel? Hast du es ihr gesagt?“ - „Nein, nicht direkt.“ - „Sondern? Mensch, Paddy, du musst es ihr sagen!“ - „Das wollte ich ja!“ - „Aber? Was kam dazwischen?“ stöhnte Jimmy und rechnete schon wieder mit den billigsten Ausflüchten. - „Es gab irgendwie lauter Missverständnisse und nun ist sie pissig, eingeschnappt oder verletzt. Ach, was weiß ich, zumindest ist sie mies drauf und ist nicht erreichbar und meldet sich auch nicht wirklich.“ - „Soll ich sie mal anrufen und versuchen, mit ihr zu sprechen?“ - „Danke, Jimmy, ist ein nettes Angebot, aber sie hat ihr Handy ausgemacht.“ - „Oh Mann und nun?“ - „Keine Ahnung. Zumindest muss ich nun erstmal das Interview geben.“

Er riss sich ein wenig zusammen, wischte die Gedanken, so gut es ging, aus seinem Kopf und setzte sein Öffentlichkeitslächeln auf.

So, Wilma, dann lass uns anfangen. Wir können uns ja vorne in den Bühnenraum setzen.“ entgegnete er freundlich, als er in der Nähe der Umkleide auf sie traf.

Er deutete mit dem Arm in die Richtung und ging voran.

 

Was hast du ihm geschrieben?“ fragte Tina, der die seltsame Stimmung ihrer Freundin den ganzen Vormittag nicht entgangen war. - „Nur, dass wir nicht mehr in Berlin sind.“ - „Mehr nicht? Mel, was ist los mit euch?“ - „Gar nichts.“ gab sie vor und stocherte abwesend in ihrem Eisbecher herum, in dem aber sämtliche Kugeln bereits geschmolzen waren. Mel hasste das und würde die Reste nun so oder so nicht mehr essen, aber im Moment war ihr jedes Mittel recht, um Tinas Blick ausweichen zu können.

Ihr habt Streit, oder?“ hakte sie nach und beobachtete Mel, wie sie mit dem Löffel weiter in den Überresten panschte.

Mel zuckte wortlos mit den Schultern, hob den Kopf ein wenig und wagte einen kurzen Blick.

Aha, hab ich´s mir doch gedacht.“ folgerte Tina richtig. „Und? Worum ging´s?“

Mel ließ den Löffel in den Becher fallen und lehnte sich genervt in ihrem Stuhl zurück. „Ich glaub er hat eine Andere.“ - „Wie kommst du denn auf den Blödsinn?“ - „Wieso Blödsinn? Tina, du hast ihn Jahre nicht gesehen und nur neulich kurz. Du kannst das doch gar nicht beurteilen.“ - „Du doch auch nicht.“ - „Was soll denn das jetzt heißen?“ fragte sie schnippisch, wartete aber neugierig auf eine Antwort.

Naja, er hat knapp ein Jahr auf dich gewartet und dich gesucht. Dann zerrt er dich mit Biegen und Brechen vor den Altar und das ist noch gar nicht lange her. Und nun soll er sich nach all der Mühe eine Andere gekrallt haben? Glaubst du das wirklich?“

Wieder zuckte Mel mit den Schultern. „Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Erst schien es nur so ein komisches Bauchgefühl zu sein, doch dann kam von ihm diese Sms.“ Sie hielt Tina ihr Handy unter die Nase. „Und worüber soll er denn sonst mit mir reden wollen?“ - „Ich weiß es doch auch nicht, aber vielleicht machst du dich einfach nur selbst ganz unnötig verrückt.“ - „Ne, ganz sicher nicht. Er will Schluss machen und die Ehe annulieren lassen. Ich hab da so ein Gefühl.“

Sie presste die Lippen verbittert aufeinander, um mühselig ein paar Tränen zu verscheuchen.

Allein die Vorstellung, er könnte sie verlassen, brach ihr das Herz. Sie war damals einfach abgehauen, hatte alles hinter sich gelassen, aber jetzt? Sie konnte sich nicht im Geringsten vorstellen, den Rest ihres Lebens ohne ihn verbringen zu müssen. Und den Moment, in dem die Gewissheit und damit die Trauer über sie hereinbrechen würde, wollte sie so lange wie möglich hinaus zögern.

Mel, ruf ihn an.“ - „Nein. Vielleicht morgen, aber den heutigen Tag will ich genießen.“ - „Wenn du meinst, okay, aber ich denke, ihr solltet dieses Missverständnis schnell aus der Welt schaffen.“ - „Das ist kein Missverständnis.“ nuschelte sie und stand auf.

Tina gab auf. „Gut, denn sollten wir sehen, dass du auf andere Gedanken kommst. Lass uns was unternehmen.“

Sie war einverstanden und so zogen sie durch die Stadt, waren bei allerlei Sehenswürdigkeiten, bevor sie am späten Nachmittag ihre Taschen aus der Herberge holten und in einem Schließfach am Bahnhof verstauten.

Mel hatte ihre schlechte Laune herunter geschluckt und als sie gesehen hatten, dass in einem kleinen Pub im Szeneviertel am Abend eine Liveband spielen würde, hatte sie vorgeschlagen, diese Nacht durchzumachen und um die Häuser zu ziehen. Am nächsten Morgen wollten sie dann mit dem Zug weiter nach Leipzig.

Die Beiden saßen schon eine Weile in einer gemütlichen Ecke und hatten bereits diverse Biersorten verköstigt, als Mel eine neue Runde für sie bestellte.
„Hey, aber die geht auf mich.“ rief sie heiter beschwippst, obwohl Tina direkt neben ihr saß und nun los kicherte. - „Bitte bitte, da widerspreche ich dir bestimmt nicht.“

Der Laden war inzwischen gerammelt voll und der Kellner hatte sein liebe Not, durch die Menschen zum Tisch zu gelangen, als er das Bier brachte.

So, für euch war das, richtig?“ fragte der junge Mann gestresst, aber freundlich. - „Ja, genau.“ nickte Tina. - „Aber ihr seht ja, was hier los ist, deshalb müsstet ihr nun gleich bezahlen.“ - „Kein Problem. Aber sie übernimmt das.“ gackerte Tina, die offenbar Gefallen an dem attraktiven Angestellten gefunden hatte.

Dann gib mir mal mein Portemonnaie, das ist in deiner Handtasche.“

Tina tastete neben sich auf der Bank herum, während sie weiter mit dem Kellner schäkerte, bis sie auf einmal entsetzt den Kopf zur Seite riss. Panisch wühlte sie unter ihrer Jacke und suchte auf dem Boden. „Mel, meine Tasche ist weg!“ - „Was? Das kann doch gar nicht sein!“ - „Doch, such doch selber!“ keifte sie ungehalten und war genau wie Mel von ihrem Platz aufgesprungen, um wirklich überall noch einmal nachzusehen. Aber sie fanden nichts.

Mel fluchte wie ein Rohrspatz und der Kellner, der die Beiden bei ihrer Suche unterstützt hatte, zog schon erschrocken den Kopf ein. „Kann ich noch irgendwas für euch tun?“ - „Nein, außer das Bier wieder mitnehmen.“ - „Das geht auf mich.“ erklärte er aufmunternd. „Tut mir leid, dass ich nicht mehr für euch tun kann.

Tina bedankte sich, doch Mels Gedanken rasten nach wie vor panisch durch ihren Kopf. „Scheiße Mann! Da war alles drin! Die Handys, die Portemonnaies, oh nein, sogar die Schlüssel für die Schließfächer! Tina, wir kommen nicht mal an unsere Schlafsäcke und es ist bitterkalt da draußen! “ jammerte sie und fühlte einen beklemmenden Kloß in ihrem Hals aufsteigen.

Entschuldigung, habt ihr ein Telefon hier, das wir ausnahmsweise einmal benutzen können?“ - „Sicher, ein Moment.“

Der junge Mann verschwand und Mel schnappte nach Luft, um nicht vollkommen der Krise zu erliegen.

Tina sah sie schief an. „Willst du jetzt doch Pad anrufen? Er kann uns sicher helfen.“ - „Nä!“ Sie spuckte das Wort förmlich aus. „Den ruf ich ganz bestimmt nicht an. Jetzt erst recht nicht!“ schnaufte sie und Tina schüttelte verständnislos den Kopf. „Mein Gott, deine Sturheit soll erstmal einer verstehen. Und was willst du dann jetzt mit dem Telefon?“ - „Mein Handy und meine Bankkarte sperren lassen!“

Mel wühlte aus ihrer Jackentasche eine kleine Papierkarte heraus, auf der die Nummer einer Sperrzentrale war. Nachdem sie einmal im letzten Jahr ihr Portemonnaie verloren hatte, war sie auf Nummer sicher gegangen und trug diese nun immer bei sich.

Reflexartig griff sie an ihre Hosentasche, um das Handy heraus zu ziehen und wurde so unsanft erneut daran erinnert, dass dies ja auch weg war. Wieder fluchte sie, bis ihr der Kellner endlich das Telefon brachte.

 

Auch Paddy hatte den Tag mehr schlecht als recht hinter sich gebracht. Das Interview war anstrengend gewesen und das abendliche Konzert nicht minder.

Vollkommen k.o. und mit einer Laune, die zum kleine Kinder erschrecken war, kroch er in sein Bett und hypnotisierte wie schon so oft am heutigen Tag sein Handy. Wieder einmal wählte er ihre Nummer und wartete genervt darauf, dass ihre Mailbox rangehen würde, auf der er schon unzählige Nachrichten heute hinterlassen hatte. Doch diesmal erklang nicht Mels Stimme vom Band, sondern ihm wurde durch eine Computeransage mitgeteilt, dass die Nummer vorübergehend nicht zu erreichen sei.

Irritiert legte er das Handy wieder zur Seite.

Würde er es eben morgen wieder versuchen, aber an Schlaf war dennoch nicht zu denken.

Er konnte Streit allgemein schon nicht leiden, umso mehr nervte es ihn, dass er im Moment so unausstehlich war und drauf und dran war, sich mit jedem in die Haare zu kriegen. Und wenn er mit seinem Schatz Ärger hatte und sie böse auf ihn war, gab es ihm eigentlich nur noch den Rest.

Nicht nur, dass er die Sache gerne aus der Welt schaffen wollte, es fehlte ihm einfach, ihre Stimme zu hören. Ihr Lachen, ihre Scherze, ihre lieben Worte. Statt dessen hatte er die ganze Zeit ihr Gesicht vor Augen, wie sie böse an ihn dachte, wie sie auf ihn schimpfte und vielleicht sogar weinte. Sie sollte nicht seinetwegen weinen.

Irgendwie musste er sie doch erreichen können!

Tina konnte sie bestimmt nicht ausreichend trösten, weil die doch nur die halbe Wahrheit kannte.

Tina! Er nahm das Telefon wieder in die Hand und suchte ihre Nummer raus, doch auch bei ihr ging nur die Mailbox ran.

Mann! Das war doch zum verrückt werden!

Endlich nach Stunden schaffte er es, doch ein Auge zu zu bekommen.

 

So, und nun?“ jammerte Mel, während sie auf den Grund ihres fast leeren Bieres blickte. „Was sollen wir jetzt machen? Tina, wir können doch nicht auf der Straße pennen! Da erfrieren wir!“ - „Och, Süße, nun bekomm nicht gleich Panik.“ versuchte Tina sie beruhigen. „Sieh es doch einfach mal als Abenteuer.“ - „Na, super...“

Tina spürte, wie bei ihrer Freundin bereits wieder die Tränen ihren Weg erkämpften.

Pass auf, was haben wir denn für Möglichkeiten?“ - „Keine Ahnung! Vielleicht in der Bahnhofsmission pennen?!“ nölte Mel hoffnungslos, aber noch war sie nicht so weit, sich bei Paddy zu melden und was sollte der auch schon groß machen?


Ja, Bahnhofsmission wäre vielleicht eine Möglichkeit, gibt es sonst noch eine?“ - „Vielleicht betteln gehen?!“ - „Ne, das ist nicht so mein Metier, sorry.“ - „Dann könnten wir nur noch nach Hause trampen.“ - „Und wohin? Zu dir in die Wohnung?“ - „Wäre eine Idee, abgesehen davon, dass ich da nicht mal hinein komme, weil mein Schlüssel weg ist!“ - „Hat Lea nicht einen?“ - „Jaaa!“ Endlich erhellte sich Mels Gesicht wieder ein bisschen.

Immerhin wusste sie nun, dass sie einen Anlaufpunkt hätten. „Gut, fahren wir zu mir nach Hause. Aber heute Nacht will ich nicht mehr trampen. Was machen wir also jetzt?“

Doch sie kam gar nicht mehr dazu, auf Tinas Antwort zu warten, etwas anderes erregte ihre Aufmerksamkeit.

Tina, hörst du das?“

Sie nickte kichernd. „Siehst du Mel, das ist ein Zeichen.“

Beide drehten sich zu der Liveband um, die gerade eine Rockversion von „Fell in love with an alien“ zum Besten gab.

Ein Zeichen ist gut...ein Zeichen dafür, dass sie gute Musik in den Dreck ziehen.“ brummte Mel. - „Ach, komm schon. Das klingt gut, das musst du doch zugeben.“ - „ Hm, vielleicht.“ Sie konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken, so sehr sie sich auch bemühte. Aber schnell kehrte ihre Panik zurück und das schlimmer als zuvor.

Mann, Tina! Er sitzt irgendwo, macht sich wahrscheinlich einen schönen Abend, vielleicht sogar mit seiner Neuen und ich sitz hier mitten in der Pampa!“ - „Mel, wir sind nicht in der Pampa...“ - „Ja, vielleicht, aber ohne Geld, ohne Schlüssel und ich habe nicht mal Schokolade!“ jaulte sie und ihrer Stimme war eindeutig der konsumierte Alkohol zu entnehmen.

Hier, vielleicht hilft dir das ein bisschen weiter? Ich hab mal im Fernsehen gesehen, dass da Glückshormone drin sind.“ Der junge, gut aussehende Kellner war wie aus dem Nichts neben ihnen aufgetaucht, legte ihr ein kleines Täfelchen auf den Tisch und blickte sie aufmunternd an.

Danke.“ schniefte Mel und verschlang sie in einem Haps. - „Und? Tut gut?“ - „Ja.“ sagte sie leise, hatte jedoch immer noch einen mitleiderregenden Schmollmund, während sie an der süßen Köstlichkeit lutschte.

Ich will mich nicht aufdrängen, aber ihr könntet bei mir übernachten. Ich habe ein großes Schlafsofa im Wohnzimmer.“ schlug er vor und setzte sich auf den freien Stuhl neben sie.

Tinas Augen blitzten auf. „Das klingt doch gut. Das ist ein sehr liebes Angebot.“ freute sie sich und sah zu Mel, deren Gesicht nicht annähernd so erfreut war.

Hm, Tina, ich weiß nicht. Wir kennen ihn doch gar nicht.“ - „Nein, das stimmt, aber viele Möglichkeiten sonst haben wir ja nicht mehr.“ - „Ja, aber trotzdem...“

Der Kellner stand wieder auf und nahm sein Handtuch vom Tisch. „Also es ist ja nur ein Angebot. Aber erstmal solltet ihr euch einig werden. Ihr könnt mir ja Bescheid sagen.“

Tina sah ihm sehnsüchtig hinterher, bevor ihr Blick auf Mel fiel. „Was war denn das gerade? Wir wissen nicht, wo wir pennen sollen, dann tut sich ein warmes Bett auf und du sagst nein?!“ - „Tina, du kannst doch nicht ernsthaft mit dem Gedanken spielen bei einem völlig Fremden zu übernachten?! Was meinst du, der will uns an die Wäsche?“ - „Ach Quatsch, wir sind zu zweit und selbst wenn, dann kratz ich ihm die Augen aus.“ - „Mann, Tina, stell dir das mal nicht so leicht vor. Also sorry, aber ich bin dagegen. Ich werde nicht bei einem fremden Kerl übernachten und ich kann es auch nicht zulassen, dass du alleine dort schläfst. Es mag ein Angebot ohne Hintergedanken sein, aber das wissen wir nicht! Wieso sollte uns ein Fremder das vollkommen uneigennützig anbieten?“ - „Hast du nicht gesehen, was für Augen der mir gemacht hat?“ grinste sie, doch Mels Gesicht wurde immer ernster. „Siehst du! Umso beängstigender finde ich die ganze Situation!“

Auch Tina ließ nun die Mundwinkel hängen. „Ja, ist ja gut. Dann lassen wir das eben.“ - „Fein! Boa, ich könnte echt gut, noch was trinken. Aber wir können ihn doch nicht schon wieder anschnorren.“ - „Dann müssen wir eben an Geld kommen...“ brummte Tina, die nun leicht genervt war, weil sie doch tatsächlich Gefallen an der Vorstellung gefunden hatte, bei dem süßen Typen zu übernachten.

Ach... das müssen wir sowieso. Die Frage ist nur, wie.“ - „Was weiß ich. Kannst ja ne Runde singen.“ schlug sie missmutig vor, doch Mels Alkoholpegel reichte offenbar aus, um die Idee näher ins Auge zu fassen.

Nur, wenn du mitsingst!“ - „Von mir aus. Aber du weißt, wenn ich singe, geben uns die Leute höchstens Geld, damit ich aufhöre!“ - „Naja, Hauptsache die geben uns Geld!“ lachte Mel und sprang von ihrem Stuhl auf.

Die Band wollte gerade das Podest verlassen, um eine Pause zu machen, als Mel sich schwungvoll drauf setzte.

Hallo, ähm, dürfte ich auch mal. Ich würde gern was singen.“ grinste sie den Bandleader frech an. - „Aaaah ja. Und du meinst, du kannst das?“ - „He he, nö. Aber das wär doch trotzdem ein Spaß oder?“

Er blickte sie skeptisch an, während sie auf die Bühne krabbelte und sich neben sie stellte. Sie deutete ihm an, dass er sich herunter beugen sollte und begann zu flüstern. „Naja, und schau dir doch mal die Alkoholkonzentration des Publikums an. Ich denke nicht, dass es sie wirklich interessiert, ob es gut es oder nicht.“ Sie zwinkert und verschränkte abwartend die Arme.

Recht hast du. Also gut...“ Er reichte ihr das Mikro und sie nahm es aufgeregt entgegen. „Danke.“ strahlte sie und wandte sich dem Publikum zu.

Plötzlich wurde sie doch etwas nervös, als sie spürte, wie vereinzelte Augenpaare bereits auf ihr ruhten.

Sie pustete leicht ins Mikro und zuckte erschrocken zusammen, als das Geräusch zig Mal verstärkt von allen Seiten auf sie zurück prallte.

Verschmitzt grinste sie die Leute an, die sich nun auch neugierig zu ihr umgedreht hatten. „Hi... ´Tschuldigung. Kleiner Test.“

Dann sammelte sie sich und sah Tina Hilfe suchend an, die doch an ihrem Tisch sitzen geblieben war.

Was sollte sie eigentlich singen? Naja, erstmal was Ruhiges zur Einstimmung vielleicht? Die erste Melodie, die ihr in den Kopf schoss, war Amazing Grace. Oh Gott, nein, dass würde sie nie anständig zustande bringen, doch so sehr sie auch überlegte, es fiel ihr keine andere Melodie mehr ein. Es war als würden sie ihr auf der Zunge bzw dem Zwerchfell liegen, aber sie bekam ansonsten nichts mehr zusammen.

Langsam drehten sich die anderen im Publikum wieder zurück und auch der Bandleader sah sie fragend an.

Gut, es blieb ihr wohl nichts anderes übrig.

Sie schloss die Augen und begann, zögerlich zu singen. Erst leise, doch als sie merkte, dass ihre Stimme erstaunlich stabil stand, wurde sie sicherer.

Anfangs konnte sie aber gar nicht glauben, dass es ihre Stimme war, die aus den Lautsprechern auf sie zukam. Glockenklar erfüllte sie den Raum und als sie ihre Augen wieder öffnete, wurde sie von unzähligen Augen durchbohrt, die sie fasziniert beobachteten. Allmählich erwachte sie aus ihrer Starre und bewegte sich sogar ein wenig auf der Bühne. Sie fühlte sich sogar inzwischen richtig wohl.

Ihr war zwar aufgefallen, dass das Lied gar nicht zum Ambiente passte, aber die verzückten Gesichter der Zuhörer sprachen für sich. Trotzdem kürzte sie das Lied ein wenig ab und stoppte nach der zweiten Strophe.

Begeisterter Applaus flammte auf und sie stand völlig verlegen schmunzelnd auf dem Podest.

Unsicher schaute sie zu Tina, die ebenfalls vollkommen überrascht war und fröhlich Beifall klatschte.

Auch der Bandleader trat auf sie zu und knuffte ihr bewundernd in die Seite. „Respekt! Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Und guck mal, die Leute finde es auch toll.“

Mel lachte erleichtert. „Ja!“ Sie klatschte aufgedreht in die Hände. „Und weißt du, was mir dazu einfällt?“

Er zuckte mit den Schultern und Mel hob wieder das Mikrophon an die Lippen. „That´s the way uh uh I like it.“

Er lachte los, reagierte aber angemessen, als sie es ihm unter die Nase hielt. „Uh uh.“ - „That´s the way.“ - „Uh uh.“ - „I like it!“ - „Uh uh.“ - „Dududududududuuududuuuuu!“ sang sie aus vollem Hals und fegte über die Bühne.

Die Leute an ihren Tischen hatten vereinzelt angefangen mit zu klatschen und ebenfalls ihren Spaß, während sie sie beobachteten.

Grölend stoppte sie nach dem zweiten Durchgang und schlug aufgedreht mit dem Bandleader ein. Sie wischte sich gerade den Schweiß von der Stirn, als der Besitzer hinter dem Tresen hervor kam und mit einer Flasche Bier auf sie zuging. „Hier, damit die Stimmbänder auch in Form bleiben.“ - „Danke!“ rief sie glücklich und nahm durstig einen großen Schluck.

Sie fühlte förmlich, wie das kühle Nass in ihren leeren Magen plätscherte, doch das war ihr egal. Ihren Hunger spürte sie schon nicht mehr und das gehaltvolle Getränk tat sein übriges.

So, dann kann es ja weiter gehen.“ Der Besitzer lächelte sie ermunternd an und ging wieder an seine Bar zurück. - „Ach, ich darf weiter...?“ fragte Mel überrascht.

Sie hatte zwar die fröhlichen Gesichter ihres Publikums gesehen, aber dass es ihnen wirklich gefallen hatte, haute sie doch ziemlich vom Hocker.

Okay, also...hm was hab ich denn noch in peto? Ah ja...“

Sie überlegte kurz, ob sie ankündigen sollte, wer die ursprünglichen Interpreten des nächsten Songs waren, entschied sich dann aber dagegen. Wer es nicht kannte, würde somit vorbehaltlos zuhören.

Sie nahm noch einen Schluck Bier, räusperte sich und begann lauthals „Good Neighbor“ zu singen. Sie war sich zwar ein wenig unsicher, wie die Reaktionen sein würden, doch entsprechend dem Alkoholpegel schunkelte fast der gesamte Pub mit. Der Bassist der eigentlichen Band schien das Lied zu kennen, kam auf die Bühne zurück und schnappte sich sogleich sein Instrument.

Wieder erntete sie Begeisterung, als sie fertig war und blickte den Bassisten fragend an.

Von meiner Freundin...“ gab er schmunzelnd zu. - „Ach so.“

So, zum Abschluss möchte ich euch gern noch ein Lied von der Kelly Family spielen.“

Vereinzelter Protest wurde laut, aber Mel hob die Hand, um aufkeimendes Genöle abzuwürgen. „Ne ne ne, auf die Kellys lasse ich nichts kommen und ich denke, dass das nächste Lied auch gut hierher passt.“

Die Stimmen verstummten und Mel begann mit „One more freaking dollar“.

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge musste sie an Paddy denken, der sich entweder die Haare raufen oder vor Lachen in der Ecke liegen würde, wenn er sie jetzt sehen und hören könnte.

Trotz des anfänglichen Protests kam das Lied sehr gut an und Mel verbeugte sich stolz.

Dann wurde sie jedoch wieder etwas verlegen. „Hm, also das Ding ist, dass uns unglücklicherweise heute Abend die Handtasche abhanden gekommen ist und wir nun ohne was dastehen. Ohne Geld, Papiere und nicht mal an unser Reisegepäck kommen wir ran, weil das auf dem Bahnhof in Schließfächern eingeschlossen ist.“ Sie versuchte auf die Tränendrüse zu drücken und machte ein entsetzlich trauriges Gesicht.

Ich habe mir gerade alle Mühe gegeben und wenn es jemandem gefallen hat, wäre es toll, wenn er uns was in den Hut wirft.“ Sie sah sich amüsiert um. „Mist, ich habe gar keinen Hut. Der ist nämlich auch in meiner Reisetasche.“

Doch der Bandleader nahm seinen vom Kopf, so dass sie nun damit durch die Tische gehen konnte.

Fast jeder warf etwas hinein und am Ende kam sie überglücklich wieder bei Tina an.

Diese warf neugierig einen Blick hinein. „Wow, nicht schlecht. Davon können wir die Nacht durchmachen und morgen nen Zug bezahlen! Gut gemacht, Kleine!“

Danke.“ Sie lächelte gut gelaunt und nahm einen Schluck von ihrem Bier. Vergessen war ihre Panik von vorhin und Tina lagen so allerlei Sprüche auf der Zunge, aber sie schluckte sie kichernd runter. Sie würde einen Teufel tun, Mel wieder von ihrer Laune herunter zu holen.

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Kommentare: 15
  • #1

    Dragon (Sonntag, 25 Januar 2009 16:41)

    Huhu PW

    hab mir nun mal den Anfang der Geschichte kopiert, damit ich sie abends im Bett nochmal lesen kann, bzw. an einem schönen Frühlingstag im Gartenstuhl...

    EGON faszieniert mich immer wieder und ich freue mich EGON ein zweites Mal zu lesen!!!

  • #2

    melsgesammeltekatastrophen (Sonntag, 25 Januar 2009 17:06)

    Hihi, danke für dein Feedback :) Hast du es dir hier von der HP oder aus dem Forum kopiert. Und ja sorry, dass ich mit der Buchgeschichte noch nicht fertig bin :(

  • #3

    paddy90 (Dienstag, 19 Mai 2009 16:03)

    jetzt mag ich paddy nicht mehr :( arme mel...

  • #4

    Paddys_Angel (Montag, 03 August 2009 16:17)

    heyho :) hehe das ist das erste mal das ich hier direkt auf der HP mein komentar ablassen kann ;D vorher ging das irgendwie nicht :)

    hehe jetzt kann mel ja mit den kellys auftreten wenn sie auch so gut singen kann ;D
    vorausgesetzt natürlich, paddy und mel klären endlich das problem...
    ist natürlich auch echt blöd gelaufen das die tasche geklaut worden ist..obwohl ohne diesen zwischenfall wüsste jetzt keiner das mel so talentiert ist ;D

  • #5

    Bella (Montag, 26 Oktober 2009 20:58)

    Ich finde deinen betruckenen Paddy soooo klasse :-)! Amüsiert mich immer wieder!!

  • #6

    Leila (Samstag, 28 November 2009 20:14)

    Huhu! ^^ Ich schon wieder!

    Mel tut mir hier richtig Leid...Alkoholspiegel hin oder her, dass Paddy kurz davor war, Jenny zu küssen find ich krass :-( Aber Jimmy war klasse!!! Nur dann tat Paddy mir auch wieder Leid...es stimmt schon, die Privatsphäre ist bei ihnen im Bus wirklich nicht gegeben...

    Oh, Mel als Sängerin! Cool, dass sie die Lieder von den Kellys gesungen hat :-)))

  • #7

    nicky (Montag, 13 September 2010 20:34)

    ha ich wusste das sie gut singen kann! ;)

    ja das find ich aber aber auch sehr schade von Paddy!und ich bin auch ziemlich enttäuscht!er hat alles für Mel gegeben und dann macht er selbst ein Fehler!na so wie sie drauf ist..wird sie ihm das bestimmt nicht so einfach verzeihen!da tut sie mir jetzt aber auch mal leid!
    das wurmt mich jetzt...ich bin jetzt richtig böse auf Paddy!!!

    na mal schauen was noch kommt!^^ weiter mit Kapitel 68!

  • #8

    Die Micha (Dienstag, 14 September 2010 14:43)

    Naja, also nen klitzkleines bisschen tut Mel mir ja schon leid, aber ich denke, dass Paddy auch nicht ohne Grund aufmerksam auf die veränderte Jenny geworden ist.
    Ich meine die beiden haben nur Probleme und Mel haut einfach meistens ab, nicht das ich das was Paddy gemacht hat schön reden will, aber mal im ernst, wer glücklich in seiner Beziehung ist, findet meist andere Menschen nicht sooooo interessant bzw. will sie küssen!!!
    Und Mel ist ja in der Hinsicht auch kein unbeschriebenes Blatt, wird Paddy aber bestimmt wieder schmoren lassen, oder ihm gar nicht verzeihen, das würde ich ihr sogar noch zutrauen!!! :-( Wäre aber echt schade!!!

  • #9

    Pharell (Dienstag, 14 September 2010 23:39)

    oh paddy.....:-((((

  • #10

    melsgesammeltekatastrophen (Dienstag, 14 September 2010 23:43)

    Sorry. :(

  • #11

    holla die waldfee (Mittwoch, 29 Juni 2011 15:51)

    wilma ist doch keine bravo-tante... tz ;-) das ist ne ganz liebe!!

  • #12

    Resa (Donnerstag, 24 Januar 2013 16:12)

    def war gut, ich muss mal pullern.... oder war das angelo?

  • #13

    Katrinka (Mittwoch, 06 März 2013 11:45)

    „Isch bin auch kein Mädchen, *hick* auch wenn meine Frisur manche Leute irritieren mag. Aber ich muss pullern.“

    Oh Oh, ein betrunkener Paddy und Jenny ist auch noch in der Stadt!!!

    „Nein, ich will nicht mit dir mitgehen! Mir ist egal, was für tolle Discos hier in der Nähe sind!“

    Gut so, braver Angelo :-)

    „Du willst ihn jetzt doch nicht lesen? Schmeiß ihn weg! Der ist von Jenny, da kann nichts Gutes drin stehen!“

    Na los, hör auf deine Brüder....bitte....

    „Sie würde sich gerne einmal mit mir in Ruhe unterhalten. Und... Sie hat ihre Handynummer darunter geschrieben.“


    Tu mir wenigstens den Gefallen, und lasse Paddy da nicht anrufen...

    „Ach, was interessiert uns der Rest?! Wir sind alt genug und können machen, was wir wollen!“

    Boah, was sind denn das für Töne von Paddy???

    „Das ist doch Jenny, oder nicht? Dort hinten an dem Stand. Die mit dem Punschbecher in der Hand und sie unterhält sich gerade mit einer Freundin.“
    „Nein, ich möchte mit ihr sprechen.“
    "Sie sah so viel fraulicher aus, als Mel es je getan hatte."

    Grrrr....was ist denn in den gefahren???Die arme Mel....

    „Hey, Paddy, was wird das?“ Verwirrt wischte sie sich die letzten Tränen aus den Augen und sah ihn skeptisch an. - „Wieso? Ich meine, was soll das schon werden?“

    Vielleicht hat sich JEnny ja wirklich verändert - es wäre ja nur zu hoffen....

    „Das kann doch unmöglich dein Ernst sein! Wer soll dir das denn abnehmen?! Seh´ zu, dass du sie da stehen lässt und mitkommst, aber auf der Stelle!“
    Paddy zog den Kopf ein. So böse hatte er Jimmy nur ein einziges Mal in seinem Leben gesehen und das war damals in Irland, als Mel ihn beim Koksen erwischt hatte.
    Danke Jimmy....

    „Was sollte man?“ fragte Paddy mit einer bösen Vorahnung, doch da holte Jimmy schon aus und versetzte ihm einen schwungvollen rechten Haken. Trotz der Vorahnung traf dieser Paddy ungebremst und brachte ihn ins Taumeln. Er konnte sich gerade noch an der Hausmauer abstützen, sonst wäre er zu Boden gegangen.

    Naja, verdient hat er es ja...

    „Ich war beim Zahnarzt.“ - „Ach, und der hat dir ein blaues Augen geschlagen? Wolltest du den Mund nicht aufmachen?“ kicherte er

    Und wieder mal einer deiner genialen Dialoge :-)

    "Klar, war es scheiße, was er gemacht hatte, aber mussten sie ihn alle darauf hinweisen, mussten sie sich alle immer und überall einmischen und er sich vor allen vorführen lassen? Ist es nicht schon beschämend genug, sich falsch verhalten und dies eingesehen zu haben? Und auch wenn er einen Fehler gemacht hatte, ging es sie doch überhaupt nichts an, verdammt!"

    Du schaffst es mal wieder wunderbar, beide Seiten zu beschreiben. Und irgendwie kann ich Paddys Wut ja auch verstehen....

    Mels ungutes Gefühl im Bauch, das sie schon seit Tagen plagte, wurde zu einem quälenden Schmerz, während sie auf seine Antwort wartete.

    Oh nein...schon wieder so traurig....


    „Ich will mich nicht aufdrängen, aber ihr könntet bei mir übernachten. Ich habe ein großes Schlafsofa im Wohnzimmer.“

    Na da bin ich ja mal gespannt....

  • #14

    Emma (Freitag, 08 Januar 2016 22:21)

    erst wollt ich ja schreiben männer, können solche arschlöcher sein. Aber eigentlich menschen im allgemeinen. Frauen passiert sowas ja auch. Alkohol hin oder her echt mies von Paddy. Die zweite ohrfeige von Patricia vor der er in schutz gehen wollte hätte er verdient auch wenn sie so etwas nie machen würde.
    Aber dann kann ich es auch wieder verstehen was er meint wenn er sauer ist weil er das Gefühl hat überwacht zu werden und förmlich kein Privatleben zu haben.
    Mensch kannst du toll schreibe.
    Wie gut man sich da reinversetzen kann, als sie an der halle ankommen, wie schwer es manchmal sein muss, berühmt zu sein. Ganz schwer zu glauben das es eine nicht wahre geschichte ist die sich jemand ausgedacht hat.qUnd das Ende des Kapitels einfach nur geil!

  • #15

    Kathrin (Samstag, 03 September 2016 22:21)

    Ts, irgendwie bekommt Paddy immer alles ab: zuerst die gebrochene Nase und dann der ausgeschlagene Zahn. Tolle Brüder egal ob er es verdient hat oder nicht

    Nun, hoffe es kommt nicht als Kritik rüber. Bin echt begeistert von der Geschichte, aber hab ich ja schon erwähnt