Und wenn du denkst, es geht nicht mehr...

 

 

Als Mel aufwachte, schlief Paddy noch. Er war erst sehr spät eingenickt und und sie konnte bereits um halb sieben nicht zurück in den Schlaf finden. Ihre Träume waren die gleichen wie seit zwei Wochen gewesen. Wer wollte freiwillig dahin zurückkehren?

Sie setzte sich auf und betrachtete den schlafenden Paddy. Er sah so anders aus ohne seine Mähne. Aber gut. Ja doch, ziemlich gut. Sie hoffte, dass sie das irgendwann wieder ungetrübt genießen können würde. Aber immerhin genoss sie im Moment, dass er da war. Bei ihr und für sie. 

Bilder des gestrigen Abends tauchten wieder vor ihr auf. Es war so ein auf und ab der Gefühle gewesen. Erst hatte er sich so unbeschreiblich gefreut, dann sein verletztes Gesicht, als er hörte, dass er vielleicht nicht der Vater ist und dachte, sie hätte ihn betrogen. Erneut. Aber als er verstand, was passiert war, war seine Reaktion einfach unbeschreiblich gewesen. Er war einfach unbeschreiblich!

Leise seufzend stand sie auf und kletterte aus dem Bett. Im Badezimmer schlüpfte sie in ihre Klamotten und machte sich frisch, bevor sie sich auf den Weg Richtung Kaffeemaschine machte. Lea war bereits dort und sah sie überrascht an. 

„Was machst du denn schon hier?“ „Das könnte ich dich auch fragen. Guten Morgen!“ „Guten Morgen. Joey und ich haben uns verabredet, damit er mich in das Business einführt. Kaffee?“ 

„In das Business? Soso. Ja, sehr gerne Kaffee!“ 

Lea reichte ihr grinsend eine Tasse. „Ja, in das Business. Katinka kommt wohl auch gegen halb acht und dann weisen die beiden mich ein.“ „Na, hier wird ja anscheinend keine Zeit vergeudet.“ 

Mel nahm einen Schluck Kaffee, dann schnappte sie sich ein Tablett und drapierte darauf Brettchen, Toast, Butter, Marmelade und Käse. 

„Schläft Paddy noch?“ 

Mel nickte. „Ja und nachher hat er noch allerhand zu tun. Bestimmt freut er sich über ein Frühstück im Bett. Dann kann er danach frisch in den Tag starten.“ 

Sie kochte noch ein paar Eier und stellte sie mit einer Kanne Kaffee aufs Tablett, bevor sie alles aufs Zimmer balancieren wollte. 

„Oh, warte kurz.“ Lea legte ihr noch einen Stapel Briefe auf den letzten freien Platz auf dem Tablett. „Das hatte Joey hier vorhin schon mal hier hingelegt. Ich habs sortiert, dies sind eure. Geht das oder soll ich helfen?“ „Nein, das geht. Vielen Dank. Bis später und viel Spaß nachher“

Als sie ins Zimmer kam, war Paddy gerade aufgewacht. Als er sie mit dem Tablett kämpfen sah, sprang er auf und nahm es ihr ab. „Was machst du denn? Du solltest dich schonen! Ich hätte dir ein Frühstück bringen sollen!“ „Du hast aber noch geschlafen, als der Kaffee mich gerufen hat.“ 

Er wischte sich mit beiden Händen durchs Gesicht. „Ja, ich hab irgendwie nicht einschlafen können. Mir ging so viel durch den Kopf.“ Er musterte sie. „Wie geht es dir heute?“

„Es geht“, antwortete sie und setzte sich wieder aufs Bett, wo Paddy das Frühstück für sie beide abstellte und sich die Post runternahm und durchsah. Sie streckte langsam die Hand aus und legte sie auf seine. Es war schön, wieder bei ihm zu sein. 

„Was hast du denn jetzt vor?“, fragte er, ohne aufzusehen. 

„Wie meinst du das?“ „Wegen dem Baby.“ „Von gestern Abend bis heute morgen ist nicht ‚in Ruhe darüber nachdenken’.“ „Ja, sorry. Ich wollte dich nicht drängen. Ich muss erstmal einen Kaffee haben.“ Mel war ohnehin gerade dabei, ihm einen einzuschenken. 

„Kann ich dich noch was fragen?“ „Ja, sicher, was?“ „Hättest du etwas gesagt, wenn du nicht festgestellt hättest, dass du schwanger bist?“ 

Langsam schüttelte sie den Kopf. „Wahrscheinlich nicht.“ „Aber du kannst doch nicht einfach zum Alltag übergehen.“ „Wieso nicht?!“ „Weil sich die Dinge geändert haben! Wir hatten eigentlich recht viel Sex und nun sollte das plötzlich vorbei sein? Ohne Erklärung? Ich glaube nicht, dass du einfach zur Tagesordnung übergehen kannst. Oder kannst du dir im Moment vorstellen, mit mir zu schlafen?“ 

„Nein, leider nicht“, gab sie kleinlaut zu. Aber die Variante des Verschweigens war für sie einfach das Naheliegendste gewesen. 

Er sah nicht enttäuscht aus, er hatte mit keiner anderen Antwort gerechnet. 

„Wie hast du dir denn vorgestellt, wie es nicht herauskommen sollte? Schlimmstenfalls hätte ich dir vielleicht eine Affäre unterstellt. Wie hättest du mir sonst begreiflich machen sollen, dass du nicht mehr mit mir schlafen willst, wo du vorher nicht genug bekommen konntest? 

Hilflos hob sie die Arme und wieder liefen Tränen über ihre Wangen. „Ich weiß es doch auch nicht.“

Er beugte sich vor und wischte sie liebevoll weg. Er ärgerte sich über sich selbst, dass er sie gerade so in eine Ecke getrieben hatte. Was hatte er damit bezwecken wollen?

„Entschuldige bitte! Das ist ja jetzt eigentlich auch nicht mehr so wichtig.“

Als sie sich ein wenig beruhigt hatte, blätterte er weiter durch die Post, bis er plötzlich innehielt. „Oh.“ 

„Was, oh?“ 

Ohne Erklärung streckte er ihr einen Brief entgegen. „Der ist für dich.“ 

Sie nahm ihn in die Hand, die unverzüglich zu zittern begann. „Es ist vom Gericht.“ Langsam hob sie den Kopf. 

Plötzlich sprang sie so schnell auf, dass sie beinahe das Tablett umgeworfen hätte und hastete Richtung Klo, wo sie kniend zu würgen begann. Die Mühe, die Tür zu schließen, machte sie sich nicht mehr. Paddy folgte ihr. „Alles klar? Kann ich was für dich tun?“ 

Sie schüttelte den Kopf. „Geht schon wieder, ich komme gleich.“ Kurz darauf hörte er die elektrische Zahnbürste und dann kam sie wieder zurück. 

„Willst du trotzdem was essen?“ Er hielt ihr eine Scheibe Toast mit Butter entgegen. „Du weißt, dass du essen musst, wenn du das Baby behalten willst. Solange du dich noch nicht entschieden hast, solltest du dich so benehmen, als wenn du es behalten wollen würdest.“ 

Ihre Finger zitterten immer noch, als sie ihm das Brot abnahm. „Danke.“ Paddy beobachtete sie, während sie vorsichtig daran knabberte. „Du willst ihn nicht öffnen?“ „Nicht jetzt“, antwortete sie und schluckte einen Bissen hinunter. Sie hatte den Brief vor sich hingelegt, nahm ihn aber nun und warf ihn in ihre Nachttischschublade. 

Paddy kommentierte es nicht, schlürfte stattdessen schweigend an seinem Kaffee. Er versuchte zwischendurch unbemerkt einen Blick auf sie zu erhaschen, doch sie bekam sofort spitz, als seine Augen über den Tassenrand zu ihr hinüberschielten. „Was?“, hakte sie gereizt nach. 

„Ich hab nichts gesagt“, antwortete er ruhig. 

„Das brauchst du auch nicht. Deine Augen sprechen Bände!“ 

„Was sagen sie denn?“ 

Ihr Blick traf seinen und sogleich trat ein milderer Ausdruck auf ihr Gesicht, bis sie schließlich die angespannten Schultern fallen ließ. „Dass du mich liebst.“ Sie seufzte. „Und dass du denkst, ich sollte den Brief öffnen.“ „Ich würde sagen, dass wir dann wohl die gleiche Sprache sprechen.“ „Ich möchte jetzt aber nicht.“ „Okay.“ „Tut mir leid, dass ich so gereizt bin. Wie geht es dir?“, fragte sie, während sie ihn von der Seite musterte und dann noch einmal von ihrem Toast abbiss. 

„Wie es mir geht?!“ Er blickte überrascht auf und sah sie nicken. „Ja, sicher.“

„Ähm. Ich muss immer wieder an gestern denken. Es ist so surreal. Ich kann kaum glauben, dass das wirklich passiert ist. Doch dann hab ich deine Worte wieder im Ohr und wenn ich dich anseh…“ Er legte seine Hand auf ihr Handgelenk und strich vorsichtig mit dem Daumen über ihre heilenden Wunden. Verbittert presste er seine Lippen aufeinander. 

„Welche Worte?“, hakte sie nach und sah, dass er sich über seine Ehrlichkeit ärgerte und nun nach Ausflüchten suchte. „Welche Worte?“, wiederholte sie, ohne ihn aus den Augen zu lassen. 

„Dass es vielleicht nicht mein Kind ist. Das war schmerzhaft. Da wusste ich nicht, was passiert war.“ 

„Du zweifelst, ob du es lieben kannst, wenn es nicht deins ist? Hast du deine Meinung geändert?“

Er zögerte. „Das Problem ist eigentlich nicht, dass es nicht meins sein könnte, sondern dass es seins sein könnte. Das, was du auch schon angedeutet hast. Aber das Kind kann nichts für seinen Vater. Die Hälfte des Kindes wird aus deinen Genen bestehen. Es wird in dir heranwachsen. Du wirst ein Babybäuchlein bekommen. Wirst es streicheln, fühlen, wie es wiggelt. Irgendwann wirst du anfangen mit ihm zu reden und wirst die Tritte in der Bauchdecke sehen können. Wahrscheinlich wird es immer mal wieder Schluckauf haben. Und dein ganzer Bauch wird dabei zittern. Und wenn du lachen musst, wird er hüpfen und du wirst darüber noch mehr lachen müssen. Weißt du noch?“

Sie spürte, dass sie lächelte. Ja, sie wusste all das noch. Es war wundervoll gewesen. 

Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter. „Und wenn es doch seins ist?“ 

Vorsichtig legte er seinen Arm um sie. „Es wird nicht seins sein. Es wird unter deinem Herzen wachsen und direkt in dein Herz hinein. Es wird deins sein und damit auch meins.“ 

„Du bist einfach unbeschreiblich“, murmelte sie mit Tränen in den Augen. „Ach komm, gib mir den bescheuerten Brief.“

Er reichte ihn ihr, doch zunächst legte sie ihn in ihren Schoß. Sie hob den Kopf und versuchte seine Mimik zu ergründen. „Du willst es also wirklich behalten?“ „Ja. Ich bleib dabei. Vergiss nicht, es gibt immer noch die Möglichkeit, dass es mein Kind ist.“ 

Mel konnte ein liebevolles Lächeln nicht unterdrücken. „Das ist ein so wunderbarer Gedanke. Aber wenn es eben nicht deins ist, wird es schwer werden.“ „Möglicherweise. Aber wann war es denn je einfach?“ 

Sie nickte. „Das stimmt.“ Sie hatten schon so viel zusammen durchgemacht. Würden sie das auch überstehen? 

Ihr Blick versank in der Ferne, als sie auf einmal seine Hand auf ihrer spürte. „Darf ich doch noch was dazu fragen? Also zu dem… ja wie soll ich’s nennen?“ 

Sie zuckte die Achseln. „Ich weiß es auch nicht. Aber ja, darfst du.“ 

„Hat er dich geküsst?“ 

Sie hielt kurz inne, dann schüttelte sie den Kopf. „Nein, das hat er nicht.“ „Darf ich es?“ 

Zögernd nickte sie und er beugte sich zu ihr hinüber und gab ihr einen kurzen, aber sanften Kuss auf die Lippen. 

„War das okay?“ „Ja, absolut.“, antwortete sie rasch, aber dann dachte sie nach. „Ich würde dich auch gerne etwas fragen.“ „Was denn?“ 

Sie richtete ihre Augen auf ihn. „Wie ist es für dich?“ „Wie meinst du das?“ „Wie geht es dir damit?“ 

Er blähte die Wangen. „Ich fühle mich schuldig.“ „Wieso das denn?“, unterbrach ihn Mel und zog irritiert die Brauen zusammen. „Du kannst doch am allerwenigsten dafür!“ 

Er zuckte mit den Schultern. „Ich hab das Gefühl, ich habe nicht gut genug aufgepasst. Ich hätte es verhindern müssen! Ich hätte dich beschützen sollen!“ „Oh, Paddy, nein! Red dir das nicht ein! Ich bin erwachsen, du bist nicht mein Aufpasser!“ 

„Ich bin dein Mann! Ich hab deinem Vater damals versprochen, dass ich gut auf dich Acht geben werde! Das hab ich offensichtlich nicht getan!“ Er sah wirklich unglücklich aus und sie legte beruhigend ihre Hand auf seine. 
„Bitte mach dir keine Vorwürfe! Wie hättest du ahnen können, dass er aufs Gelände kommt und mir hier zu Hause auflauert? Das hab ich genauso wenig gedacht wie du oder irgendwer sonst!“

„Was ist?“, fragte er besorgt, als er sah, wie sie die Augen niederschlug. 

„Naja, auch wenn du alles mögliche in die Wege leiten wirst, wird diese Tat, ja, dieses Trauma hier immer bleiben. Und ich bin zu mir nach Hause gefahren und dann ist er dort auch aufgetaucht!“ Tränen liefen über ihre Wangen. 

„Du wolltest von hier fort, weil du Angst hattest, dass er wiederkommt?“ 

Sie zuckte die Achseln. „Ja, auch.“ 

„Und was noch?“ 

Sie warf ihm einen nervösen Blick zu, schaute weg und sah ihn schließlich wieder an, als sie antwortete. „Ich musste weg von dir.“ Er schluckte unhörbar, sagte aber nichts. „Du hättest doch sofort gesehen, was passiert ist! Spätestens wenn ich mich abends ausgezogen hätte! Wie hätte ich das vor dir verbergen können?! Und selbst wenn ich es hätte vermeiden können, dass du mich siehst, niemand kennt mich so gut wie du. Für mich war klar, dass ich weg muss! Ich wollte zwar tatsächlich ohnehin ein paar Tage mit Lea fahren, aber dann musste ich tatsächlich weg! Ich…es sah schlimm aus.“ Unbewusst hatte sie das Pronomen gewechselt, versuchte, es nicht an sich heranzulassen. Doch sie schaffte es nicht. Die gerade erst getrockneten Rinnsale auf ihren Wangen wurden erneut geflutet. „Ich wollte nicht, dass du es erfährst, dass irgendjemand es erfährt!“ „Aber warum? Ja, ich kann verstehen, warum du nicht willst, dass andere es erfahren, aber ich?“ 

„Wie ich schon sagte, ist es ein furchtbarer Gedanke, dass du mich nicht mehr mit den gleichen Augen siehst. Außerdem schäme ich mich. Irgendwie.“ 

„Wieso?! Du kannst doch nichts für das, was passiert ist! Er ist krank!“ „Ja, schon. Aber weißt du noch, wie wir damals erst kurz zusammen waren und darüber gesprochen haben, dass Sex etwas sehr Privates ist?“ „Ja, das weiß ich noch.“ „Jeder, der davon erfährt, wird grob wissen, was er mit mir getan hat. Dass er mir eines der schlimmsten Dinge angetan hat, die man einer Frau antun kann! Dass er in den privatesten meiner Räume eingedrungen ist! Ich will nicht, dass irgendjemand weiß, dass ich gebettelt habe, dass er mich verschont oder wie ich um mein Leben gekämpft habe!“

Schluchzend umklammerte sie ihre Oberarme und wiegte leicht vor und zurück, als wollte sie sich physisch abschirmen und als Paddy den Arm um sie legen wollte, sprang sie tatsächlich auf und schüttelte ihn ab. „Gerade nicht, entschuldige bitte!“, bat sie und rannte durchs Zimmer, bis sie wild gestikulierend stehen blieb. „Sieh mich an! Er hat mich kaputt gemacht! Er hat sich nicht nur meinen Körper genommen, er hat komplett von mir Besitz ergriffen, denke ich manchmal! Er ist in fast all meinen Gedanken, egal was ich mache! Ich kann es nicht vergessen!“ 

Paddy war aufgestanden und war in seine Jeans geschlüpft. „Hast du mal über eine Therapie nachgedacht?“ 

Ihre Brauen waren zornig zusammengezogen und bildeten eine kleine senkrechte Falte auf ihrer Stirn. „Ja, aber da wird doch alles wieder aufgerissen! Womöglich gibt es Gruppensitzungen und dann soll ich allen davon erzählen?! Im Leben nicht!“ „Das ist schwer und macht dir Angst. Das sehe ich und ich verstehe es auch, aber irgendwie musst du es doch verarbeiten. Und vor Gericht wirst du auch darüber reden müssen!“

„Das weiß ich noch nicht.“ „Lass ihn doch nicht damit davonkommen!“ „Ich habe einfach Angst! Verstehst du das denn nicht! Ich hab eine gottverdammte scheiß Angst!“ Sie brüllte wütend und verzweifelt und ließ sich zitternd auf den Ohrensessel am Fenster nieder, als plötzlich die Tür aufging und Patricia im Raum stand. „Ist alles okay bei euch?“ Sie blickte von einem zum anderen und sah nicht, wie Mel Paddy ein kaum sichtbares Kopfschütteln auf sein fragendes Gesicht antwortete. 

„Ja, soweit ist uns nicht zu helfen, danke.“ Paddy lächelte sein professionelles Kameralächeln und Patricia erkannte es, akzeptierte es aber. „Okay, wenn ich irgendwas für euch tun kann, sagt mir bitte Bescheid!“ 

„Danke“, antwortete Mel und nickte ihr zum Abschied zu. 

„Ich kann deine Gründe ja verstehen, aber willst du es vor allen verheimlichen?! Das geht doch gar nicht! Wir wohnen hier doch dicht auf dicht!“ „Doch das geht! Im Moment ist nur alles noch recht frisch. Und ja, vielleicht ist genau das ein Problem.“ 

Er schob die Hände in die Hosentaschen und ging ein paar Schritte auf sie zu. „Was willst du damit sagen?“ 

Sie zuckte mit den Schultern. „Vielleicht wäre es an der Zeit hier auszuziehen.“ „Du kannst doch nicht schon wieder davonlaufen, um dich zu verstecken!“, seufzte er. 

„Ich dachte eher daran, dass wir beide ausziehen. Was ist, wenn das Baby nicht von dir ist? Die Leute werden Fragen stellen.“ „Das werden sie auch, wenn wir nicht hier wohnen. Und wie sollen die anderen wissen, dass es nicht meins ist?“ „Ach, sowas kommt doch eigentlich immer irgendwann raus. Blutgruppen, Zufälle, was weiß ich!“ „Ja oder durch die Verhandlung wegen der, naja, wegen der bereits laufenden Anzeige!“ „Vielleicht sollte ich die Anzeige zurückziehen!“ 

Paddy bekam große Augen. „Das ist doch jetzt nicht dein Ernst! Ja, es ist deine Sache und dein Körper, aber du kannst nicht von mir verlangen, dass ich die Idee gut finde! Egal, was du machst, ich werde bei allem an deiner Seite sein, aber du musst trotzdem damit leben, dass ich dir sage, wenn ich eine Idee wirklich dämlich finde und das tue ich hiermit! Ich geh einen Augenblick raus. Ich muss in Ruhe nachdenken und vielleicht tut es dir auch gut, einen Augenblick alleine mit deinen Gedanken zu sein.“ 

Er nahm seine schwarze Jacke und zog die Tür hinter sich zu. 

Verblüfft sah Mel ihm nach, versuchte aber nicht, ihn aufzuhalten. 


In der Küche nahm er sich noch einen Kaffee und ging mit dem Becher in der Hand in den Garten. Der Vormittag war klar und die Sonne schickte wärmende Strahlen zur Erde hinab. Eigentlich war das Wetter viel zu schön für die schlimmen Gedanken, die er zu verarbeiten hatte. 

 

Tina war in der Innenstadt unterwegs, als ihr Handy klingelte. Sie blieb vor einem großen Schaufenster stehen und zog es aus der Tasche. 

Paddy. 

Schon wieder. 

Oder doch wieder Mel?

Sie drückte den Anruf weg.

Doch noch bevor sie es weggesteckt hatte, klingelte es erneut und der selbe Name stand auf dem Display. Wieder drückte sie es weg, doch dieses Mal klingelte es nicht sofort wieder, stattdessen kündigte ein Piepton eine eingehende Nachricht von ihrer Mailbox an. 

„Bitte, Tina, geh ran. Es ist wichtig!“ Es war Paddys Stimme und dass es tatsächlich wichtig zu sein schien, konnte sie auch so an seiner Stimme hören. Noch während sie überlegte, ob sie zurückrufen sollte, klingelte es erneut. Dieses Mal nahm sie ab. 

„Hi Paddy“, begrüßte sie ihn förmlich. 

„Gott sei dank! Hallo Tina! Wie geht es dir?“ „Rufst du deshalb an?“ Immerhin hatte er gesagt, dass es wichtig war. Sie hörte ihn seufzen. „Nein, eigentlich nicht.“ „Also was ist los? Ist was mit Joey?“ 

Er seufzte erneut. „Nein, es geht um Mel.“ „Was ist passiert?“ 

Nun fing er an herumzudrucksen. Eigentlich hatte sie ausdrücklich gesagt, dass sie nicht wollte, dass irgendjemand davon erfuhr! Aber auf der anderen Seite hatte er das untrügliche Gefühl, dass sie ihre Freundin jetzt brauchte! Auch wenn sie sich vielleicht auseinandergelebt hatten, so war ihre Freundschaft doch so alt, dass man in einer Notsituation füreinander da sein sollte, oder? Auf der Feier hatten sie noch recht normal miteinander geredet, auch wenn es eher oberflächlich gewirkt hatte. Waren die beiden sich inzwischen wirklich komplett egal?

„Paddy? Was ist mit Mel? Wieso rufst du an?“, hakte sie ungeduldig nach. Immerhin war sie rangegangen, warum rückte er denn jetzt nicht mit der Sprache raus, sondern stahl hier ihre Zeit?!

„Kannst du kommen? Es geht ihr nicht gut. Ich denke, sie braucht dich.“ 

„Ach, Paddy, ich weiß nicht, ob ich da die Richtige bin. Sie hat doch Lea und euch alle.“ 

„Frank ist hier auf dem Gelände aufgetaucht. Mehr darf ich dir leider nicht sagen.“ 

„Okay, ich komme.“ 

„Danke, aber Tina…“ 

 „Ja?“ 

„Sie weiß nicht, dass ich dich angerufen habe und es kann sein, dass sie dich nicht mit offenen Armen empfängt. Aber das hat dann eher etwas mit mir zu tun als mit dir.“ 

„Alles klar. Wir sehen uns.“ 

Dann legte Tina auf. Wenn Frank da gewesen war und Paddy nicht mit der Sprache rausrückte, konnte das nichts Gutes zu bedeuten haben. Sie drehte um und nahm ein Taxi zum Hotel zurück. 

 

Tina war gerade dabei, ihre Sachen zu packen, als Jack die Tür öffnete. 

„Na, meine Hübsche…“, begann er, doch dann stutzte er. „Was machst du? Du willst mich doch nicht verlassen?“, scherzte er. „Ist alles in Ordnung?“ 

Irritiert starrte er auf den geöffneten Koffer, der auf dem Bett lag und bereits halb gefüllt war. Sein Aftershave kitzelte sie betörend in der Nase, als er neben ihr stehen blieb. Sie legte eine Hand auf seine Brust und streckte sich, um ihm einen Kuss zu geben. Dann blickte sie selbst wieder auf ihren Kram. „Ja. Ach und nein.“ „Du willst mich doch verlassen?“ Er runzelte die Stirn, während auf seinen Lippen ein verführerisches schiefes Lächeln lag. „Du sprichst in Rätseln, meine Süße!“, entgegnete er lachend und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. 

Seine Berührung machte sie nervös, was nicht zuletzt auch an seinen durchdringenden Augen lag, mit denen er sie gerade fixierte. Obwohl sie eigentlich noch mit dem Kopf in Gymnich gewesen war und ein unruhiges Gefühl sie in Besitz genommen hatte, brachten seine warmen braunen Augen sie fast zum schmelzen! Sie waren es auch gewesen, die das Eis gebrochen hatten und die sie immer wieder um den Finger wickeln konnten. 

„Tina?“ Schmunzelnd holte er sie aus ihren Gedanken. Er wusste genau um seine Wirkung auf sie. 

Sie riss kopfschüttelnd ihren Blick von ihm los. „Ich muss noch mal aufs Schloss.“ „Auf das Schloss, von dem ich dich neulich weggeholt habe?“ „Ja.“ „Auf das Schloss, wo du so froh warst, nie wieder hinzumüssen?“ „Jaha“, rief sie aus dem Bad und warf kurz darauf ihren Kulturbeutel zu ihren Klamotten. 

„Auf das Schloss, in dem dein Exfreund wohnt?“ 

Nun hielt sie für einen kurzen Moment inne. „Ja, das weißt du doch und das hat dich doch das letzte Mal auch nicht gestört.“  „Nein“, antwortete er ruhig. „Der kann es ja auch kaum mit mir aufnehmen.“ 

Tina hörte das Grinsen in seiner Stimme und spürte nur eine Sekunde später, wie Jack von hinten die Arme um sie legte und sie an sich zog. Durch sein Hemd konnte sie deutlich seinen gut definierten  Oberkörper fühlen, dessen Muskeln sich wohl proportioniert unter dem dünnen Stoff abbildeten. Auch seine Arme hatten genau die richtige Menge trainierter Muskeln. Zu viel war ihr zuwider. Sie sah ihn nie Sport machen, abgesehen von gelegentlichem Joggen. Das tat Joey aber auch, aber trotz dessen exzessiven Hang zum Sport, machte Jack eine deutlich bessere Figur. 

Sie hatte keine Ahnung, wie er das machte. Morgens stand sie in aller Herrgottsfrühe mit ihm auf, doch abends war sie in der Regel lange vor ihm im Bett. Zu Hause hatte er einen Fitnessraum, in dem sie ihn aber noch nie gesehen hatte und somit davon auszugehen war, dass er nachts nach Feierabend dort noch aktiv wurde. „Oder siehst du das anders?“ Er hauchte ihr einen Kuss auf den Nacken, dessen Gänsehaut sich angenehm ausbreitete. 

Sie hielt genüsslich ihre Augen geschlossen, doch seine Provokation konnte sie trotzdem nicht kommentarlos hinnehmen. „Joey ist ein prima Kerl.“

„Und deshalb willst du zu ihm zurück oder warum reist du gleich mit Sack und Pack?“ Er verteilte weiter sanfte Küsse auf ihrem Nacken, der sich unter dem Pferdeschwanz geradezu anbiederte. 

„Natürlich nicht. Außerdem hat er eine Neue.“ 

„Höre ich da etwa Eifersucht?“ Er drehte sie sanft zu sich herum und sie öffnete die Augen. „Höre ich sie etwa?“ Provokant lächelte sie und er zog ebenfalls grinsend ihre Lippen auf seine. Fordernd stupste seine Zunge sie an, so dass sie ihren Mund öffnete und sie ihr gerne Einlass gewährte. Leise stöhnte sie, ihre Augen inzwischen wieder geschlossen, doch sanft schob sie ihn wieder von sich. „Ja, ich muss wirklich los.“ 

„Ach schade“, seufzte er. „Mir fiele gerade so einiges ein, dass ich jetzt gerne machen würde.“ Tina wurde rot und zog unkommentiert den Reißverschluss zu, während er seine Krawatte abnahm und sein Hemd abstreifte. 

Er machte es ihr gerade nicht leicht, standhaft zu bleiben…

Doch dann griff er nach einem schwarzen T-Shirt, welches er sich in einer fließenden Bewegung über den Kopf streifte. Er tauschte noch seine Anzughose gegen eine Jeans und warf sich auf einen Sessel, der neben dem Bett stand. „Also verrätst du mir jetzt endlich, warum du alles mitnimmst?“ 

„Ich weiß nicht. Ich hab so ein Bauchgefühl, als wenn das länger dauert. Mel, du weißt, meine ehemals beste Freundin. Es geht ihr nicht gut. Paddy hat mich angerufen und gebeten, dass ich komme.“ 

„Und du solltest gleich dort einziehen?“ 

„Nein, aber du fährst morgen weiter und ich hab das Gefühl, dass das Problem sich morgen noch nicht erledigt haben wird.“ 

Neugierig betrachtete er sie. „Wieso ausgerechnet du?“ „Uns verbindet viel, auch wenn es vor allem die gemeinsame Vergangenheit ist. Wir waren sehr lange sehr gut befreundet. Sie ist mir nicht egal und wenn ich etwas tun kann, ihr zu helfen, dann mach ich das.“ 

Er richtete sich im Sessel auf, stützte seine Unterarme auf seine Oberschenkel und legte die Fingerspitzen aneinander, während er ihr aufmerksam zuhörte. 

„Was ist denn passiert?“ 

Doch sie zuckte die Achseln. „Ich weiß es nicht. Paddy hat nur Andeutungen gemacht. Es geht irgendwie um einen Typen aus ihrer Vergangenheit.“ „Ist er eifersüchtig und du sollst sie zur Vernunft bringen?“ 

Tina verschränkte die Arme und schüttelte den Kopf. „Nein, der Typ war eher eine Art Stalker. Aber was vorgefallen ist, weiß ich wie gesagt nicht.“ Sie richtete den Koffer auf, doch bevor sie ihn vom Bett heben konnte, stand Jack schon neben ihr. „Warte, ich mach das schon.“ Behände hob er das schwere Geschütz vom Bett und stellte es neben Tina ab. „Soll ich dich hinbringen?“ „Das ist wirklich lieb, aber nein, das ist nicht nötig. Ich nehme den Bus.“ 

Jack verdrehte seufzend die Augen und griff erneut nach ihrem Koffer. Sie war einfach unverbesserlich. Immerhin konnte er sich sicher sein, dass sie ihn nicht wegen seines Geldes wollte. Er schmunzelte. Da waren ganz andere Dinge, die sie an ihm mochte. 

„Was grinst du denn so?“, fragte Tina, während sie noch ihr Handy und anderen Kleinkram in ihre Umhängetasche stopfte. 

„Ach nichts“, antwortete er amüsiert und sie hörte, dass er bereits im Flur war. 

„Was machst du da eigentlich??“ Endlich hatte sie alles verstaut und folgte ihm. „Ich lasse dich nicht mit Bus dorthin fahren“, erklärte er ruhig und griff nach seiner Jacke. 

„Was spricht denn dagegen Bus zu fahren?“ „Zu vieles, um dir das zu erklären.“ 

Nun stöhnte Tina. „Du bist unmöglich. Ich werde nicht wieder mit dem Hubschrauber dort aufkreuzen!“ „Babe?“ „Ja?“ Sie verdrehte die Augen. Obwohl es ein bisschen niedlich war, hasste sie es, wenn er sie Babe nannte.

„Ich hab auch ein Auto.“ Er legte eine Hand an ihre Wange und gab ihr noch einen Kuss, bevor er den Schlüssel von der Anrichte nahm und die Tür öffnete. „Also gut“, seufzte sie, „wenn du unbedingt drauf bestehst.“ 

 

 

 

Paddy hörte noch kurz das Besetztzeichen, nachdem sie aufgelegt hatte und einen kurzen Augenblick lang fragte er sich, ob er das Richtige getan hatte. Aber früher war Tina Mels beste Freundin gewesen. Vielleicht konnte sie ihr irgendwie helfen?

„Da bist du ja! Dann spare ich mir ja den Weg nach oben!“ Kathy hielt ebenfalls eine Tasse Kaffee in der Hand und nippte daran. „Wollen wir uns gleich noch mal zusammensetzen?“

Geistesabwesend nickte er. „Ja, können wir.“ „Alles klar bei dir?“ „Ja, lass mich kurz austrinken, dann komm ich rein. Okay?“ 

„Ja sicher, bis gleich.“ 

In der anderen Hand hielt er nach wie vor sein Handy, in das er nun flink eine Nummer eintippte. 

„Hey Ingo!“ „Hallo Paddy! Was gibt‘s?“ „Ingo, es gibt ein Sicherheitsproblem. Jemand ist aufs Gelände gekommen.“ „Letzte Nacht?“ „Nein, das ist schon zwei Wochen her, aber ich habe auch erst jetzt davon erfahren.“ „Ein durchgeknallter Fan?“ „Leider nicht. Obwohl indirekt schon. Mel hat einen Stalker. Das Gelände muss besser gesichert werden. Mach die Schwachstellen ausfindig und leite in die Wege, was nötig ist.“ „Ich kümmere mich sofort darum.“ „Außerdem brauch ich jemanden, der auf Mel aufpasst. Hast du jemanden für uns, der gutes Geld verdienen will und quasi rund um die Uhr verfügbar ist?“ „Joa, da würde mir schon jemand einfallen. Er ist neu bei uns, aber ein zuverlässiger Mann.“ „Aber du traust ihm?“ „Sonst hätte ich ihn nicht eingestellt.“ „Klar.“ „Ich meld mich nachher, dann kann Mel schauen, ob sie mit ihm klarkommt.“ „Spitze! Bis später!“

 

 

 

Mel lag noch immer im Bett, obwohl es bereits früher Nachmittag war. Paddy war wütend gegangen und so stand das Frühstückstablett kaum berührt auf dem Nachtisch. Die Sonne lugte zwischen den schweren Vorhängen hindurch, während sie sich seufzend auf die andere Seite drehte. Sie war ratlos. Am liebsten würde sie einfach hier im Bett liegen bleiben. Für immer. Sie zog die Decke bis zu den Ohren hoch, als es plötzlich klopfte. 

„Ja?“, antwortete sie und und wandte sich dem Geräusch zu. Langsam öffnete sich Tür und ein Kopf mit einem lockigen blonden Pferdeschwanz guckte um die Ecke. „Hey Kleine.“ 

„Hallo Tina“, sagte Mel leise und sie konnte nicht sagen warum, aber plötzlich standen Tränen in ihren Augen. Sie hatten sich nur gut zwei Wochen nicht gesehen und doch war es, als würde seit langer Zeit wieder ihre alte Freundin vor ihr stehen. 

Sie setzte sich auf, während Tina die Tür hinter sich zuzog und ungefragt auf ihrer Bettkante Platz nahm. Skeptisch musterte sie Mel. „Du hast schon mal besser ausgesehen.“ 

Sie nickte schulterzuckend. „Was machst du hier?“ „Dich besuchen?“ „Du bist meinetwegen hergekommen?“ „Aber sicher.“

Mel verdrehte die tränenüberlaufenen Augen. „Paddy?“ „Natürlich.“ Dann breitete sie die Arme aus und Mel fiel ihr um den Hals. Sie waren nie die großen Kuschler gewesen, doch im Moment war es richtig und beide fühlten es. 

„Es ist schön dich zu sehen!“, flüsterte Mel, während ihr Kopf an Tinas Schulter lag. Statt etwas zu erwidern, streichelte sie kurz über Mels Rücken und schielte Richtung Nachtschrank. „Ist da noch Kaffee in der Kanne?“ 

Mel zuckte die Achseln und entließ Tina aus der Umarmung. „Keine Ahnung, ob Paddy noch was übrig gelassen hat. Ich würde aber davon ausgehen. Schau einfach nach.“ 

Paddy hatte und Tina nahm sich Mels ungenutzte Tasse und füllte sich etwas ein. Er war sogar noch warm. Dann setzte sie sich ans Fußende, schlürfte an dem Kaffee und sah Mel über den Rand der Tasse hinweg an. 

„Was hat Paddy erzählt?“ „Nicht viel. Eigentlich nur, dass es dir nicht gut geht und ob ich kommen kann und dass es was mit… Frank zu tun hat.“

Sie merkte, wie Mel bei der Nennung seines Namens zusammengezuckt war. „Was ist passiert?“, hakte sie vorsichtig nach, woraufhin ihre Freundin den Blick abwandte und begann, die Bettdecke zu kneten. 

Ihre Atmung beschleunigte sich und sie begann wiederholt zu schlucken, obwohl sie nichts im Mund hatte. „Mir wird schon schlecht, wenn ich nur an ihn denke“, brachte sie gepresst hervor und kämpfte tatsächlich offensichtlich damit, sich nicht zu erbrechen. Kleine Schweißtropfen traten auf ihre Stirn. 

Tina legte ihre Hand auf Mels. „Ganz ruhig. Erzähl, wenn du soweit bist oder auch gar nicht. Ich dräng dich zu nichts.“
Mel versuchte, sich auf die warmen Sonnenstrahlen zu konzentrieren, die durch die Ritzen der Vorhänge  fielen und auf die Stimmen der ersten Vögel, die den Frühling ankündigten, die durch das offene Fenster zu ihnen hereindrangen. Sie probierte alles, um aus ihrem Kopf in die Gegenwart zurückzukommen und möglichst sachlich zu erzählen. Schließlich öffnete sie die Augen wieder und wich Tinas Blick aus. 

„Er…“ Sie holte noch einmal tief Luft. „Du weißt, dass ich ihm drei Mal entkommen bin.“ 

Tina nickte, und stellte ihre Tasse beiseite. „Ja.“ Ihr Gesicht spannte sich an, als Mel weitersprach. 

„Dieses Mal nicht“, erklärte sie stockend und die Bilder erschienen sofort wieder vor ihrem inneren Auge und trieben ihr instant wieder die Tränen in die Augen. Wortlos nahm Tina sie wieder in den Arm und wartete, bis ihr Schluchzen nachließ. 

„Kann ich irgendwas für dich tun?“ „Du bist hier. Du glaubst gar nicht, wie gut mir das tut!“ 

„Paddy weiß es offensichtlich. Und er weiß anscheinend ja auch, was passiert ist?“ 

Mel nickte. „Ja, aber auch erst seit gestern.“ 

„Was heißt das? Wann ist es passiert?“ 

„An dem Tag, an dem du weggefahren bist. Oder eher geflogen.“ 

Tina presste die Lippen aufeinander. Vielleicht wäre es ja gar nicht dazu gekommen, wenn sie hier geblieben wäre, aber das konnte ja niemand ahnen und ließ sich nun auch nicht mehr ändern. 

„Und die anderen?“ 

„Nein, niemand.“ „Auch nicht Lea?“ 

Mel schüttelte den Kopf. „Nein, auch nicht.“ 

Tina wirkte erleichtert. Irgendwie hatte sie der Gedanke gewurmt, dass sie vielleicht einfach ersetzt worden war. Aber dass Paddy sie angerufen hatte, sprach Bände, wenn man es genauer betrachtete. Immerhin war Lea vor Ort, wie sie bei ihrer Ankunft festgestellt hatte. 

„Und es ist hier auf dem Gelände passiert?“ „Ja“, antwortete Mel und schnappte nach Luft. Plötzlich konnte sie die Übelkeit nicht mehr unter Kontrolle halten, so sprang sie auf und rannte ins Bad. Kurz darauf kam sie zurück und setzte sich wieder unter die Decke. 

„Geht´s?“, fragte Tina besorgt. Mel nickte. 

„Erbrichst du dich im Moment häufiger?“, hakte sie vorsichtig nach. 

Mel atmete tief durch. „Häufiger als sonst.“ 

Fragend zog Tina eine Augenbraue hoch, während Mel verzweifelt zur Decke blickte. 

„Tina, ich bin schwanger.“ 

Fast ungläubig riss sie die Augen auf, gefolgt von einer Vorahnung. „Nein! Seit wann?“ „Ganz frisch“, erklärte sie und wieder begann, ihr Kinn zu zittern. Das alles saß so tief, dass sie froh war, es zwischenzeitlich mal verdrängen zu können. Doch gerade prasselte alles auf sie ein und die Tränen zogen neue salzige Bahnen über ihre Wangen. 

„Das heißt…“, fing Tina an, aber sie musste den Satz nicht vollenden, denn Mels Kopfnicken signalisierte erneut Zustimmung. 

„Oh Scheiße!“ „Das kannst laut sagen!“ „Er hat kein…also nichts…benutzt? Auch wenn er somit Spuren hinterlässt?!“ „Nein, hat er nicht.“ „Puh“, stieß Tina leise aus und lehnte sich neben Mel an das Kopfende. Sie wusste, dass die beiden sich wieder ein Baby gewünscht hatten, aber wie weit konnte dieser Wunsch gehen? Vorsichtig sah sie wieder zu Mel. „Willst du sein Kind bekommen?“

Mels Gesicht nahm einen verkniffenen Ausdruck an. „Wir wissen nicht, ob es seins ist. Paddy kommt auch in Frage.“ „Lasst ihr es drauf ankommen?“ 

Mel zuckte die Achseln. „Wenn es nach Paddy geht, ja.“ „Aber du bist dir nicht sicher?“ „Die Gründe dafür muss ich dir bestimmt nicht erklären.“ „Natürlich nicht.“ 

Mel schwieg einen Augenblick, bevor sie weitersprach. „Ich denke, Paddy hat immens Angst, dass es sein Kind sein könnte, das dann eventuell sterben würde.“ „Das kann man ja verstehen, aber denkt er auch an dich? Wie es dir dabei geht, vielleicht das Kind dieses Mannes auszutragen, der dir sowas angetan hat?“ 

Gedankenverloren nickte Mel. „Ja, er denkt an mich. Er ist wirklich unglaublich! Er hält zu mir, egal wie ich mich entscheiden sollte, was sehr beeindruckend ist, wenn man bedenkt, wie seine Einstellung zum Thema Abtreibung ist. Außerdem ist er der Meinung, dass es mein Baby sein wird, unabhängig davon, wer der Vater ist.“ 

„Ich hoffe, du kannst das auch so sehen, wenn sich herausstellen sollte, dass Frank der Vater ist.“

„Das hoffe ich auch. Aber ein wenig Zeit habe ich noch zum Überlegen.“ Dann blickte sie wieder auf. „Apropos Zeit…wie lange bleibst du?“ „Jack, fliegt morgen wieder.“ „Oh, schade.“ „Aber ich bleibe hier, solange du mich brauchst. Wenn du das möchtest.“ „Ja! Danke.“ 

 


Paddy und Kathy hatten eine Weile zusammengesessen, als es klopfte. Nach einem freundlichen „herein“ öffnete sich die Tür und Ingo stand vor ihnen. 

„Was machst du denn hier?“, rief Kathy überrascht aber nicht unerfreut und stand auf, um ihn zur Begrüßung zu umarmen. Ingo öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber Paddy warf ihm einen eindringlichen Blick zu, wobei er betont unauffällig den Kopf schüttelte. 

„Ach, ich wollte mich nur mal mit Paddy unterhalten. Stör ich euch?“ 

„Nein, alles gut, wird sind gerade fertig. Naja zumindest für den Moment oder hattest du noch was auf der Agenda?“ Sie drehte sich zu ihrem Bruder um, der daraufhin ganz offen den Kopf schüttelte und zum Abschied die Hand hob. 

Irritiert sah Ingo Paddy an, während er sich einen Stuhl heranzog. 

„Kaffee?“ „Gern“, antwortete Ingo und musterte ihn. „Kann es sein, dass sie nicht Bescheid weiß?“ „Ja“, stimmte Paddy zu und stellte den dampfenden Becher vor ihm auf den Tisch. 

„Was ist passiert? Weiß man, wie er aufs Gelände gekommen ist?“ „Nein, leider nicht.“ „Und was ist passiert?“, wiederholte er seine Frage. 

Paddy presste die Kiefer aufeinander. „Mel will nicht, dass es jemand erfährt.“ Ingo sah ihn forschend an. „So schlimm?“ „Ja, schlimmer geht kaum.“ „Oh.“ „Ja“, nickte Paddy. „Ich kann mich auf dich verlassen?“ „Selbstverständlich!“ „Gut. Also hast du jemanden im Sinn?“ 

Ingo schürzte die Lippen. „Ja, schon. Es stellt sich aber die Frage, ob ein Mann für Mel noch in Ordnung ist.“ „Ganz ehrlich, ich weiß es nicht.“ „Aber sie weiß, dass sie persönlich unter Personenschutz gestellt werden soll?“ „Ja, das weiß sie und es gab auch keine Einwände.“ 

„Das ist schon mal gut. Prozentual sind die meisten Personenschützer immer noch männlich. Dementsprechend wird sie das nicht überraschen.“ Ingo leerte seinen Becher und stellte ihn geräuschvoll auf den Tisch. „Paddy, ich hab jemanden dabei, er wartet im Auto. Du kannst ihn dir gleich mal anschauen und ggf stellen wir ihn Mel vor.“ „Wer ist es?“ „Sky heißt er oder vielmehr wird er so genannt.“ „Nie gehört.“ „Nein, bei euch war er nie im Einsatz. Einer meiner besten Männer.“ „Das klingt gut.“

„Ich würde eher sagen, ich rede mal mit Mel und dann würde ich sie mitbringen, wenn das in ihrem Sinne ist. Okay?“ „So machen wir das.“  Er hatte sich schon halb erhoben, als er sich wieder auf die Sitzfläche fallen ließ. „Aber sag mal, wenn sie nicht will, dass jemand davon erfährt, wie willst du den anderen erklären, dass sie einen eigenen Bodyguard bekommt?“ 

Paddy blähte die Backen. „Tja, so richtig weiß ich das auch noch nicht“, gab er zu. 

„Und die zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen? Das bleibt doch nicht unbemerkt“, ergänzte Ingo nachdenklich. 

Paddy sprang auf und rannte aufgebracht durchs Zimmer. „Ach Scheiße, Mann! Ich weiß doch auch nicht! Ich hab erst gestern davon erfahren.“  Er blieb vor dem Fenster stehen und sah hinaus in den Park. Tränen traten in seine Augen. Wut über diese Hilflosigkeit ergriff Besitz von ihm. Das Fenster zeigte sogar in die Richtung, wo sie Mel gefunden hatten, wo es geschehen war. Die Erkenntnis, dass sie alle zu blind gewesen waren, zu erkennen, was passiert war! Er hatte noch genau vor Augen, in welchem Zustand sie gewesen war. Es brach ihm das Herz, dass er sie damit alleine gelassen hatte! Er wollte sie so gerne beschützt wissen, aber wie sollte das gehen, wenn sie nicht wollte, dass jemand etwas davon erfuhr? Und wie musste es ihr beim Anblick des Geländes gehen, wenn es ihm schon so schwer fiel. 

Ingo war schweigend aufgestanden und an ihn herangetreten. „Sprich mit ihr. Ich kann auch hier warten.“

Paddy nickte. „Ich geh nach oben, aber hol ihn, wie hieß er…ach ja, Sky schon mal. Dann ist es kein Gesichtsloser, von dem wir sprechen.“ 

                                                                                                     

Wenige Minuten später betrat Paddy sein Schlafzimmer. Irgendwie war er nicht überrascht davon, dass Mel im Bett lag. Doch erstaunt zog er die Brauen hoch, als er Tina entdeckte. Er blickte zu Mel, die sich gerade Tränen vom Gesicht wischte und dann wieder zu Tina, die aufgestanden war und die er nun ohne Vorwarnung in seine Arme schloss. „Danke, dass du so schnell gekommen bist!“ „Ist doch klar“, erwiderte sie und ließ ihn rasch wieder los. 

„Mel, kann ich dich kurz unter vier Augen sprechen?“ „Von mir aus, kann Tina bleiben, dann muss ich nicht alles doppelt erzählen.“ Aber Tina schüttelte den Kopf. „Macht das zunächst unter euch aus. Ich gucke so lange, wo ich hier pennen kann.“ „Frag doch Joey…“, begann Mel und brach sofort wieder ab. „Sorry, das war blöd von mir.“ 

Tina schnaubte spöttisch. „Glaubst du im Ernst, bei Joey wäre noch Platz für mich?!“ „Ich weiß es nicht“, antwortete Mel ehrlich. Tinas Blick ging weiter zu Paddy, dieser zuckte die Achseln. 

Tina seufzte leise. „Mel, ich bin deinetwegen hier, nicht seinetwegen. Ehrlich gesagt hoffe ich, dass ein Wunder geschieht und ich ihm nicht begegne.“ Sie nahm ihren Rollkoffer und verschwand durch die Tür, ohne sich noch einmal umzusehen. 

Paddy setzte sich neben Mel auf die Bettkante und sah sie eindringlich an. 

„Was ist los?“, fragte sie gerade heraus. 

„Ich habe dir gesagt, dass ich möchte, dass du unter Personenschutz gestellt wirst.“ „Ja, ich weiß.“ Sie klang nicht begeistert. „Und?“ „Und Ingo ist jetzt da. Möchtest du … nein, lass es mich anders formulieren und sagen, ich möchte, dass du mit mir jetzt runtergehst zu ihm und Sky.“ „Sky?“ Mel runzelte die Stirn. 

„Sky ist derjenige, den Ingo dir gerne zur Seite stellen würde.“ „Hm, okay.“ Mel schluckte. „Wie ist der denn so?“ „Ich weiß es leider noch nicht. Komm, lass es uns gemeinsam herausfinden.“ Er streckte ihr die Hand entgegen, welche sie zaghaft ergriff. „Und wenn er mir nicht gefällt? Also wenn er mir unsympathisch ist?“ „Dann suchen wir jemand anderen.“ „Okay.“ 

Es kam ihm vor, als würde sie immer langsamer werden, je weiter sie die Treppe nach unten stiegen, doch schließlich kamen sie doch an. „Bereit?“ Mel nickte und er öffnete die Tür. Ingo begrüßte Mel herzlich aber distanziert. 

Paddy hatte was gesagt, ganz eindeutig. Sie presste gestresst die Kiefer aufeinander. 

Dann trat Ingo zur Seite. „Darf ich vorstellen? Das ist Sky. Einer meiner besten Männer derzeit.“   

Paddy schluckte hörbar, dann klappte ihm die Kinnlade herunter. Das hatte er jetzt nicht erwartet. 

„Hi,  I`m Sky!“, stellte sich sein Gegenüber vor und lächelte freundlich. Paddy streckte die Hand aus und erwiderte die angebotene Begrüßung. „Hi, I`m Paddy. Nice to meet you.“ Dann wanderte sein Blick skeptisch zu Mel, doch diese erwiderte ebenfalls sehr zugewandt den Gruß und betrachtete den jungen Mann Ende 20, dessen dunkelbraune Haare zwar kurz waren, aber lang genug, um wuschelig zu sein. Er war größer als Paddy, vielleicht knapp 1,85m, und sah sehr sportlich aus.  

Es war unmöglich zu ignorieren, wie attraktiv der Mann war und es wunderte Paddy fast, warum er als Personenschützer arbeitete und nicht als Model oder ähnliches selbst jemanden brauchte. Doch obwohl Mel sehr freundlich auf ihn reagiert, waren ihre Augen trübe, wie Paddy traurig feststellte. Wo war das Feuer in ihnen geblieben? Warum es weg war, wusste er, doch ob es für immer verschwunden war oder doch irgendwo noch in ihr steckte, würde sie wahrscheinlich nicht einmal selbst beantworten können. 

„Wollen wir reingehen?“, fragte Paddy und blickte in die Runde. Seine Augen blieben an seiner Frau hängen, bis sie nickte, dann ging er vor und alle anderen folgten ihm in die Küche. Es gab eine professionelle Großküche, aber sie hatten sich beim Einzug auch eine normale und „gemütliche“ Küche einrichten lassen. Dort nahmen sie nun an einem Tresen, der Küche und Esstisch trennte, Platz. 

Sky sah sich um und hatte schon seit dem sie auf das Gelände gefahren waren, alles beeindruckt betrachtet. „Ihr habt das ja ganz schön herrschaftlich hier.“ „Ja, danke“, erwiderte Paddy und schenkte alle Kaffee ein. „Jemand Milch dazu?“ Alle schüttelten den Kopf, nur Mel stellte er ein Extraglas frischer Milch neben die Tasse. 

„So und um dich gehts?“, ergriff Sky erneut das Wort und sein Blick fiel auf Mel, welche nickte. „Ja, genau.“ 

„Werden die Fans - darf ich ‚du‘ sagen - zu übergriffig?“ „Ja, so in etwa.“ Sie lächelte, doch es war nicht echt, was nur Paddy erkannte, aber er schwieg. „Und ja, gerne ‚du‘“, fügte sie noch hinzu. 

„Alles klar. Das gilt auch für mich.“ „Gut, das macht es leichter.“ Sie lächelte weiter höflich und Paddy konnte ihre Zurückhaltung spüren, doch er konnte nicht mit Sicherheit erkennen, worin sie begründet war. War es der Mann, der sie verunsicherte oder die Tatsache, dass er ein Mann war?

Er wischte diese Gedanken beiseite und sie besprachen alles Nötige, bevor sich die beiden für heute verabschiedeten und Mel und Paddy wieder in ihren Bereich gingen. 

„Und?“, fragte Paddy vorsichtig, nachdem er die Tür geschlossen hatte. Mel ging zügig Richtung Badezimmer. „Sorry, mir ist schlecht. Ich glaube, der Kaffee war keine gute Idee.“ 

Sie lehnte die Tür hinter sich an und entledigte sich selbigem wieder. Als Paddy das Wasser im Waschbecken laufen hörte, schob er die Tür vorsichtig wieder auf und reichte ihr ein Handtuch, als sie sich ihr Gesicht gewaschen und den Mund ausgespült hatte. „Geht’s?“, hakte er nach und sie nickte. „Bei Merlin war es doch auch schon so. Wobei ich da immer Übelkeit hatte und nur selten etwas herauskam. Ich weiß nicht, was schlimmer ist.“ Sie rang sich mühsam ein Lächeln ab und warf das Handtuch in den Wäschekorb. 

„Vielleicht hat dein Magen auch geübt, es rauszulassen“, sagte Paddy vorsichtig. 

„Möglich“, erwiderte sie kurz und wandte sich ab. 

Paddy folgte ihr, als sie hinausging. „Und was sagst du zu Sky?“ 

Sie zuckte die Achseln. „Keine Ahnung. Er ist ganz nett, finde ich. Wie gut er ist, kann ich natürlich noch nicht beurteilen.“ „Nein, das ist klar. Aber Ingo hat eine sehr hohe Meinung von ihm.“ Er saugte jede ihrer Bewegungen in sich auf, jede kleinste Änderung ihrer Mimik nahm er zur Kenntnis, während er sprach. 

„Was denkst du von ihm?“, fragte sie, setzte sich aufs Bett und kroch unter die Decke. 

„Ich finde ihn auch sympathisch.“ 

Mel runzelte die Stirn, während sie sich ein Glas Wasser einschenkte. „Ja“, entgegnete sie wenig enthusiastisch. 

„Findest du nicht?“ Ungläubig zog auch er die Stirn in Falten. 

Sie nahm einen Schluck Wasser, bevor sie antwortete. „Ja, mag sein.“ 

„Mel, es gibt noch ein Problem“, begann er zaghaft und sie hörte sofort seinen ernsten Tonfall und reagiert misstrauisch. „Was für eins? Was ist passiert?“

„Ja, genau das. Genau das werden sich die anderen fragen, wenn sie mitbekommen - und das werden sie - dass die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt wurden und du einen eigenen Bodyguard bekommst. Was soll ich ihnen sagen?“ 

Mel machte dicke Backen. „Ich weiß es nicht“, gab sie zu und verstummte wieder. 

Paddy sah sie an. „Bei allem Respekt aber ich werde nicht lügen, wenn mich jemand fragt.“ 

Angst schattierte zunehmend ihr Gesicht. „Du kannst mir doch nicht in den Rücken fallen!“ „Das will ich auch nicht! Ich möchte nur, dass du dir eine Lösung überlegst. Ich weiß ehrlich gesagt keine.“ 

Sie wandte ihm den Rücken zu und er sah, wie ihre Schultern zu zucken begannen. Langsam streckte er den Arm aus und legte die Hand auf ihre Schulter. „Hey…“ Doch sie reagierte nicht. Nur ein leises Schluchzen war zu hören. 

„Es tut mir leid, wenn ich was Falsches gesagt habe.“ Er rückte ein Stück näher und legte den Arm locker um ihre Schulter. 

„Paddy, ich schaff es mit Mühe und Not, aus dem Bett zu kommen und den anderen vorzuspielen, dass alles in Ordnung sei, kostet unfassbar viel Kraft!“ Sie machte eine kurze Pause, als ihre Erinnerung sie einholte. „Die Schwester im Krankenhaus hat mich gewarnt und sie hatte recht, als sie sagte, dass es schwer werden würde. Am liebsten…“ „Ja?“ „Am liebsten würde ich…“ Sie verstummte erneut. 

Er kannte den Blick in ihren Augen. „Am liebsten würdest du wieder abhauen?“ 

Sie biss sich auf die Unterlippe. Natürlich spielte sie unentwegt mit dem Gedanken. Es auszusprechen oder gar zuzugeben, war etwas völlig anderes! Doch sie nickte schulterzuckend. „Was soll ich denn machen? Ich kann einfach nicht aus meiner Haut!“ „Ja, genau das ist das Problem. Auch wenn du davon läufst, du kannst nicht aus deiner Haut! Du kannst das, was geschehen ist, nicht einfach hinter dir lassen! Es ist dein Körper, dem das angetan wurde und deiner Seele! Egal, wo du hingehst, es wird dich immer verfolgen! Es sei denn, du tust etwas dagegen.“ 

Stille Tränen liefen über ihre Wangen. „Was soll ich denn dagegen tun? Du weißt nicht, wie sich das anfühlt!“ „Nein, das weiß ich nicht. Aber du kennst die Antwort. Sprich mit jemandem, der sich damit auskennt.“ Er reichte ihr ein Taschentuch, mit dem sie sich die Nase putzte, als es klopfte. „Nein!“, rief Paddy, ehe die Tür geöffnet wurde. 

„Ich bin es“, hörte man Tinas Stimme. 

„Komm rein“, rief er über seine Schulter, dann wandte er sich wieder Mel zu. „Mach eine Therapie, lerne damit umzugehen. Ich bin immer für dich da, aber ich kann dir trotzdem nicht die Hilfe geben, die du jetzt brauchst!“

Tina kam rein, schloss die Tür hinter sich und blieb zunächst dort schweigend stehen. 

Paddy stand auf und vergrub die Hände in den Hosentaschen. „Und zeig ihn an! Lass ihn nicht damit durchkommen!“ „Aber du hast nicht erlebt, wie er mir gedroht hat! Der meint es ernst!“ „Ich weiß, aber je mehr er aufgebrummt bekommt, umso länger wird er aus dem Verkehr gezogen!“ 

Dann ging er zum Schrank und zog sich seinen beigen Kapuzi über. „Es tut mir leid, aber ich muss los ins Studio. Die anderen warten schon.“ 

Er ging zu ihr und gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn. „Bis später.“ 

Er nickte Tina zu, als er ging. „Bis nachher. Schön, dass du da bist.“

Sie nickte zurück und ihr Blick folgte ihm, bis er die Tür hinter sich geschlossen hatte, dann drehte er sich wieder zu Mel. „Du hast ihn nicht angezeigt?“ 

Mel hatte sich ans Kopfende gelehnt und die Beine angewinkelt. Nun schlang sie ihre Arme um ihre Beine und legte den Kopf auf die Knie. Sie machte sich klein, wollte instinktiv möglichst wenig Angriffsfläche bieten, auch wenn das natürlich keine Auswirkungen hatte. „Nein, hab ich nicht. Nicht direkt. Es war Polizei im Krankenhaus und ich habe Anzeige gegen unbekannt erstattet.“ „Du kannst es also jederzeit nachholen? Beweise wurden gesichert?“ „Ja und ja, rein theoretisch sollte ich das können.“ Sie atmete tief ein und versuchte, die aufsteigende Angst aus ihrem Bauch wegzuatmen, als sie die Luft wieder ausstieß. „Ich möchte eigentlich jetzt nicht darüber reden.“ „Worüber willst du denn reden?“ 

Mel zuckt mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“ „Was wollte Paddy eben?“ „Ich hab jetzt einen eigenen Bodyguard.“ „Aha, einen aus Ingos Truppe? Kenn ich den?“ Mel schüttelte den Kopf. „Ja, aber ich denke nicht. Ich hatte ihn bisher zumindest noch nie gesehen.“ „Bist du ihm schon begegnet? Wie ist er so?“ „Ich weiß nicht. Jung, nett.“ „Und was meinen die anderen dazu? Ich dachte, die wissen nicht, was passiert ist. Wundern die sich nicht?“ „Ich glaube, die wissen noch nichts. Paddy hat mich auch schon deswegen bedrängt.“ „Ich vermute, es wird ihnen auffallen…“ 

 


Kommentare: 5
  • #5

    Pw (Freitag, 29 Juli 2022 12:26)


    Hallo Kathrin,
    Vielen Dank für dein Feedback. Ja ich glaube, wie man damit umgeht, weiß man erst, wenn man in der Situation steckt. Es ist glaube ich sehr schwer. Das Kind kann nichts dafür, aber nur, weil der Kopf das weiß, heißt das nicht, dass die Mutter Probleme hat, vielleicht ihre Gefühle in den Griff zu bekommen. Aber vielleicht geht das auch. Es ist unfassbar schwierig, denke ich.
    Ich freue mich über dein Feedback! Mach dir wegen der Fehler keine Gedanken. Ich hatte gehofft, mit der Farbänderung auch das Problem bei den Kommentaren gelöst zu haben, aber da muss ich mich wohl noch mal ransetzen.
    Liebe Grüße Pw

  • #4

    Kathrin (Freitag, 29 Juli 2022 11:52)

    Sorry für die Fehler, sehe vorher nicht was ich schreibe �

  • #3

    Kathrin (Freitag, 29 Juli 2022 11:51)

    Ich kann mich in Mel nicht hineinversetzen, aber ich finde ein Baby kann nichts dafür wi e gezeugt wurde. Im Endeffekt ist e jedem seine Entscheidung, bin elber auch gegen Abtreibung.
    Lassen wir uns mal überraschen

  • #2

    Pw (Mittwoch, 20 Juli 2022 20:49)

    Hallo Kathrin! Vielen Dank für dein Feedback! Ja, das wollen wir hoffen! Wenn sie überhaupt bereit ist, dieses Risiko einzugehen. Liebe Grüße Pw

  • #1

    Kathrin (Mittwoch, 20 Juli 2022 19:17)

    Hallo
    Ich hoffe das Baby ist von Paddy und nicht von diesem Widerling