Müde kämpfte sich die ganze Familie aus dem Bett, bis auf Tina und Meike, die sich bereit erklärt hatten, auf Sean aufzupassen, wenn der aufwachte. Selbstverständlich war dieser Vorschlag vollkommen uneigennützig.
„Kaffee? Gibt’s hier auch Kaffee?“ brummte Angelo gähnend, als sie durch die Tür des neuen Studios traten. Eigentlich war es nicht wirklich neu, aber sie hatten es bisher noch nicht aufgesucht. Kathy hatte durch Zufall den Chef kennengelernt und sie waren sofort übereingekommen, dass dort die nächste Platte aufgenommen werden sollte.
„Kaffee? Den kannst du dir schön selber kochen. Wie wäre es erst mal mit einem „Guten Morgen“?“ begrüßte ihn eine selbstbewusste Stimme, die von einem zierlichen Mädchen zu kommen schien, wie er feststellte, nachdem er aufgehört hatte, sich die müden Augen zu reiben. - „Ähm, was bitte?!“ - „Guten Morgen, habe ich gesagt! Und Kaffee kannste selber kochen oder dir vom Coffee-Shop holen, aber erst mal herein spaziert, alle Mann!“ wiederholte sie ihre Worte frech grinsend, während sie den anderen die Tür aufhielt.
Verdutzt verharrte er einen Moment, überlegte, ob oder eher was er erwidern sollte, musste dann aber einsehen, dass es für ihn viel zu früh für ausreichend Schlagfertigkeit war. So schloss er den Mund wieder und ging weiter.
Auch Paddy musterte das große Mädchen skeptisch. Sehr lange schwarze Haare fielen glatt über ihre Schultern und da dies nicht ihre Originalhaarfarbe zu sein schien, gab ihr das ein fast gruftihaftes Aussehen. Außerdem war sie nicht nur zierlich sondern geradezu hager.
Er warf noch einen flüchtigen Blick auf ihr Gesicht, als er sie passierte und suchte sich einen Platz, wo er seine Gitarre abstellen konnte.
Auch Mel zog irritiert die Augenbrauen zusammen, als sie durch die Tür kam. Dies Mädchen schien eindeutig zu jung zu sein, um hier das Sagen zu haben. Allerdings war sie für eine Praktikantin ganz schön unverschämt.
„Mein Vater kommt gleich, der holt nur noch was aus dem Lager.“ - „Ach, dein Vater! Dann bist du bestimmt Tirza.“ Kathy stellte ihre Geige beiseite und streckte ihr freundlich die Hand entgegen, die das Mädchen fröhlich schüttelte.
„Ja, richtig! Ich mache gerade eine Fortbildung zum Tontechniker, naja, oder eher Tontechnikerin.“ kicherte sie albern und schloss die Tür hinter John, der als letzter die Schwelle übertreten hatte. „Er hat gesagt, ich soll euch schon mal herein lassen. Kaffee kochen hat er allerdings nicht erwähnt.“ Sie zog Angelo eine kleine Grimasse und deutete auf einen Nebenraum, wo sie sich hinter das Mischpult setzte und sich eine Tasse schnappte, aus der es verführerisch nach Kaffee duftete.
Angelo verschränkte die Arme und lehnte sich ein Stück weiter gegen die Wand. Grummelnd beobachtete er Tirza, die trotz der frühen Stunde von Energie nur so geladen zu sein schien. Paddy stellte sich dazu und auch er war mehr als überfordert mit diesem übermütigen Mundwerk um diese Uhrzeit.
„Ist die mal ein bisschen anstrengend oder ist die mal ein bisschen anstrengend?!“ flüsterte er hinter vorgehaltener Hand zu seinem jüngeren Bruder. - „Ich würde sagen, die ist mal ein bisschen anstrengend. Eigentlich nicht nur ein bisschen. Wie kann man um diese Zeit schon so drauf sein?! Das ist ja schrecklich! Und vor allem teilt sie nicht mal ihren Kaffee mit uns. Das grenzt doch schon an Folter!“ - „Find ich auch...“ nickte Paddy und verengte unwillkürlich seine Augen zu schmalen Schlitzen.
„Ob sie auf irgendwelchen Drogen ist?“ überlegte Angelo halblaut und an Jimmy gewandt, der sie gerade zu ihnen gesellte. Er zuckte mit den Schultern. „Hm, schon möglich. Normal find ich die auf jeden Fall nicht, wenn auch nicht unsympathisch.“ - „Was?“ erwiderten die beiden Jüngeren wie aus einem Mund. „Findest du nicht?“ - „Nein, ganz und gar nicht.“
Nachdenklich wandten sich auch Paddy und Angelo wieder in ihre Richtung und verfolgten jede ihrer graziösen Bewegungen.
Sie hätte sicher eine gute Balletttänzerin abgegeben, dachte Angelo bei sich.
Hätte genauso gut auch Modell werden können, fand Jimmy wortlos.
Ob die mal Basketball gespielt hat, spukte in Paddys Kopf herum.
„Jungs, könntet ihr vielleicht mal aufhören, das Mädchen anzustarren?!“ mischte Mel sich ein, nachdem sie die drei eine Weile beobachtet hatte. - „Haben wir doch gar nicht!“ widersprach Paddy sofort, doch seine Frau verdrehte stöhnend die Augen. „Ja, nee, is´ klar...“
„Ach, die Familie Kelly ist schon da. Hab ja geahnt, dass die Bude voll werden würde, aber irgendwie seid ihr doch mehr, als ich erwartet hatte.“ erklang plötzlich eine freundliche Männerstimme, deren Besitzer just im Türrahmen aufgetaucht war. Es war Tirzas Vater, Rainer, der sehr sympathisch und warmherzig wirkte und die drei Männer obendrein vor Mels Standpauke rettete.
Alle stellten sich kurz vor, bevor sie das weitere Procedere besprechen wollten.
„Ich bin Mel und nur Deko.“ lachte selbige als sie an der Reihe war und streckte ihm ihre Hand entgegen.
„Deko?“ hakte Tirza nach. „Wen schmückst du denn?“ - „Paddy.“ erklärte sie zwar einsilbig, aber mit Nachdruck in der Stimme und um dies noch weiter zu untermalen, schlang sie den Arm um seine Taille und lehnte den Kopf an seine Schulter. - „Okay, du machst deinen Job gut.“ kicherte Tirza und ließ ihre Augen wieder über die versammelte Mannschaft wandern, die sich weiter nach und nach bekannt machte.
„Ich hab den selben Job wie Mel. Ich bin Kira.“ erklärte diese gerade und wieder mischte Tirza sich ein. „Du schmückst also ebenfalls Paddy?“ - „Nein, Angelo, aber dafür ist das ein Fulltime-Job.“ - „Ja, das glaube ich.“ entgegnete sie und ihr Blick fiel von selbigem weiter auf Jimmy, der sein schmückendes Beiwerk heute zu Hause gelassen hatte. „Und du? Was ist mit dir?“ - „Ich bin keine Deko, ich muss arbeiten für mein Geld.“ Ein Kommentar für den er nicht nur böse Blicke von Mel und Kira kassierte, sondern auch laut gemurmelten Protest zu hören bekam.
„Genau, lasst uns arbeiten! Ab ins Studio mit euch!“ forderte Tirza alle auf, doch ihr Vater bremste ihre Euphorie ein wenig.
„Moment, erst mal müssen noch ein paar Dinge besprochen werden, ganz so weit sind wir noch nicht.“ - „Na gut, dann verzieh ich mich vorerst. Bin in `ner halben Stunde wieder da.“ Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, war sie auch schon aufgestanden und verschwunden.
Die Kellys suchten sich alle einen Platz und klärten, welche Songs sie denn nun endgültig zur Probe aufnehmen wollten und welche Reihenfolge dafür am sinnvollsten wäre.
„Fein, fangen wir also mit euch zweien und 'Because its love' an, okay?“ erklärte Kathy abschließend und scheuchte die beiden Jüngsten von ihrem Stuhl hoch.
Sie schnappten sich ihre Gitarren und trotteten ins Studio, um einen Testdurchlauf ohne Aufnahme zu starten.
Paddy und Angelo waren recht zufrieden und beschlossen, dass es nichts zu verbessern gäbe, doch als sie durch die Glasscheibe schauten, fiel ihr Blick auf Tirza, die offenbar vor kurzem wiedergekommen war. Sie griff nach zwei Pappbechern und machte sich auf den Weg nach drinnen.
„Hat jemand von euch Lust auf einen Kaffee?“ grinste sie und streckte beiden jeweils einen entgegen. - „Wie kommst du denn darauf?“ brummte Angelo und verdrehte die Augen, nahm ihr jedoch unverzüglich einen ab. „Und woher der plötzliche Sinneswandel?“ - „Och, ich dachte nur, vielleicht kommt dann ein wenig mehr Pepp in euren Song.“ - „Bitte was?“
Angelo zog angestochen die Brauen zusammen und wollte gerade etwas erwidern, als Paddy ihn zurückhielt. „Lass einfach gut sein.“
Tirza hatte sich bereits wieder auf der anderen Seite der Scheibe eingefunden, doch Angelo hatte sich immer noch nicht beruhigt. Wenn seine Geschwister seine Lieder kritisierten, war das ja okay, aber für wen hielt sie sich, dass sie meinte so unqualifizierte Kommentare abgeben zu dürfen?
„Hat die denn überhaupt keine Erziehung genossen?! Wie unverschämt ist das bitte?“ schimpfte er leise vor sich hin, als Paddy sich zu ihm hinüber beugte. „Nein, hat sie nicht, ich habe vorhin mitbekommen, dass ihre Eltern früher ziemliche Hippies waren. Woodstock und so. Und dass sie jetzt immer noch in einer Art Kommune leben. Sie ist wohl aus Prinzip vollkommen antiautoritär aufgewachsen.“ - „Ach du Schande, na das erklärt einiges...“ entgegnete er kopfschüttelnd, zuckte jedoch erschrocken zusammen, als eine laute Stimme in ihren Kopfhörern ertönte.
„Ach, übrigens, nur falls ihr es noch nicht mitbekommen habt... eure Mikrofone sind noch an...“ hörten sie Tirza, die sich, wie ein Blick zeigte, genau wie alle anderen hinter dem Schaltpult vor Lachen bog.
„Scheiße...“ murmelte Angelo und lief purpurfarben an.
„Jungs, lasst uns doch einfach weitermachen. Also noch mal auf Anfang bitte.“ forderte sie die beiden auf, denen im Moment nichts lieber war, als einfach weiter dem Programm nachzugehen, als wäre nichts passiert.
Drei Mal mussten sie von vorne beginnen, denn jedes Mal versangen sie sich oder spielten so schlecht, dass es nicht mal für die Probeaufnahmen taugte.
„Angelo, jetzt konzentrier dich doch mal!“ fuhr Paddy ihn schließlich an und sein Bruder nickte ertappt. „Sorry, noch mal von vorne.“
Diesmal kamen sie wenigstens bis zum Refrain, doch als Paddy einsetzen sollte, blieb er stumm. Angelo hob irritiert seinen Kopf und musste feststellen, dass Paddy zwar brav Gitarre spielte, seine Augen jedoch auf Tirza gerichtet waren, die sich gerade im Nebenraum angeregt mit Jimmy zu unterhalten schien. Die beiden lachten ausgelassen, während sich Paddys Gesichtszüge verhärteten.
„Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“ nölte Angelo, bekam allerdings keine Antwort. Paddy starrte weiter geradeaus und spielte ohne Unterlass die Melodie von 'Because its love' ohne auch nur annähernd mitzubekommen, dass Angelo bereits vor wenigen Minuten aufgehört hatte.
„Hey!“ Sein kleiner Bruder gab ihm einen kräftigen Stoß von der Seite, so dass Paddy fast von seinem Stuhl gefallen wäre, der sehr an einen Barhocker erinnerte. - „Was soll denn das?!“ - „Das frag ich dich!“ - „Wieso?“ - „Erzähl du mir noch mal was von Konzentration, mein Lieber... Jetzt reiß dich zusammen und sieh mich an, während wir das Ganze noch einmal versuchen!“
Paddy nickte, nachdem er kurz geschaut hatte, wo Mel und Kira sich befanden, doch keine der beiden war zu sehen.
Endlich schafften die Jungs es, den Song in den Kasten zu bringen und verließen fürs erste erleichtert den Aufnahmeraum.
„Wo ist denn Mel?“ fragte er verwirrt, als er sie immer noch nirgends entdecken konnte. - „Sie und Kira sind ganz am Anfang gleich abgehauen. Sie wollten in der Stadt nach Klamotten bummeln gehen.“ berichtete Patricia und machte sich auf den Weg, um ihren Song zum Besten zu geben. Paddy zuckte mit den Schultern und ließ sich auf einen freien Platz fallen, von wo aus er einen guten Blick auf das Mischpult hatte, an dem Rainer und seine Tochter gekonnt die Hebel hin und her schoben.
„Boa, hier gibt’s was zu essen?!“ freute sich Angelo, als er die belegten Brötchen entdeckte und schob Paddy unsanft zur Seite, um sich eins oder auch zwei zu nehmen.
„Ja, sicher. Bitte, greif nur zu...“ schmunzelte Tirza und ihre Augen wanderten weiter zu dem winzigen Bauchansatz unter Angelos T-Shirt. „Ich meine, es wäre ja schrecklich, wenn du noch verhungern würdest.“
Er hielt mitten im Kauen inne und schluckte geräuschvoll den Bissen in seinem Mund hinunter. Diesmal würde er das nicht so auf sich sitzen lassen und ihr etwas Passendes antworten! Doch unglücklicherweise hätte er das mit dem Kauen nicht so auf die leichte Schulter nehmen sollen...er verschluckte sich fürchterlich und verteilte hustend sein halbzerkautes Brötchen über die Schalthebel.
„Oh Shit...“ murmelte er verlegen und versuchte hastig die matschigen Krümel mit den Fingern wieder einzusammeln, während um ihn herum lautes Gelächter ausgebrochen war.
„Hier, nimm lieber das. Damit geht das bestimmt besser.“ Barby reichte ihm eine der Servietten, die bei den belegten Brötchen lagen. - „Danke.“ Noch immer leicht hustend nahm er sie entgegen und versuchte das Schaltpult zu reinigen. Vorsichtig schaute er zu Rainer, der sich ebenfalls etwas zum Wischen besorgt hatte. Sein Gesicht war überraschend entspannt und es war sogar ein leichtes Zucken um seine Mundwinkel zu erkennen.
Angelo wunderte sich, dass ihm offenbar niemand wegen der teuren Technik den Kopf abreißen wollte, nahm es jedoch kommentarlos so hin.
„Tut mir echt Leid.“ murmelte er am Ende, als alles wieder im Reinen war und unbewusst huschte sein Blick einen Sekundenbruchteil lang zu Tirza hinüber, deren amüsiertes Kichern unangenehm in seinen Ohren klingelte. Eine verräterische Hitze bedeckte seine Wangen und ließ ein leuchtendes Rot entstehen.
Er räusperte sich kaum hörbar und wandte sich Kathy zu. „Und? Welcher Song als nächstes?“ - „Nehmen wir Paddys Lied.“ - „One more song?“ - „Genau.“
Paddy nickte, machte sich wieder auf den Weg in den Aufnahmeraum und setzte sich hinter den Flügel. Geschwind sausten seine Finger über die Tasten, um sich einzuspielen. Ohne größere Zwischenfälle spielten sie sein Stück ein, bevor er zu den anderen zurückkehrte. Mel war immer noch nicht wieder da, wie er feststellen musste.
„Ein wirklich schönes Lied.“ zollte Tirza ihm ihren Respekt. - „Wirklich?“ hakte er nach, ärgerte sich aber unverzüglich über seine dämliche Frage. - „Ja, ich mag deine Stimme, sie klingt so...“ Sie schnurrte leise.
Irritiert wandte er sich ab und nahm sich eines der Brötchen, die sein jüngerer Bruder übrig gelassen hatte. Hungrig biss er hinein und drehte sich zu Rainer um. „Lasch ma die Aufnahme hörn.“ nuschelte er mit vollem Mund, als das Licht der Lampe plötzlich auf sein Essen fiel. Offenbar war auch das bis dato noch unberührte Essen nicht von Angelos Hustenattacke verschont worden. Sein skeptischer Blick wanderte über die matschigen Krumen auf dem Käse, bevor er es angewidert wieder weglegte. Langsam kaute er angeekelt weiter, bis er den Bissen geräuschvoll herunterschluckte.
„Lecker?“ kicherte Tirza, die ihn schmunzelnd beobachtet hatte. - „Ja, wahnsinnig...“
„Das klingt gut! Ich will auch eins!“ rief Jimmy und schob sich zwischen die beiden, während er den Arm nach Paddys angebissenem Brötchen ausstreckte. Er war gerade erst dazu gestoßen und sein Magen knurrte in der Tat deutlich hörbar. Schmatzend nickte er anerkennend zu Paddy. „Hey, gute Aufnahme. Kathy, sind wir nun dran? Würd mir gut passen, ich hab noch einiges zu erledigen und würde deshalb gern so bald wie möglich wieder los.“ - „Ja, lass uns.“
Kathy winkte Barby zu, da auch sie einen Part in dem neuen Song hatte.
So brachte einer nach dem anderen seine Songs auf Tonband, bis sie zumindest mit den Probeaufnahmen fertig waren. Der Rest sollte dann nach dem Irlandtrip erfolgen.
Als Mel vollgepackt mit unzähligen Einkaufstüten wieder auftauchte, fand sie Paddy zusammen mit Angelo und Jimmy in einem kleinen Aufenthaltsraum, der jedoch wie auch die beiden anderen jäh verstummte, als sie durch die Tür trat.
„Stör ich gerade?“ Irritiert blickte sie von einem zum anderen, doch alle wichen ihr aus.
„Nö nö...“ murmelte Paddy und rieb sich unbewusst an der Nase, so wie er es oft tat, wenn er nicht ganz bei der Wahrheit blieb.
Mel musterte ihn misstrauisch, ging jedoch nicht näher darauf ein, sondern gab ihrem Mann einen Kuss und ließ sich neben die anderen auf die Couch fallen.
„Und wie sieht´s aus? Kommt ihr denn nun noch mit etwas trinken?“ fragte Tirza, die beschwingt um die Ecke kam und sich neben Jimmy in die Kissen warf. „Ich finde, ihr hattet nun lange genug Zeit, es euch zu überlegen.“ - „Ich weiß nicht.“ brummte Paddy und sah verstohlen zu Mel. - „Wieso weißt du nicht? Eben warst du doch derjenige, der so begeistert gewesen war.“ hakte die Tochter des Musikproduzenten nach.
„Also ich bin auf jeden Fall dabei!“ mischte Angelo sich ein und grinste Tirza einladend an. - „Super! Und was ist mit dir?“ Sie sah zu Jimmy, der abwägend den Kopf hin und her neigte. „Lust hätte ich ja schon, aber...“ - „Was aber?“ - „Ich sollte vielleicht lieber nach Hause, Meike wartet dort.“ - „Die wird später auch noch da warten! Und den Kram, den du zu erledigen hattest, hast du doch auch in der Pause geschafft. Also komm! Und deine Meike muss dir doch auch so viel Freiheit lassen, dass du mal ausgehen darfst, oder? Ich hätte dich eigentlich eher als einen ziemlichen Rebellen eingeschätzt und nicht erwartet, dass du dir einen Maulkorb oder ähnliches verpassen lässt.“ - „Das lasse ich auch nicht!“ protestierte er angestochen. - „Na also. Dann führ dich doch nicht auf wie eine Marionette.“ - „Das mache ich ja gar nicht!“ - „Wenn du meinst...“ murmelte sie leise und nahm schmunzelnd einen Schluck aus der Bierflasche, die sie in der Hand mit sich getragen hatte, während Jimmy sie angesäuert anschielte.
Er und eine Marionette?! Nein, das war er nicht! Sie hatte Recht, er liebte seine Freiheit, aber das war ja auch gar kein Problem, immerhin war er mehr als alt genug! Er ließ sich von niemandem mehr vorschreiben, was er zu tun oder zu lassen hatte. Weder von seiner Familie noch von irgendeiner dahergelaufenen Hippietussi!
„Hast du noch so ein Bier?“ schnaubte er und deutete auf ihr Getränk. - „Nicht direkt, aber du kannst meins austrinken, ich hole noch welche von der Tankstelle. Wir können hier ja ein bisschen vorglühen, bevor wir uns auf den Weg machen.“ Sie sprang auf, drückte Jim die Flasche in die Hand und schlüpfte in ihre Jacke. - „Gute Idee!“ stimmte Angelo ihr zu und schnappte seinem Bruder das Bier aus der Hand, aus dem zuvor auch schon Tirza getrunken hatte.
„Prima, dann bis gleich.“ Sie nahm ihren Schlüssel vom Tisch und verschwand so schnell wie sie gekommen war wieder.
Auch Mel ließ ihren Blick nicht mehr von Tirzas Flasche weichen, vor allem als Angelo den Arm ausstreckte und sie Paddy entgegen hielt.
Der würde es doch wohl nicht ernsthaft wagen, ebenfalls daraus zu trinken?!
Sie war fieberhaft am überlegen, was sie sagen konnte, um ihn davon abzuhalten, was nicht allzu garstig klang und somit nicht sofort die bösen Stiche in ihrer Magengegend verraten würde, als Paddy schon das Gebräu ergriff und einen herzhaften Schluck nahm.
Allerdings konnte sie nicht verhindern, dass ihr Mund empört aufsprang und ihre Eifersucht preisgab. Ihre verschränkten Arme untermalten das Gesamtbild noch ein wenig mehr.
„Alles in Ordnung, Schatz?“ fragte Paddy, nachdem er sich den Mund abgewischt und die Flasche wieder an Jimmy gereicht hatte. - „Aber sicher doch...“ stieß sie trotzig zwischen den inzwischen fest aufeinander gepressten Zähnen hervor.
Ihr gefiel es gar nicht, dass diese Tirza den Jungs so schöne Augen machte und vor allem nicht, dass alle drei wie läufige Hähne darauf ansprangen und so um sie herum scharwenzelten.
Sie war gewesen, dass sie morgen vorerst nach Irland fliegen würden und nun wollten sie auch noch mit der weggehen!
„Mel, Süße, du kommst doch auch mit, oder?“ - „Nein.“ Das wollte sie sich nun wirklich nicht geben. Es hatte ihr schon gereicht, der unsympathischen Ziege den halben Tag ausgesetzt gewesen zu sein, bis sie die Flucht zum Shopping angetreten war, da musste sie nun nicht noch ihre Freizeit mit ihr verbringen! „Aber euch viel Spaß...Bis nachher.“ Ohne sich einmal umzusehen, stand sie auf und machte sich auf den Heimweg.
Paddy wollte ihr gerade hinterherlaufen, als ihm die zurückgelehrte Tirza den Weg versperrte. Siegesgewiss hielt sie zwei sehr überzeugende Sixpacks in den Händen, von denen ihr Paddy gleich eins abnahm.
„Ich hab mir überlegt, dass es für euch sicher nicht so leicht ist, irgendwo in einen Club zu gehen, oder? Von daher hab ich mir gedacht, wir gehen zu mir. Was meint ihr?“ - „Deine Ideen werden immer besser!“ strahlte Angelo und half Paddy sofort, vier Bier aus der Papphalterung zu befreien.
Sie hatten gerade die Kronkorken entfernt, als sie sich auch schon auf den Weg machten.
Es war nicht besonders weit und überrascht fanden sie sich auf einmal vor einem hübschen Haus wieder, das ein ganzes Stück von der Straße zurückgesetzt lag. Davor war ein recht großer, wild wuchernder Vorgarten, der das Wohngebäude fast gänzlich vor der Augen der Passanten verbarg.
Keiner von ihnen hätte eine solche Idylle im Umkreis des Studios erwartet.
„Da wären wir.“ erklärte Tirza und steckte sich eine Zigarette an, während die anderen drei das Anwesen bestaunten. „Ihr habt ja schon von unserer Kommune gehört. Unten sind ein paar Gemeinschaftsräume, aber jeder hat auch eine Art kleine Wohnung für sich.“
Hinter drei Fenstern brannte noch Licht, doch Tirza zeigte auf die zwei Schrägfenster in der dritten Etage, dem Dachgeschoss. „Das ist mein Reich.“
Angelo rieb sich fröstelnd die Arme. Er zitterte, obwohl er eine dicke Winterjacke trug. „Rauch zu, es ist nicht gerade warm hier draußen!“ brummte er und ging demonstrativ ein paar Schritte auf den Eingang zu.
Schließlich folgte ihm auch der Rest.
„Macht es euch gemütlich, fühlt euch wie zu Hause.“ forderte sie die drei auf, als sie die Wohnungstür öffnete. „Ich zieh mir nur schnell was Bequemeres an.
Tirza bog ins Badezimmer ab, während die anderen dem Flur folgten. Alles war sehr bunt und hatte einen indisch-orientalischen Touch mit ein paar buddhistischen und auch undefinierbaren Elementen. Es roch nach Räucherstäbchen und Orangen.
Am Ende des Ganges fanden sie das Wohnzimmer, in dem ein großer Weihnachtsbaum nicht gerade ins Gesamtbild passte. Auf dem Tisch befand sich ein siebenarmiger Kerzenleuchter unter dem ein paar Ostereier lagen.
Kichernd setzten sie sich hin und klaubten sich aus ihren Jacken.
„Seltsam hier, oder?“ flüsterte Paddy und Jimmy nickte stumm. - „Gewöhnungsbedürftig.“ stimmte auch Angelo leise zu und stellte sein Bier auf den Tisch.
Nun stieß auch Tirza dazu und löschte das Licht wieder, das Jimmy beim Betreten des Raumes angemacht hatte.
„Das ist so ungemütlich. Eigentlich hab ich das nie an.“ Stattdessen drehte sie eine Runde durchs Zimmer und entzündete diverse Kerzen.
Doch trotz des schummriges Lichts konnten die Jungs genau erkennen, dass „etwas Bequemeres“ offenbar etwas äußerst Knappes war. Sie trug einen kurzen Rock und ein Trägershirt, als hätten sie Hochsommer. Allerdings war es in ihrer Wohnung auch angenehm warm, was vermutlich durch den Ofen in der Ecke kam.
Im Vorbeigehen drückte sie auf den Knopf ihres Plattenspielers und Led Zeppelin erfüllte den Raum. Dann ließ sie sich zwischen Angelo und Jimmy auf´s Sofa fallen und streckte ihre Beine auf dem Tisch aus. Sanftes Kerzenlicht beleuchtete ihre grazilen Zehen, deren Nägel mit idealistischen Mustern bemalt waren.
Als sie registrierte, dass die Augen sämtlicher Jungs auf dem Ring an einem ihrer Füße ruhten, schlug sie die Beine demonstrativ übereinander und streckte die Zehen.
Grinsend griff sie nach ihrem Bier und nahm einen herzhaften Schluck davon. „Und, Leute, was machen wir nun?“
Normalerweise war keiner der dreien auf den Mund gefallen, doch im Moment wusste niemand so recht, was er sagen sollte. Schließlich begann Angelo. „Ha, ich hab neulich einen Witz gehört. Der ist gut, passt auf! Was ist ein Keks unterm Baum?“
„Keine Ahnung, ein Rest vom Picknick?“ riet Paddy. - „Ein gestrandetes Ameisen-Ufo?“ vermutete Jimmy und auch Tirza hatte noch eine Idee. „Dein Frühstück?“
„Ha ha, nein. Was für schwache Versuche!“ - „Na, denn sag schon!“ - „Ein schattiges Plätzchen natürlich!“ Er kicherte herzlich über seinen Scherz, doch Tirza, die gerade einen weiteren Schluck aus der Flasche genommen hatte, lachte laut los. Unglücklicherweise hatte sie noch etwas Bier im Mund, das sich nun über ihr leuchtendes Dekolleté bis hin zu ihren bloßen Beinen ergoss.
Die goldenen Perlen rollten glitzernd hinunter auf ihr Shirt und hinterließen beinahe durchsichtige Spuren.
„Hoppla.“ Sie schmunzelte und wischte sich halbherzig über die feuchten Stellen.
Stille erfüllte den Raum, als das eine Lied auf der Platte zu Ende war und das nächste noch nicht begonnen hatte. Angelo klappte den Mund langsam wieder zu und blickte unsicher zu Paddy, dessen Augen verträumt einer der blinkenden Tropfen auf der matt schimmernden Haut von Tirzas Dekolleté folgten.
Doch die junge Frau zog jäh die Aufmerksamkeit wieder komplett auf sich, als sie zu den ersten Tönen von „Black Dog“ aufsprang und sich tanzend durch den Raum bewegte, um ihre Zigaretten zu holen.
Paddy räusperte sich leise und schüttelte leicht den Kopf, um sich wieder auf sich selbst zu besinnen. „So, Leute, nicht lang schnacken, Kopp in Nacken!“ Er hob sein Bier in die Luft und prostete den anderen zu.
„Was bitte?“ hakte Tirza nach, steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und ließ sich diesmal zwischen Paddy und Angelo fallen. - „Ach, nur so ein nordischer Trinkspruch, den ich von Mel gelernt habe.“ - „Ach ja, sie kommt ja von da oben. Seid ihr schon lange zusammen?“ - „Ja, mit Unterbrechung schon ein paar Jahre.“
Ein lautes Räuspern drängte sich neben Paddy in den Vordergrund. „Sie sind verheiratet!“ erklärte Jimmy und deutete auf Paddys Hand. Dieser streckte die Finger und ließ kurz seinen Ring aufblitzen. „Richtig. Ja, wir sind verheiratet.“ - „Oh...wie spießig...“ brummte Tirza, lehnte sich zurück und streckte sich nach einem Feuerzeug, das hinter ihr auf einer Fensterbank lag.
Der Duft ihres frisch aufgetragenen Parfums umschmeichelte Paddys Nase und machten ihn nervös. Seinem kleinen Bruder ging es nicht anders.
Ruckartig stand er auf und wandte sich zur Tür. „Paddy, kann ich dich kurz sprechen?“
Sein Bruder, der ganz froh war, ein wenig aus der Wärme und dem geradezu betörenden Geruch herauszukommen, nickte kurz und erhob sich ebenfalls.
„Wo war doch gleich das Klo?“ - „Im Flur rechts.“ erklärte sie knapp und wandte sich Jimmy zu, während die anderen beiden durch die Tür verschwanden.
„Hey Angie, was ist los?“ Fragend schaute er seinen Bruder an, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte. - „Ich weiß nicht. Findest du sie nicht auch komisch?“ - „Wen?“ - „Na, Tirza!“ - „Ach so, ja, ein wenig. Aber wo liegt dein Problem?“
Neugierig musterte er das zerknirschte Gesicht von Angelo.
„Sie macht mich irgendwie irre.“ - „Wie irre? Ich meine, ich hatte den Eindruck, du findest sie auch nett, aber wir können doch auch wieder gehen, wenn du kein Bock mehr hast.“ - „Das ist ja das Problem. Ich finde sie mehr als „nett“. Also eigentlich, ach keine Ahnung...sie macht mich rallig.“ - „Was?“ - „Findest du sie nicht auch irgendwie anziehend?“ - „Doch schon, aber...naja, ich hab ja Mel. Und du deine Kira!“ - „Aber sie riecht so...“ - „...anregend?“ - „Ja, genau.“ - „Denk an Kira! Die riecht mindestens ebenso gut.“
Angelo fuhr sich durch die Haare und drehte sich langsam um. „Ja...du hast ja Recht.“ nickte er bedächtig, doch Paddy sah, dass die Aussage seines Bruders nicht ganz mit den Reaktionen dessen Körpers übereinstimmte.
„Lass uns zurück.“ seufzte Angelo, doch Paddy hielt ihn zurück. „Wir sollten besser noch einen Moment oder du zumindest. Ich geh schon mal.“ grinste er und verließ die Helligkeit des Badezimmers, um in das schummrige Kerzenlicht des Wohnzimmers zurückzukehren.
Seine Gedanken hingen noch bei Angelo, als er die Tür aufschob und Jimmy überrascht zusammenzuckte und ihn erschrocken anblickte.
Mel war gereizt, als sie Paddys Wagen auf den Schlosshof lenkte. Diese dumme Gans wollte ihr einfach nicht aus dem Kopf gehen. Sie hatte irgendwas an sich, das ihr nicht ganz geheuer war.
Im Wohnzimmer war niemand anzutreffen, der von Geburt an Kelly hieß. Alle waren offenbar zu erledigt von dem Tag im Studio und hatten sich auf ihre Zimmer verzogen. Nur Meike saß auf dem Sofa und guckte Fernsehen, während Tina am Computer saß und mit dem Internet kämpfte.
„Na, was machst du da?“ Mel beugte sich bei ihrer Freundin über die Schulter und lugte auf den Monitor. - „Ich will was im Netz gucken, aber das blöde Dinge schmeißt mich immer wieder raus und im Moment kann ich mich nicht mal mehr einwählen.“ erklärte sie genervt. - „Oh, deine Laune ist auch nicht besser als meine, wie ich sehe.“ - „Ne, absolut nicht.“ - „Na, denn noch viel Erfolg.“
Mel warf ihre Jacke auf den Sessel und nahm neben Meike auf der Couch Platz. „Und? Wie ist deine Laune?“ - „So weit, so gut.“ - „Dich lässt das also völlig kalt?“ - „Was?“ Meike runzelte die Stirn und drehte sich ihr zu. - „Na, das Jimmy und die Jungs mit dieser Tirza unterwegs sind.“ - „Ähm, ich hatte keine Ahnung, aber wer ist Tirza?“ - „Hast du nicht mit den anderen gesprochen?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Nö, die sind gleich verschwunden und Maite ist mit Kira noch mal weggefahren. Nun erzähl endlich und lass dir nicht alles aus der Nase ziehen!“
„Also Tirza ist die Tochter von dem Typen aus dem Studio. Irgendwie ist sie ziemlich seltsam und sie macht die ganze Zeit den Jungs schöne Augen. Aber vor allem scheinen die auch noch drauf anzuspringen!“ - „Inwiefern?“ - „Ja, keine Ahnung, Die Aura, die Tirza umgibt scheint sie in ihren Bann zu ziehen. Total ätzend!“
Meike rutschte unruhig auf dem Sofa hin und her. „Meinst du, wir müssen uns Sorgen machen?“ - „Ich bin mir nicht sicher...“ murmelte Mel und quetschte sich mit unter die Wolldecke, die Meike über sich ausgebreitet hatte. Nachdenklich kaute sie an ihrer Unterlippe.
„Es ist nicht so, wie es aussieht!“ beteuerte Jimmy und vergrößerte den Abstand zu Tirza noch ein wenig mehr. - „Tirza, ich glaube, wir müssen los. Danke für das Bier.“ erklärte Paddy recht kühl und griff nach seiner Jacke, ohne weiter auf Jimmy einzugehen.
„Wie? Jetzt schon?“ Enttäuscht blickte sie die Jungs an. - „Ja, ich denke, es ist an der Zeit.“ bekräftigte Paddy und auch Angelo nahm seine Sachen. Jimmy wusste offenbar nicht wirklich, was er sagen sollte und erhob sich somit gleichermaßen.
Der Abschied war kurz und schon befanden sich alle drei wieder auf der Straße.
„Was war das denn bitte?!“ fuhr Paddy seinen älteren Bruder wütend an. - „Hey, wie ich schon sagte, das war nicht so, wie es aussah!“ - „Ach ne?! Du sitzt da, keine zehn Zentimeter von ihr entfernt und dein Hand lag auf ihrem Oberschenkel? Deine Augen klebten an ihren und deine Lippen waren kurz davor! Was ist denn daran falsch zu verstehen?!“ - „Sie ist gestolpert und landete direkt neben mir. Ich konnte echt nichts dafür!“ - „Jimmy, hör auf mich zu verarschen! Gerade du, der mir mit Jenny auf dem Weihnachtsmarkt vor ein paar Wochen so eine Szene gemacht hat, dass sogar ein Zahn daran glauben musste!“
Ertappt ließ Jimmy den Kopf hängen. „Es war wirklich, wie ich gesagt habe. Allerdings war irgendwie so eine Spannung in der Luft, als sie so dicht bei mir war. Mann, ich weiß auch nicht, was da in mich gefahren ist...“ - „Und ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn ich mit Angelo länger weggeblieben wäre! Und ich glaube, ich will das auch gar nicht wissen!“
Schweigend gingen sie zum Studio zurück, wo sie sich in Jimmys Wagen auf den Heimweg machten.
Die Atmosphäre im Auto war schier unerträglich. Angelo war erleichtert, dass er sich zusammengerissen hatte und jetzt nicht an Jimmys Stelle war, Paddy war stinksauer und konnte kaum einen klaren Gedanken fassen und Jimmy war froh, dass er sich auf den Verkehr konzentrieren musste und somit nicht gezwungen war, sich mit den anderen zu unterhalten oder auch nur einen Blick mit ihnen zu wechseln.
Als sie vor dem Schloss ankamen, war der Motor noch nicht einmal aus, als Paddy und Angelo ihre Türen aufrissen und ins Freie sprangen.
Sie kamen erst wieder zusammen, als Patricia zu einem späten Abendessen rief.
„Wo ist denn Johnny? Sollen wir noch auf ihn warten?“ Joey füllte sich eifrig von der Lasagne auf. - „Er telefoniert noch und meinte, wir könnten ruhig schon anfangen.“
Joey ließ sich nicht zwei Mal bitten und stürzte sich auf seine Portion. Doch statt der freudigen Äußerungen, die normalerweise ebenso von den übrigen zu erwarten gewesen wären, blieb die Stimmung ziemlich verhalten.
Kira und Maite waren inzwischen auch wieder da, sagten jedoch genauso wenig wie Meike, Mel und Tina. Tirza hatte ihnen komplett die Laune verregnet.
Mel hatte mit Paddy reden wollen, warum die Jungs schon wieder da waren, doch seine Ausstrahlung war so abweisend gewesen, dass sie ihn mit seiner schlechten Stimmung lieber in Ruhe gelassen hatte. Dennoch wurmte es sie nun, dass sie keinen Schimmer hatte, was vorgefallen war.
Etwas musste passiert sein, das war auch den Jungs deutlich anzumerken. Kaum einer sah von seinem Teller auf und niemand sagte ein Wort.
„Darf ich mal fragen, was hier eigentlich los ist?!“ Kathy legte ihre Gabel geräuschvoll auf den Tellerrand und blickte in die schweigende Runde.
Keiner antwortete.
„Ist euch was über die Leber gelaufen? Euch allen?! Gab es Streit?“
Paddy warf unauffällig einen vorwurfsvollen Blick zu Jimmy, Kathy bemerkte es sofort.
„Paddy, was ist los? Raus mit der Sprache!“
Er atmete tief durch und stocherte in seinem Essen. Langsam öffnete er den Mund, obwohl er noch nicht wusste, was er sagen sollte, als plötzlich die Tür schwungvoll aufging.
Ziemlich in Gedanken, ließ Johnny sich auf seinen Platz fallen und legte das Telefon auf den Tisch, das er nach wie vor in seiner Hand gehalten hatte.
„Leute, ich muss mit euch reden. Ihr wisst ja, dass ich nach Spanien will für eine gewisse Zeit.“
Die Anwesenden nickten. „Ja, und?“ hakte Kathy schließlich nach. - „Das war Carlos eben.“ Er nickte Richtung Telefon. „Seine Frau hatte einen Autounfall und liegt vermutlich länger im Krankenhaus. Er war ziemlich neben der Spur. Auch wenn er dort viele Freunde hat, bräuchte er dringend ein bisschen Unterstützung und da ich sowieso demnächst hin wollte, habe ich ihm angeboten früher zu kommen.“
Er musterte unsicher die Gesichter seiner Geschwister.
„Das ist ja schrecklich!“ entfuhr es Patricia. „Wie geht es ihr? Was ist passiert?“ - „Es geht ihr nicht gut. Sie ist zwar inzwischen außer Lebensgefahr, aber sie hat viele Knochenbrüche und mehrere Organe wurden stark gequetscht. Ein anderer Wagen hat sie übersehen und ihr die Vorfahrt genommen und ist dann fast ungebremst in ihre Fahrerseite hineingerast.“ - „Oh Gott, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll!“ Kathy sah ihn entsetzt an. Viele lange Jahre kannten sie Carlos und seine Familie bereits, hatten Gitarrenunterricht bei ihm genommen und früher viel Zeit mit ihm, seiner Frau und seinen Kindern verbracht.
Johnny nickte und presste die Lippen kurz kräftig aufeinander. „Ja, seine älteste Tochter versucht alles ein bisschen am Laufen zu halten und auch Nachbarinnen sind zur Stelle, aber da er sehr viel Zeit im Krankenhaus verbringt, bleibt sehr viel an ihr hängen. Die Sorge um die jüngeren Geschwister, das Absagen und die Koordination der Auftritte ihres Vaters und alles was dazu gehört. Ich möchte gerne helfen! Nachdem, was sie früher für uns getan haben, ist es das Mindeste, was ich tun kann.“
Er schien sich seiner Sache bereits sicher zu sein, dennoch beruhigte es ihn, als er in den Gesichtern seiner Familie nichts als Zustimmung erkennen konnte.
„Aber das heißt auch, dass...“ begann Jimmy und Johnny fuhr fort. „...dass ich morgen fahren werde und weder beim Videodreh noch bei der Cd mit dabei sein werde.“ - „Aber dann...“ setzte Kathy an, doch wieder fiel Johnny ins Wort. „Ich habe bereits mit Adam gesprochen. Er wäre bereit, morgen früh auf der Matte zu stehen und würde mein Flugticket übernehmen und mich sowohl beim Dreh als auch im Studio vertreten.“
Ein lautes Klirren zog die Aufmerksamkeit aller auf sich. Mel war das Besteck aus den Händen gefallen und mit leicht geöffnetem Mund starrte sie Johnny ungläubig an.
„Alles okay, Schatz?“ Paddy legte ihr sanft die Hand auf den Arm, doch sie löste ihre Augen nicht von ihrem Schwager. Kaum merklich nickte sie, wirkte aber nicht sonderlich überzeugend.
„Wann kommst du wieder?“ mischte Tina sich ein, erhielt jedoch nur ein ahnungsloses Achselzucken als Antwort.
„Also habe ich euren Segen?“ fragte er schließlich und sein Blick blieb an Kathy hängen, allerdings war es Paddy, der antwortete. „Toll ist es natürlich nicht, aber verstehen können wir es alle. Richte ihm alles Gute von uns aus und dass wir alle in Gedanken bei ihm und seiner Familie sind.“ - „Ich danke euch!“ Er lächelte erleichtert und begann zu essen.
Mel hatte bisher nur wenige Bissen gegessen, doch nun war ihr der Appetit vollends vergangen. Wortlos stand sie auf und brachte ihren Teller in die Küche.
Es war also beschlossene Sache, Johnny würde nach Spanien gehen und Adam an seiner Statt kommen. Und wenn sie Pech hatte, dann nicht alleine...
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Steffi (Mittwoch, 18 November 2009 00:26)
Ach... an Die hatte ich schon garnichtmehr gedacht :-)
hmmmm nur noch eins :-( aber es hört sich ja noch garnicht nach Ende an *freu* weiter so !!!
nicky (Dienstag, 14 September 2010 23:16)
ja mir ging es genauso!ich hab auch nicht mehr an die gedacht! ;) ich hab mich nur gewundert was Mel hat aber der letzte Satz sagt alles!
PW was ich dir jetzt sagen muss ist das mir gerade in diesem Kapitel aufgefallen ist das du richtig eklige Sachen so umschreibst als wäre es ein traum und wunderschön! Beispiel: wo Tirza ein bischen Bier über ihr Körper verschüttet!*hihi* eigentlich ist das so eklig aber so wie du es schreibst habe ich es mir echt schön vorgestellt! ;)
du hast echt Zalent...mensch Mädel mach da bloß was drauß! ;)
melsgesammeltekatastrophen (Dienstag, 14 September 2010 23:42)
Zalent ist auch nicht schlecht :)
Naja, ich bin fast 30, von Mädel kann da eigentlich nicht mehr die Rede sein. *gg*
Es ist ein schönes Hobby, das Schreiben.
Vielleicht schreibe ich irgendwann mal was, das ich veröffentlichen kann, bis dahin schlage ich mich mit meinen Kellygeschichten herum.
He und eklig oder nicht eklig liegt immer im Auge des Betrachters. Ich finde es auch nicht toll. :) Aber es ist auch nicht viel Bier, vielleicht sollte ich das noch mal präzisieren. ABer sieh es mal so: Es ist Bier--> Faktor A; eine attraktive, fast nackte Frau (naja, ziemlich spärlich bekleidet) --> Faktor B:
Findet ein paarungswilliges Männchen entweder A oder B, ist das für den schon wie Weihnachten.
Sollte nun aber folgender Fall eintreten:
Faktor A + Faktor B ergibt das Faktor C --> äußerst sabberndes, paarungswilliges, hirnblutarmes Kellymännchen
:D
Danke für das tolle Feedback!
Die Micha (Donnerstag, 16 September 2010 21:27)
Ich habe noch an Jenny gedacht, ich wusste beim zweiten Satz was Mel hatte! ;-)
Mensch, da sind aber viele Mädels in der Geschichte, die den Jungs den Kopf verdrehen! Ach, es sind Männer, klar! Schon gut. :-P
Pw (Freitag, 17 September 2010 01:02)
hihi, richtig, es sind Männer^^
Aber du musst auch bedenken, dass die Geschichte inzwischen einen Zeitraum von über drei Jahren umfasst :)
Vielen Dank für deine ganzen tollen Kommentare! Hab mich besonders amüsiert, als du Mel angefeuert hast, als sie Jenny verhauen hat ^^.
holla die waldfee (Donnerstag, 07 Juli 2011 07:52)
beim lesen versuch ich mir imme vorzustellen, wie deine personen sagen was du schreibst.
aber dass paddy sagt: nicht lang schnacken, kopf in nacken... das ergibt ein wirklich lustiges bild in meinem kopf ;-)
Bella (Dienstag, 11 Oktober 2011 11:00)
Zu deinem Schreibtalent: Ich muss mich allen Vorgänger anschließen, die Geschichte ist einfach nur der Wahnsinn! Und ich bin mir sicher, du kannst auch Nich-Kellygeschichte schreiben!! Immerhin hat diese Geschichte auch das Potential in einem anderen Kontext zu spielen! Ich vergesse immer wieder eine Fanfiktion zu lesen. Was gut ist!! Vieles von den Emotionen und zwischenmenschlichen Dingen sind viel universeller und hätten ebenso in einem anderen Kontext Platz. Die Beziehung von Mel und Paddy würde auch außerhalb des Kellykontextes funktionieren. Überhaupt ist dir mit dem Charakter von Mel etwas besonderes gelungen! Du durchleuchtes förmlich eine Person und vermittelst das Gefühl, sie nicht nur kennen zu lernen, sondern auch durch Mels Perspektive ihre Abenteuer ein kleines bisschen selbst zu durchleben.
Ich hoffe du kannst verstehen was ich meine!
Resa (Sonntag, 27 Januar 2013)
ich trau mich schon gar nicht mehr weiterzulesen.weil ich ja schon gehoert habe das du an einer spannenden stelle aufgehoert hast zu schreiben. wann geht es denn weiter?is daa was in arbeit???
melsgesammeltekatastrophen (Sonntag, 27 Januar 2013 00:35)
Och so spannend finde ich das derzeitige Ende gar nicht. *kicher*
Aber ja, ich sitze hier gerade uns schreibe. Da ich aber erstmal wieder hineinkommen muss, kann ich noch nicht sagen, wann es auch wirklich weitergehen wird.
Aber dir (und auch allen anderen natürlich) vielen Dank für euer motivierendes Feedback!
Katrinka (Freitag, 08 März 2013 10:54)
„Du schmückst also ebenfalls Paddy?“
Gute Frage :-)
„Ich bin keine Deko, ich muss arbeiten für mein Geld.“
Hmm - gute Stimmung so früh am Morgen :-)
„Och, ich dachte nur, vielleicht kommt dann ein wenig mehr Pepp in euren Song.“
Ah, was für ein großes Mundwerk - das scheint ja noch spannend / lustig zu werden :-)
Nagut, vielleicht ist sie auch eher ein kleines Biest...
Und jetzt auch noch Jenny wieder :-(
Kannst du nicht mal nur lustige Kapitel schreiben, bei denen alle glücklich sind und Spaß haben? :-)